Urteil des ArbG Heilbronn vom 02.04.2003

ArbG Heilbronn: betriebsrat, vorläufige einstellung, arbeitsgericht, qualifikation, unternehmen, dringlichkeit, ausschreibung, verfügung, erstreckung, budget

ArbG Heilbronn Beschluß vom 2.4.2003, 7 BV 19/02
Einstellung von Leiharbeitnehmern - Verstoß gegen Betriebsvereinbarung
Tenor
1. Der AG. wird aufgegeben, die Einstellung der Leiharbeitnehmer ..., ..., .., ... sowie der Arbeitnehmer ... und ... und der
Arbeitnehmer ... und ... in der Abteilung Endmontage Kostenstelle 071412 aufzuheben.
2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1 wird der AG., bezogen auf jeden Tag der
Zuwiderhandlung und jeden Arbeitnehmer, ein Zwangsgeld bis zu 250,00 EUR angedroht.
3. Es wird festgestellt, dass die am 24.02.2003 erfolgte vorläufige Beschäftigung der Leiharbeitnehmer ..., ..., ..., ..., ..., ...,
..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ... und ... in der Abteilung Endmontage (Kostenstelle 71412)
in ... aus sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen ist.
4. Es wird festgestellt, dass die am 03.03.2003 erfolgte vorläufige Beschäftigung der Leiharbeitnehmer ..., ..., ... und ... in
der Abteilung Ersatzteilmontage (Kostenstelle 71407) in ... dringend erforderlich gewesen ist.
5. Im übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.
Gründe
1
I. Die Parteien streiten darüber, ob der Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung von Leiharbeitnehmern
deshalb verweigern kann, weil eine Betriebsvereinbarung einen Wiedereinstellungsanspruch früherer
Arbeitnehmer vorsieht.
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Die Arbeitgeberin betreibt ein Unternehmen zur Entwicklung und Herstellung von Fluggastsitzen und
unterliegt starken Auftragsschwankungen. Im Rahmen ihrer jährlichen Budgetplanungen legt sie die Zahl der
im folgenden Jahr voraussichtlich benötigten Planstellen fest. Ergibt sich später ein über die Anzahl dieser
unbefristeten Arbeitsverhältnisse hinausgehender Personalbedarf, so entscheidet die Geschäftsführung im
Einzelfall, ob der zusätzliche Bedarf durch weitere Planstellen, befristet eingestellte Mitarbeiter oder
Leiharbeitnehmer gedeckt wird.
3
Die Arbeitgeberin beschäftigte in den Jahren 1998 bis 2001 im gewerblichen Bereich zwischen 40 und 109
Leiharbeitnehmer. Nach massiven Auftrags- und Umsatzeinbrüchen Ende 2001 setzte die Arbeitgeberin
sämtliche Leiharbeitnehmer frei, verlängerte 33 befristete Arbeitsverhältnisse nicht und kündigte 169
unbefristete Arbeitsverhältnisse.
4
Zu Gunsten letztgenannter 169 Arbeitnehmer schloß die Arbeitgeberin mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat
am 7.12.2001 eine Betriebsvereinbarung, die unter Ziffer I § 4 vorsieht:
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"Mitarbeiter, die infolge der in diesem Interessenausgleich geregelten Betriebsänderung entlassen werden, haben bis zum 30.4.04
einen persönlichen Anspruch auf Wiedereinstellung gegenüber dem Unternehmen, sofern Arbeitsplätze neu oder wieder zu besetzen
sind und diese Arbeitsplätze der Qualifikation der Mitarbeiter entsprechen. (...) In Streitfällen entscheidet das Unternehmen im
Einvernehmen mit dem Betriebsrat."
6
Im Oktober 2002 beantragte die Arbeitgeberin vergeblich die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung von acht Leiharbeitnehmern in
der Endmontage für die Zeit von 11/02 bis 02/03. Daraufhin teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, sie werde die Leiharbeitnehmer
vorläufig einstellen, da dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei. Der Betriebsrat beantragte daraufhin beim Arbeitsgericht, der
Arbeitgeberin aufzugeben, die Einstellung der 8 Leiharbeitnehmer aufzuheben.
