Urteil des ArbG Krefeld vom 28.01.2010

ArbG Krefeld (kündigung, kläger, kaufmännischer angestellter, abfindung, arbeitnehmer, betriebsübergang, zeitpunkt, akte, bag, verhältnis zwischen)

Arbeitsgericht Krefeld, 1 Ca 2930/09
Datum:
28.01.2010
Gericht:
Arbeitsgericht Krefeld
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 Ca 2930/09
Schlagworte:
Wiedereinstellungsanspruch Kündigung gemäß § 1 a KSchG und
Betriebsübergang
Normen:
§ 1a KSchG § 613a BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Akzeptiert ein Arbeitnehmer die ihm gegenüber nach § 1a KSchG
ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung, erhebt hiergegen
innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG keine Kündigungsschutzklage
und erhält dementsprechend die sich aus dem Gesetz ergebende
Abfindung, so steht ihm kein Wiedereinstellungsanspruch zu, falls der
Kündigungsgrund nachträglich wegfällt und es zu einem
Betreiebsübergang kommt. 2. Nimmt der Arbeitnehmer dann gleichwohl
den angeblichen Betriebserwerber auf Wiedereinstellung in Anspruch,
ist diese Klage unbegründet, führt allerdings nicht dazu, dass der
Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG nachträglich wieder erlischt.
Tenor:
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.Streitwert: 11.499,63 €.
4.Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über den Wiedereinstellungsanspruch infolge eines von dem
Kläger behaupteten Betriebsübergangs.
2
Der Kläger, 43 Jahre alt und ledig, war seit dem 17.05.1993 bei der P. T.
3
F. GmbH, vormals P. F. F. GmbH O., als kaufmännischer Angestellter im Customer
Support sowie seit dem 01.06.2005 zusätzlich als Systemadministrator gegen ein
durchschnittliches monatliches Bruttoentgelt in Höhe von zuletzt 4..833,21 € beschäftigt.
Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der schriftliche Arbeitsvertrag vom 07.05.1993
(Blatt . ff. der Akte) in Verbindung mit der „Job Description“ vom 29.09.2006 (Blatt ff. der
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Akte).
Mit Schreiben vom 23.03.2009 (Blatt 25 f. der Akte) kündigte die P. T. F. GmbH das
Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ordentlich fristgerecht zum 30.09.2009. In dem
Kündigungsschreiben heißt es auszugsweise wörtlich wie folgt:
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„Sehr geehrter Herr T.,
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7
wie wir Ihnen bereits mitgeteilt haben, hat die Geschäftsleitung auf entsprechende
Weisung aus K. die unternehmerische Entscheidung getroffen, die P. T. F. GmbH
spätestens zum 30. Juni 2009 zu liquidieren.
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Aus diesem Grund sind wir gezwungen, alle 22 Arbeitsplätze in unserem Betrieb in
O. schnellstmöglich abzubauen. Auch Ihr Arbeitsplatz wird aufgrund der Liquidation
endgültig wegfallen. Als Konsequenz sehen wir uns leider gezwungen, Ihr
Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Gründen fristgemäß zum
nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen. Das ist der 30. September 2009.
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Sofern Sie diese Kündigung akzeptieren und die Klagefrist gemäß § 4 KSchG
verstreichen lassen, können Sie eine Abfindung in Höhe von Euro 24.952 brutto
beanspruchen (16 Monatsverdienste). Die Höhe der Abfindung beträgt 0,5
Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens Ihres Arbeitsverhältnisses, wobei
bei der Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses nach § 1a Abs. 3. Satz 3.
KSchG nur der Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr
aufzurunden ist. …“
10
Der Kläger erhob keine Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 23.03.2009
und erhielt dementsprechend im September 2009 die Abfindung in Höhe von 24.952,00
€ brutto ausgezahlt (Blatt der Akte).
11
Mit Schreiben vom 30.09.2009 wandte sich der Kläger an die Beklagte, die S. T. GmbH
mit Sitz in X., und machte wegen eines von ihm behaupteten Betriebsübergangs seinen
Anspruch auf „Weiterbeschäftigung“ geltend (Blatt f. der Akte). Die Beklagte lehnte den
„geltend gemachten Wiedereinstellungsanspruch“ mit Schreiben vom 16.10.2009 ab
(Blatt f. der Akte).
