Urteil des ArbG Frankfurt an der Oder vom 21.10.2009

ArbG Frankfurt: bonus, vergütung, willenserklärung, minimum, geschäftsjahr, billigkeit, zusage, auszahlung, bedingung, abrede

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Gericht:
ArbG Frankfurt 14.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
14 Ca 2235/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 315 Abs 1 BGB, § 133 BGB, §
157 BGB, § 611 Abs 1 BGB, §
315 Abs 3 BGB
Bonuszahlung - Auslegung eines Bonusbriefs - Schreiben
einer Bank als rechtsverbindliche Zusage
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 391.500,00 festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine Bonuszahlung.
Der am 4. April 1970 geborene Kläger ist auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom
14. November 2000 seit dem 1. Juli 2001 als Head of FX-Corporate Solutions
Germany/Austria in der Investmentsparte (... Bank – "D") der Beklagten bzw. deren
Rechtsvorgängerin beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 14. November 2000,
wegen dessen weiterer Einzelheiten im Übrigen auf Bl. 6 ff. d. A. verwiesen wird,
enthält auszugsweise die folgenden Regelungen:
Das Ertragsziel der vom Kläger geführten Gruppe betrug für das Jahr 2008 € ...
Mio., erreicht wurden € ... Mio. Das individuelle Budget des Klägers betrug für das
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Mio., erreicht wurden € ... Mio. Das individuelle Budget des Klägers betrug für das
Jahr 2008 € ... Mio., erzielt wurden vom Kläger € ... Mio.
Am 12. August 2008 wurde auf einer Vorstandssitzung der Rechtsvorgängerin der
Beklagten die Notwendigkeit der Festlegung eines Minimum-Bonuspools in Höhe
von € 400 Mio. für das Geschäftsjahr 2008 für "D" erörtert, um die
Mitarbeiterstabilität aufrecht zu erhalten. In einer Informationsveranstaltung über
den Verlauf des Geschäfts der "D" (sog. "Business Update") am 18. August 2008
teilte das Vorstandsmitglied der Rechtsvorgängerin der Beklagten, Herr ..., den
Mitarbeitern des "D-Frontoffices" die Bildung des Bonuspools mit. Die
Rechtsvorgängerin der Beklagten verlautbarte die Bildung des Bonuspools in der
Folgezeit wiederholt.
Mit Email vom 20. Oktober 2008 (Bl. 135 d. A.) wurde ua. dem Kläger seitens der
Rechtsvorgängerin der Beklagten mitgeteilt, dass die Benachrichtigung über die
Vergabe der Boni am Freitag, den 19. Dezember 2008 erfolgen werde.
Am 28. Oktober 2008 wandte sich der Vorstand der Rechtsvorgängerin der
Beklagten wie folgt an die Mitarbeiter:
Am 19. Dezember 2008 erhielt der Kläger den nachfolgenden Bonusbrief (Bl. 9 d.
A.):
Mit Email vom 18. Februar 2009 (Bl. 10 d. A.) an den Verteiler "D Global Personnel"
teilte die Rechtsvorgängerin der Beklagten ua. mit, dass die Mitarbeiter des "D-
Frontoffices", denen eine vorläufige Bonusfestsetzung mitgeteilt worden sei, eine
anteilig um 90 % gekürzte Zahlung erhalten würden.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten ergänzte die mit Email vom 18. Februar
2008 getroffene Entscheidung anschließend dahingehend, dass der Bonus der
Mitarbeiter des "D-Frontoffices" grundsätzlich mindestens ein Bruttomonatsgehalt
betragen solle.
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Am 12. März 2009 zahlte die Rechtsvorgängerin der Beklagten an den Kläger
einen Bonus in Höhe von € ... brutto.