7
Mit Schreiben vom 14.2.2003 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, daß vom 24.2.2003 bis 30.6.2003 insgesamt 32 Leiharbeitnehmer
in der Endmontage und vier Leiharbeitnehmer in der Ersatzteilmontage benötigt würden, und bat um Zustimmung zu den geplanten
Einstellungen. Unter den 32 Leiharbeitnehmern für die Endmontage befinden sich auch die zunächst bis Februar 2003 eingestellten acht
Leiharbeitnehmer.
8
Mit Schreiben vom 20.2.2003 lehnte der Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung der Leiharbeitnehmer ab. Er berief sich darauf, daß die
Anlernphase ungefähr dem Einsatzzeitraum entspreche, so daß die Leiharbeitnehmer keine spürbare Entlastung brächten. Darüber hinaus
seien vorrangig die im Jahr 2001 entlassenen Mitarbeiter einzustellen.
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Mit Schreiben vom 21.2.2003 erklärte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat, sie werde die Einstellung der 32 Leiharbeitnehmer in der
Endmontage vorläufig durchführen, da dies dringend erforderlich sei. Aufgrund einer unzureichenden Materialversorgung seien insgesamt
sechs Schichten verpufft. Ohne Zusatzschichten, die nur mit zusätzlichen Arbeitskräften durchführbar seien, könnten vereinbarte On-dock-
Termine nicht eingehalten werden bzw. seien zusätzliche Luftfrachten mit Kosten in Höhe von ca. 57.000 EUR erforderlich. Mit Schreiben
vom 25.2.2003 erwiderte der Betriebsrat, seine Zustimmungsverweigerung habe weiterhin Bestand. Sachliche Gründe lägen nicht vor, weil
mit täglicher Mehrarbeit und Samstagsschichten der Ausfall binnen einer Woche aufgeholt werden könne. Am 28.2.2003 beantragte die
Arbeitgeberin vor dem Arbeitsgericht, die Zustimmung zur Beschäftigung von 32 Leiharbeitnehmern in der Endmontage zu ersetzen und
festzustellen, daß die vorläufige Beschäftigung der 32 Leiharbeitnehmer dringend erforderlich sei.
10
Hinsichtlich der 4 Leiharbeitnehmer in der Ersatzteilmontage teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit Schreiben vom 26.2.2003 mit,
wegen eines erheblichen Lieferrückstandes in Höhe von ca. 500.000 EUR und einem Auftragsbestand bis Juni 2003 von ca. 25 % über
Budget werde sie die vorgesehene personelle Maßnahme vorläufig durchführen. Mit Schreiben vom 3.3.2003 blieb der Betriebsrat bei seiner
Zustimmungsverweigerung und bestritt die sachlichen Gründe, weil die Lieferrückstände mit Mehrarbeit abzubauen seien. Am 28.2.2003
beantragte die Arbeitgebern vor dem Arbeitsgericht, die Zustimmung des Betriebsrats zur Beschäftigung der vier Leiharbeitnehmer zu
ersetzen. Am 6.3.2003 beantragte sie ferner festzustellen, daß die vorläufige Beschäftigung der 4 Leiharbeitnehmer dringend erforderlich
sei.
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Die Arbeitgeberin ist der Ansicht,
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der auf der Betriebsvereinbarung basierende Wiedereinstellungsanspruch gelte nur für (unbefristete) Planstellen. Dies ergebe sich daraus,
daß der Interessenausgleich nur Arbeitnehmer auf unbefristeten Stellen betreffe. Auch sei während der Verhandlungen über den Abschluß
der Betriebsvereinbarung weder diskutiert noch gewollt gewesen, daß Leiharbeitnehmer nicht mehr eingestellt werden könnten. Einer
solchen Vereinbarung hätte die Arbeitgeberin nie zugestimmt. Darüber hinaus würde die Ansicht des Betriebsrates dazu führen, daß wegen
§§ 16, 14 II 2 TzBfG regelmäßig keine befristeten Arbeitsverhältnisse mehr abgeschlossen werden könnten. Eine solche Einschränkung der
unternehmerischen Freiheit sei nicht Gegenstand der Verhandlungen gewesen. Der Wiedereinstellungsanspruch werde auch nicht
unterlaufen, da im gewerblichen Bereich 35 Planstellen neu bzw. wieder besetzt worden seien. Im übrigen würden weniger
Leiharbeitnehmer als in den Vorjahren beschäftigt werden.