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Mit seiner am 21.10.2009 beim Arbeitsgericht Krefeld. eingegangenen Klage verfolgt der
Kläger den Anspruch auf Wiedereinstellung gerichtlich weiter. Er ist der Ansicht, die
Beklagte habe den Betrieb der P. T. F. GmbH vollständig übernommen und sei daher
verpflichtet, ihn mit Wirkung zum 01.10.2009 wieder einzustellen. Er behauptet, bereits
am 25.02.2009 sei ein Schreiben an die Kunden der P. T. F. GmbH gerichtet worden, in
dem mitgeteilt worden sei, die beiden Firmen seien darin übereingekommen, die
aktuellen P. T. Sales Operations auf die Beklagte übergehen zu lassen. Zum damaligen
Zeitpunkt habe man den „Übergang“ noch zum 31.03.2009 geplant (Blatt der Akte). Im
Juli sei den Kunden dann mitgeteilt worden, dass ab dem 01.07.2009 die Beklagte die
Verantwortung für den technischen Support und die Werbung für P. Produkte in der
Region Europa, Mittlerer Osten und Afrika übernehmen werde (Blatt der Akte). Nachdem
schon am 26.02.2009 ein Treffen zwischen den Geschäftsführern der P. T. F. GmbH und
der Beklagten stattgefunden habe, in welchem der „Business Transfer“ zur Beklagten
13
sowie die Konsequenzen für die Arbeitsverhältnisse besprochen worden seien, seien in
der Folgezeit nach Ausspruch der Kündigungen insgesamt sieben Mitarbeiter der P. T.
F. GmbH zur Beklagten gewechselt. Diese habe ohne Unterbrechung die Tätigkeit der
P. T. F. GmbH bei Übernahme der Kundschaft im Wesentlichen identisch fortgeführt und
damit den Betrieb vollständig übernommen. Um P.-Produkte zu vermarkten, sei
vorwiegend das entsprechende technische Know-How notwendig, das bei der
Beklagten nicht vorhanden gewesen sei. Um dieses Know-How zu erhalten, habe die
Beklagte die komplette Product-Management-Abteilung der P. T. F. GmbH
übernommen.
Gleiches gelte für den Bereich Qualitätssicherung, wo der einzige zuständige
Mitarbeiter, Herr H., übernommen worden sei. Der Kläger ist schließlich der Ansicht,
dass Verstreichenlassen der Klagefrist gegen die Kündigung vom 23.03.2009 und die
Entgegennahme der Abfindung hinderten ihn nicht, den Wiedereinstellungsanspruch
wegen des von ihm behaupteten Betriebsübergangs gegenüber der Beklagten geltend
zu machen. Hier liege weder ein treuwidriges Verhalten noch ein Verzicht auf
weitergehende Ansprüche gegenüber einem Betriebserwerber vor.
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Der Kläger beantragt,
15
die Beklagte zu verurteilen, sein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages als
kaufmännischer Angestellter im Customer Support und Systemadministrator zu den
Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 07.05.1993 mit der P. T. F. GmbH in der
zuletzt geltenden Fassung mit Wirkung zum 01.10.2009 anzunehmen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
18
Sie ist der Ansicht, es liege weder ein Betriebsübergang vor noch könne der Kläger
selbst bei einem unterstellten Betriebsübergang erfolgreich einen
Wiedereinstellungsanspruch geltend machen. Denn er habe die Klagefrist gegen die
Kündigung vom 23.03.2009 verstreichen lassen und die in dem Kündigungsschreiben in
Aussicht gestellte Abfindung nach § 1a KSchG entgegengenommen. Damit sei zum
einen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 23.03.2009
bestandskräftig, zum anderen sei es treuwidrig, wenn der Kläger trotz Abfindung seines
sozialen Besitzstandes nunmehr gleichwohl den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses
gegenüber der Beklagten als angeblicher Betriebserwerberin geltend mache. Darüber
hinaus bestreitet sie, den Betrieb und die betriebliche Tätigkeit der P. T. F. GmbH
übernommen und im Wesentlichen unverändert fortgeführt zu haben. Sie habe auch
keine Mitarbeiter übernommen, sondern lediglich sechs ehemalige Mitarbeiter der P. T.
