Urteil des ArbG Karlsruhe vom 04.10.2000

ArbG Karlsruhe: befristung, anspruch auf beschäftigung, befristeter vertrag, abfindung, rechtfertigung, zeugnis, unverzüglich, urlaub, arbeitsbedingungen, arbeitsgericht

ArbG Karlsruhe Urteil vom 4.10.2000, 9 Ca 152/00
Befristung eines Arbeitsverhältnisses
Tenor
1. Es wird festgestellt, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
2. Die beklagte Anstalt wird verurteilt, die Klägerin über den 15.03.2000 hinaus zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als
Dokumentationsredakteurin weiter zu beschäftigen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin monatlich ab 01.08.2000 brutto DM 2.753,81 zu zahlen.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
5. Der Streitwert wird festgesetzt auf DM 99.137,16.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer mit Vertrag vom 01.09.1998 vereinbarten
Befristung wirksam zum 28.02.2000 beendet wurde.
2
Die Klägerin war in der Zeit vom 01.03.1994 bis zum 28.02.2000 aufgrund von drei befristeten Arbeitsverträgen bei der beklagten
Rundfunkanstalt als Dokumentationsredakteurin beschäftigt. Der 1. Vertrag vom 01. März 1994 sah eine Befristung bis zum 28. Februar 1997 vor
und es handelte sich hierbei um eine vom Arbeitsamt geförderte Maßnahme gemäß § 33 Abs. 2 bzw. 3 Schwerbehindertengesetz. Der 2., am
09.12.1996 geschlossene Vertrag sah vor, daß das Arbeitsverhältnis ab 01.03.1997 Zweck befristet mit der Sonderaufgabe "Verstärkung bei der
Umstellung auf ein digitales Pressearchiv" war und endete am 28. Februar 1999. In dem 3., am 01.09.1998 geschlossenen Vertrag vereinbarten
die Parteien eine Befristung ab 01.03.1999 bis zum 28.02.2000. Als sachlicher Grund für die Befristung ist ebenfalls angegeben: "Sonderaufgabe
-- Verstärkung auf ein digitales Pressearchiv".
3
Mit Schreiben vom 06.07.1999 wurde der Klägerin innerhalb der Mitteilungsfrist gemäß Ziff. 244.4 des Manteltarifvertrags für den Südwestfunk
(MTV) mitgeteilt, daß nicht vorgesehen sei, die Klägerin über den 28.02.2000 weiter zu beschäftigen. Gleichzeitig wurde die Klägerin darauf
hingewiesen, daß sie unter bestimmten Voraussetzungen gemäß Ziff. 249 MTV einen Anspruch auf eine Abfindung hat (Bl. 44 d. A.). Seit Ende
1999 wurden zwischen den Parteien Gespräche geführt, in welcher Form die Klägerin ihre Tätigkeit bei dem Beklagten über den 28.02.2000
hinaus fortführen kann. In diesem Zusammenhang richtete die schwerbehinderte Klägerin an den Beklagten Anfang 2000 nachfolgendes
Schreiben:
4
Sehr geehrter ...
5
ab dem 1. März soll ich einen Vertrag erhalten und zwar in Form eines Honorar-Vertrags. Bisher hatte ich drei Zeit-Verträge als feste Mitarbeiterin
des SWR, damals noch SWF. Zwei Bitten hätte ich meinen Urlaub betreffend. Da ich seit 1994 ununterbrochen beim SWR beschäftigt bin, möchte
ich Sie bitten, es mir zu ermöglichen,
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a) bereits Anfang April für ca. 6 Wochen in meine alte Heimat Vietnam zu fliegen und
7
b) für diesen Urlaub einen Teil meines Urlaubs aus dem alten Vertrag verwenden zu können.
8
Eine Reise nach Vietnam muß, gerade für mich als Rollstuhlfahrerin, frühzeitig geplant und sorgfältig vorbereitet werden, deshalb wäre ich sehr
glücklich, wenn mein Anliegen von Ihnen positiv beantwortet würde.
