Urteil des ArbG Heilbronn vom 08.11.2000

ArbG Heilbronn: vergütung, kündigungsfrist, mitbestimmungsrecht, kindergarten, zahl, entstehung, fälligkeit, form, bewährung, einreihung

ArbG Heilbronn Urteil vom 8.11.2000, 4 Ca 329/00
Korrigierende Rückgruppierung
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die klagende Partei trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf DM 30.212,64 festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit als Kindergartenleiterin gemäß der Vergütungsgruppe IVb der Anlage 1a
zum BAT oder gemäß der Vergütungsgruppe Vc der Anlage 1a zum BAT zu vergüten ist.
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Die am 16.06.1954 geborene, verheiratete und zwei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtete Klägerin ist seit 15.08.1989 als
Kindergartenleiterin bei der Beklagten tätig. Bei der beklagten Partei besteht ein Personalrat. Auf das Arbeitsverhältnis findet der BAT kraft
arbeitsvertraglicher Vereinbarung Anwendung. § 2 des Arbeitsvertrages regelt insoweit:
"§ 2
3
Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) in der für den Bereich der Vereinigung
der kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung und den diesen ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträgen.
Ausserdem finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung."
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Gemäß § 4 dieses Arbeitsvertrages wurde die Klägerin nach § 22 BAT in die Vergütungsgruppe Vb eingruppiert. Am 14.06.1993 schlossen die
Parteien einen Änderungsvertrag ab, wonach die Klägerin ab 15.08.1993 in die Vergütungsgruppe IVb eingereiht wurde. Wegen des Wortlauts
dieser Vereinbarung wird auf Blatt 8 der Akte Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 16.02.2000 informierte die beklagte Partei die Klägerin darüber, dass die Vergütung einer Leiterin von Kindertagesstätten von
der Durchschnittsbelegung in den Monaten Oktober -- Dezember des vorangegangenen Kalenderjahres abhänge. Da der Kindergarten, in
welchem die Klägerin tätig ist, in diesem Zeitraum eine Durchschnittsbelegung von unter 40 Kindern aufgewiesen habe, müsse die Vergütung
der Klägerin dahingehend angepasst werden, dass sie nunmehr gemäß der Vergütungsgruppe Vc des BAT zuzüglich einer
Vergütungsgruppenzulage von 5 % vergütet würde.
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Ab März 2000 zahlte die beklagte Partei entsprechend der herabgestuften Vergütungsgruppe und behielt die ihrer Ansicht nach für die Monate
Januar und Februar 2000 zuviel bezahlten Differenzbeträge vom Märzlohn ein. Der monatliche Differenzbetrag beträgt DM 868,27 brutto.
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Mit ihrer beim Arbeitsgericht Heilbronn am 26.07.2000 eingegangen und der beklagten Partei am 31.07.2000 zugestellten Klage macht die
Klägerin im wesentlichen geltend:
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Vorliegend dürfe die beklagte Partei die Vergütungsgruppe nicht einseitig abändern. Im Änderungsvertrag vom 14.06.1993 sei die
Vergütungsgruppe IV b des BAT schriftlich vereinbart. Wolle die beklagte Partei dies ändern, müsse sie eine Änderungskündigung unter
Beachtung der tarifvertraglichen Kündigungsfrist aussprechen. Bei der Klägerin habe darüber hinaus ein Bewährungsaufstieg stattgefunden.
Dieser könne nicht rückgängig gemacht werden.
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Die klagende Partei bestreitet ferner die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats. Hilfsweise trägt die klagende Partei vor, dass auch bei
Eingreifen des Tarifautomatismus die vertragliche Kündigungsfrist einzuhalten sei, damit sich die Klägerin auf den monatlichen
Einkommensverlust einstellen könne.
10 Die Klägerin beantragt:
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1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin nach Vergütungsgruppe IVb des Bundesangestelltentarifvertrages zu
vergüten.
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2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 4.225,47 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich aus DM 868,27 ergebenden Nettobetrag
seit 15.03.2000 und aus den sich aus jeweils DM 839,30 ergebenden Nettobeträgen seit 15.04.2000, 15.05.2000 und 15.06.2000 und
15.07.2000 zu zahlen.
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3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 607,98 netto zuzüglich 4 % Zinsen seit 15.03.2000 zu zahlen.
14 Die beklagte Partei beantragt
15
Klageabweisung.
16 Sie ist der Auffassung, dass die Klägerin zutreffend in die Vergütungsgruppe Vc der Anlage 1a zum BAT eingruppiert worden sei. Entgegen der
Ansicht der klagenden Partei sei vorliegend keine Änderungskündigung zur Durchsetzung der Herabgruppierung erforderlich. Es greife hier der
sogenannte Tarifautomatismus. Der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden und habe dieser Herabgruppierung schriftlich zugestimmt.