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Die Berufung des Betriebsrates auf die erforderliche Einarbeitungszeit sei irrelevant und auch falsch, da die Leiharbeitnehmer teilweise
ehemalige Mitarbeiter seien und im übrigen unqualifizierte Leiharbeitnehmer abgelehnt werden könnten.
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Die Arbeitgeberin hat zuletzt beantragt:
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1. Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Beschäftigung der Leiharbeiter ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ...,
..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ... und ... in der Abteilung Endmontage (Kostenstelle 71412) des Betriebes in ... in der Zeit vom
24.0.2003 bis 30.06.2003 wird ersetzt.
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Es wird festgestellt, dass die am 24.02.2003 erfolgte vorläufige Beschäftigung der vorgenannten 32 Leiharbeitnehmer aus
sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen ist.
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2. Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Beschäftigung der Leiharbeiter ..., ..., ... und ... in der Abteilung
Ersatzteilmontage (Kostenstelle 71407) des Betriebes der Antragstellerin in ... in der Zeit vom 17.02.2003 bis 30.06.2003 wird
ersetzt.
18
Es wird festgestellt, dass die am 03.03.2003 erfolgte vorläufige Beschäftigung der vorgenannten 4 Leiharbeitnehmer aus
sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen ist.
19
Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt:
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die Anträge abzuweisen.
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Er hat ferner beantragt:
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1. Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, die Einstellung der Leiharbeiter ..., ..., ..., ... sowie der Arbeitnehmer ..., ... und ... und ... in der
Abteilung Endmontage Kostenstelle 071412 aufzuheben.
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2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Antrag Ziffer 1 wird der Arbeitgeberin, bezogen auf jeden Tag
der Zuwiderhandlung und jeden Arbeitnehmer, ein Ordnungsgeld bis zu 250,00 EUR angedroht.
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Er hat vorgetragen,
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er sei nicht umfassend über einen Personalbedarf informiert worden. Leiharbeitnehmer, die nicht bereits bei der Arbeitgeberin gearbeitet
hätten, müssten eingearbeitet werden; dies führe zu zusätzlichen Belastungen des Stammpersonals. Die Einstellungen verstießen gegen die
Betriebsvereinbarung vom 7.12.2001.
26
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der
mündlichen Verhandlung waren, sowie die Sitzungsprotokolle verwiesen.
II.
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1. Die Zustimmungsersetzungsanträge sind zulässig, aber unbegründet.
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a) Die Anträge sind zulässig.
29
aa) Insbesondere sind sie gemäß § 253 II Nr. 2 ZPO analog hinreichend bestimmt. Aus den Anträgen ergibt sich hinreichend genau, welche
jeweiligen Leiharbeitnehmer für welche Stellen und welche Zeit eingestellt werden sollen.
30
bb) Der Zulässigkeit des auf die Zustimmungsersetzung zur Einstellung von vier Leiharbeitnehmern in der Ersatzteilmontage gerichteten
Antrags der Arbeitgeberin vom 28.2.2003 steht nicht entgegen, daß er bereits vor dem Schreiben des Betriebsrat vom 3.3.2003 gestellt
worden ist. Denn bereits mit Schreiben vom 20.2.2003 hatte der Betriebsrat seine Zustimmung zu der geplanten Einstellung verweigert.
31
b) Der Antrag auf Zustimmungsersetzung ist unbegründet. Dem Betriebsrat hat zu Recht von seinem Zustimmungsverweigerungsrecht nach
§ 99 II Nr. 1 BetrVG Gebrauch gemacht.
32
aa) Gemäß § 14 III 1 AÜG ist vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung der Betriebsrat des Entleiherbetriebs nach §
99 BetrVG zu beteiligen (BAG, Beschluß v. 12.11.2002 -- 1 ABR 1/02, Beschluß v. 15.4.1986 -- 1 ABR 44/84). Unstreitig sind vorliegend
Einstellungen im Sinn des § 99 I 1 BetrVG beabsichtigt. Die Leiharbeitnehmer sollen in den Betrieb eingegliedert werden. Sie sollen
gemeinsam mit den im Betrieb schon Beschäftigten eine Tätigkeit verrichten, die ihrer Art nach weisungsgebunden ist, der Verwirklichung
des arbeitstechnischen Zwecks des Betriebs dient und daher vom Arbeitgeber organisiert werden muß und dem Weisungsrecht der
Arbeitgeberin unterliegt (dazu BAG, Beschluß v. 11.9.2001 -- 1 ABR 14/01).