F. GmbH neu und mit geändertem Aufgabengebiet eingestellt. Der Kläger differenziere
in seinem Sachvortrag nicht hinreichend zwischen den Vorgängen im K. bei den
Muttergesellschaften und den vermeintlichen Vorgängen in Deutschland. So sei
lediglich zutreffend, dass in K. die Firma S. Corporation Limited von der Firma P. F. J.
Corporation Limited den Geschäftsbereich T. Division gekauft habe. Nach dem Kauf sei
dieser Bereich in P. T. Corporation Limited umbenannt worden. Nach Übernahme und
Neugründung der P. T. Corporation Limited durch die S. Corporation Limited in K. sei
auch in Europa ein Namenswechsel der P.-Gesellschaft von P. F. F. GmbH in P. T. F.
GmbH erfolgt. Die Beklagte habe mit der P. F. F. GmbH O. und auch mit der P. T. F.
GmbH weder Verträge abgeschlossen noch Betriebsmittel oder Aktiva übernommen.
19
Auch das von dem Kläger zur Akte gereichte Schreiben vom 25.02.2009 betreffe nicht
die Beklagte, sondern die Mutterfirmen in K.. Zudem sei für die Beklagte nicht
erkennbar, ob und an welche Kunden die von dem Kläger zitierten Schreiben versandt
worden sein sollten. Soweit von der Beklagten sog. „P.-Produkte“ angeboten würden,
geschehe dies auf Anweisung des japanischen S.-Konzerns. Von diesem erhalte die
Beklagte die Informationen zu potenziellen Kunden und Absatzmöglichkeiten.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze beider
Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 28.01.2010 Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe
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I.Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch
auf Wiedereinstellung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein
Betriebsübergang von der P. T. F. GmbH auf die Beklagte stattgefunden hat. Selbst
wenn dies der Fall wäre, erwiese sich die Klage aus mehreren Gründen als
unschlüssig. Eine Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten
Wiedereinstellungsanspruch ist nicht ersichtlich.
22
1.Der Sachvortrag des Klägers erweist sich zunächst schon deshalb als
unschlüssig zur Begründung eines Wiedereinstellungsanspruchs, weil der Kläger
sich nicht eindeutig festgelegt hat auf den Zeitpunkt des angeblichen
Betriebsübergangs und darauf, ab wann dieser greifbare Formen angenommen
haben soll. Denn ein Wiedereinstellungsanspruch kommt von vornherein nur dann
in Betracht, wenn sich eine Kündigung als wirksam erweist, weil die ihr zugrunde
liegende Prognose zum Zeitpunkt der Kündigung den Wegfall des
Beschäftigungsbedürfnisses für den Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des
Kündigungstermins erwarten lässt und der Kündigungsgrund auch bereits greifbare
Formen angenommen hat. Die Kündigung muss also sozial gerechtfertigt im Sinne
von § 1 Abs. 3. KSchG sein. Lediglich dann, wenn sich die der (betriebsbedingten)
Kündigung zugrunde liegende Vorstellung des Arbeitgebers über die
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nachträglich als unzutreffend erweist, weil sich
zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist
unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ergibt, kommt ein
Wiedereinstellungsanspruch in Betracht (vgl. BAG vom 25.10.2007 - 8 AZR
989/06, AP Nr. 3. zu § 613a BGB Wiedereinstellung).
23
War hingegen bereits zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht etwa die
vollständige und endgültige Betriebsstilllegung, sondern ein Betriebsübergang
geplant, erweist sich bereits die Kündigung als nicht sozial gerechtfertigt im Sinne
von § 1 Abs. 3. KSchG. Ein Wiedereinstellungsanspruch scheidet in diesem Falle
aus.
24
Akzeptiert allerdings in dieser Konstellation ein Arbeitnehmer die Kündigung,
indem er keine Kündigungsschutzklage innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG
erhebt, tritt die Rechtsfolge des § 7 KSchG ein. Die Kündigung ist kraft gesetzlicher
Fiktion wirksam. Ein Wiedereinstellungsanspruch bleibt weiterhin von vornherein
ausgeschlossen, da bereits seine tatbestandlichen Voraussetzungen nicht
vorliegen (nachträgliche Veränderung der Umstände).