Der Kläger ist der Auffassung, er habe einen Anspruch auf Bonuszahlung in Höhe
der vorläufigen Festsetzung aus dem Schreiben am 19. Dezember 2008. Soweit
man die Feststellung, dass es keine wesentlichen negativen Abweichungen in
Ertrag und Ergebnis der "D" zum Forecast für die Monate November und
Dezember 2008 gegeben habe, als Bedingung für die ungekürzte Auszahlung des
im Schreiben am 19. Dezember 2008 genannten Bonus ansehe, so habe die
Beklagte den Eintritt dieser Bedingung selbst treuwidrig vereitelt. Sie habe
offensichtlich die für sie günstigen Zahlen festgelegt. In Anwendung der Regelung
des § 162 Abs. 1 BGB müsse die Rechtsfolge zwingend sein, dass die Bedingung
als eingetreten gelte und die Beklagte verpflichtet sei, den ungekürzten Bonus
auszuzahlen.
Der von der Beklagten in dem Bonusbrief am 19. Dezember 2008 erklärte
Vorbehalt sei rechtsunwirksam, da er gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoße.
Die Formulierung des Änderungsvorbehalts sei vage und unklar gestaltet.
Die Beklagte habe bei ihrer Ermessensausübung auch nicht die beiderseitigen
Interessen, sondern nur ihre eigenen berücksichtigt. Bereits nach ihrem eigenen
Vortrag stehe daher fest, dass die vorgenommene Reduzierung der Bonuszahlung
keinesfalls billigem Ermessen entspreche.
Soweit die Beklagte mit der Gehaltsabrechnung für den Monat Februar 2009 einen
Stichtag für die Auszahlung festgelegt habe, habe sie folglich auch eine Festlegung
getroffen, bis zu welchem Stichtag die Überprüfung abgeschlossen und den
Mitarbeitern mitgeteilt worden sein müsse. Da die Beklagte die von ihr selbst
gesetzte zeitliche Grenze überschritten habe, habe ihr rechtlich keine Möglichkeit
mehr zu Gebote gestanden, die "vorläufige" Festsetzung der Bonushöhe aus dem
Schreiben am 19. Dezember 2009 abzuändern.
Im Übrigen handele es sich bei den Mitteilungen, es stünde für das Jahr 2008 ein
garantierter Bonuspool von mindestens € 400 Mio. zur Verfügung, um eine
Gesamtzusage.
beantragt
die Beklagte zu verurteilen, an ihn € ... brutto nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Februar 2009 zu zahlen.
beantragt
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, zum Zeitpunkt der Email vom 20. Oktober 2008 sei ihre
Rechtsvorgängerin auf Grund einer Prognose vom 28. August 2008 davon
ausgegangen, dass es im Geschäftsjahr 2008 für die "D" zu einem negativen
Ergebnis aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit ("Operatives Ergebnis") in Höhe von
rund € 1,7 Mrd. kommen werde. Außerdem schließe das Schreiben die Mitarbeiter
des "D-Frontoffices" aus.
Eine Prognose mit Stand vom 20. November 2008 habe ergeben, dass sich der
Verlust aus dem operativen Geschäft der "D" für das Geschäftsjahr 2008 auf €
2,97 Mrd. ausweiten werde. Aufgrund der Besonderheiten durch die
Finanzmarktkrise habe die Zusammenstellung der Monatszahlen im 4. Quartal
2008 einen ganz erheblich längeren Zeitraum erfordert. So habe sich die
Feststellung der finalen Monatsergebnisse wegen der Beantwortung rechtlicher
Bewertungsfragen sowie auf Grund außergewöhnlicher Unsicherheiten im Hinblick
auf die Bewertung der "toxischen" Papiere der Bank bis zu zwei Monate
hingezogen. Durch diese Verwerfungen habe sich eine nie zuvor da gewesene
Dynamik des Ergebnisses des Konzerns der Rechtsvorgängerin ergeben. Am 4.
Dezember 2008 sei daher in einer Vorstandssitzung beschlossen worden, für alle
Mitarbeiter des "D-Frontoffice" einen Vorbehalt in die Bonusbriefe aufzunehmen.