33
bb) Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat ordnungsgemäß unterrichtet. Gemäß § 99 I 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder
Einstellung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu
geben. Die Informationspflicht des Arbeitgebers nach § 99 I BetrVG gilt uneingeschränkt auch bei der Übernahme von Leiharbeitnehmern
(ArbG Verden, Beschluß v. 1.8.1989 -- 2 BV 24/89; Kittner, in: Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 6. Aufl. 2002, § 99 Rn. 133 m.w.N.). Die
Verpflichtung des Arbeitgebers gilt aber nur, soweit er dazu auch tatsächlich in der Lage ist und ihm entsprechende Unterlagen zur
Verfügung stehen (BAG, Beschluß v. 18.7.1978 -- 1 ABR 8/75; Beschluß v. 18.12.1990 -- 1 ABR 15/90). Bei der Einstellung von
Leiharbeitnehmern wird sich daher die Unterrichtung des Betriebsrats im Regelfall auf die Anzahl der Arbeitnehmer, deren Qualifikation, den
Einstellungstermin, die vorgesehenen Arbeitsplätze und auf die Auswirkungen der Maßnahme auf die Stammbelegschaft beschränken
dürfen (LAG Köln, Beschluß v. 12.6.1987 -- 4 TaBV 10/87; Fitting u.a., BetrVG, 21. Aufl. 2002, § 99 Rn. 53, 153; Däubler/Kittner/Klebe,
BetrVG, 6. Aufl. 1998, § 99 Rn. 133).
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Diesen Anforderungen genügt die Unterrichtung des Betriebsrats durch die Schreiben der Arbeitgeberin vom 14.2.2003. Aus den Schreiben
gehen die Natur der geplanten Maßnahme, die Anzahl der Leiharbeitnehmer, Qualifikation, geplanter Einstellungstermin, Einsatzdauer, die
zu besetzenden Stellen und Auswirkungen der Maßnahme auf die Stammbelegschaft hervor. Die Namen der Leiharbeitnehmer konnten
nicht mitgeteilt werden, da sie zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt waren.
35
cc) Der Zustimmungsersetzung steht nicht entgegen, daß die Stellen nicht innerbetrieblich ausgeschrieben worden sind, § 99 II Nr. 5 BetrVG.
Es kann dahinstehen, ob sich die Verpflichtung zur innerbetrieblichen Ausschreibung nur auf Arbeitnehmer bezieht, deren Arbeitsverhältnis
noch besteht (dazu BAG, Beschluß v. 18.12.1990 -- 1 ABR 15/90). Denn anders als bei den zunächst geplanten Einstellungen im November
2002 hat sich der Betriebsrat bei den vorliegend zu entscheidenden Maßnahmen nicht mehr auf die fehlende Ausschreibung berufen.
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dd) Die Verweigerung der Zustimmung ist aber gemäß § 99 II Nr. 1 BetrVG begründet.
37
aaa) Nach § 99 II Nr. 1 BetrVG kann der Betriebsrat die Zustimmung unter anderem verweigern, wenn die personelle Maßnahme gegen eine
Betriebsvereinbarung verstoßen würde. Voraussetzung ist, daß die Maßnahme selbst gegen eine Betriebsvereinbarung verstößt. Bei einer
Beschäftigung von Leiharbeitnehmern und damit einer Einstellung i.S.d. § 99 I 1 BetrVG muß somit die Einstellung als solche untersagt sein.
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Die geplanten Einstellungen der Leiharbeitnehmer sowohl in der Endmontage als auch in der Ersatzteilmontage verstoßen gegen Ziffer I § 4
der Betriebsvereinbarung vom 7.12.2001, da die Arbeitgeberin nicht zuvor geprüft hat, ob die Arbeitsplätze mit früheren Mitarbeitern besetzt
werden können.
39
Gemäß § 4 der Betriebsvereinbarung haben Mitarbeiter, die infolge der in der Betriebsvereinbarung geregelten Betriebsänderung entlassen
worden sind, bis zum 30.4.2004 einen Anspruch auf Wiedereinstellung, wenn Arbeitsplätze neu oder wieder zu besetzen sind. Zweck der
Regelung ist es, die Wiedereinstellung entlassener Arbeitnehmer zu fördern. Daher ist immer dann, wenn ein freier Arbeitsplatz besetzt
werden soll, zu prüfen, ob der Platz mit einem früheren Mitarbeiter besetzt werden kann.
