Urteil des ArbG Köln vom 24.09.2009

ArbG Köln (juristische person, treu und glauben, firma, arbeitnehmer, betriebsrat, arbeitgeber, befristung, einsatz, zustimmung, person)

Arbeitsgericht Köln, 17 BV 70/09
Datum:
24.09.2009
Gericht:
Arbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
17. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
17 BV 70/09
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Kein Leitsatz
Tenor:
Die Anträge werden zurückgewiesen.
G R Ü N D E :
1
I.
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Die Antragsgegnerin betreibt die Ersetzung der von ihrem Betriebsrat verweigerten
Zustimmung zur Einstellung von Leiharbeitnehmern.
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Mit Schreiben vom 20. März 2009 (Ablichtung Bl. 8 bis 10 d.A.) teilte die Antragstellerin
dem Betriebsrat die Absicht mit, eine namentlich näher bezeichnete Anzahl von
Arbeitnehmern, mit denen seinerzeit noch ein Arbeitsverhältnis mit Zeitbefristung
bestand, künftig im Wege der Arbeitnehmerüberlassung durch die Zeitarbeitsfirma ... in
der Weise weiter zu beschäftigen, dass die genannten Mitarbeiter ein
Leiharbeitsverhältnis mit der Firma ... begründeten und bei der Antragstellerin als
Entleiher am bisher innegehabten Arbeitsplatz eingesetzt würden, wobei eine
Zusatzvereinbarung mit der Firma ... die Verpflichtung beinhalte, "den beim Entleiher
eingesetzten Mitarbeitern jeweils ein Jahresbruttogehalt in der Höhe zu gewähren, die
der Höhe des Jahresbruttogehalts im letzten Jahr der Beschäftigung beim Entleiher
entspricht". Zugleich teilte die Antragstellerin dem Betriebsrat die Absicht mit, dass sie
die entsprechende Einstellung wegen personeller Unterdeckung für dringend
erforderlich halte und deshalb vorläufig durchführen werde.
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Der Betriebsrat widersprach dem mit Schreiben vom 25. März 2009 (Ablichtung Bl. 58 f.
d.A.), bei der Personalabteilung am 27. März 2009 eingegangen. Zur Begründung heißt
es in dem Schreiben u.a.:
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"Anstatt diese dringend benötigten Arbeitskräfte nun zu entfristen und damit den
selbst vorgegebenen Servicelevel zu halten, werden diese nun mit ebenfalls
befristeten Arbeitsverträgen in der Firma ... eingestellt und im Rahmen der
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Arbeitnehmerüberlassung an den alten Arbeitgeber ... zurückgegeben. Aus
Sicht des Betriebsrats werden hierdurch die Regelungen des Teilzeit- und
Befristungsgesetzes umgangen. Eine solche Vorgehensweise kann der
Betriebsrat nicht mittragen."
Mit ihrem am 30. März 2009 anhängig gemachten Antrag macht die Antragstellerin
geltend, die Firma ... sei eine eigenständige juristische Person und von daher berechtigt,
ihrerseits sachgrundlos befristete Arbeitsverträge abzuschließen; sie meint, der
Antragsgegner könne seine Verweigerung überdies auch nicht auf einen solchen –
angeblichen – Verstoß stützen, da ein Verweigerungsrecht nur dann bestehe, wenn die
Maßnahme als solche gegen ein Gesetz verstoße, d.h., die Aufnahme der Tätigkeit
durch den Leiharbeitnehmer im Betrieb der Entleiherin als solche gesetzeswidrig sei.
Vielmehr sei in dieser Situation allenfalls der Arbeitnehmer darauf verwiesen, im
Rahmen einer Entfristungsklage gegen die – neuerliche – Befristung des
Arbeitsvertrags vorzugehen. Nach Auffassung der Antragstellerin liegt jedoch kein
Verstoß gegen die Vorschriften des Teilzeit- und Befristungsgesetzes vor, insbesondere
gegen das Anschlussbefristungsverbot, hinsichtlich dessen es auf die rechtlich
selbständige Person des neuen Arbeitgebers ankomme.
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Demgemäß beantragt die Antragstellerin:
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Die Zustimmung des Antragsgegners zum befristeten Einsatz von Frau ...,
Frau ... in der Zeit vom 1. April 2009 bis 30. Juni 2010 und von ... und ... in
der Zeit vom 1. Mai 2009 bis 30. Juni 2010 in der ... und von Frau ..., Frau ...,
Frau ..., Herrn ..., Frau ..., Frau ..., Frau ..., Frau ... und Frau ... in der Zeit vom
1. April 2009 bis 30. Juni 2010 sowie von Frau ..., Frau ... und Frau ... in der
Zeit vom 15. April 2009 bis zum 30. Juli 2010 in der ... im Rahmen der
Arbeitnehmerüberlassung zu ersetzen.
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Ferner festzustellen, dass der vorläufige befristete Einsatz der zuvor
genannten Leiharbeitnehmer aus sachlichen Gründen dringend erforderlich
war.
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Der Antragsgegner beantragt,
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die Anträge zurückzuweisen.