Auf Grund der Prognose von November 2008 habe die Rechtsvorgängerin für die
"D" mit negativen operativen Erträgen im Jahr 2008 in Höhe von € 218 Mio.
gerechnet.
Die erforderlichen Ergebnis- und Ertragsfeststellungen, die für die Durchführung
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Die erforderlichen Ergebnis- und Ertragsfeststellungen, die für die Durchführung
des "Reviews" erforderlich gewesen seien, hätten sich bis Anfang Februar 2009
hingezogen. Am 4. Februar 2009 habe das vorläufige Ergebnis ein negatives
operatives Ergebnis der "D" in Höhe von rund € 5,751 Mrd. sowie negative
operative Erträge der "D" von € 2,298 Mrd. ausgewiesen. Nach dem finalen
Geschäftsabschluss seien die operativen Erträge der "D" über das zwölffache
schlechter als zuvor angenommen gewesen. Vor dem Hintergrund dieser
dramatischen wirtschaftlichen Entwicklung hätten die Vorstände der Beklagten und
die ihrer Rechtsvorgängerin am 17. Februar 2009 die Entscheidung getroffen, die
Boni für das Geschäftsjahr 2008 nur in Höhe von 10 % des mit Schreiben am 19.
Dezember 2008 festgesetzten Betrages zu bringen. Die Voraussetzungen des
Vorbehalts seien eingetreten. Es solle nicht in Abrede gestellt werden, dass
einzelne Bereiche der "D" auch im Geschäftsjahr 2008 gut performt hätten. Die
Investmentbanksparte habe jedoch insgesamt ihre Jahresziele signifikant verfehlt.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Kürzung sei auch vor dem Hintergrund der
Kernkapitalquote, die mindestens 4 % betragen müsse, zu sehen. Die
Kernkapitalquote habe sich für das Jahr 2008 in einem Bereich bewegt, der als
kritisch einzustufen gewesen sei. Zudem sei im Februar 2009 bereits eine
erhebliche gesellschaftliche Diskussion über die Berechtigung von Bonuszahlungen
entstanden. Nach den in dieser Größenordnung nicht vorgesehenen Verlusten
ihrer Rechtsvorgängerin und des Bekanntwerdens der beabsichtigten
Inanspruchnahme von Steuergeldern in Höhe von € 18,2 Mrd. habe sich
Diskussion auf ihre Rechtsvorgängerin bzw. sie selbst fokussiert. Die Bonuszahlung
sei der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln gewesen, weswegen sie zur Kürzung
gezwungen gewesen sei. Das ihr zustehende Ermessen habe ihre
Rechtsvorgängerin ordnungsgemäß ausgeübt.
Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von
ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird
ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen (§ 313 Abs. 2 ZPO).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf weitere
Bonuszahlung aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. Ziffer 2 b des Arbeitsvertrages und dem
am 19. Dezember 2008 ausgegebenen Bonusbrief zu. Ein höherer Bonusanspruch
ergibt sich auch nicht aus §§ 611 Abs. 1, 315 Abs. 1 und Abs. 3 BGB iVm. Ziffer 2 b
des Arbeitsvertrages. Ein Anspruch folgt schließlich nicht aus § 611 Abs. 1 BGB
iVm. dem Arbeitsvertrag und der Mitteilung über die Bereitstellung eines
Minimum-Bonuspools in Höhe von € 400 Mio. am 18. August 2008 sowie anderer
Verlautbarungen zum Bonusvolumen. Die Beklagte hat die Ansprüche des Klägers
auf variable Vergütung mit der Zahlung vom 12. März 2009 gemäß § 362 Abs. 1
BGB vollständig erfüllt. Im Einzelnen:
I.
Der Kläger kann keine weitere Bonuszahlung verlangen. Ein Anspruch auf eine
höhere Zahlung ergibt sich weder aus seinem Arbeitsvertrag und dem am 19.
Dezember 2008 ausgegebenen Bonusbrief noch aus den Mitteilungen und
Verlautbarungen der Beklagten zur Bereitstellung eines Minimum-Bonuspools in
Höhe von € 400 Mio.