25
Der Kläger hat sich mit seinem Sachvortrag nicht festgelegt, wann der von ihm
behauptete Betriebsübergang stattgefunden haben soll und wann er geplant
worden sein soll. Indem er mehrfach darauf verweist, dass bereits im Februar, also
noch vor Ausspruch der Kündigung der P. T. F. GmbH Schreiben an die Kunden
versandt worden seien und ein Gespräch zwischen den Geschäftsführern der
betroffenen Gesellschaften mit dem Ziel eines „Business Transfer“ auf die Beklagte
stattgefunden habe, behauptet er, dass bereits zum Zeitpunkt der Kündigung im
März 2009 nicht etwa die vollständige Stilllegung des Betriebes der P. T. F. GmbH
beabsichtigt war, sondern der Übergang des Betriebs auf die Beklagte. Dann wäre
jedoch die Kündigung vom 23.03.2009 nicht sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1
Abs. 3. KSchG gewesen, sondern unwirksam. Denn die Betriebsstilllegung und ein
beabsichtigter Betriebsübergang schließen sich systematisch aus (BAG vom
25.06.2009 - 8 AZR 258/08, NZA 2009, 1412 ff.; BAG vom 13.06.2006 - 8 AZR
271/05, AP Nr. 305 zu § 613a BGB).
26
Da der Kläger schon nicht schlüssig argumentiert hat, dass die einen
Betriebsübergang ausmachenden Umstände erst unvorhergesehen nachträglich
nach Ausspruch der Kündigung eingetreten sind, bleibt nach seinem eigenen
Sachvortrag kein Raum für die erfolgreiche Geltendmachung eines
Wiedereinstellungsanspruchs. Der Kläger hätte die Kündigung vom 23.03.2009
angreifen müssen, was er jedoch bewusst im Hinblick auf das Angebot nach § 1a
KSchG unterlassen hat.
27
2.Selbst wenn man ohne entsprechenden Sachvortrag des Klägers hier
unterstellen wollte, dass zum Zeitpunkt der Kündigung der P. T. F. GmbH
tatsächlich keine Betriebsveräußerung, sondern allein die Stilllegung beabsichtigt
war und sich erst nachträglich ein Betriebsübergang auf die Beklagte ereignet hat,
stünde dem Kläger gleichwohl auch dann ein Wiedereinstellungsanspruch gegen
die Beklagte nicht zu. Denn er hat ebenso wie die P. T. F. GmbH von § 1a KSchG
Gebrauch gemacht und die Kündigung vom 23.03.2009 nicht gerichtlich
angegriffen mit der Folge, dass ihm im September 2009 die Abfindung in Höhe von
24.952,00 € brutto ausgezahlt wurde. Bei einem solchen Sachverhalt besteht
selbst dann kein Wiedereinstellungsanspruch des gekündigten Arbeitnehmers,
wenn sich tatsächlich nachträglich unvorhergesehen ein Betriebsübergang
ergeben sollte.
28
Der Wiedereinstellungsanspruch ist gesetzlich nicht geregelt. Seine Notwendigkeit
wird von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der ihr folgenden
Literatur daraus hergeleitet, dass für die Beurteilung der Wirksamkeit einer
Kündigung der Zeitpunkt ihres Zugangs maßgebend ist und eine danach wirksame
Kündigung auch dann wirksam bleibt, wenn der Kündigungsgrund bis zur oder
nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegfällt. Die Verlagerung des
Prüfungszeitpunktes vom Ende des Arbeitsverhältnisses auf den Zugang der
Kündigung sei aus Gründen der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit geboten,
könne aber eine Korrektur bei nachträglicher Änderung der maßgeblichen
Umstände gebieten. Bei einer generellen Ablehnung eines
Wiedereinstellungsanspruchs würde das durch Artikel 12 Abs. 1 GG geschützte
Recht des Arbeitnehmers, seinen Arbeitsplatz nicht grundlos zu verlieren,
ausgehöhlt. Dementsprechend leitet das Bundesarbeitsgericht den
Wiedereinstellungsanspruch vornehmlich aus den Vorgaben des
Kündigungsschutzgesetzes und der staatlichen Schutzpflicht des Artikel 12 Abs. 1
29
GG ab. Daneben wird eine vertragliche Nebenpflicht zum erneuten Abschluss
eines Arbeitsvertrages (§ 242 BGB) in diesen Fällen als Anspruchsgrundlage
genannt, mit der die Pflicht, auf die berechtigten Interessen des Vertragspartners
Rücksicht zu nehmen, konkretisiert werde (BAG vom 25.10.2007 - 8 AZR 989/06,
AP Nr. 3. zu § 613a BGB Wiedereinstellung; BAG vom 28.06.2000 - 7 AZR 904/98,
RdA 2001, 243, 246; KR/Griebeling, 9. Auflage, § 1 KSchG Rn. 729 m.w.N.).
