Urteil des ArbG Krefeld vom 16.01.2008

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Arbeitsgericht Krefeld, 3 Ca 2574/07
Datum:
16.01.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Krefeld
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 Ca 2574/07
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger rückwirkend ab dem 01.08.2006
ein Festgehalt nach der Entgeltgruppe IV (Leitender Oberarzt) der
Tarifverträge für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern
im Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-
Ärzte/VKA) zu bezahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Streitwert: 18.000,-- €
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.
2
Der 61jährige Kläger, Facharzt für Kinderchirurgie, ist seit dem 01.10.1989 bei der
Beklagten, einem kommunalen Krankenhausträger, auf der Grundlage eines
Dienstvertrages sowie einer Zusatzvereinbarung vom 24.08.1989 tätig. Ziffer 1 und 3
des Dienstvertrages lauten:
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1. Allgemeines
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Herr Dr. N. C. wird ab 1.10.1989 als Angestellter eingestellt und zum Leiter der
Abteilung für Kinderchirurgie der Chirurgischen Klink bestellt. Die für die Dauer der
Wahrnehmung dieser Aufgabe gestattete Funktionsbezeichnung „Abteilungsarzt“
entspricht nicht der Stellung des Abteilungsarztes im Sinne des Krankenhausgesetzes
NW.
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3. Stellung des Abteilungsarztes.
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Der Abteilungsarzt ist für die medizinische Versorgung der Kranken der Abteilung für
Kinderchirurgie ausschließlich zuständig und verantwortlich, in Diagnostik und Therapie
unabhängig und nur dem Gesetz verpflichtet. Im Übrigen ist er an die Weisungen des
Krankenhausträgers, der Betriebsleitung und des Leiters der Chirurgischen Klinik
gebunden. Insbesondere hat er die Rechte und Pflichten des Leiters der Chirurgischen
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Klinik, der Leiter der anderen chirurgischen Abteilungen sowie Kliniken und Institute zu
beachten.
Dem Kläger werden im Zusatzvertrag private Liquidationsrechte eingeräumt. Ziffer 7 des
Vertrages sieht die Mitwirkung des Klägers in Personalangelegenheiten vor, unter
anderem bei personellen Angelegenheiten des Oberarztes seiner Abteilung.
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In Ziffer 11 des Vertrages vereinbarten die Parteien für die Tätigkeit im dienstlichen
Aufgabenbereich eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe I BAT, mit der sämtliche
Mehr-, Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sowie Rufbereitschaft und
Bereitschaftsdienst abgegolten sein soll.
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Nach dem Wortlaut des Tarifvertrages sind in dieser Vergütungsgruppe „Ärzte in
Anstalten und Heimen gemäß SR 2a, die als ständige Vertreter des leitenden Arztes
durch ausdrückliche Anordnung bestellt sind, wenn dem leitenden Arzt mindestens
neun Ärzte ständig unterstellt sind“ eingruppiert.
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Ziffer 13 des Vertrages verweist „im Übrigen“ auf die Geltung des BAT und die diesen
ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge.
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Dem Kläger waren und sind drei Ärzte in seiner Abteilung unterstellt.
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Bei Einstellung des Klägers war die Kinderchirurgie neben der Unfall- und der
Gefäßchirurgie eine von drei Abteilungen der Chirurgischen Klinik. Nach dem
Ausscheiden des damaligen Leiters der Chirurgischen Klinik wurden die Abteilungen
Unfall- und Gefäßchirurgie sukzessive in eigene Kliniken umgewandelt, denen jeweils
ein so genannter Klinikdirektor vorsteht.
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Am 17.08.2007 schloss der Marburger Bund mit der Vereinigung der kommunalen
Arbeitgeberverbände den Tarifvertrag TV-Ärzte/VKA ab.
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Nach dessen § 1 Abs.2 sind vom Geltungsbereich Chefärzte nicht erfasst, „wenn deren
Arbeitsbedingungen einzelvertraglich vereinbart worden sind oder werden“.
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In den §§ 15, 16 sieht er für die Eingruppierung folgende Regelung vor:
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§ 15 Allgemeine Eingruppierungsregelungen
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(1)Die Eingruppierung der Ärztinnen und Ärzte richtet sich nach den
Tätigkeitsmerkmalen des § 16. Die Ärztin/Der Arzt erhält Entgelt nach der
Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist.