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Die Nichteinhaltung dieser Verpflichtung ist von der Betriebsvereinbarung selbst nicht mit Rechtsnachteilen für die Arbeitgeberin bedroht.
Sie stellt aber einen Verstoß im Sinne des § 99 II Nr. 1 BetrVG dar.
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§ 99 II Nr. 1 BetrVG ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen der Einstellung ein ausdrückliches Beschäftigungsverbot entgegensteht (BAG,
Beschluß v. 14.11.1989 -- 1 ABR 88/88). Denn da solche Fälle relativ selten sind, käme dem Zustimmungsverweigerungsrecht des
Betriebsrats andernfalls nur ein beschränkter Anwendungsbereich zu. Der Verstoß gegen solche Beschäftigungsverbote wird ohnehin
regelmäßig sanktioniert, wie sich aus § 58 I Nr. 1-5 JArbSchG oder § 21 I Nr. 1 MuSchG ergibt. Vielmehr greift § 99 II Nr. 1 BetrVG auch dann,
wenn der Arbeitgeber sich über einen in einer Betriebsvereinbarung vereinbarten Wiedereinstellungsanspruch hinwegsetzt. Denn § 99
BetrVG dient der Sicherung von Pflichten, die der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat im Interesse der Wiedereinstellung der
Arbeitnehmer übernommen hat, die aufgrund einer Betriebsänderung aus dem Betrieb ausscheiden mussten, also ohne Schuld ihren
Arbeitsplatz verloren haben (BAG, Beschluß v. 18.12.1990 -- 1 ABR 15/90).
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bbb) Der Berufung des Betriebsrats auf die Betriebsvereinbarung steht auch nicht entgegen, daß der Interessenausgleich ausdrücklich von
einem persönlichen Anspruch der entlassenen Arbeitnehmer spricht. Denn die Einstellung der früheren Mitarbeiter kann nicht losgelöst von
dem Einstellungsverfahren gesehen werden. Danach ist gemäß § 4 der Betriebsvereinbarung der Betriebsrat bei der Entscheidung über die
Wiederbesetzung zu beteiligen.
43
ccc) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin erfasst die Betriebsvereinbarung vom 7.12.2001 nicht nur Planstellen, sondern auch zeitlich
befristete Arbeitsplätze bzw. Stellen, die mit Leiharbeitnehmern besetzt werden.
44
Die Betriebsvereinbarung ist hinsichtlich ihres normativen Teils wie ein Tarifvertrag auszulegen (BAG, Urt. v. 27.8.1975 -- 4 AZR 454/74; Urt.
v. 5.7.1984 -- 2 AZR 246/83; Fitting u.a., BetrVG, 21. Aufl. 2002, § 77 Rn. 26; GK/Kreutz, 6. Aufl. 1998, § 77 Rn. 51 ff.; Däubler/Kittner/Klebe,
BetrVG, 6. Aufl. 1998, § 77 Rn. 26 m.w.N.). Auszugehen ist vom objektiven Inhalt der getroffenen Regelung. Hierbei darf gemäß § 133 BGB
nicht an dem buchstäblichen Sinn des Wortlauts gehaftet werden. Vielmehr ist der wirkliche Wille, d.h. der von den Betriebsparteien verfolgte
und in der Betriebsvereinbarung, wenn auch nur unvollkommen zum Ausdruck gebrachte, Zweck zu berücksichtigen (BAG, Urt. v. 5.7.1984 --
2 AZR 246/83 m.w.N.). Eine Betriebsvereinbarung unterliegt der gerichtlichen Billigkeitskontrolle und ist so auszulegen, wie sie bei
verständiger Würdigung der beiderseitigen Interessen verstanden werden kann. In Zweifelsfällen ist das soziale Ergebnis ein gewichtiger
Auslegungsmaßstab (BAG, Urt. v. 5.7.1984 -- 2 AZR 246/83).
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Bei Zugrundelegung dieser Auslegungsgrundsätze kann der Auffassung der Arbeitgeberin nicht gefolgt werden.
