Urteil des ArbG Herford vom 12.11.2009

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Arbeitsgericht Herford, 3 Ga 26/09
Datum:
12.11.2009
Gericht:
Arbeitsgericht Herford
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 Ga 26/09
Schlagworte:
1. Unterlassung von "Negativäußerungen" Abgrenzung Werteurteil /
Tatsachenbehauptung "Abzock-Mafia" 2. Einer juristischen Person fehlt
es an der Aktivlegitimation zur Geltendmachung von
Persönlichkeitsrechten ihres Geschäftsführers.
Normen:
§ 253 ZPO
Tenor:
1) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird
zurückgewiesen.
2) Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens trägt die
Verfügungs-klägerin.
3) Streitwert: 10.000 €
T a t b e s t a n d :
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Die Parteien streiten im Rahmen des vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahrens
um die Frage, ob der Verfügungsbeklagte zur Unterlassung sowie zur Löschung
etwaiger Negativäußerungen verpflichtet ist.
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Die Verfügungsklägerin betreibt eine Dienstleistungsfirma mit dem Firmensitz in
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V1. Der Verfügungsbeklagte war dort in der Zeit vom 28.10.2008 bis zum 02.02.2009 als
Abteilungsleiter beschäftigt. Im Rahmen des zugrunde liegenden Arbeitsvertrages
verpflichtete sich der Verfügungsbeklagte, über alle vertraulichen Angelegenheiten und
Vorgänge, die ihm im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangen, auch nach dem
Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis Stillschweigen zu bewahren. Darüber hinaus
unterzeichnete der Verfügungsbeklagte eine Verpflichtungserklärung zur Wahrung des
Datengeheimnisses. Auf die insoweit der Antragsschrift beigefügten Anlagen wird
verwiesen.
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Der Verfügungsbeklagte veröffentlichte im Internet unter der Seite www.inside-
megadownloads.net sogenannte Blogs. Hierbei handelt es sich um eigens vom
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Verfügungsbeklagten erstellte Kommentare. Auf den entsprechenden Ausdruck vom
11.08.2009, den die Verfügungsklägerin ihrer Antragsschrift beigefügt hat, wird insoweit
verwiesen.
Im Rahmen dieser Blogs verwandte der Verfügungsbeklagte unter anderem Begriffe
wie: "Abzock-Methoden", "Nutzlos-Branche", "Abzock-Netzwerk", "Die Abzock-Zentrale
in V1", "mafiös anmutendes Netzwerk", "deutsche Zentrale der Abzock-Mafia". Unter
dem 10.08.2009 verfasste der Verfügungsbeklagte einen weiteren Blog mit der
Überschrift: "Die Ratten verlassen das sinkende (Abo-)Schiff". Im Rahmen dieses Blogs
berichtete der Verfügungsbeklagte von Mitarbeitern der Verfügungsklägerin, die nach
Ansicht des Verfügungsbeklagten den Versuch unternahmen, den Betrieb der
Verfügungsklägerin zu verlassen.
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In weiteren Blogs berichtete der Verfügungsbeklagte auch über den Geschäftsführer der
Verfügungsklägerin und bezeichnete ihn als "Strohmann und Marionette, der keine
Ahnung von gar nix habe". Des Weiteren bezeichnete er ihn als "Allein-Unterhalter" und
behauptete, dass der Geschäftsführer von einem groß angelegten Betrug wusste,
einfach mitspielte und spielt.
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In einem am 05.08. 2009 eingestellten Blog erwähnte der Verfügungsbeklagte einen
Auftraggeber und berichtete in diesem Zusammenhang von einem Konto, welches
einen Kontostand von rund einer Viertelmillion Euro aufwies.
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Am 25.08.2009 wurde in der Fernsehsendung "Akte 09" auf dem Sender Sat.1 ab
22.15 Uhr der Verfügungsbeklagte interviewt und über die Vorgänge bei der
Verfügungsklägerin befragt.
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Unmittelbar zuvor forderte die Verfügungsklägerin den Verfügungsbeklagten mit
Schreiben vom 21.08.2009 auf, eine als Anlage beigefügte strafbewährte
Unterlassungserklärung bis zum 28.08.2009, 12.00 Uhr, zu unterzeichnen und
abzugeben. Der Verfügungsbeklagte ließ die ihm gesetzte Frist fruchtlos verstreichen
und kündigte zudem im Internet an, weitere Interviews zu geben.
