Urteil des ArbG Herford vom 30.10.2003

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Arbeitsgericht Herford, 1 Ca 912/02
Datum:
30.10.2003
Gericht:
Arbeitsgericht Herford
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 Ca 912/02
Tenor:
hat die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Herford
auf die mündliche Verhandlung vom 30. Oktober 2003
durch den Richter Kühl als Vorsitzenden
sowie die ehrenamtlichen Richter Witte und Hägerbäumer
f ü r R e c h t e r k a n n t :
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Der Streitwert wird auf 2500,-- EUR festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten über eine Abmahnung.
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Die Klägerin ist Arbeitnehmerin der Beklagten. Am 04.04.2002 beteiligte sie sich an
einem Warnstreik der IG Metall. Dazu verließ sie gegen 8.15 Uhr ihren Arbeitsplatz ohne
auszustempeln.
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Mit Schreiben vom 19.04.2002 erteilte die Beklagte ihr folgende Abmahnung:
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"Sehr geehrte ....
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am Donnerstag, den 04.04.2002 haben Sie gegen 8.15 Uhr die Arbeit niedergelegt,
um sich an einem von der IG Metall organisierten Warnstreik zu beteiligen.
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Sie haben Ihren Arbeitsplatz und das Firmengelände verlassen, ohne ihre
Arbeitszeit durch Abstempeln zu beenden oder zu unterbrechen.
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Damit haben Sie Ihre arbeitsvertraglichen Nebenpflichten verletzt und billigend in
Kauf genommen, dass die Beendigung bzw. Unterbrechung Ihrer Arbeitszeit nicht
oder nur schwer nachvollziehbar ist.
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Wir empfinden es bedenklich und bedauerlich, dass die Gewerkschaft Sie zu
dieser arbeitsvertraglichen Verletzung aufgefordert hat.
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Für Ihre Pflichtverletzung sprechen wird Ihnen eine Abmahnung aus.
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Für den Wiederholungsfall weisen wir auf arbeitsrechtliche Konsequenzen hin,
welche die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, gleich welcher Art, zur Folge
haben kann.
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Mit freundlichem Gruß
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gez. Unterschrift
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Die Klägerin behauptet, Motivation für die Abmahnung sei nicht das unterlassene
Ausstempeln gewesen, sondern ihre Teilnahme an dem Warnstreik. Sie ist der Ansicht,
dass während des Warnstreiks ihre Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis
suspendiert gewesen seien. Die Abmahnung sei auch deswegen unwirksam, weil -
unstreitig - Beginn und Dauer des Warnstreiks der Beklagten bekannt waren und daher
nicht das Risiko bestanden hätte, Arbeitszeiten zu bezahlen, die nicht abgeleistet
worden seien. Des Weiteren verstoße die Abmahnung gegen das Übermaßverbot und
sei auch aus formalen Gründen unwirksam, weil sie zu unbestimmt sei.
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Sie beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 19.04.2003 zurückzunehmen und
aus der Personalakte zu entfernen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, die Teilnahme an einem Warnstreik entbinde die Arbeitnehmer nicht
von der grundsätzlichen Verpflichtung, betriebliche Kontrolleinrichtungen, wie die bei
der Beklagten eingerichtete Stempeluhr, zu bedienen. Die arbeitsvertraglichen
Verpflichtungen seien erst mit Beginn des Warnstreiks suspendiert, während das
Ausstempeln vor Beginn des Warnstreiks stattfinden müsse.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rücknahme der Abmahnung vom 19.02.2002 und
Entfernung aus der Personalakte gegen die Beklagte. Die Abmahnung ist
berechtigterweise erteilt worden.
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Vor Beginn eines Warnstreiks müssen Arbeitnehmer die Beendigung ihr Arbeitstätigkeit
anzeigen. Dazu haben sie die im Betrieb eingesetzten Kontrolleinrichtungen, wie z.B.
