Urteil des ArbG Freiburg vom 10.10.2002

ArbG Freiburg: gerichtliche zuständigkeit, anfechtung, verwaltungsgerichtsbarkeit, arbeitsgerichtsbarkeit, körperschaft, verfassung, gesetzesänderung, verfahrensart, rechtsberatung, verfügung

ArbG Freiburg Beschluß vom 10.10.2002, 11 BV 15/02
Anfechtung der Wahl einer Schwerbehindertenvertreterin in einer Dienststelle - Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte
Tenor
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist nicht gegeben. Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Freiburg verwiesen.
Gründe
1
In dem vorliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Anfechtung der Wahl der Schwerbehinderten in der Dienststelle in Freiburg
vom 30.08.2002. Bei der Antragstellerin handelt es sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die nach dem
Landespersonalvertretungsgesetz Baden-Württemberg verfasst ist.
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Gegenstand der vorliegenden Entscheidung ist die Verweisung des Rechtsstreits an die Verwaltungsgerichtsbarkeit (hier das Verwaltungsgericht
Freiburg).
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Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist nicht gegeben, sondern für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ist die
Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständig.
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Nach § 17 a Abs. 2 S. 1 GVG war dies vorab durch Beschluss zu entscheiden und der Rechtsstreit an das zuständige Verwaltungsgericht
Freiburg zu verweisen. Dabei ist in entsprechender Anwendung des § 48 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG die Entscheidung durch die Kammer zu treffen
gewesen. Sie konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen.
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Nach § 2 a Nr. 3 a ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für Angelegenheiten aus den §§ 94, 95, 139 des 9.
Buches Sozialgesetzbuch. Damit ist den Arbeitsgerichten dem Wortlaut der Vorschrift nach die Zuständigkeit für die sich aus § 94 Abs. 6 S. 2 SGB
IX ergebende Anfechtung der Wahl der Schwerbehindertenvertretung zugewiesen. Dies gilt jedoch nicht für die Anfechtung der Wahl einer
Schwerbehindertenvertretung in einer Dienststelle einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die unter den Geltungsbereich des
Landespersonalvertretungsgesetzes Baden-Württemberg fällt.
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Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
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Der Wortlaut von § 2 a Nr. 3 a ArbGG lässt nicht erkennen, ob die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte auch für die Anfechtung der
Wahl einer Schwerbehindertenvertretung in Dienststellen gilt, für die das Personalvertretungsgesetz gilt. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur
Vereinfachung und Beschleunigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens am 01.05.2000 entsprach es der übereinstimmenden Rechtsprechung
der Verwaltungsgerichtsbarkeit und des Bundesarbeitsgerichts, dass hierfür die Verwaltungsgerichte zuständig sind. So hat das
Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 17.03.1983 (6 P 30.82, PersV 1983, S. 320) entschieden, dass die Anfechtung der Wahl des
Vertrauensmanns der Schwerbehinderten im Bereich des öffentlichen Dienstes vor den Fachkammern bzw. dem Fachsenat für
Personalvertretungssachen der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu entscheiden ist. Ebenso hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom
21.09.1989 (1 AZR 465/88, PersV 1989, S. 180) ebenfalls entschieden, dass Streitigkeiten zwischen einer Schwerbehindertenvertretung und der
Dienststelle, in der sie errichtet ist, dann von den Verwaltungsgerichten zu entscheiden sind, wenn für die Dienststelle ein
Personalvertretungsgesetz gilt. In dieser Entscheidung (unter II. 2. der Gründe) weist das Bundesarbeitsgericht darauf hin, dass die Gerichte für
Arbeitssachen auch im Beschlussverfahren nicht zuständig sind. Ist die Antragstellerin eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, sind
Streitigkeiten zwischen der Personalvertretung und der Dienststelle im verwaltungsgerichtlichen Beschlussverfahren auszutragen. Diese
Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gilt auch für Rechtsstreitigkeiten um Beteiligungsrechte der in einer Dienststelle gebildeten
Schwerbehindertenvertretung. Diese ist ein gesetzliches Organ innerhalb der Verfassung der Dienststelle, dem Rechte nicht nur gegenüber dem
Dienststellenleiter, sondern auch gegenüber den Personalvertretungen eingeräumt sind. Haben aber über die durch das
Personalvertretungsrecht gestaltete Verfassung der Dienststelle die Verwaltungsgerichte zu entscheiden, so muss gleiches auch für die
Schwerbehindertenvertretung einer Dienststelle gelten (BAG, ebd.).