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(2)Die Ärztin/ Der Arzt ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen
die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht.
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Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer
Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für
sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrer
Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Kann die Erfüllung einer Anforderung
in der Regel erst bei der Betrachtung mehrer Arbeitsvorgänge festgestellt werden, sind
diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit
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zusammen zu beurteilen. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine
Voraussetzung in der Person des Angestellten bestimmt, muss auch diese Anforderung
erfüllt sein.
Protokollerklärungen zu § 15 Abs. 2
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1. Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten),
die, bezogen auf den Aufgabenkreis der Ärztin/ des Arztes, zu einem bei natürlicher
Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z.B. Erstellung eines EKG). Jeder
einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der
Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden.
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2. Eine Anforderung im Sinne des Unterabsatzes 2 ist auch das in einem
Tätigkeitsmerkmal geforderte Herausheben der Tätigkeit aus einer niedrigeren
Vergütungsgruppe.
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(3)Die Entgeltgruppe der Ärztin/ des Arztes ist im Arbeitsvertrag anzugeben.
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§ 16 Eingruppierung
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Ärztinnen und Ärzte sind wie folgt eingruppiert:
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a)Entgeltgruppe I
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Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit
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b)Entgeltgruppe II
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Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit
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Protokollerklärung zu Buchst. b)
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Fachärztin/Facharzt ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, die/der aufgrund
abgeschlossener Facharztweiterbildung in ihrem/seinem Fachgebiet tätig ist.
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c)Entgeltgruppe II Oberärztin/Oberarzt
33
Protokollerklärung zu Buchst. c)
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Oberärztin/Oberarzt ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt der/e. die medizinische
Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung
vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.
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d)Entgeltgruppe IV
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Leitende Oberärztin/Leitender Oberarzt, ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, der/e. die
ständige Vertretung der leitenden Ärztin/des leitenden Arztes (Chefärztin/Chefarzt) vom
Arbeitgeber ausdrücklich beantragt worden ist.
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Protokollerklärung zu Buchst. d)
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Leitende Oberärztin/Leitender Oberarzt, ist nur diejenige Ärztin/derjenige Arzt, die/der
die leitende Ärztin/den leitenden Arzt in der Gesamtheit ihrer/seiner Dienstaufgaben
vertritt. Das Tätigkeitsmerkmal kann daher innerhalb einer Klinik in der Regel nur von
einer Ärztin/einem Arzt erfüllt werden.
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In dem Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an kommunalen
Krankenhäusern in den TV-Ärzte/VKA und zur Regelung des Übergangsrechts vom
17.08.2006 haben die Tarifvertragsvertragsparteien unter anderem Folgendes
ausgeführt:
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§ 1 Geltungsbereich
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(1)Dieser Tarifvertrag gilt für Ärztinnen und Ärzte sowie Zahnärztinnen und Zahnärzte,
deren Arbeitsverhältnis zu einem tarifgebundenen Arbeitgeber, der Mitglied eines
Mitgliedsverbandes der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeber (VKA) ist, über den
31.Juli 2006 hinaus fortbesteht, und die am 01. August 2006 unter den Geltungsbereich
des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern (VKA)
fallen, für die Dauer des ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsverhältnisses. ...
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§ 2 Ablösung bisheriger Tarifverträge durch den TV-Ärzte/VKA
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(1)Der TV-Ärzte/VKA ersetzt in Verbindung mit diesem Tarifvertrag bei tarifgebundenen
Arbeitgebern, die Mitglied eines Mitgliedverbandes der VKA sind, den
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-Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TvöD) und den Besonderen Teil L., Pflege- und
Betreuungseinrichtungen (BT-K) jeweils vom 13. September 2005.
45
-Bundes-Angestellentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961.
46
-Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) vom
10. Dezember 1990,
47
-
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sowie die diese Tarifverträge ergänzenden Tarifverträge der VKA, soweit in diesem
Tarifvertrag oder im TV-Ärzte/VKA nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Die
Ersetzung erfolgt mit Wirkung vom 1. August 2006, soweit kein abweichender Termin
bestimmt ist.