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Für Ihre Mühe bedanke ich mich ganz herzlich im voraus.
10 Mit der Abrechnung für den Monat Februar 2000 wurde der Klägerin eine Abfindung i. H. v. 13.116,00 DM brutto ausbezahlt.
11 Die Klägerin war auch in der Zeit vom 01. bis zum 15.03.2000 für den Beklagten weiterhin tätig. Eine neue vertragliche Vereinbarung gab es
zwischen den Parteien jedoch nicht. Zwischen der Klägerin und der Vorgesetzten, Frau ... fand in der ersten Märzwoche ein Mail-Austausch statt,
in welchem die Vorgesetzte eine Auflistung der Tätigkeiten der Klägerin verlangte, nachdem sie dieser ein Zeugnis schreiben mußte. Zur
Erläuterung teilte die Vorgesetzte der Klägerin mit Mail 08.03.2000 Folgendes mit:
...
12 bisher bist du auch immer im gleichen Vertragsverhältnis geblieben.
13 Da es keine SWR-Zeitverträge mehr gibt, wirst du jetzt aus einem Topf der HA Dok und Archive bezahlt. deshalb fordert die Personalverwaltung
jetzt ein Zeugnis.
14 Ich denke es ist auch für dich besser wenn wir alles auflisten, dazu müßte ich dann wissen ab wann du überhaupt Zeitverträge beim SWF/SWR
hattest.
15 Bis bald
...
16 Am Nachmittag des 15.03.2000 wurde der Klägerin seitens der Beklagten erklärt, sie könne nicht sofort einen Anschlußvertrag erhalten und die
Klägerin wurde nach Hause geschickt.
17 Mit ihrer am 17.03.2000 beim Arbeitsgericht Karlsruhe eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, das Arbeitsverhältnis bestehe
unbefristet fort. Zum einen sei die Klägerin über das Befristungsende 28.02.2000 in der bisherigen Weise weiter beschäftigt worden. Zum
anderen sei auch die Befristung des letzten Arbeitsvertrages unwirksam, da die Klägerin nicht mehr im Rahmen des Sonderaufgabe, wie
vertraglich niedergelegt, beschäftigt gewesen sei.
18 Die Klägerin sei, wie auch schon unter dem Geltungsbereich des vorherigen Vertrages als Dokumentarin beschäftigt worden, sie habe hierbei
lektoriert und ausgewertet, Recherchen ausgeführt, Material zusammengestellt und Datenbankabruf vorgenommen. Die im schriftlichen Vertrag
genannte "Sonderaufgabe Erstellung des digitalen Pressearchivs" sei von der Klägerin nur eine begrenzte Zeit, bis zum Jahre 1997 ausgeführt
worden.
19 Außerdem habe sie nach Ablauf des bis zum 28.02.2000 befristeten Vertrag mit Wissen des Beklagten ihr Arbeitsverhältnis fortgesetzt, ohne daß
der Beklagte diesem unverzüglich widersprochen habe. Damit sei das befristete Arbeitsverhältnis gemäß § 625 BGB in ein unbefristetes
Arbeitsverhältnis übergegangen.
20 Die Klägerin hat daher beantragt:
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1. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
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2. Die Beklagte Anstalt wird verurteilt, die Klägerin über den 15.03.2000 hinaus zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als
Dokumentationsredakteurin weiter zu beschäftigen.
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3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin monatlich ab 01.08.2000 brutto DM 2.753,81 zu zahlen.
24 Der Beklagte hat beantragt
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Klageabweisung.
26 Er hat die Auffassung vertreten, entscheidend sei allein die Befristung des letzten mit der Klägerin geschlossenen Vertrages vom 01.09.1998.