12
Ferner beantragt er,
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der Antragstellerin aufzugeben, die Einstellung der im o.a. Antrag
bezeichneten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aufzuheben und
festzustellen, dass der vorläufige befristete Einsatz der dort bezeichneten
Leiharbeitnehmer nicht aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
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Der Betriebsrat vertieft seinen Rechtsstandpunkt, wonach der weitere Einsatz der bisher
im Betrieb als Arbeitnehmer der Antragsteller beschäftigten Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen eine rechtswidrige Umgehung der gesetzlichen Vorgaben zur
Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge darstelle. Die tatsächliche Weiterbeschäftigung
der Arbeitnehmer über den ursprünglichen Befristungszeitraum hinaus lasse den
Abschluss von Verträgen dieser Arbeitnehmer mit der Firma ... als Scheingeschäft
erscheinen, wobei der tatsächliche Inhalt der Vertragsabsprachen zwischen der
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Antragstellerin und der Firma ... dahin gehe, dass die Firma ... gewissermaßen ihre
Erlaubnis zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung "zur Verfügung" stelle, um unter
rechtswidriger Umgehung der gesetzlichen Regelungen und insbesondere des
Kündigungsschutzes Befristungen faktisch zu verlängern. Dies belege u.a. die
Zusatzvereinbarung mit der Firma ..., wonach die Antragstellerin sogar das
Arbeitgeberrisiko bei Urlaub und Arbeitsunfähigkeit der bezeichneten Arbeitnehmer
übernehme (vgl. insoweit Ziff. 4 der Ergänzungsvereinbarung vom 20. März 2009
(Ablichtung Bl. 55 f. d.A).
Zum weiteren Sachvortrag der Beteiligten und ihren Rechtsausführungen wird
ergänzend Bezug genommen auf die Antragsschrift vom 30. März 2009 sowie die
Schriftsätze vom 7. Juli, 10. und 22. September 2009.
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II.
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Der Antrag auf Ersetzung der Zustimmung gem. § 99 Abs. 4 BetrVG ist unbegründet.
Der Betriebsrat war berechtigt, die beantragte Zustimmung mit der Begründung zu
verweigern, die personelle Maßnahme verstoße "gegen ein Gesetz" (§ 99 Abs. 2 Nr. 1
BetrVG) bzw. es bestehe "die durch Tatsachen begründete Besorgnis ..., dass infolge
der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden
oder sonstige Nachteile erleiden" (§ 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG.).
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Ein Gesetzesverstoß ergibt sich hier allerdings nicht bereits daraus, dass § 14 Abs. 2
Satz 2 TzBfG nach Ablauf des zeitlichen Befristungsrahmens gem. § 14 Abs. 2 Satz 1
TzBfG ein Anschlussverbot vorsieht; hierfür kommt es formal nämlich nur darauf an, ob
der nachfolgende, erneut befristet abgeschlossene Arbeitsvertrag, mit demselben
Arbeitgeber erfolgt; das ist hier zweifelsfrei nicht der Fall (vgl. Urteil des BAG vom 10.
November 2004 – Geschäfts-Nr. 7 AZR 101/04 -).
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Gleichwohl und obwohl auch Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes
formal nicht entgegenstehen, kann bei einer Ausnutzung der gesetzlich eröffneten
Gestaltungsmöglichkeiten zur sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen unter
bestimmten Voraussetzungen ein Verstoß gegen § 242 BGB vorliegen und die gewählte
Konstruktion rechtsmissbräuchlich sein. Dies hat das Bundesarbeitsgericht
insbesondere in seiner Entscheidung vom 25. April 2001 (Geschäfts-Nr. 7 AZR 376/00 )
herausgestellt und insoweit ausgeführt, dass die sich aus einem Rechtsinstitut oder
einer Rechtsnorm an sich ergebenden Rechtsfolgen zurücktreten müssen, wenn eine
Vertragspartei eine an sich rechtlich mögliche Gestaltung in einem mit Treu und
Glauben unvereinbarten Weise nur dazu verwendet, sich zum Nachteil des anderen
Vertragspartners Vorteile zu verschaffen, die nach dem Zweck der Norm und des
Rechtsinstituts nicht vorgesehen sind; hiervon könne insbesondere dann gesprochen
werden, wenn die Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Auswechslung des
Arbeitgebers nicht mehr möglich wäre und der Wechsel ausschließlich deshalb erfolge,
um auf diese Weise über die gesetzlich vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus
sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können.
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In seiner Entscheidung vom 18. Oktober 2006 (Geschäfts-Nr. 7 AZR 145/06) hat das
Bundesarbeitsgericht diese Rechtsprechung dahin präzisiert, dass von einer
rechtsmissbräuchlichen Gestaltung dann auszugehen sei, wenn diese darauf abziele,
den Arbeitnehmer unter Einschaltung mehrerer Vertragsarbeitgeber auf eine
unangemessene Zeit mit sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen bei einem
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Arbeitgeber beschäftigen zu können; nur wenn diese Zielsetzung im Einzelfall fehle, so
sei auch die Überlassung eines Arbeitnehmers an seinen vormaligen
Vertragsarbeitgeber zulässig.