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(2)Die von den Marburger Bund Landesverbänden oder mit Vollmacht für diese mit den
Mitgliedverbänden der VKA abgeschlossenen Tarifverträge sind durch diese
Tarifvertragsparteien hinsichtlich ihrer Weitergeltung zu prüfen und bei Bedarf bis zum
31. Dezember 2007 an den TV-Ärzte/VKA anzupassen. Die Tarifvertragsparteien nach
Satz 1 können diese Frist verlängern. Das Recht zur Kündigung der in Satz 1 genannten
Tarifverträge bleibt unberührt.
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§ 3 Überleitung in den TV-Ärzte/VKA
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Die von § 1 Abs. 1 erfassten Ärztinnen und Ärzte werden am 1. August 2006 gemäß den
nachfolgenden Regelungen aus e. TVöD und den BT-K bzw. BAT/BAT-O in den TV-
Ärzte/VKA übergeleitet.
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Protokollerklärung zu § 3:
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Änderungen des TVöD und des BT-K (TVöD-K) nach e. 31. Juli 2006 bleiben bei der
Überleitung unberücksichtigt.
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Der Kläger wurde mit Schreiben der Beklagten vom 18.05.2007 in die Entgeltgruppe III
des TV-Ärzte/VKA eingruppiert. Mit Schreiben vom 31.05.2007 widersprach der Kläger
und machte seinerseits die Eingruppierung in die Entgeltgruppe IV geltend.
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Der Kläger ist der Ansicht, dass er nach Funktion und Aufgabenbereich erkennbar als
Chefarzt und damit als außertariflicher Angestellter anzusehen sei. Die Vereinbarung
der Parteien, dem Kläger ein Gehalt nach der höchsten Vergütungsgruppe des BAT zu
zahlen, werde durch den erfolgten Tarifwechsel nicht aufgehoben. Vielmehr sei die
Beklagte verpflichtet, den Kläger nunmehr nach der höchsten Tarifgruppe des TV
Ärzte/VKA zu vergüten, also nach Entgeltgruppe IV.
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Der Kläger beantragt:
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Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger rückwirkend ab dem 01.08.2006 ein Festgehalt
nach der Entgeltgruppe IV (Leitender Oberarzt) des Tarifvertrages für Ärztinnen und
Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der Kommunalen
Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Argumentation des Klägers widersprüchlich
sei. Entweder sei der Kläger außertariflicher Angestellter. Dann könne er keine
Vergütung nach einer bestimmten Tarifgruppe verlangen. Oder er falle unter den
Anwendungsbereich des Tarifvertrages. Dann müsse er auch die Tatbestandsmerkmale
der Entgeltgruppe IV des TV-Ärzte/VKA erfüllen, was ersichtlich nicht der Fall sei. Aus
dem Umstand, dass die Beklagte den Kläger jahrelang nach der unzutreffenden
Vergütungsgruppe I BAT vergütet habe, könne der Kläger keinen Anspruch auf
übertarifliche Bezahlung herleiten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen
Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe :
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Die Klage ist begründet.
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Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger ab dem 01.08.2006 Vergütung aus der
Vergütungsgruppe IV des TV-Ärzte/VKA zu zahlen.
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Denn die Auslegung des Arbeitsvertrages vom 24.08.1989 ergibt, dass sich die
Beklagte verpflichtet hat, den Kläger nach der höchsten Entgeltstufe des Tarifvertrages
zu vergüten, an den sie gebunden ist. Das ist, seitdem der BAT durch den TV Ärzte/VKA
ersetzt worden ist, dessen Entgeltgruppe IV.
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In Ziffer 7 des Arbeitsvertrages einigten sich die Parteien auf eine Vergütung nach der
Vergütungsgruppe I BAT.
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Dass in dieser Abrede lediglich die deklaratorische Vereinbarung einer Vergütung „nach
Tarif“ liegen sollte, ist ausgeschlossen.