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Bereits der Wortlaut des § 4 der Vereinbarung beschränkt den Wiedereinstellungsanspruch nicht auf Planstellen, sondern bezieht sämtliche
"Arbeitsplätze" ein, die "neu oder wieder zu besetzen" sind. Dies können auch befristete Stellen sein.
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Auch die Systematik der Vereinbarung spricht nicht dafür, den Wiedereinstellungsanspruch auf Planstellen zu beschränken. Zwar besteht
der Wiedereinstellungsanspruch nur für Arbeitnehmer, die eine Planstelle innehatten, wie sich aus § 1 der Vereinbarung ergibt. Daraus kann
jedoch nicht gefolgert werden, auch der Anspruch selbst beziehe sich nur auf Planstellen. Dies würde zu einer unbegründeten Vermengung
des personellen mit dem sachlichen Anwendungsbereich führen.
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Vom Sinn und Zweck der Betriebsvereinbarung her sind ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß den entlassenen
Arbeitnehmern künftig nur unbefristete Stellen angeboten werden sollten. Ein arbeitsloser Arbeitnehmer wird in der Regel bestrebt sein,
überhaupt einen Arbeitsplatz zu finden. Ob dieser unbefristet oder nur befristet ist, wird nur eine untergeordnete Rolle spielen. Der
Wiedereinstellungsanspruch dient der Unterstützung von Arbeitnehmern, die schuldlos ihren Arbeitsplatz verloren haben. Es ist nicht
erkennbar, daß diese Unterstützung nach dem Willen der Betriebspartner nur bei Planstellen und damit nur in vielleicht der Hälfte aller
Einstellungen greifen sollte.
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Soweit die Arbeitgeberin vorträgt, eine Erstreckung des Wiedereinstellungsanspruchs auf befristete Stellen würde dazu führen, daß sich
befristete Stellen über §§ 16, 14 II 2 TzBfG in unbefristete umwandeln würden, ist ihr nicht zu folgen. Zwar ist es richtig, daß die früheren
Arbeitnehmer wegen § 14 II 2 TzBfG ohne Sachgrund nicht mehr befristet eingestellt werden können. Eine Sachgrundbefristung nach § 14 I
1 TzBfG bleibt aber möglich. Denn das Verbot von Befristungen, wenn mit demselben Arbeitnehmer bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis
bestanden hat, erstreckt sich nur auf kalendermäßige Befristungen, wie sich sowohl aus dem Wortlaut ("Befristung nach Satz 1") als auch aus
Sinn und Zweck und der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt (vgl. ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rn. 123; KR/Lipke, § 14 TzBfG Rn. 268
ff.).
50
Der Erstreckung der Betriebsvereinbarung auf befristete und Leiharbeitnehmerstellen steht auch nicht entgegen, daß die Arbeitgeberin
dadurch in der Entscheidung, Leiharbeitnehmer einzustellen, beschränkt wird. Durch den Abschluß der Betriebsvereinbarung hat sich die
Arbeitgeberin freiwillig in ihrer unternehmerischen Entscheidung beschränkt. Die Beschränkung ist auch nicht unzumutbar, da sie bis zum
30.6.2004 befristet ist. Auch ist die Einstellung von Leiharbeitnehmerin nicht grundsätzlich ausgeschlossen; vielmehr bleibt sie möglich,
wenn sich kein geeigneter ehemaliger Arbeitnehmer auf eine neue oder wieder zu besetzende Stelle bewirbt. Schließlich ist auch zu
berücksichtigen, daß die unternehmerische Entscheidung eines Arbeitgebers, mit Leiharbeitnehmern zu arbeiten, nur bedingt geschützt ist.
So sind beispielsweise Stellen, die mit Leiharbeitnehmern besetzt sind, bei betriebsbedingten Kündigungen mangels Arbeitsverhältnisses
zum Entleiher als nicht besetzt anzusehen, sofern die Tätigkeiten nach dem unternehmerischen Konzept nicht dauerhaft von
Subunternehmen ausgeführt werden sollen (ErfK/Ascheid, 3. Aufl. 2003, § 1 KSchG Rn. 449 m.w.N.).
51
2. Der Antrag des Betriebsrats, die Einstellung von acht Leiharbeitnehmern in der Endmontage aufzuheben, ist zulässig und begründet. Er ist
hinreichend konkret und die Kehrseite der fehlenden Zustimmungsersetzung, § 101 S. 1 BetrVG.