17 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird zur Darstellung des Sach- und Streitstands auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
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Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
19
Die beklagte Partei ist nicht verpflichtet, die Klägerin ab dem 01.01.2000 nach der Vergütungsgruppe IVb der
Anlage 1a des BAT zu vergüten.
20
1. Die Klage ist zulässig. Bei dem Klageantrag Ziffer 1 handelt es sich um eine
Eingruppierungsfeststellungsklage, die im öffentlichen Dienst allgemein üblich ist und gegen deren
Zulässigkeit nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (z.B.
BAG, 19.03.1986, 4 AZR 470/84).
21
An der Zulässigkeit der geltend gemachten Zahlungsanträge, Klageanträge Ziffer 2 und 3, bestehen gleichfalls keine Bedenken.
22
2. Die Klage ist nicht begründet.
23
a) Entgegen der Ansicht der klagenden Partei steht dieser kein Anspruch auf Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IVb der Anlage
1a des BAT aufgrund des Änderungsvertrages vom 14.06.1993 zu.
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Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, von der abzuweichen die Kammer keine Veranlassung sieht, gilt
folgendes:
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Wird in einem Arbeitsvertrag auf die einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen Bezug genommen, ist davon auszugehen, dass
sich die Eingruppierung des Arbeitnehmers nach der zutreffenden Vergütungsgruppe richten soll. Dies gilt auch dann, wenn im
Arbeitsvertrag an anderer Stelle eine bestimmte Vergütungsgruppe verwiesen wird. Einer solchen Vertragsbestimmung kommt nur
die Bedeutung zu, festzustellen, welche Vergütungsgruppe die Parteien einmal als zutreffend angesehen haben (BAG, 12.12.1990,
4 AZR 306/90).
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Die Gewährung einer bestimmten Vergütungsgruppe kann aber auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass dem
Arbeitnehmer ein eigenständiger, von den tarifvertraglichen Bestimmungen unabhängiger, arbeitsvertraglicher Anspruch auf eine
bestimmte Vergütung eingeräumt werden sollte. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände kann ein Arbeitnehmer des öffentlichen
Dienstes der Angabe oder der Gewährung einer bestimmten Vergütungsgruppe eine solche Bedeutung schon deshalb nicht
entnehmen, weil der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes grundsätzlich keine übertarifliche Vergütung, sondern grundsätzlich nur
das gewähren will, was dem Arbeitnehmer tarifrechtlich zusteht (vgl. BAG, 18.02.1989, NZA 1989, Seite 950 m.w.N.).
27
So verhält es sich im vorliegenden Fall.
28
Gemäß § 2 des Arbeitsvertrags vom 05.05.1989 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den Vorschriften des BAT. Mit
Änderungsvertrag vom 14.06.1993 vereinbarten die Parteien eine Einreihung in die Vergütungsgruppe IVb des BAT. Anhaltspunkte
dafür, dass hier die beklagte Partei ausnahmsweise die Vergütungsgruppe IVb ohne Berücksichtigung der tatsächlich erbrachten
Leistung der Klägerin und der sich daraus ergebenden Eingruppierung vereinbart hat, sind weder aus dem Wortlaut der
Vereinbarung (insoweit wird auf Bl. 8 d.A. Bezug genommen) noch aus sonstigen Umständen erkennbar.
29
b) Ein Anspruch auf Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IVb des BAT besteht nicht, da dessen Voraussetzungen nicht vorliegen.
Gemäß der Anlage 1a zum BAT ist Voraussetzung für die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IVb:
"7.
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Angestellte als Leiter von Kindertagesstätten mit einer Durchschnittsbelegung von mindestens 40 Plätzen,
31
nach 4jähriger Bewährung in Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 7 (hierzu Protokollerklärungen Ziffer 9 und 10)."
32
Gemäß der Protokollerklärung Ziffer 10 gilt zur Ermittlung der Durchschnittsbelegung folgendes:
33
"Der Ermittlung der Durchschnittsbelegung ist für das jeweilige Kalenderjahr grundsätzlich die Zahl der vom 01.10. -- 31.12. des
vorangegangen Kalenderjahres vergebenen, je Tag gleichzeitig belegbaren Plätze zugrunde zulegen."
34
Diese Anforderungen erfüllt die Klägerin nicht. Unstreitig ergibt sich in ihrem Kindergarten eine Durchschnittsbelegung von weniger
als 40 Plätzen in dem Zeitraum 01.10. -- 31.12.2000. Die Voraussetzungen liegen danach nicht vor.
35
c) Entgegen der Ansicht der klagenden Partei bedurfte es vorliegend keiner Änderungskündigung.