1. Dem Kläger steht kein Anspruch aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. Ziffer 2 b des
Arbeitsvertrages und dem am 19. Dezember 2008 ausgegebenen Bonusbrief zu.
Die im Wesentlichen gleich lautenden Bonusbriefe an die Mitarbeiter des "D-
Frontoffice" beinhalten keine auf Ausübung des arbeitgeberseitigen Ermessens
gerichteten Willenserklärungen. Es handelt sich lediglich um Mitteilungsschreiben,
in denen die Rechtsvorgängerin der Beklagten über die zu diesem Zeitpunkt für sie
maßgeblichen Erwägungen und Faktoren zur variablen Vergütung informiert und
über die beabsichtigte weitere Vorgehensweise in tatsächlicher und rechtlicher
Hinsicht in Kenntnis setzt.
a) Nach Ziffer 2 b iVm. Ziffer 10 des Arbeitsvertrages steht dem Kläger dem
Grunde nach ein Anspruch auf eine variable Vergütung zu. Nach dieser Regelung
erhält er eine zusätzliche Vergütung, die unter Berücksichtigung der Ertragslage
des Investment Banking Geschäfts der Bank individuell nach
Leistungsgesichtspunkten sowie in Erwartung weiterer engagierter Tätigkeit jährlich
neu festgelegt wird.
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Auf das vertraglich vereinbarte einseitige Leistungsbestimmungsrecht des
Arbeitgebers findet die Auslegungsregel in § 315 Abs. 1 BGB Anwendung. Danach
ist im Zweifel anzunehmen, soll die Leistung durch einen der Vertragsschließenden
bestimmt werden, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
Das Recht einer Vertragspartei, die Leistung nach § 315 Abs. 1 BGB einseitig zu
bestimmen, ist ein Gestaltungsrecht
. Die Bestimmung erfolgt durch einseitige, empfangsbedürftige
Willenserklärung gegenüber der anderen Vertragspartei
. Es handelt sich um die Abgabe einer Willenserklärung, die
sowohl Erklärungsbewusstsein beinhaltet als auch auf einen konkreten
Geschäftswillen gerichtet ist. Als Willenserklärung ist die Ausübung des Ermessens
daher unwiderruflich und bedingungsfeindlich
. Die Aufnahme eines
Vorbehalts wäre grundsätzlich nicht möglich.
b) Die im Wesentlichen gleich lautenden Bonusbriefe, die am 19. Dezember 2008
an die Mitarbeiter des "D-Frontoffice" ausgegeben wurden, beinhalten keine auf
Ausübung des arbeitgeberseitigen Ermessens gerichteten Willenserklärungen nach
§ 315 Abs. 2 BGB.
Eine Willenserklärung ist notwendiger Bestandteil eines jeden Rechtsgeschäfts. Sie
ist Äußerung eines auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung gerichteten Willens:
Sie bringt einen Rechtsfolgewillen zum Ausdruck. Der subjektive Tatbestand der
Willenserklärung wird üblicherweise unterteilt in den das äußere Verhalten
beherrschenden Handlungswillen, das Erklärungsbewusstsein (Bewusstsein,
überhaupt eine rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben) und den Geschäftswillen
(die auf einen bestimmten rechtsgeschäftlichen Erfolg gerichtete Absicht). Zum
objektiven Tatbestand gehört jede Äußerung, die den Rechtsfolgewillen nach
außen erkennen lässt . Bei
empfangsbedürftigen Willenserklärungen ist der objektive Erklärungsgehalt
maßgeblich
. Dies gilt auch dann, wenn nicht der Inhalt einer
Willenserklärung durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln ist, sondern
auch, wenn zweifelhaft ist, ob eine bestimmte Erklärung oder ein bestimmtes
Verhalten als Willenserklärung zu werten ist oder nicht
.
c) Ob der am 19. Dezember 2008 ausgegebene Bonusbrief eine auf Ausübung des
arbeitgeberseitigen Ermessens gerichtete Willenserklärung darstellt, bedarf der
Auslegung. Diese Auslegung ergibt, dass es sich hierbei um keine Willenserklärung
handelt, welche die Beklagte bindet. Die Beklagte hat in dem Bonusbrief am 19.