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Stempeluhren, in der üblichen Weise zu bedienen (LAG Hamm vom 25. Mai 1993, 4 Sa
11/93, nicht veröffentlicht; andere Ansicht Arbeitsgericht Braunschweig vom 12. April
1989, 3 Ca 1286/88, nicht veröffentlicht). Grundsätzlich müssen die Arbeitnehmer der
Beklagten beim Verlassen ihres Arbeitsplatzes ausstempeln. Es ist daher
begründungsbedürftig, warum diese Verpflichtung bei der Teilnahme an einem
Warnstreik nicht bestehen soll. Solche Gründe liegen nicht vor.
Es liegt keine Verletzung von Artikel 9 Abs. 3 GG, § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG oder § 612
a BGB vor. Die Klägerin wurde nicht wegen ihrer gewerkschaftlichen Betätigung
abgemahnt. Die Abmahnung rügt nicht die zulässige Beteiligung an dem Warnstreik,
sondern das Verlassen des Arbeitsplatzes ohne Ausstempeln. Eine Beteiligung an dem
Warnstreik ist auch nach dem Ausstempeln möglich. Der Warnstreik ist ein zulässiges
Arbeitskampfmittel der Gewerkschaften. Er soll jedoch nicht dadurch Druck auf den
Arbeitgeber ausüben, dass dieser möglicherweise Schwierigkeiten bei der
Lohnabrechnung hat.
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Es kann dahinstehen, ob, wie von der Klägerin behauptet, Motivation der Beklagten für
die Erteilung der Abmahnung die Teilnahme an dem Warnstreik war, da diese nicht das
in der Abmahnung beanstandete Verhalten ist.
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Die Verpflichtung zum Ausstempeln beim Verlassen des Arbeitsplatzes ist auch nicht
durch die Teilnahme am Warnstreik suspendiert. Es kann dahinstehen, ob diese
arbeitsvertragliche Nebenpflicht überhaupt während der Dauer des Warnstreiks
suspendiert ist (ablehnend LAG Hamm a.a.O.). Eine Suspendierung kommt jedenfalls
nur für die Dauer des Warnstreiks in Betracht. Die Beendigung der Arbeitsleistung und
damit die Verpflichtung zum Ausstempeln, erfolgt jedoch vor Beginn des Warnstreiks.
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Das Ausstempeln war auch nicht deswegen entbehrlich, weil der Beklagten der Beginn
und das Ende des Warnstreiks bekannt war. Es gab kein berechtigtes Interesse der
Klägerin, das sonst übliche Ausstempeln zu unterlassen. Insbesondere stellt dieses
keine Belastung dar.
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Die Abmahnung verstößt auch nicht gegen das Übermaßverbot. Sie rügt das Verlassen
des Arbeitsplatzes ohne vorheriges Ausstempeln. Es ist unbeachtlich, dass es gängige
Praxis der Gewerkschaften ist, den Streikteilnehmern zu empfehlen vor Beginn des
Warnstreiks nicht auszustempeln und die Klägerin deswegen glaubte, ihr Verhalten sei
rechtmäßig. Gerade deswegen ist die Hinweisfunktion der Abmahnung besonders
erforderlich, um der Klägerin die Vertragswidrigkeit ihres Verhaltens bewusst zu
machen.
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Die Abmahnung ist formell ordnungsgemäß. Die Abmahnung ist bestimmt, weil klar ist,
welches Verhalten der Klägerin abgemahnt wird. Soweit hier von Bedeutung, lautet die
Abmahnung:
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"Sehr geehrte ....
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am Donnerstag, den 04.04.2002 haben Sie gegen 8.15 Uhr die Arbeit
niedergelegt, um sich an einem von der IG Metall organisierten Warnstreik zu
beteiligen.
31
Sie haben Ihren Arbeitsplatz und das Firmengelände verlassen, ohne ihre
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Arbeitszeit durch Abstempeln zu beenden oder zu unterbrechen.
Damit haben Sie Ihre arbeitsvertraglichen Nebenpflichten verletzt und
billigend in Kauf genommen, dass die Beendigung bzw. Unterbrechung Ihrer
Arbeitszeit nicht oder nur schwer nachvollziehbar ist."
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Die Kosten des Rechtsstreits trägt die unterliegende Klägerin (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO
i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG).
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Das Urteil ist gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG vorläufig vollstreckbar.
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Kühl
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