Dieser erweise sich gemäß § 1 Abs. 1 BeschFG (bezeichnet als BFG) als wirksam. Die vorangegangenen Arbeitsverträge seien der
nachträglichen Befristungskontrolle entzogen, da die Klägerin eine etwaige Unwirksamkeit nicht rechtzeitig geltend gemacht habe.
27 Es sei, was die Tätigkeit der Klägerin anbelangt, das digitalisierte Pressearchiv nicht seit dem Jahre 1997 fertig gestellt. In diesem Jahr sei
lediglich Inbetriebnahme einer Grundform erfolgt. Zudem sei mit der Fusion zum SWR die Aufgabe hinzugekommen, den SDR und seine
Instrumente zu integrieren, bzw. auf SWR Systeme umzustellen. Das Pressearchiv sei daher heute bei weitem nicht in der Lage, mit dem
vorhandenen Festpersonal das PAN-Entwicklungsgeschäft zu erledigen.
28 Aufgrund dessen seien auch heute noch Mitarbeiter aufgrund des Mehraufwandes im Zuge der Digitalisierung des Pressearchivs mit befristeten
Verträgen beschäftigt. Diese Situation werde sich nach Prognose des Beklagten erst Ende 2001 grundlegend verändern. Ein Befristungsgrund
habe daher in der Vergangenheit bestanden.
29 Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Vorschrift des § 625 BGB berufen. Die Klägerin sei mehrfach bereits seit Frühjahr 1999 darauf
hingewiesen worden, daß das befristete Arbeitsverhältnis nicht verlängert werden könne. Dies zeigten die verschiedenen Gespräche mit der
Klägerin und auch die an sie gerichteten Schreiben bereits seit dem 10.03.1999. Man habe lediglich mit der Klägerin vereinbart, daß für sie eine
alternative Beschäftigungsmöglichkeit gesucht werden sollte. Dies bedeute, daß der Beklagte versucht habe, einen anderen Arbeitgeber für die
Klägerin zu finden oder zu überprüfen, ob eine Vertragsgestaltung innerhalb des SWR arbeitsrechtlich möglich wäre. Beispielsweise sei auch an
Drittmittel -- finanzierte Projekte oder eine Tätigkeit als freie Mitarbeiterin gegen Tageshonorar zu denken gewesen.
30 Die befristete Tätigkeit habe auch den besonderen Willen der Klägerin entsprochen.
31 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, soweit sie
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
32
Die Klage ist zulässig.
33
1. Mit Klageantrag Ziff. 1 begehrt die Klägerin die Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten nicht aufgrund des Fristablaufes
im Arbeitsvertrag vom 01.09.1998 zum 28.02.2000 geendet hat, und zwar entweder, weil es sich aufgrund einer Fortsetzung über das
Befristungsende hinweg gemäß § 625 BGB in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt hat. Diesbezüglich folgt das erforderliche
Feststellungsinteresse aus § 256 ZPO. Alternativ macht die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristungsabrede geltend. Diesbezüglich folgt
das Feststellungsinteresse aus § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG bzw. § 4 KSchG.
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2. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Klageanträge Ziff. 2 und 3 bestehen keine Bedenken.
II.
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Die Klage ist auch begründet.
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A. Auf Antrag der Klägerin war festzustellen, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht, nachdem das
Arbeitsverhältnis nicht, wie vertraglich vorgesehen, zum 28.02.2000 beendet wurde.
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1. Es bestehen zwar Zweifel dahingehend, ob sich die Klägerin bei der vorliegenden Sachverhaltskonstellation auf die Regelung des §
625 BGB berufen kann. Diese Vorschrift erfordert neben der Fortsetzung des Dienstverhältnisses nach dem Ablauf der Dienstzeit mit
Wissen des Vertragspartners, daß der andere Teil der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unverzüglich widerspricht. Bei diesem
Widerspruch handelt es sich um eine rechtsgeschäftliche, einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Hiervon ist die
einzelvertragliche oder -- wie im vorliegenden Fall gemäß Ziff. 244 Punkt 1 und 244 Punkt 2 -- vorgesehene Verpflichtung zu
unterscheiden, bei Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages dem Arbeitnehmer innerhalb einer bestimmten Frist vor Ablauf des
Vertrages mitzuteilen, ob er das Arbeitsverhältnis über die Befristung hinaus fortsetzen will (sogenannte Nichtverlängerungsanzeige).