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Auch nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.03.1983 (aaO.) gilt für die gerichtliche Zuständigkeit das Recht, auf das die
Betriebs-, Personal- oder Richterratswahl Anwendung findet. Dies ergibt sich aus der Formulierung in § 21 Abs. 5 S. 2 Schwerbehindertengesetz
a. F. "bei der Wahl des Betriebs-, Personal- oder Richterrates". Daher sei § 86 Abs. 1 des LPVG Baden-Württemberg sinngemäß dahin zu
ergänzen, dass die Fachkammern und der Fachsenat für Personalvertretungssachen auch über die Anfechtung der Wahl eines
Vertrauensmanns zu entscheiden habe, der einem Personalrat zugeordnet ist.
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An dieser Rechtslage, die unverändert bis zum 01.05.2002 gegolten hat, hat auch das arbeitsrechtliche Beschleunigungsgesetz und seine
Änderung des § 2 a Nr. 3 a ArbGG nichts geändert. Die Frage, ob die Arbeitsgerichtsbarkeit auch für Wahlanfechtungsverfahren im Bereich der
Schwerbehindertenvertretung in Dienststellen des öffentlichen Rechts zuständig ist, wurde erst aufgeworfen durch die Änderung der Nr. 3 a
durch das arbeitsrechtliche Beschleunigungsgesetz vom 01.05.2000, durch das in § 2 a Nr. 3 a die Angabe § 54 c (Schwerbehindertengesetz a.
F.) durch die Angaben §§ 24, 25 und 54 c (Schwerbehindertengesetz a. F.) ersetzt wurde. Sinn dieser Gesetzesänderung war jedoch nicht, der
Arbeitsgerichtsbarkeit nun auch die Entscheidung über Wahlanfechtungen in Dienststellen des öffentlichen Rechts zuzuweisen, sondern
lediglich die im Rahmen der Gesetzesänderung vom 23.07.1996 (Bundesgesetzblatt I, S. 1088) verabsäumte Klarstellung nachzuholen, dass
nicht nur die Angelegenheit der Werkstatträte der Behinderten gemäß § 54 c Schwerbehindertengesetz a. F., sondern auch die Angelegenheit
der Schwerbehindertenvertretung (§§ 24 und 25 Schwerbehindertengesetz) im Beschlussverfahren zu entscheiden sind (s.
Bundestagsdrucksache 13/11289 vom 17.07.1998 -- Begründung, 2. Teil -- Die einzelnen Vorschriften -- zu Art. 1 (Änderung des
Arbeitsgerichtsgesetzes)). Die gesetzliche Regelung diente demnach ausschließlich der Klarstellung, dass Streitigkeiten der
Schwerbehindertenvertretung in Betrieben, deren Verfassung sich nach dem Betriebsverfassungsgesetz richtet, im Beschlussverfahren zu
entscheiden sind, was zuvor streitig gewesen ist, da das Arbeitsgerichtsgesetz keine besondere Zuweisung enthielt. Gesetzeszweck war
demnach alleine die Festlegung, dass hierbei die Verfahrensart Beschlussverfahren anzuwenden ist, nicht jedoch die Zuweisung von
Streitigkeiten aus dem Bereich von Dienststellen des öffentlichen Rechts an die Arbeitsgerichtsbarkeit. (s. auch Germelmann u.a.,
Arbeitsgerichtsgesetz, 4. Aufl., § 2 a Rn. 23)
10 Demnach ergibt sich aus § 2 a Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG keine Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit für den vorliegenden Rechtsstreit. Dieser war
an die zuständige Verwaltungsgerichtsbarkeit, hier das Verwaltungsgericht Freiburg, zu verweisen.
11 Nach § 12 Abs. 5 ArbGG ist diese Entscheidung kostenfrei.
12 D.Vorsitzende:
13 Tillmanns