Dezember 2008 noch nicht ihr Ermessen gegenüber dem Kläger nach § 315 Abs. 2
BGB ausgeübt.
aa) In dem Bonusbrief vom 19. Dezember 2008 teilt die Rechtsvorgängerin der
Beklagten dem Kläger zunächst mit, dass sein Bonus für das Jahr 2008 nach
Maßgabe der nachstehenden Regelung vorläufig in Höhe von € ... brutto
festgesetzt wurde. Sodann wird erneut von der "vorläufigen Bonusfestsetzung"
gesprochen, die unter dem Vorbehalt eines Reviews stehe. Der Gegenstand dieses
Reviews wird in der Folge erläutert, wobei der Aufstellung des Jahresabschluss 2008
wesentliche Bedeutung zukommen soll. Als weitere Bezugsgröße werden negative
Abweichungen in Ertrag und Ergebnis von "D" zum Forecast für die Monate
November und Dezember 2008 genannt. Zu den zeitlichen Rahmenbedingungen
führt die Rechtsvorgängerin der Beklagten aus, dass der Review im Januar 2009
unter der Führung von Herrn ... durchgeführt werden solle. Der Absatz endet mit
dem deutlichen Hinweis darauf, dass sich die Bank das Recht vorbehalte, die
vorläufige Bonusfestsetzung zu überprüfen und, falls erforderlich, den Betrag zu
reduzieren. In einem weiteren Passus wird der Kläger darüber in Kenntnis gesetzt,
dass er im Februar 2009 eine detaillierte Aufstellung der ihm für das Kalenderjahr
2008 zustehenden Zahlung der endgültigen variablen Vergütung erhalte.
bb) Eine bindende Willenserklärung der Rechtsvorgängerin der Beklagten, wie sie
der Kläger verstanden haben will, enthält der Bonusbrief vom 19. Dezember 2008
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der Kläger verstanden haben will, enthält der Bonusbrief vom 19. Dezember 2008
nicht. Dem steht der klare Wortlaut der schriftlichen Äußerung entgegen. Mehrfach
verwendet die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Terminus "vorläufig". Als
Gegenbegriff hierzu wird die Bezeichnung "endgültig" von ihr nur in dem Teil des
Bonusbriefes gebraucht, in dem sie eine detaillierte Aufstellung der variablen
Vergütung für den Monat Februar 2009 ankündigt. Zuvor werden nochmals die
Überprüfung der Festsetzung und die Reduktion des Bonus in Aussicht gestellt.
Hieran wird deutlich, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit dem
Bonusbrief gerade keine Äußerung abgeben wollte, die einen bindenden
Rechtsfolgewillen nach außen erkennen lässt. Sie hatte keinen auf Herbeiführung
einer Rechtswirkung gerichteten Willen. Es ging ihr erkennbar darum, die
Mitarbeiter über die zum Zeitpunkt der Übergabe des Bonusbriefes während der
Finanzkrise für sie maßgeblichen Erwägungen und Faktoren zur variablen
Vergütung zu informieren und über die beabsichtigte weitere Vorgehensweise in
tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in Kenntnis zu setzen.
Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass der Rechtsvorgängerin der Beklagten
nach dem Wortlaut des Bonusbriefs vom 19. Dezember 2008 das Recht auf
Reduzierung der Bonushöhe nur dann zugestanden hätte, wenn sich das
wirtschaftliche Ergebnis durch eine tatsächliche Entwicklung verschlechtert hätte,
so schließt sich die Kammer dem nicht an. Der Kläger ist nicht berechtigt, als
Empfänger einer Erklärung dieser einfach den für ihn günstigsten Sinn beizulegen,
sondern muss unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände mit
gehöriger Aufmerksamkeit prüfen, was der Erklärende gemeint hat
. Für den Kläger war ersichtlich,
dass sich die Ergebnissituation in "D" nach dem Schreiben nicht allein auf die in
der Zeit vom 19. bis 31. Dezember 2008 eintretenden Abweichungen beziehen
konnte. Denn gerade der Umstand, dass der Bonusbrief kurz vor dem
Jahresabschluss übergeben wurde, spricht dafür, dass es der Rechtsvorgängerin
der Beklagten in Anbetracht der Finanzkrise bei ihrer weiteren Herangehensweise
nur darauf ankommen konnte, ihre bilanziellen Bewertungsmethoden und
Prognosen zu hinterfragen und einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen.
Anderenfalls wäre eine wiederholte, umfangreiche Kontrolle nicht erforderlich
gewesen.
d) Beinhaltet der Bonusbrief vom 19. Dezember 2008 keine auf Ausübung des
arbeitgeberseitigen Ermessens gerichtete Willenserklärung, sondern lediglich ein
rechtlich nicht bindendes Mitteilungsschreiben, so greifen auch die
Rechtausführungen des Klägers zu § 307 Abs. 1 BGB nicht Platz. Bei dem
Schreiben handelt es sich in Ermangelung einer rechtsgeschäftlichen Regelung um
keine Vertragsbedingung iSd. § 305 Abs. 1 BGB, die den Inhalt des Arbeitsvertrags
der Parteien gestalten sollte
.
2. Ein höherer Bonusanspruch ergibt sich auch nicht aus §§ 611 Abs. 1, 315 Abs. 1
und Abs. 3 BGB iVm. Ziffer 2 b des Arbeitsvertrages. Der Anspruch auf variable
Vergütung wurde durch die Zahlung am 12. März 2009 gemäß § 362 Abs. 1 BGB
vollständig erfüllt.
a) Nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB ist die getroffene Bestimmung, soll sie nach
billigem Ermessen erfolgen, für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der
Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung
durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt wenn die Bestimmung verzögert wird, § 315
Abs. 3 Satz 2 BGB. Der Arbeitgeber muss bei seiner Entscheidung die
wesentlichen Umstände des Einzelfalls und die beiderseitigen Interessen
angemessen berücksichtigen
. Die Leistungsbestimmung
nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen
nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den
allgemeinen Wertungsgrundsätzen wie der Verhältnismäßigkeit und
Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Die Berücksichtigung
der Billigkeit gebietet eine Berücksichtigung und Verwertung der Interessen unter
Abwägung aller Umstände des Einzelfalles. Hierzu können im Arbeitsrecht die
Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien,
die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens-
und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre und
Unterhaltsverpflichtungen gehören
. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die
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. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die
Leistungsbestimmung gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB der Billigkeit entspricht,
trägt derjenige, dem das Recht eingeräumt wurde
. Hierbei ist allerdings von einer abgestuften Darlegungs- und
Beweislast auszugehen. Ein Arbeitnehmer, der die Leistungsbestimmung nicht
gelten lassen will, muss im Prozess zunächst angeben, weshalb er die
Bestimmung für unbillig hält .
b) Aus der vom Kläger gerügten Verzögerung der selbst gesetzten zeitlichen
Grenze für die endgültige Bonusfestsetzung folgt jedenfalls keine Unbilligkeit der
Festsetzung des Bonus in Höhe € ... brutto. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten
blieb berechtigt, die "vorläufige" Festsetzung der Bonushöhe abzuändern. Der
Begriff der Verzögerung iSd. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB ist nicht gleichbedeutend mit
Verzug (§ 286 BGB) und setzt daher kein Verschulden voraus. Ausreichend ist
vielmehr, dass die Handlung des zur Leistungsbestimmung Berufenen nicht
innerhalb objektiv angemessener Zeit vorgenommen wird
. Die Festlegung der
endgültigen Bonushöhe mit Email vom 18. Februar 2009 stellt in Anbetracht des
Gehaltslaufs der Rechtsvorgängerin der Beklagten zum 15. des Monats keine
solche Verzögerung dar. Ohnehin hätte eine Verzögerung nur zur Folge, dass die
Leistungsbestimmung durch Urteil nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB zu erfolgen
hätte.
c) Der Kläger hat die Unbilligkeit der Festsetzung des Bonus in Höhe von € ...
brutto nicht dargetan.