Hierbei richtet es sich nach den jeweiligen tariflichen oder vertraglichen Bestimmungen, ob die Verletzung der Mitteilungspflicht durch
den Arbeitgeber zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses auf bestimmte oder unbestimmte Zeit führt oder nur etwa
Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers auslöst (vgl. KR-Hillebrecht, § 625 BGB, Rdz. 39 m. w. N.).
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Der Widerspruch des Arbeitgebers im Sinne des § 625 BGB muß unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern nach
Befristungsende erfolgen, er kann jedoch auch schon vor Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses erklärt werden, und zwar
ausdrücklich oder konkludent wie beispielsweise durch Aushändigung der Arbeitspapiere (BAG, Urteil v. 3.12.1997, AP Nr. 196 zu §
620 BGB, Befristeter Arbeitsvertrag, KR-Hillebrecht, a. a. O., Rdz. 33, 36 jeweils m. w. N.). Der vorliegende Sachverhalt beinhaltet
eine Vielzahl von Schreiben, Gesprächen und Handlungen, welche auf den Willen des Arbeitgebers schließen lassen, das
Arbeitsverhältnis mit der Klägerin über das vereinbarte Befristungsende hinaus nicht fortzusetzen, jedenfalls nicht zu den bisherigen
Bedingungen. Unstreitig wurden zwischen den Parteien ab Ende 1999 mehrere Gespräche geführt, ob und wie eine Fortsetzung
der Beschäftigung der Klägerin bei dem Beklagten möglich sein könnte.
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Hierbei wurde der Klägerin erläutert, daß ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis mit ihr nicht geschlossen werden könne, die
Beklagtenseite hat erläutert, daß man sich um anderweitige Möglichkeiten bei der Vertragsgestaltung bemühen wolle. Offenbar
konkretisierten sich die Gespräche auf die Frage eines Honorarvertrages. Hiervon ging auch die Klägerin aus, die in ihrem
Schreiben vom Januar 2000, in dem sie um Gewährung von Urlaub für die Zeit nach Ablauf ihres befristeten Vertrages bat, davon
spricht, daß sie ab dem 01.03.2000 einen solchen erhalten soll. Auf diesem Hintergrund wurde ihr mit der Abrechnung für den
Monat Februar 2000 eine Abfindung gezahlt, angegeben als "Abfindungsfünftelung", deren Voraussetzungen und
Berechnungsweise ihr mit der schriftlichen Nichtverlängerungsanzeige des Beklagten vom 06.07.1999 bereits erläutert worden war.
Darüber hinaus begehrte der Beklagte -- durch die Vorgesetzte der Klägerin Frau Höflein -- per E-Mail vom 01.03.2000 Angaben
der Klägerin zu ihrer Person bzw. ihrer Tätigkeit, um ihr ein Zeugnis ausstellen zu können. Schließlich wurde ihr -- wie die Klägerin
selbst erklärt hatte -- erläutert, daß eine Übertragung nicht genommenen Urlaubes in ein neues Vertragsverhältnis -- anders als bei
den zuvor bestehenden befristeten Arbeitsverhältnissen -- nicht möglich sei.
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Jedenfalls in der Gesamtschau der dargestellten Punkte erscheint es somit als zweifelhaft, von einem fehlenden Widerspruch des
Arbeitgebers vor dem 15.03.2000, dem Tag, an dem die Klägerin nach Hause geschickt wurde, auszugehen. Es wurde hier auch
kein besonderer Vertrauenstatbestand geschaffen, gerade im Hinblick auf das Fortbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Vielmehr,
das war auch der Klägerin klar, suchte der Beklagte nach Alternativen einer Beschäftigung der Klägerin, die gerade nicht im Wege
eines Arbeitsverhältnisses erfolgen sollten.