Diese Begründung des Wiedereinstellungsanspruchs und insbesondere die bei
der Abwägung mit dem Grundrecht des Arbeitnehmers aus Artikel 12 Abs. 1 GG zu
berücksichtigende allgemeine Vertragsfreiheit des Unternehmers aus Artikel 3.
Abs. 1 GG gebietet eine differenzierende Betrachtung in den Fällen, in denen
berechtigte Interessen des in Anspruch genommen Unternehmers der
Wiedereinstellung entgegenstehen (BAG vom 28.06.2000 - 7 AZR 904/98, RdA
2001, 243, 246).
30
So hat das Bundesarbeitsgericht für den Fall, dass ein Arbeitnehmer zur Beilegung
des Streits über die Wirksamkeit der Kündigung mit dem Arbeitgeber eine
Abfindungsvereinbarung schließt, angenommen, dass mit dieser ein etwaiger
Wiedereinstellungsanspruch konkludent und wirksam ausgeschlossen sei. Das
wird zum einen mit der Auslegung der Vereinbarung begründet. Vereinbarten die
Arbeitsvertragsparteien einen angemessenen wirtschaftlichen Ausgleich für den
Verlust des mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen Besitzstandes, so brächten sie
damit regelmäßig zugleich zum Ausdruck, das Arbeitsverhältnis nicht im Anschluss
an seine Beendigung zu unveränderten Bedingungen fortsetzen zu wollen. Zum
anderen führt das Bundesarbeitsgericht als weiteren Grund für den Ausschluss des
Wiedereinstellungsanspruchs an, dass jedenfalls in einem solchen Fall die
Interessenwahrungspflicht des Arbeitgebers regelmäßig auch bei nachträglicher
Änderung des bei Ausspruch der Kündigung zugrunde gelegten Sachverhalts nicht
den Abschluss eines Fortsetzungsvertrags gebiete (BAG vom 28.06.2000 - 7 AZR
904/98, RdA 2001, 243, 247).
31
Die Interessenlage ist keine andere als die im vorliegenden Fall, in dem nicht eine
ausdrückliche Abfindungsvereinbarung zwischen den ehemaligen
Vertragsparteien abgeschlossen wurde, sondern eine Kündigung nach § 1a
KSchG ausgesprochen wurde, gegen die von dem Arbeitnehmer keine Klage
eingereicht worden ist mit der Folge, dass der gesetzlich geregelte
Abfindungsanspruch entstanden ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die
Vorgehensweise nach § 1a KSchG nicht ohnehin bereits zu einer
rechtsgeschäftlichen Einigung der Parteien im Sinne einer
Abfindungsvereinbarung führt, sodass der Fall schon von daher identisch mit dem
von dem Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 28.06.2000 entschiedenen
Fall wäre (vgl. zum Streitstand insoweit KR/Spilger, 9. Auflage, § 1a KSchG Rn 34
ff. m.w.N.). Selbst wenn man annähme, in dem bloßen Verstreichenlassen der
Klagefrist durch den Arbeitnehmer könne keine Willenserklärung gesehen werden,
so dass eine rechtsgeschäftliche Einigung auf einen Abfindungsvergleich nicht
zustande gekommen ist, sondern allein durch die Erklärung des Arbeitgebers und
das Unterlassen des Mitarbeiters als „Realakt“ eine gesetzliche Rechtsfolge
ausgelöst wurde, ist gleichwohl die Ausgangs- und Interessenlage mit der des
ausdrücklichen Abschlusses einer Abfindungsvereinbarung vergleichbar.