Die Unbilligkeit ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass die Rechtsvorgängerin
der Beklagten in dem Bonusbrief am 19. Dezember 2008 einen um 90 % höheren
vorläufigen Bonus nennt. Gerade weil aus Sicht des Klägers eine "Halteprämie"
ausgekehrt werden sollte, kann die vorläufige Bonusfestsetzung nicht als Ausfluss
des unter Berücksichtigung der Ertragslage und individueller
Leistungsgesichtspunkte auszuübenden billigen Ermessens gewertet werden. Der
Kläger hätte seinerseits Anhaltspunkte dafür vortragen müssen, dass die
Festsetzung des am 12. März 2009 gezahlten Bonus nicht billigem Ermessen
entspricht. Der Hinweis darauf, dass sowohl das Ertragsziel der Gruppe als auch
sein individuelles Budget erreicht wurden, ist hierfür nicht ausreichend. Denn die
Rechtsvorgängerin der Beklagten hat von einer Bonuszahlung nicht abgesehen,
sondern sie nur nicht in der vom Kläger geforderten Höhe erbracht. Umstände und
Tatsachen dafür, dass die vom Kläger und seiner Gruppe erzielten Ergebnisse eine
höhere Zahlung gebieten, sind weder vorgetragen noch erkennbar.
Zu berücksichtigen bleibt auch, dass es sich vorliegend – anders als beispielsweise
bei der Ausübung eines Versetzungsrechts oder eines Widerrufsvorbehalts mit
dem Ziel der Beseitigung eines zugesagten Anspruchs – bei der Zahlung des
Bonus im Grundsatz um eine den Kläger begünstigende Regelung handelt. Die
Anforderungen an die Billigkeit der Ermessensentscheidung dürfen daher nicht
überspannt werden. Dass individuelle Gesichtspunkte bei der Festsetzung der
Bonuszahlungen ins Gewicht gefallen sind, ergibt sich bereits aus der
unterschiedlichen Höhe der Bonuszahlungen. Die Rechtsvorgängerin der
Beklagten hat zwar eine gegenüber der vorläufigen Festsetzung um 90 % gekürzte
Zahlung vorgenommen, sie hat aber keinen Einheitsbetrag ausgekehrt. Die
Beklagte hat auch die für sie maßgeblichen Erwägungen vorgetragen. Zumindest
mit der eingetretenen Sondersituation durch die Krise der Finanzmärkte, die auch
vom Kläger nicht in Abrede gestellt wird, und den sich hierdurch stellenden
Bewertungsfragen von Wertpapieren, hat sie Tatsachen und Umstände
vorgetragen, welche die getroffene Entscheidung auch unter Berücksichtigung des
Klägervortrags insgesamt nicht unbillig erscheinen lassen.
3. Ein Anspruch folgt schließlich nicht aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. dem
Arbeitsvertrag und der Mitteilung über die Bereitstellung eines Minimum-
Bonuspools in Höhe von € 400 Mio. am 18. August 2008. Ebenso wenig besteht ein
Anspruch aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag und dem Schreiben vom
28. Oktober 2008, in dem der Vorstand für das Kalenderjahr 2008 ein an den
Mitarbeiterbestand 2008 angepasstes Bonusvolumen in Höhe von 100 % des
Bonusvolumens 2007 mitteilt.
a) Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach
abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete
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abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete
ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu
wollen. Eine ausdrückliche Annahme des in der Erklärung enthaltenen Angebots
iSv. § 145 BGB wird dabei nicht erwartet. Ihrer bedarf es nicht. Das in der Zusage
liegende Angebot wird gemäß § 151 BGB angenommen und ergänzender Inhalt
des Arbeitsvertrags
. Gesamtzusagen werden bereits dann wirksam, wenn sie
gegenüber den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart werden, die den einzelnen
Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt, von der Erklärung Kenntnis zu
nehmen. Auf dessen konkrete Kenntnis kommt es nicht an
. Die Arbeitnehmer erwerben
einen einzelvertraglichen Anspruch auf die zugesagten Leistungen, wenn sie die
vom Arbeitgeber genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllen
. Von der seitens der Arbeitnehmer
angenommenen, vorbehaltlosen Zusage kann sich der Arbeitgeber
individualrechtlich nur durch Änderungsvertrag oder wirksame
Änderungskündigung lösen .
b) Unter Anwendung vorstehender Grundsätze erfüllt die Mitteilung über die
Bereitstellung eines Minimum-Bonuspools in Höhe von € 400 Mio. vom 18. August
2008 nicht die Voraussetzungen einer Gesamtzusage. Auch andere
Verlautbarungen der Rechtsvorgängerin der Beklagten wie das Schreiben vom 28.
Oktober 2008 erfüllen diese Voraussetzungen nicht.
aa) Bei der Mitteilung über die Bereitstellung eines Minimum-Bonuspools in Höhe
von € 400 Mio. und dem Schreiben vom 28. Oktober 2008 handelt es sich nicht um
Vertragsangebote iSv. § 145 BGB. Verträge kommen zustande durch auf den
Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen, in der
Regel durch Angebot ("Antrag") und Annahme nach §§ 145 ff BGB. Gegenstand
und Inhalt des Vertrages müssen im Antrag so bestimmt oder nach den §§ 133,
157 BGB so bestimmbar angegeben werden, dass die Annahme durch ein
einfaches "Ja" erfolgen kann
. § 151 Satz 1 BGB enthält
zwar eine Sonderregelung, nach der die Annahme eines Angebots ausnahmsweise
nicht dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, dh. nicht
empfangsbedürftig ist. Sie setzt aber ebenso wie die empfangsbedürftige
Annahmeerklärung ein bestimmtes oder bestimmbares Angebot voraus
.
bb) Allein die Mitteilung über das Vorhandensein eines Minimum-Bonuspools in
Höhe von € 400 Mio. beinhaltet keine an die Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der
Beklagten gerichtete ausdrückliche Erklärung, bestimmte Leistungen in
bestimmbarer Höhe – hier: Bonuszahlungen – erbringen zu wollen. Auch das
Schreiben vom 28. Oktober 2008 enthält keine solche Erklärung.
Beide Verlautbarungen kommunizieren lediglich das Vorhandensein eines
"Bonustopfs". Die Bekanntgabe des Bonusvolumens mag bei den Mitarbeitern
auch die Erwartung begründet haben, dass es zur Ausschüttung der
Gesamtsumme kommen würde. Grundsätze über die Verteilung der genannten
Summen, die es ermöglicht hätten, den Anspruch des einzelnen Arbeitnehmers zu
beziffern, sind den Verlautbarungen jedoch nicht zu entnehmen. Sie enthalten
weder Regelungen zu den Voraussetzungen, an welche die Zahlung eines Bonus
geknüpft sein soll noch eine Gewichtung von Verteilungskriterien noch irgendeine
Regelung zur individuellen Höhe etwaiger Bonuszahlungen. Es handelt sich um
kein Angebot iSv. § 145 BGB, zu dessen Annahme ein einfaches "Ja" genügt. Die
Verlautbarungen sind damit nicht geeignet, die Grundlage einer Gesamtzusage zu
bilden.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO iVm. § 46 Abs. 2 Satz 1
ArbGG, wonach die Kosten des Rechtstreits vom Kläger als unterlegener Partei zu
tragen sind.
Der Wert des Streitgegenstandes wird in Höhe der Klageforderung festgesetzt.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.