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2. Dies kann jedoch letztlich offenbleiben, da die Befristung des Arbeitsvertrages vom 01.03.1999 bis 28.02.2000 sich als rechtsunwirksam
erweist und jedenfalls aus diesem Grunde zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
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a) Zu prüfen war lediglich die Rechtfertigung des letzten zwischen den Parteien geschlossenen befristeten Arbeitsvertrages vom
01.09.1998 (Ständige Rechtsprechung, vgl. BAG Nr. 135 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag in NZA 1990 S. 744).
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Durch die am 17.03.2000 beim Arbeitsgericht Karlsruhe eingegangene Klage vom gleichen Tage wurde die auch im Rahmen der
Überprüfung einer Befristungsabrede einzuhaltende Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG gewahrt.
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Die Befristungsabrede vom 01.09.1998 bedurfte einer Rechtfertigung. Nach der Rechtsprechung des BAG kann sich der
Arbeitgeber nämlich nicht auf die Befristung berufen, wenn durch einen Mißbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten der Zweck
zwingender Bestimmungen des Kündigungsrechts vereitelt wird, den Arbeitsplatz zu erhalten und das Kündigungsrecht zu
begrenzen und für sie nach Auffassung verständiger und verantwortungsbewußter Vertragspartner kein sachlich gerechtfertigter
Grund besteht. Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist nur dann wirksam, wenn die konkreten Umstände des Einzelfalls aus der
Sicht verständiger Vertragspartner als ein arbeitsrechtlich beachtlicher Sachverhalt für derartige Vereinbarungen anzusehen ist,
wobei diese Umstände sowohl diese Befristung selbst als auch ihre Dauer rechtfertigen müssen (vgl. BAG, AP Nr. 64 zu § 620 BGB
m. w. N.).
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Hierbei ist zu beachten, daß die Berufung auf das Ende eines Arbeitsverhältnisses durch Fristablauf eine rechtsvernichtende
Einwendung darstellt. Demgemäß trägt nach allgemeinen Beweisgrundsätzen diejenige Partei die Darlegungs- und Beweislast für
das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen, die sich auf die für sie günstige Rechtsfolge des Erlöschens der
Vertragspflichten beruft (BAG, Urteil v. 12.10.1994, EzA § 620 BGB Nr. 128).
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b) Die Beklagtenseite hat sich in dem vorliegenden Rechtsstreit darauf berufen, die Befristung des hier zu überprüfenden
Arbeitsvertrages sei nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz erfolgt und insoweit zulässig. Hierauf kann sie sich im vorliegenden Fall
jedoch nicht berufen. Ein Vertrag ist danach § 1 Abs. 1 BeschFG befristet, wenn die Parteien die Befristung hierauf stützen wollten. Dies
muß nicht ausdrücklich geschehen. Nachdem § 1 BeschFG kein Zitiergebot enthält, kann sich der Parteiwille, eine Befristung nach
dieser Vorschrift zu vereinbaren, auch aus den Umständen ergeben. Hieran ist vor allem dann zu denken, wenn die Befristung einer
Rechtfertigung bedurfte und Vertragsabschluß über andere gesetzliche Befristungstatbestände oder Sachgründe nicht gesprochen
wurde und zur Rechtfertigung der Befristungsabrede lediglich das Beschäftigungsförderungsgesetz in betracht kommt. Wurden dagegen
der Befristungsabrede andere gesetzliche Befristungstatbestände oder Sachgründe zugrunde gelegt oder lagen die Voraussetzungen
des § 1 Abs. 1 BeschFG ersichtlich nicht vor, so kann der Vertrag regelmäßig nicht als ein nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz
befristeter Vertrag angesehen werden (vgl. BAG, Urteil v. 28.06.2000 -- 7 AZR 920/98 -- zur Veröffentlichung bestimmt). Der befristete
Vertrag vom 01.09.1998 enthält unter § 1, ebenso wie der vorangegangene Vertrag vom 09.12.1998, folgende Angaben:
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"Sachlicher Grund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses: Sonderaufgabe -- Verstärkung bei der Umstellung auf ein digitales
Pressearchiv --"
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Damit sind die Parteien ersichtlich bei Abschluß des Vertrages von einer Sachgrundbefristung ausgegangen und habe diese auch
schriftlich festgelegt. Der Beklagtenseite ist es daher verwehrt, sich nunmehr darauf zu berufen, der Vertrag sei nach dem
Beschäftigungsförderungsgesetz geschlossen worden, weil dies nach den dort normierten Voraussetzungen möglich gewesen
wäre.