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Mit der am 04.09.2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift forderte die
Verfügungsklägerin nunmehr die Unterlassung sowie eine Verpflichtung, dass der
Verfügungsbeklagte die bisherigen in das Internet gestellten Negativäußerungen zu
löschen hat.
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Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, dass sie einen Unterlassungsanspruch habe. Es
handele sich um geschäftsschädigende Diffamierungen. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich
daraus, dass damit zu rechnen sei, dass der Verfügungsbeklagte weitere Äußerungen
tätigen werde.
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Die Verfügungsklägerin beantragt,
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1. den Verfügungsbeklagten zu verpflichten, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu
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zwei Jahren, zu unterlassen, gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten aus § 9
des Arbeitsvertrages der Parteien, die Verschwiegenheitsverpflichtung und die
Verpflichtungserklärung zur Wahrung des Datengeheimnisses zu verstoßen,
insbesondere es zu unterlassen, durch Negativäußerungen über die
Verfügungsklägerin sowie deren Gesellschafter und Geschäftsführer namentlich
öffentlich, im Internet, in Printmedien oder im Fernsehen diese zu diffamieren
durch geschäftsschädigende Äußerungen, wörtlich oder sinngemäß
Bezeichnungen im Zusammenhang mit der Verfügungsklägerin und deren
Tätigkeiten, d.h. dauernde Eingriffe in den eingerichteten Betrieb zu tätigen und
Bezeichnungen wie Abzock-Methoden, Nutzlos-Branche, Abzock-Netzwerkes, die
Abzock-Zentrale in V1, Ratten, mafiös anmutendes Netzwerk, deutsche Zentrale
der Abzock-Mafia mit Foto, zu verwenden;
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den Geschäftsführer der Verfügungsklägerin, Herrn H. B1, namentlich als
Strohmann und Marionette, der keine Ahnung von gar "nix" habe bzw. als
Allein-Unterhalter zu bezeichnen;
zu behaupten, dass der Geschäftsführer vom großangelegten Betrug
wusste, einfach mitspielte und mitspielt;
externe Umsatzzahlen, Kontostände, Bankverbindungen sowie
Kontobelege von Auftraggebern der Verfügungsklägerin preiszugeben;
weitere von ihm namentlich benannte Firmen-Mitarbeiter entsprechend zu
diffamieren.
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2. Den Verfügungsbeklagten zu verpflichten, die bisherigen in das Internet gestellten
Negativäußerungen über die Verfügungsklägerin, den Gesellschafter und
Geschäftsführer B1 und die übrigen betroffenen Mitarbeiter wie Frau C. I1 zu
löschen bzw. löschen zu lassen.
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Der Verfügungsbeklagte beantragt,
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den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
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Er bestreitet bereits die Zulässigkeit des vorliegenden Antrages, da seiner Ansicht nach
das Rechtsschutzbedürfnis hierfür fehle und der Antrag auch nicht ausreichend
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das Rechtsschutzbedürfnis hierfür fehle und der Antrag auch nicht ausreichend
bestimmbar sei. Jedenfalls aber fehle es am Verfügungsanspruch, da es sich teilweise
um offenkundige Informationen handele, an deren Geheimhaltung die
Verfügungsklägerin ohnehin kein berechtigtes Interesse habe. Im Übrigen könne er sich
auf Art. 5 GG berufen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die jeweils
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Niederschrift zum
Kammertermin verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist überwiegend schon unzulässig.
Soweit er zulässig ist, fehlt es an der Begründetheit.