Das Bundesarbeitsgericht führt in der zuletzt zitierten Entscheidung ergänzend aus,
dass die Beschäftigung eines Arbeitnehmers bei ein und demselben Arbeitgeber
sachgrundlos über einen Zeitraum mehr als zwei Jahren zwar der "beschäftigungs-
politischen Zielsetzung" des Gesetzgebers nicht entspreche, dies bei fehlendem
Hinzutreten sonstiger Gesichtspunkte indes nur bei einer längeren als vierjährigen
Beschäftigung für ein und denselben Arbeitgeber zu einem Rechtsmissbrauch führe;
dies ergebe sich daraus, dass der Gesetzgeber in bestimmten anderen Fällen - § 14
Abs. 2 a TzBfG – eine Befristung von insgesamt 4 Jahren zulasse.
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Die Kammer erlaubt sich, diesen Vorgaben bereits im Ansatz ausdrücklich zu
widersprechen: Wenn der Gesetzgeber eine sachgrundlose Befristung grundsätzlich,
und von bestimmten, klar definierten Ausnahmefällen abgesehen, nur bis zu einem
zeitlichen Volumen von zwei Jahren zulässt, so ist eine "Verdoppelung" dieses
Zeitrahmens und eine Ansiedlung des Rechtsmissbrauchs erst oberhalb dieser neuen
Grenzziehung dogmatisch nicht nachvollziehbar. Die gesetzgeberische Zielsetzung, die
auch das Bundesarbeitsgericht in dieser Entscheidung ausdrücklich beschreibt, zielt
darauf ab, den Arbeitgeber zu veranlassen, den Arbeitnehmer nach Ausschöpfung der
Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung entweder unbefristet oder möglicherweise
auch im Rahmen einer Sachgrundbefristung weiter zu beschäftigen, andernfalls bei
weiterbestehendem vorübergehenden Arbeitskräftebedarf einen anderen Arbeitnehmer
befristet einzustellen, bei Ausschluss einer darüber hinausgehenden Flexibilisierung
(BAG a.a.O., Rdnr. 22, unter Hinweis auf BT-Drucksache 14/4473, Seite 14). Noch
deutlicher: Eine Gesetzesumgehung ist eine Gesetzesumgehung, nicht erst bei einer
Überschreitung des Zulässigen um das Doppelte.
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Im Ergebnis sieht sich die Kammer gleichwohl nicht im Widerspruch zur (bisherigen)
höchstrichterlichen Rechtsprechung, die in dem dort zu entscheidenden Fall einen
Rechtsmissbrauch deshalb verneint hat, weil womöglich andere, rechtlich nicht zu
missbilligende Gründe für den Austausch des Vertragsarbeitgebers maßgeblich waren.
Im vorliegenden Fall ist die Situation anders: Die Zusatzvereinbarung zwischen der
Antragstellerin und der Firma ... vom 20. März 2009 stellt – sozusagen –
"maßgeschneidert" – auf eine faktisch vollständige Identität zwischen dem bisherigen
Arbeitsverhältnis und dem Anschlussvertrag ab. Sie gilt ausschließlich für den
Mitarbeiterkreis, hinsichtlich dessen das Zeitkontingent des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG
ausgeschöpft war, indem eine praktisch identische Bezahlung nach den bisherigen
Maßgaben vorgesehen wird, einschließlich entsprechender Urlaubsansprüche, nebst
einem Ausgleich sämtlicher Kostenrisiken, die typischer Weise auf Seiten des
Verleihers liegen, nämlich der "Kosten für sämtliche unverschuldete Nichteinsatzzeiten
des Mitarbeiters (u.a. Urlaub, Krankheit)". Dies macht deutlich, dass die vertraglichen
Absprachen auf nichts anderes ausgerichtet sind, als die Weiterbeschäftigung am
bisherigen Arbeitsplatz, innerhalb einer neuen "juristischen Hülle". Dies sieht das
Gericht als geradezu "klassischen" Umgehungstatbestand an.
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Vor diesem Hintergrund kommt auch der Verweigerungsgrund aus § 99 Abs. 2 Nr. 4
BetrVG zum Tragen. Die Benachteiligung ist in der Weigerung begründet, den nach wie
vor am bisherigen Arbeitsplatz eingesetzten Mitarbeitern nach Ablauf des
Befristungskontingents einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu geben.
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Aus den vorgenannten Gründen ist auch die vorläufige Durchführung der Maßnahme
gem. § 100 BetrVG unzulässig und daher gem. § 101 Satz 1 BetrVG die personelle
Maßnahme antragsgemäß aufzunehmen.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen diesen Beschluss kann von
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B e s c h w e r d e
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eingelegt werden.
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Für ist gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Beschwerde muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
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beim Landesarbeitsgericht Köln, Blumenthalstraße 33, 50670 Köln eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf
Monaten nach Verkündung des Beschlusses.
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Die Beschwerdeschrift
muss
Bevollmächtigte
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1. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder
Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer
der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser
Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit
vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die
Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
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Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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gez. Brüne
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