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c) Was den in dem Vertrag angegebenen sachlichen Grund "Verstärkung bei der Umstellung auf ein digitales Pressearchiv" anbelangt,
so stellt dieses zwar einen an sich geeigneten betrieblichen Grund dar, welcher den Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages
rechtfertigen kann, da es sich hierbei um eine Maßnahme handelt, welche einen vorübergehenden Bedarf an Arbeitsleistung mit sich
bringt (vgl. BAG, Urteil v. 11.08.1988, KR-Lipke, § 620 BGB, Rdz. 179, 179 a). Hierbei ist auch unerheblich, ob und wie der Arbeitgeber
anläßlich der befristeten Einstellung Arbeitsaufgaben verteilt. Ausreichend ist, wenn zwischen dem Mehrbedarf einerseits und der
befristeten Einstellung andererseits ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Bei regelmäßig wiederkehrenden Zusatzarbeiten oder
einem anhaltenden betrieblichen Mehrbedarf an Arbeitskräften ist die Befristung jedoch dann nicht mehr sachlich gerechtfertigt, wenn
die Beschäftigung auf Dauer angelegt ist und ein Interesse der sogenannten Daueraushilfskraft an einem unbefristeten Arbeitsverhältnis
zu erkennen ist. Darüber hinaus ist zu beachten, daß mit zunehmender Dauer der befristeten Beschäftigung, insbesondere bei
mehrfacher Befristung aus dem selben Sachgrund die Anforderungen an diesen zunehmen. Mit der zunehmenden Dauer der
Beschäftigung wächst die Abhängigkeit des Arbeitnehmers und auch die soziale Verantwortung des Arbeitgebers, sorgfältig zu prüfen,
ob nicht schutzwürdige Interessen des Arbeitnehmers nunmehr eine Dauerbeschäftigung gebieten (BAG, Urteil v. 03.12.1986, NZA, §
620 BGB Nr. 88; Urteil vom 11.12.1991, EzA § 620 BGB Nr. 110).
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Vorliegend ist zum einen festzustellen, daß sich aus dem Beklagtenvortrag nicht ergibt, daß die von der Klägerin ausgeübte
Tätigkeit während der Laufzeit des letzten befristeten Arbeitsvertrages im Zusammenhang mit der -- so der Beklagte -- noch
fortdauernden Umstellung auf ein digitales Pressearchiv steht. Es genügt nicht, daß in diesem Zusammenhang noch zusätzlicher
Arbeitskräftebedarf besteht, vielmehr muß ein konkreter Aufgabenbezug hinsichtlich der Tätigkeit der Klägerin bestehen, d. h. die
Klägerin müßte entweder selbst Aufgaben i. V. m. den Umstellungsarbeiten übernommen haben oder etwa den Aufgabenbereich
eines anderen Mitarbeiters übernommen haben, der seinerseits nunmehr mit Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Umstellung auf
das digitale Pressearchiv beschäftigt wird.