32
Durch die Vorgehensweise nach § 1a KSchG ist zwischen den ehemaligen
33
Vertragsparteien P. T. F. GmbH und dem Kläger ein angemessener Ausgleich für
den Verlust des Arbeitsplatzes durch Zahlung der von dem Gesetzgeber als
angemessen erachteten Abfindung (Ansatz 0,5) erzielt worden. Wenn dann nach
dem Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung auch tatsächlich an den
Arbeitnehmer ausgezahlt wird, ist seinem durch das Grundgesetz verbürgten
Recht, den Arbeitsplatz nicht grundlos zu verlieren, Genüge getan. Er hat für den
Verlust dieses Arbeitsplatzes eine angemessene Entschädigung erhalten. Die
verfassungsrechtlich begründete Notwendigkeit für einen
Wiedereinstellungsanspruch bei nachträglich geänderten Umständen greift in
diesem Falle nicht mehr. Vielmehr stellt sich nunmehr im Rahmen der Abwägung
mit dem Grundrecht sowohl der P. T. F. GmbH als auch der Beklagten auf negative
Vertragsfreiheit und damit darauf, selbst und frei entscheiden zu können, mit wem
sie welchen (Arbeits-)Vertrag abschließen, letzteres als gewichtiger dar. Die
Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen, die im Rahmen des § 242
BGB als gesetzlichem Anknüpfungspunkt und Grundlage des
Wiedereinstellungsanspruchs vorzunehmen ist, führt hier dazu, dass selbst bei
Annahme eines nachträglich unvorhergesehen eingetretenen Betriebsübergangs
ein Wiedereinstellungsanspruch nicht mehr geltend gemacht werden kann. Die
Notwendigkeit hierfür ist infolge der an den Arbeitnehmer geflossenen Abfindung
nach § 1a KSchG nicht mehr gegeben (ebenso HWK/Quecke, 4.. Auflage,
§ 1a KSchG Rn. 17; wohl auch KR/Spilger, 9. Auflage, § 1a KSchG Rn. 117).
Die Gegenansicht von Kortstock (NZA 2007, 297, 300) überzeugt demgegenüber
nicht. Dass der Arbeitnehmer bei der Vorgehensweise nach § 1a KSchG keine
Willenserklärung abgebe und daher keine identische Situation wie bei der von dem
Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fallkonstellation des Abfindungsvergleichs
gegeben sei, mag zwar zutreffen. Die Fälle sind gleichwohl aber vergleichbar und
aufgrund gleicher Interessenlage auch gleich zu behandeln. Dementsprechend gilt
bei der Vorgehensweise nach § 1a KSchG ebenso wie beim ausdrücklichen
Abschluss einer Abfindungsvereinbarung, dass die Notwendigkeit und damit die
Grundvoraussetzung für den Wiedereinstellungsanspruch dann nicht gegeben ist,
wenn die Aufgabe des sozialen Besitzstandes des Arbeitnehmers durch Zahlung
einer angemessenen Abfindung, die in beiden Fällen im Übrigen ja auch nicht
gegen seinen Willen erfolgt ist und erfolgen könnte, hinreichend kompensiert wird
(vgl. BAG vom 28.06.2000 - 7 AZR 904/98, RdA 2001, 243, 247).