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Im Grundsatz gilt zwar, dass die Bezeichnung der Vergütungsgruppe in einem
Arbeitsvertrag oder in einer Eingruppierungsmitteilung nicht dahingehend auszulegen
ist, dass dem Angestellten ein eigenständiger, von den tariflichen Bestimmungen
unabhängiger arbeitsvertraglicher Anspruch auf diese Vergütung zustehen soll. Ohne
Hinzutreten weiterer Umstände kann ein Arbeitnehmer eine solche Bedeutung der
Angabe der Vergütungsgruppe schon deshalb nicht entnehmen, weil der Arbeitgeber
des öffentlichen Dienstes grundsätzlich keine übertarifliche Vergütung, sondern nur das
gewähren will, was dem Arbeitnehmer tarifrechtlich zusteht. Anhaltspunkte dafür, dass
der Mitteilung vorliegend eine vertragliche Bedeutung zukommen soll, muss der
Arbeitnehmer vortragen (BAG, 25.09.2002, 4 AZR 339/01, AP Nr 1 zu §§ 22, 23 BAT
Rückgruppierung).
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Solche Anhaltspunkte sind ausreichend vorhanden.
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Dies beginnt damit, dass auf den ersten Blick erkennbar ist, dass der Kläger die
Tatbestandsmerkmale der Vergütungsgruppe I BAT weder bei Einstellung erfüllte noch
zum jetzigen Zeitpunkt erfüllt. Der Kläger ist nicht ständiger Vertreter eines leitenden
Arztes. Er ist selbst Leiter der Kinderchirurgie. Insoweit ist er also deutlich
überqualifiziert. Dafür verfügt seine Abteilung über weniger als neun Ärzte, die ihm
ständig unterstellt sind. Also auch insoweit sind die Tatbestandsmerkmale eindeutig
nicht einschlägig. Eine irrtümliche Annahme, dass der Kläger in dieser
Vergütungsgruppe korrekt eingruppiert sei, scheidet damit aus. Auch die Möglichkeit
eines bloßen Schreibfehlers im Arbeitsvertrag, der 18 Jahre unbemerkt blieb, kann nicht
ernsthaft in Betracht gezogen werden. Dies wird zusätzlich deutlich durch die vom
Kläger im Kammertermin geschilderten Umstände seiner Einstellung. Das
Bewerbungsgespräch wurde mit Mitgliedern des Rates geführt, die ihn nach seinen
Gehaltsvorstellungen fragten. Hierauf habe er vor dem Hintergrund, dass er bei seinem
bisherigen Arbeitgeber bereits in die Vergütungsgruppe I a BAT eingruppiert war,
Bezahlung nach der Vergütungsgruppe I BAT gefordert, mit der sich der Rat
einverstanden erklärt habe. Und schließlich weist auch die Ausgestaltung des
Arbeitsvertrages im Übrigen, der deutlich erkennbar an den von Klägerseite vorgelegten
Mustervertrag für Chefärzte angelehnt ist, auf seine herausgehobene Stellung hin. Dies,
zusammen mit dem Umstand, dass das Einstellungsgespräch nicht mit der
Betriebsleitung, sondern unmittelbar mit dem Träger geführt wurde, erklärt auch, warum
hier nicht Vergütung nach Tarif erfolgen sollte, sondern eine individuelle Absprache
über das aus Sicht der Parteien angemessene Entgelt getroffen wurde.
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An diese Abrede ist die Beklagte gebunden.
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Bei einer bewusst vereinbarten übertariflichen Eingruppierung will der Arbeitgeber den
Arbeitnehmer aus dem allgemeinen Lohngefüge herausheben und kann deshalb die
Vergütung nicht ohne Weiteres rückgängig machen (BAG, 15.03.1991, 2 AZR 579/90,
n.v.).
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Dies bedeutet, dass die Beklagte den erfolgten Tarifwechsel nicht dazu nutzen kann,
aus dem übertariflich vergüteten Kläger einen Mitarbeiter „nach Tarif“ zu machen,
welche Tarifgruppe auch immer die zutreffende sein mag.
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Es stellt sich höchstens die Frage, ob die Verweisung auf die Vergütungsgruppe I BAT
in Ziffer 11 als abschließende Regelung anzusehen ist. Dies hätte zur Folge, dass die
Ablösung des BAT durch den TV Ärzte/VKA die Vereinbarung nicht berührt, mit dem
Ergebnis, dass das Gehalt des Klägers auf dem letzten Stand „eingefroren“ wäre.