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Hierfür wäre -- wie oben dargelegt -- der Beklagte darlegungs- und beweisbelastet. Alleine die Darlegung, daß und warum auf
diesem Gebiet noch Arbeiten erforderlich sind, genügt dieser Darlegungslast jedoch nicht, so daß hinsichtlich der Befristung des
Arbeitsvertrages mit der Klägerin nicht von einem wirksamen Sachgrund ausgegangen werden kann.
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Darüber hinaus ergeben sich auch Zweifel an der Wirksamkeit der Befristungsabrede, nachdem die konkreten Umstände des
Einzelfalles nicht nur die Befristung selbst, sondern auch ihre Dauer rechtfertigen müssen. Aus den Darlegungen der Beklagten
ergibt sich, daß die Arbeiten in Verbindung mit der Umstellung auf ein digitales Pressearchiv noch gar nicht abgeschlossen sind,
vielmehr soll sich der hierbei erforderlich Mehrbedarf an Arbeitskräften erst Ende des kommenden Jahres 2001 grundlegend
ändern. An dieser Stelle ergeben sich auch Zweifel hinsichtlich der Berechtigung der Befristungsdauer des mit der Klägerin am
01.09.1998 geschlossenen weiteren befristeten Arbeitsvertrages. Es spricht vielmehr einiges dafür, daß der bei diesem Vertrag
gewählte Zeitrahmen nur deswegen gewählt worden ist, weil gemäß Ziff. 248 des MTV befristete Arbeitsverträge nicht über eine
zusammenhängende Vertragsdauer von insgesamt sechs Jahren ausgedehnt werden können, (es sei denn, daß dies dem
ausdrücklich dargelegten Wunsch der Arbeitnehmerin entspricht und die für die Befristung maßgeblichen Erfordernisse nach dem
Tarifvertrag fortbestehen). Das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin hätte sich demnach, weil die sechsjährige Beschäftigungszeit am
29.02.2000 erreicht gewesen ist, in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gewandelt.
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Insgesamt ist somit festzuhalten, daß sich die Befristungsabrede in dem befristeten Arbeitsvertrag der Parteien vom 01.09.1998 als
unwirksam erweist mit der Folge, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht. Dem Klageantrag Ziff. 1
war damit stattzugeben.
54
B. Nachdem zwischen den Parteien über die tatsächliche Beschäftigungszeit der Klägerin (bis zum 15.03.2000) hinaus ein unbefristetes
Arbeitsverhältnis besteht, steht der Klägerin aus diesem Arbeitsverhältnis selbst ein Anspruch auf Beschäftigung zu.
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Der Beklagte war daher zur Weiterbeschäftigung der Klägerin als Dokumentationsredakteurin zu verurteilen (vgl. BAG, AP Nr. 14, 19 zu
§ 611 BGB Beschäftigungspflicht).
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C. Aufgrund des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses ist der Beklagte auch zur Vergütung der Klägerin im bisherigen Umfang verpflichtet.
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Der Klägerin steht daher eine monatliche Bruttovergütung i. H. v. 2.753,81 DM zu. Die Höhe ist zwischen den Parteien nicht streitig.
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In Anrechnung der im Februar 2000 erhaltenen Abfindung hat die Klägerin den Vergütungsanspruch erst ab dem Monat August 2000
geltend gemacht.
59
Auch diesbezüglich war der Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.
III.
60
1. Der Beklagte trägt als unterlegene Partei gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits.
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2. Den Streitwert hat die Kammer gemäß § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG auf den 36fachen Betrag der Bruttomonatsvergütung der Klägerin
festgesetzt. Mit Klageantrag Ziff. 3 begehrt die Klägerin im Sinne der genannten Vorschrift eine künftige Leistung. Da dieser Betrag den sich
aus § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG (Vierteljahresverdienst) ergebenden Wert wesentlich übersteigt, war lediglich dieser in Ansatz zu bringen.