34
Ferner weist Kortstock zwar zutreffend darauf hin, dass der Arbeitnehmer im Falle
einer nach Ablauf der Klagefrist erhobenen Kündigungsschutzklage unabhängig
davon, ob die Voraussetzungen des § 5 KSchG vorliegen, in jedem Falle den
Abfindungsanspruch verliert, ohne dass jedoch bereits die nachträglich erhobene
Klage von vornherein unzulässig wäre. Das hat jedoch mit dem hier geltend
gemachten Wiedereinstellungsanspruch gegenüber dem angeblichen
Betriebserwerber nichts zu tun. Denn zum einen handelt es sich hierbei nicht um
eine Klage nach § 4 Satz 1 KSchG auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis
durch die Kündigung nicht beendet worden ist. Zum anderen ist die Klage nicht
gegenüber dem Kündigenden, sondern gegenüber dem angeblichen
Betriebserwerber erhoben worden. Dementsprechend geht es hier auch nicht
darum, ob der Kläger die erhaltene Abfindung wieder zurück zahlen muss. Das
muss er nach Ansicht des Gerichts nicht (a.A. aber Rolfs in Schwerpunkt-
Kommentar Arbeitsrecht, § 1a KSchG Rn. 44 m.w.N.). Denn im Verhältnis zwischen
dem Kläger und der kündigenden P. T. F. GmbH liegt eine einwandfrei
35
gesetzeskonforme Vorgehensweise nach § 1a KSchG vor. Die P. T. F. GmbH hat
gekündigt und die Kündigung mit „dringenden betrieblichen Erfordernissen“
begründet sowie unter Hinweis auf § 1a KSchG eine Abfindung für den Fall des
Verstreichenlassens der Klagefrist angeboten. Der Kläger hat hierauf in der Weise
reagiert, dass er keine Kündigungsschutzklage erhoben hat, weshalb die
Abfindungszahlung im September 2009 völlig zu Recht erfolgt ist. Die Abfindung
kann weder von der P. T. F. GmbH zurückgefordert werden noch ist allein deshalb
ein Rücktrittsrecht oder ein Wegfall der Geschäftsgrundlage gegeben, weil von
dem Kläger nunmehr im Verhältnis zu der Beklagten ein
Wiedereinstellungsanspruch geltend gemacht wird.
Durch die Vorgehensweise nach § 1a KSchG ist eine angemessene Kompensation
für den Verlust des Arbeitsplatzes bei dem Kläger erfolgt, weshalb die
Voraussetzungen für die Annahme eines Wiedereinstellungsanspruchs in seinem
Fall selbst dann nicht vorlägen, wenn die Beklagte tatsächlich den Betrieb der P. T.
F. GmbH nachträglich übernommen hätte. Hätte der Kläger sich solche Rechte
offen- und vorbehalten wollen, hätte er innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG
Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung der P. T. F. GmbH erheben müssen.
Dann hätte er zum einen überprüfen lassen können, ob nicht schon die Kündigung
aufgrund eines beabsichtigten Betriebsübergangs unwirksam war (siehe I.1). Zum
anderen hätte ihm mangels angemessener Kompensation für die Aufgabe des
Arbeitsplatzes selbst bei einem Unterliegen in dem Kündigungsschutzverfahren bei
einem unvorhergesehenen nachträglichen Wegfall des Kündigungsgrundes dann
der Wiedereinstellungsanspruch zugestanden. Denn dann wäre eine Schutzlücke
festzustellen, die das Bundesarbeitsgericht unter Rückgriff auf Artikel 12 Abs. 1 GG
über die Begründung eines Wiedereinstellungsanspruchs schließt. Im
vorliegenden Fall besteht diese Schutzlücke jedoch ebensowenig wie im Falle
eines ausdrücklich zustande gekommenen, hinsichtlich der Höhe angemessenen
Abfindungsvergleichs, für den das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden hat,
dass dort kein Wiedereinstellungsanspruch begründet ist (BAG vom 28.06.2000 - 7
AZR 904/98, RdA 2001, 243 ff).
36
II.Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 3. ArbGG, 91 ZPO.
37
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 3. ArbGG, 4. ff. ZPO, 42
Abs. 4. GKG (drei Durchschnittsgehälter).
38
Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf § 64 Abs. 3. lit. a,
Abs. 3a ArbGG. Die Berufung wurde hier, obwohl sie ohnehin bereits nach § 64
Abs. 3. lit. c zulässig ist, zusätzlich noch gemäß § 64 Abs. 4. Ziffer 1 ArbGG
zugelassen, da der Rechtssache im Hinblick auf die streitige und bislang erkennbar
höchstrichterlich noch nicht entschiedene Frage des Umfangs des
Wiedereinstellungsanspruchs grundsätzliche Bedeutung zukommt.
39
Rechtsmittelbelehrung
40
Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
41
B e r u f u n g
42
eingelegt werden.
43
Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
44
Die Berufung muss
45
innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
46
beim Landesarbeitsgericht E., Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 E., Fax: 0211 7770 2199
eingegangen sein.
47
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
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Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
49
1.Rechtsanwälte,
50
2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder
Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
51
3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer
der in Nr. 3. bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser
Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit
vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die
Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
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Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
53
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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KleinAusgefertigt
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(Schwabe)
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Regierungsbeschäftigte als
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Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
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