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Der Vertrag ist jedoch so zu verstehen, dass Vergütung nach der höchsten
Entgeltgruppe des jeweils geltenden Tarifvertrages geschuldet wird.
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Der reine Wortlaut des Arbeitsvertrages spricht zunächst dagegen. Ziffer 11 verweist
ausschließlich auf den BAT. Die dynamische Gleichstellungsabrede in Ziffer 13,
wonach auch die den BAT ersetzenden Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis
Anwendung finden, gilt lediglich „im Übrigen“, also nicht für die Bereiche, in denen eine
eigenständige Abrede getroffen wurde.
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Da jedoch bei Vertragsabschluss nun einmal die Beklagte allein an den BAT gebunden
war, wird man das Versäumnis der Parteien, die Möglichkeit einer Ersetzung des BAT
nicht nur in Ziffer 13, sondern an jeder Stelle in Arbeitsvertrag und Zusatzvereinbarung,
an der Regelungen des BAT Erwähnung finden, ausdrücklich mitzuregeln, nicht
überbewerten können. Dass die Parteien für die Vergütungsabrede bewusst eine
statische Verweisung vereinbarten, entspricht nicht der Interessenlage der Parteien.
Denn diese haben in Ziffer 11 eben nicht einen bestimmten Betrag als geschuldete
Vergütung eingesetzt, sondern durch die Bezugnahme auf den BAT zweierlei
gewährleistet, das im beiderseitigen Interesse lag. Zum einen sorgt die Verweisung auf
eine bestimmte Vergütungsgruppe dafür, dass das Gehalt des Klägers nicht völlig von
der allgemeinen Tarifsystematik abgekoppelt ist. Zum anderen ersparen sich die
Parteien unnötige Verhandlungen über Gehaltsanpassungen, wenn das Gehalt des
Klägers durch die Bezugnahme auf den BAT an der tariflichen Gehaltsentwicklung
teilnimmt. Beide Punkte machen deutlich, dass die Parteien schon 1989 ausreichend
deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dass auch die Bezugnahme in Ziffer 11 des
Vertrages als dynamische Verweisung zu verstehen ist.
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Denn das Einkommen des Klägers kann nur dann ins Verhältnis zu dem der anderen
Ärzte gesetzt und entsprechend der allgemeinen Entwicklung angepasst werden, wenn
er nunmehr nach dem TV Ärzte/VKA vergütet wird, wobei der vertragliche Wille der
Parteien, den Kläger an die Spitze des jeweiligen Tarifsystems zu setzen, natürlich
weiterhin gilt.
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Ob man nun der Auffassung ist, dass sich diese Auslegung des Vertrages ummittelbar
aus Ziffer 11 i. V. m. Ziffer 13 des Arbeitsvertrags herauslesen lässt, oder ob man wie
das Arbeitsgericht Darmstadt (Urteil vom 19.09.2007, 5 Ca 34/07, ArztR 2007, 324-328)
den dogmatischen Weg über die ergänzende Vertragsauslegung wählt, weil die
Parteien die Möglichkeit einer Ablösung des BAT bei der Vergütungsabrede nicht im
Auge hatten, ist im Ergebnis unerheblich. Denn der Ausgangspunkt, die im Vertrag
enthaltenen Reglungen und Wertungen, sind dieselben. Entsprechend kommt das ArbG
Darmstadt auch zu vergleichbaren Ergebnissen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs.2 ArbGG i. V. m. § 91 ZPO.
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Die Streitwertentscheidung erging gem. §§ 61 Abs.1, 46 Abs.2 ArbGG i. V. m. § 3 ZPO
und gleichzeitig gem. § 63 Abs.2, 46 Abs.3 GKG. Es wurde der 36-fache Differenzbetrag
zwischen den Vergütungsgruppen III und IV des TV-Ärzte/VKA zugrunde gelegt.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
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B e r u f u n g
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eingelegt werden.
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Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form
abgefassten Urteils
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beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
(0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
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Die Berufungsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen
Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle können Vertreter einer Gewerkschaft
oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher
Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und
der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Die gleiche
Befugnis haben Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im
wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange
die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der
Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt.
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?Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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gez. Schönbohm
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