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I. Zulässigkeit
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Dem Antrag mangelt es im Wesentlichen an der ausreichenden Bestimmtheit,
§ 253 ZPO. Ein Antrag muss eindeutig sein. Grundsätzlich ist ein Klageantrag
hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, den
Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis erkennbar abgrenzt, den Inhalt und
Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung erkennen lässt, das
Risiko des Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeiten auf den
Beklagten abwälzt und wenn er die Zwangsvollstreckung aus dem beantragten Urteil
ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt
(BGH NJW 1999, S. 954). Im Rahmen eines Unterlassungsantrages bedeutet dies, dass
dieser möglichst konkret gefasst sein muss, damit für Rechtsverteidigung und
Vollstreckung klar ist, worauf sich das Verbot erstreckt (BGH NJW 2000, S. 1792,
S. 1794). Auslegungsbedürftige Begriffe sind dabei nicht schlechthin unzulässig, wohl
aber dann, wenn der Streit gerade darum geht, ob das beanstandete Verhalten darunter
fällt (BGH NJW 2000, S. 2195, S. 2196). Die zu unterlassende Verletzungshandlung
muss so genau wie möglich beschrieben werden (Zoeller-Greger, § 253 ZPO, Rd.-
Nr. 13b). Die bloße Wiedergabe unbestimmter Tatbestandsmerkmale der verletzten
Rechtsnorm genügt in der Regel nicht.
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Diesen Anforderungen wird der Antrag der Verfügungsklägerin im Wesentlichen nicht
gerecht, worauf die Kammer vor Antragstellung hingewiesen hatte.
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Unzulässig ist der Unterlassungsantrag insoweit, als dass pauschal Bezug genommen
wird auf § 9 des Arbeitsvertrages sowie auf die Verpflichtungserklärung zur Wahrung
des Datengeheimnisses. Hierbei handelt es sich um allgemeine Verpflichtungen. Die
Verfügungsklägerin wäre gehalten gewesen, eine konkrete Verletzungshandlung
aufzunehmen. Es wäre also notwendig gewesen, die Handlung aufzuführen, die nach
Ansicht der Verfügungsklägerin einen Verstoß gegen die aufgeführten abstrakten
Verpflichtungen beinhaltet. Dies hat die Verfügungsklägerin jedoch unterlassen.
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Gleiches gilt für die beantragte "Unterlassung von Negativ-Äußerungen". Auch der
Einschub "diffamieren" oder "geschäftsschädigende Äußerungen" entspricht nicht den
Anforderungen, die § 253 ZPO an die Bestimmtheit eines Antrages stellt. Die
Bezeichnungen sind vorliegend zu abstrakt und einer Vollstreckung nicht zugänglich. Im
konkreten Falle könnte nicht rechtssicher überprüft werden, ob tatsächlich ein Verstoß
vorliegt. Dies führt zur Unzulässigkeit dieses Antrages.
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Unzulässig ist der Unterlassungsantrag auch insoweit, als dass die Unterlassung
beantragt wird, weitere vom Verfügungsbeklagten namentlich benannte
Firmenmitarbeiter entsprechend zu diffamieren. Auch hierbei handelt es sich um eine zu
pauschale Formulierung. Diese hätte konkretisiert werden müssen. Der konkrete
Verstoß ist im Rahmen des Antrages aufzuführen. Die Verfügungsklägerin unterlässt
dies auch an dieser Stelle.
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Unzulässig ist auch der Klageantrag Ziffer 2). Soweit der Verfügungsbeklagte
verpflichtet werden soll, die bisherigen in das Internet gestellten Negativ-Äußerungen zu
löschen bzw. löschen zu lassen, gilt auch hier, dass die Verfügungsklägerin die
konkrete Vornahmehandlung hätte aufführen müssen. Begriffe wie "in das Internet
gestellten Negativ-Äußerungen" oder "die übrigen betroffenen Mitarbeiter" sind zu
unbestimmt. Der Rahmen der Verpflichtung wäre nicht konkret genug, um im Rahmen
einer etwaigen Zwangsvollstreckung einen Verstoß tatsächlich feststellen zu können.
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Im Übrigen ist der Unterlassungsantrag jedoch zulässig, soweit die Verfügungsklägerin
konkrete Begriffe bzw. konkrete Äußerungen aufführt. Insbesondere kann auch ein
Rechtsschutzbedürfnis angenommen werden, da sich die Verfügungsklägerin gegen
vermeintliche Rechtsverletzungen zur Wehr setzen darf.
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II. Begründetheit
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Soweit der Antrag jedoch zulässig ist, fehlt es an der Begründetheit.
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a. Verfügungsanspruch
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Die Verfügungsklägerin hat keinen Anspruch auf Unterlassung der im Antrag
aufgeführten konkreten Äußerungen.