36
Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geht die Kammer davon aus, dass eine Änderungskündigung
nur zur Änderung arbeitsvertraglicher Ansprüche erforderlich ist. Wird eine zu hohe Vergütung rechtsgrundlos gezahlt, so kann die
Zahlung einseitig vom Arbeitgeber eingestellt werden. Auch ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes kann sich von einer
rechtsfehlerhaften Tarifanwendung, die nicht zur Entstehung vertraglicher Rechtsansprüche geführt hat, einseitig lossagen (vgl.
BAG, 18.02.1998, NZA 1998, Seite 950, 952).
37
Wie unter a) und b) bereits ausgeführt, besteht kein vertraglicher Anspruch der Klägerin auf Eingruppierung in die
Vergütungsgruppe IVb BAT ab dem 01.01.2000. Die weitere Gewährung dieser Vergütung führt zu einer rechtsfehlerhaften
Tarifanwendung, die die beklagte Partei zur einseitigen Korrektur berechtigt.
38
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Tätigkeit der Klägerin als solche nicht verändert hat, sondern sich nur die
äusseren Umstände, die durchschnittliche Belegungszahl im letzten Quartal 1999 geändert hat. Es liegt dennoch seit 01.01.2000
eine nunmehr rechtsfehlerhaft gewordene Tarifanwendung vor, da die Voraussetzung der durchschnittlichen Belegungszahl von
mindestens 40 nicht mehr gegeben ist. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang ebenfalls, dass dadurch ein Bewährungsaufstieg
der Klägerin rückgängig gemacht wird. Dies ändert nichts daran, dass die Voraussetzungen für Vergütungsgruppe IVb BAT nun
nicht mehr vorliegen.
39
d) Die beklagte Partei war auch berechtigt, die Eingruppierung rückwirkend zum 01.01.2000 vorzunehmen, da die Voraussetzung für
die Vergütungsgruppe IVb BAT ab diesem Zeitpunkt nicht mehr vorlagen (vgl. oben a) bis c)). Soweit die klagende Partei einwendet,
eine Herabstufung könne nicht rückwirkend und nur unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist vollzogen werden, ist dies
unzutreffend.
40
e) Soweit die klagende Partei einwendet, der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden, ist dies unbeachtlich. Die Kammer
teilt nicht die Bedenken der Klägerin an der vorgetragenen Personalratsanhörung. Dies kann jedoch letztlich dahinstehen, da es darauf
nicht ankommt. Unterstellt, das Mitbestimmungsrecht des Personalrats sei vorliegend verletzt worden, wäre dies gemäß der ständigen
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für den Vergütungsanspruch der Klägerin unbeachtlich.
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Gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist davon auszugehen, dass der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers
sich nach den vertraglichen oder tariflichen Bestimmungen einer zutreffenden Eingruppierung richtet. Dies folgt daraus, dass das
Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei Ein-, Um-, Höher- und Rückgruppierungen, die in Bezug auf eine unveränderte Tätigkeit
erfolgt, nur in Form eines Mitbeurteilungsrechts der Eingruppierungsentscheidung des Arbeitgebers besteht. Von dieser Funktion
sind die individualrechtlichen Rechtsfolgen zu unterscheiden. Ein nach den vertraglichen oder tarifvertraglichen Bestimmungen
nicht gegebener Vergütungsanspruch kann durch eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts nicht begründet werden (vgl. BAG,
28.05.1997, 10 AZR 383/95).
42
f) Da vorliegend die Voraussetzung für die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IVb BAT nicht gegeben sind, waren auch die mit
dem Klageantrag Ziffer 2 begehrten Lohnansprüche abzuweisen. Soweit die Klägerin mit dem Klageantrag Ziffer 3 die von der
beklagten Partei einbehaltenen DM 607,98 netto für die in den Monaten Januar und Februar 2000 ausbezahlten Differenzbeträge
zwischen den streitigen Vergütungsgruppen geltend macht, war auch dieser Antrag abzuweisen. Die Grenze der Geltendmachung
zurückliegender Ansprüche ergibt sich aus den Ausschlussfristen des § 70 BAT. Danach verfallen die Ansprüche aus dem
Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb von sechs Monaten ab Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Diese Frist wurde
seitens der beklagten Partei unproblematisch gewahrt.
II.
43
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO i.V.m. § 46 II ArbGG.
44
Da die klagende Partei vollumfänglich unterlegen ist, hat sie die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
45
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 I ArbGG i.V.m. § 12 VII Satz 2 ArbGG.
46
Dabei wurde der Streitwert des Klageantrags Ziffer 1 mit dem 3jährigen Bezug des Differenzbetrages angesetzt (36 x 868,27 DM). Die
Streitwerte der Klaganträge Ziffer 2 und 3 ergeben sich aus dem jeweiligen Nennbetrag der eingeklagten Forderungen. Diese wirken sich
jedoch nicht streitwerterhöhend aus, da gemäß § 12 VII ArbGG die bis zur Klagerhebung entstandenen Rückstände nicht hinzugerechnet
werden.