52
Mit dem Antrag kann zugleich die Androhung des Zwangsgeldverfahrens verbunden werden (Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 6. Aufl. 1998, §
101 Rn. 14 m.w.N.). Der Antrag des Betriebsrats, gerichtet auf Ordnungsgeld, ist im Sinne des § 101 S. 2 BetrVG gemäß § 133 BGB dahin
auszulegen, daß ein Zwangsgeld und kein Ordnungsgeld angedroht werden soll.
53
3. Die Anträge nach § 100 BetrVG sind zulässig und begründet.
54
a) Die Bezugnahme des Betriebsrates auf die von der Arbeitgeberin genannten Gründe, aus denen die vorläufige Beschäftigung der
Leiharbeitnehmer dringend erforderlich sei, sowie die Formulierung, der Betriebsrat bestreite die "sachlichen Gründe", die die Wortwahl des
§ 100 II 2 BetrVG aufgreift, deuten darauf hin, daß der Betriebsrat die Dringlichkeit bestreiten wollte, auch wenn er dies nicht klar zum
Ausdruck gebracht hat. Damit sind die Anträge der Arbeitgeberin vom 28.2.2003 und 6.3.2003 zulässig und gehen nicht ins Leere.
55
Die formellen Voraussetzungen des § 100 BetrVG sind gewahrt. Insbesondere hat die Arbeitgeberin innerhalb von drei Tagen nach dem
Bestreiten des Betriebsrats beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung und die Feststellung beantragt, daß die Maßnahme aus
sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
56
b) Die Feststellungsanträge, daß die Einstellung der Leiharbeitnehmer sowohl in der Endmontage als auch in der Ersatzteilmontage aus
sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, sind begründet.
57
Der Feststellungsantrag des Arbeitgebers nach § 100 III 1 BetrVG ist nur dann zurückzuweisen, wenn die Maßnahme offensichtlich nicht
dringend war (BAG, Beschluß v. 7.11.1977 -- 1 ABR 55/75). Das Merkmal "offensichtlich" erfordert eine grobe Verkennung der sachlich-
betrieblichen Notwendigkeit der vorläufigen Durchführung der Personalmaßnahme seitens des Arbeitgebers (BAG, Beschluß v. 7.11.1977 --
1 ABR 55/75; Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 6. Aufl. 1998, § 100 Rn. 33; GK/Kraft, 6. Aufl. 1998, § 100 Rn. 9 ff.; Fitting u.a., BetrVG, 21. Aufl.
2002, § 100 Rn. 14).
58
Es ist nicht ersichtlich, daß die Arbeitgeberin im Zeitpunkt ihrer Entscheidung über die vorläufige Einstellung der Leiharbeitnehmer sowohl in
der Endmontage als auch in der Ersatzteilmontage die sachlich-betrieblichen Notwendigkeiten für eine alsbaldige Einstellung in grober,
ohne weiteres ersichtlicher Weise verkannt hätte. Zu Begründung der Dringlichkeit hat sie sich hinsichtlich der Leiharbeitnehmer in der
Endmontage darauf berufen, daß ansonsten vereinbarte On-dock-Termine nicht eingehalten werden könnten bzw. zusätzliche Luftfrachten
erforderlich würden, die erhebliche Kosten verursachen. In bezug auf die Ersatzteilmontage hat sie die Dringlichkeit mit einem
Lieferrückstand in Höhe von ca. 500.000 EUR und einem Auftragsbestand von etwa 25 % über dem Budget begründet. Diese Gründe
sprechen auf den ersten Blick für die sachlich-betriebliche Notwendigkeit, die Leiharbeitnehmer vorläufig einzustellen. Die etwaige
Möglichkeit, die Aufträge statt mit neuen Arbeitskräften durch Überstunden zu erledigen, steht dem nicht entgegen. Denn im Rahmen des §
100 BetrVG ist es unerheblich, ob andere Arbeitnehmer den zu besetzenden Arbeitsplatz vorläufig hätten ausfüllen können (GK/Kraft, 6. Aufl.
1998, § 100 Rn. 9; Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 6. Aufl. 1998, § 100 Rn. 5), ungeachtet der rechtlich begrenzten Möglichkeit, Überstunden
anzuordnen.
59
D.Vorsitzende:
60
Dr. Rudolf