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Teilweise fehlt es schon an der Aktivlegitimation. Soweit die Verfügungsklägerin
etwaige Äußerungen des Verfügungsbeklagten gegen den Geschäftsführer angreift, ist
allein der Geschäftsführer selber berechtigt, hiergegen vorzugehen. Bei der
Verfügungsklägerin handelt es sich um eine andere (juristische) Person. Es ist nicht
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ersichtlich, weshalb diese berechtigt sein sollte, etwaige Handlungen, die sich gegen
eine andere Person richten, unterbinden zu können. Sofern sich der Geschäftsführer in
seinen Persönlichkeitsrechten verletzt sehen sollte, hätte es ihm freigestanden,
hiergegen aktiv vorzugehen. Dies ist er bislang jedoch nicht. Ob er sich in seinen
Rechten verletzt fühlt, kann allein er entscheiden. Dass er Organ der
Verfügungsklägerin ist, ändert nichts an der Tatsache, dass es sich um zwei
verschiedene Personen mit jeweils eigenen Rechten handelt. Sofern der
Geschäftsführer der Verfügungsklägerin persönlich angegriffen wird, handelt es sich um
ein eigenes Recht, welches nur der Geschäftsführer selber geltend machen kann.
Soweit die Verfügungsklägerin die Preisgabe von externen Umsatzzahlen,
Kontoständen, Bankverbindungen sowie Kontobelegen von Auftraggebern unterbinden
will, fehlt es hierfür an einer Anspruchsgrundlage. Hinsichtlich des Begriffs der
"Bankverbindung" ist nicht ersichtlich, woraus sich ein Unterlassungsanspruch ergeben
soll. Bankverbindungen sind allgemein zugänglich. Es handelt sich um offenkundige
Tatsachen. Soweit die Verfügungsklägerin Umsatzzahlen bzw. Kontobelege aufführt, ist
für die Kammer nicht ersichtlich, im Rahmen welcher Ausführungen der
Verfügungsbeklagte derartige Informationen preisgegeben haben soll. Die
Verfügungsklägerin verweist in diesem Zusammenhang auf die Seiten 21 und 22 der als
Anlage beigefügten Blogs. Hier werden weder Umsatzzahlen noch Kontobelege
benannt noch vorgelegt.
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Hinsichtlich der Nennung von Kontoständen ist der Verfügungsklägerin Recht zu geben,
dass der Verfügungsbeklagte im Rahmen des am 05.08.2009 erstellten Blogs einen
Kontostand konkret benennt. Insoweit ist die Annahme eines Verfügungsanspruches
durchaus denkbar. Auf der anderen Seite existiert die Bilanzierungspflicht einer GmbH,
so dass es auch für Außenstehende möglich ist, gewisse Informationen auf diesem
Wege zu erhalten. Insofern wäre die Frage zu stellen, ob die Bekanntgabe eines
Kontostandes eine geheimhaltungsbedürftige Information darstellen kann. Im Ergebnis
musste diese Frage nicht beantwortet werden, da jedenfalls eine Eilbedürftigkeit in
diesem Zusammenhang nicht erkennbar war, was noch auszuführen sein wird.
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Hinsichtlich der weiteren Äußerungen nahm die Kammer an, dass sich der
Verfügungsbeklagte erfolgreich auf Art. 5 GG berufen kann. Nach Ansicht der Kammer
handelte es sich hierbei ausschließlich um Werturteile, die dem Beweis nicht
zugänglich sind. Im Rahmen derartiger Werturteile genießt der Äußernde
schrankenlose Freiheit. Grundsätzlich entzieht zwar auch eine polemische oder
verletzende Formulierung einer Äußerung noch nicht den Schutz der Meinungsfreiheit.
Allerdings hat nach Art. 5 Absatz 2 GG stets eine Abwägung zu erfolgen. Insbesondere
verlangt die Wechselwirkung des Grundrechts, dass auch die Rechte des Arbeitgebers
ausreichend berücksichtigt werden. Insbesondere ist Art. 12 GG heranzuziehen, der die
wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des Arbeitgebers schützt. Auch ist die
Rücksichtnahmepflicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen.
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Bei Werturteilen geht der Persönlichkeitsschutz regelmäßig der Meinungsfreiheit vor,
wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde, als Schmähkritik oder als
Formalbeleidigung darstellt. Im Rahmen der gegen die Verfügungsklägerin gerichteten
Äußerungen hatte die Kammer daher festzustellen, ob der Verfügungsbeklagte ein
berechtigtes Interesse hieran hatte. Diese Frage bejahte die Kammer im Endergebnis
aufgrund folgender Erwägungen:
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Der Begriff der "Nutzlos-Branche" beinhaltet eine Kritik, die als zulässig angesehen
werden kann. Der Verfügungsbeklagte vertritt die Meinung, dass die Branche nutzlos
sei. Dies ist eine Meinung, die durch Art. 5 GG geschützt ist.
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Im Ergebnis galt dies auch für die Verwendung des Begriffs "Ratten". Zum einen ist der
Zusammenhang zu sehen: Der Verfügungsbeklagte benutzt die Verwendung "Die
Ratten verlassen das sinkende Schiff". Hierbei handelt es sich um eine im
Sprachgebrauch nicht unübliche Redewendung. Zum anderen ergibt sich aus dem
Kontext, dass er mit "Ratten" Mitarbeiter der Verfügungsklägerin und nicht die
Verfügungsklägerin selber meint.
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Gewisse Zweifel hatte die Kammer zunächst hinsichtlich der Zulässigkeit der weiteren
Begriffe wie "Abzocken" sowie "Mafia". Hierbei hatte eine Auslegung zu erfolgen, ob es
sich schon um unzulässige Schmähkritik handelt. Im Ergebnis wurde dies deswegen
verneint, weil es sich nach Ansicht der Kammer um eine Wertung handelte, die der
Verfügungsbeklagte nach Art. 5 GG vornehmen darf. Hieran hat er auch ein berechtigtes
Interesse, da dies seine Meinung darstellt, die er kundtun möchte. Der
Verfügungsbeklagte kennt die Strukturen und möchte diese beschreiben. Dies tut er
zwar durch eine polemische Art und Weise. Auch Polemik genießt grundsätzlich den
Schutz des Art. 5 GG. Insoweit verfolgt der Verfügungsbeklagte ein berechtigtes Ziel: Er
möchte Vorgänge beschreiben und nutzt hierfür Formulierungen, die als polemisch
bezeichnet werden müssen. Eine derartige Vorgehensweise ist grundrechtlich durch Art.
5 Absatz 1 GG geschützt.
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b. Verfügungsgrund
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Soweit die Kammer einen Verfügungsanspruch hinsichtlich der Nennung eines
Kontostandes für denkbar erachtete, verneinte sie im Ergebnis jedenfalls die
Eilbedürftigkeit. Zwar hat sich der Verfügungsbeklagte geweigert, eine strafbewährte
Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Diese Weigerung ergibt sich aber auch
daraus, dass die Verfügungsklägerin eine allumfassende Unterlassungserklärung
vorlegte. Diese Erklärung umfasste auch im Wesentlichen Äußerungen und Begriffe, zu
deren Unterlassen er aufgrund der oben dargestellten Erwägungen nicht verpflichtet
war. Insofern konnte die Kammer nicht unterstellen, dass sich der Verfügungsbeklagte
auch geweigert hätte, eine strafbewährte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen, die
allein die Nennung eines Kontostandes zum Inhalt hat.
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Des Weiteren ist der Verfügungsbeklagte nicht mehr bei der Verfügungsklägerin tätig.
Eine Wiederholungsgefahr ist insofern nicht erkennbar, weil der Verfügungsbeklagte
über entsprechende Informationen nicht mehr verfügen dürfte.
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Als unterlegene Partei hat die Verfügungsklägerin die Kosten des einstweiligen
Verfügungsverfahrens zu tragen, § 91 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht dem Grunde nach auf § 61 ArbGG. Das Gericht hat die
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Hälfte des im Rahmen der Antragsschrift aufgeführten Betrages genannt. Ein im
Rahmen einer Antrags- oder Klageschrift aufgeführter Streitwert kann nach § 61 GKG
als Anhaltspunkt aufgegriffen werden. Insofern kommt dieser Angabe Indizwirkung zu
(LAG Baden-Württemberg, 3 Ta 45/08). Allerdings hat die Kammer eine Reduzierung
um die Hälfte vorgenommen, da es sich vorliegend lediglich um ein einstweiliges
Verfügungsverfahren handelt. Die Festsetzung auf einen Streitwert von 10.000,00 Euro
hielt die Kammer daher für angemessen.