Urteil des ArbG Frankfurt an der Oder vom 23.11.2010

ArbG Frankfurt: einstweilige verfügung, arbeitskampf, tarifvertrag, rechtswidrigkeit, streik, urabstimmung, auflage, arbeitsrecht, integration, mehrheit

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Gericht:
ArbG Frankfurt 9.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 Ga 223/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 9 Abs 3 GG, § 823 BGB, §
1004 BGB, § 935 ZPO, § 940
ZPO
Rechtswidrigkeit eines Arbeitskampfes - Unzulässigkeit
eines Streikziels - tariflicher Regelungsbedarf einer
Streikforderung
Leitsatz
1. Soweit ein Hauptziel des Arbeitskampfes unzulässig ist, hat dies die Rechtswidrigkeit
des gesamten Arbeitskampfes zur Folge.
2. Eine Unzulässigkeit des Streiks ist darüber hinaus auch dann gegeben, wenn die
Streikforderung ins Leere geht, weil (derzeit) eine tarifliche Regelung nicht erforderlich
oder sogar überflüssig ist.
Tenor
1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, Arbeitskampfmaßnahmen aus dem
Streikbeschluss vom 18. November 2010, insbesondere Streiks, gegen die
Antragstellerin durchzuführen, ihre Mitglieder dazu aufzufordern, die Durchführung
von Arbeitskampfmaßnahmen öffentlich bekannt zu geben oder
Arbeitskampfmaßnahmen, insbesondere Streiks, ihrer Mitglieder gegen die
Antragstellerin zu unterstützen.
2. Der Antragsgegnerin wird untersagt, bereits eingeleitete
Arbeitskampfmaßnahmen aus dem Streikbeschluss vom 18. November 2010,
insbesondere Streiks, gegen die Antragstellerin fortzusetzen oder bereits
eingeleitete Arbeitskampfmaßnahmen, insbesondere Streiks, ihrer Mitglieder
gegen die Antragstellerin zu unterstützen.
3. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die
Unterlassungsverpflichtung aus Ziffer 1) und / oder 2) ein Ordnungsgeld bis zu €
150.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an
ihrem Präsidenten, angedroht.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Antragsstellerin 10 Prozent, die
Antragsgegnerin 90 Prozent zu tragen.
5. Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf € 500.000,00.
6. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren um Unterlassung von
Arbeitskampfmaßnahmen.
Die Antragstellerin ist das zweitgrößte deutsche Luftfahrtunternehmen. Sie befliegt
überwiegend Strecken im innerdeutschen Netz sowie zu touristischen Zielen, unter
anderem im Mittelmeerraum. Die Antragsgegnerin ein Zusammenschluss von …
in … und Flugbetrieben dient sie der Interessenvertretung ihrer Mitglieder in allen
berufs- und tarifpolitischen Belangen. Sie ist ein eingetragener Verein mit Sitz in
Frankfurt am Main.
Die Arbeitsbedingungen für das … sind bei der Antragstellerin durch den
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Die Arbeitsbedingungen für das … sind bei der Antragstellerin durch den
„Manteltarifvertrag Nr. 1a für das … “ (im Folgenden: „MTV“ geregelt. Die
Antragsgegnerin hat diesen Tarifvertrag durch Schreiben vom 24. September
2009 zum 31. Dezember 2009 gekündigt.
Seit Anfang Dezember 2009 stehen die Parteien in Tarifverhandlungen über den
Abschluss eines neuen MTV. Weiterer Gegenstand der Verhandlungen war unter
anderem ein neu abzuschließender Tarifvertrag „Verstärkte Flugbesatzung“ (auch
TV „Enlarger“), dessen Inhalt die Verstärkung der Flugbesatzung auf
Langstreckenflügen sein soll. Gegenwärtig werden sämtliche Flüge – also auf Kurz-
und Langstreckendistanz – mit einer Zweierbesatzung, bestehend aus Kapitän und
Copilot, durchgeführt.
Verhandlungsführerin auf Seiten der Antragsgegnerin war die „ … “, welche sowohl
die Interessen der Mitglieder bei der Antragstellerin wie auch derjenigen der … ( …
) vertreten sollte. Die ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der
Komplementärin der Antragstellerin. Sie wird im Streckenverbund der „ “
eingesetzt, die Flüge werden von der Antragstellerin vermarktet. Die befliegt
überwiegend Langstrecken, unter anderem in die USA, Afrika, Fernost und die
Malediven. Für das Frühjahr nächsten Jahres ist eine Integration der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der … bei der Antragstellerin vorgesehen, wobei
Einzelheiten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht noch nicht feststehen. Die
Forderungen der „ … “ wurden einheitlich erhoben und verhandelt.
Mit Schreiben vom 13. Juli 2010 erklärte die Antragsgegnerin gegenüber der
Antragstellerin das Scheitern der Verhandlungen. Sodann leitete der Vorstand der
Antragsgegnerin eine Urabstimmung über die Durchführung von
Arbeitskampfmaßnahmen ein, welche am 16. August 2010 abgeschlossen wurde.
Das Abstimmungsergebnis zeigte mit 99,4 Prozent der abstimmenden Mitglieder
und einer Wahlbeteiligung von 93,8 Prozent eine deutliche Mehrheit für
Arbeitskampfmaßnahmen. Im Juli und August 2010 kam es zwischen den
Tarifvertragsparteien zu weiteren Sondierungsgesprächen. Am 31. August 2010
verständigten sich die Parteien auf ein „Tarifergebnis zu den Manteltarifverträgen
und TV „Enlarger“ sowie weiteren Regelungen bei … und … “ („Tarifergebnis“), auf
dessen Inhalt Bezug genommen wird (Anlage KV9 Bl. 68 – 71 d. A.). Hierin war
vorgesehen, die Tarifvereinbarungen aus dem Tarifergebnis bis spätestens zum
15. September 2010 redaktionell abschließend zu vereinbaren. Die Regelungen
sollten dann unter dem Vorbehalt der Mitglieder der Antragsgegnerin durch
Urabstimmung stehen.
Nachdem es trotz Verlängerung der im Tarifergebnis bis zum 15. September 2010
vereinbarten Frist um eine Woche nicht zu einem einvernehmlichen Tarifvertrag
gekommen war, rief der Vorstand der Antragsgegnerin deren Mitglieder mit
Schreiben vom 27. September 2010 zu einer Urabstimmung über das
Tarifergebnis bezüglich der Punkte „Manteltarifvertrag“ und „TV Verstärkte
Flugbesatzungen“ („Enlarger“) auf, wobei die Ziffern 4) bis 7) des Tarifergebnisses
unberücksichtigt blieben. Bei einer Wahlbeteiligung von 83,3 Prozent sprachen sich
nur 8,9 Prozent für das Tarifergebnis aus. Die nach den Streikrichtlinien der
Antragsgegnerin erforderliche Mehrheit von 50 Prozent der stimmberechtigten
Mitglieder für die Beendigung des Arbeitskampfes konnte daher nicht erreicht
werden.
Am 05. November 2010 entschied die „ … “, die Verhandlungen von nun an
getrennt für die Belegschaft der … bzw. der … zu führen. Ab dem 08. November
2010 wurde erstmals getrennt zwischen den jeweiligen Arbeitgebern und den
beiden Tarifkommissionen verhandelt.
Am 18. November 2010 fasste der Vorstand der Antragsgegnerin einen Beschluss,
welcher auszugsweise wörtlich lautet:
Beschluss des Vorstandes der … . über die Durchführung von
Arbeitskampfmaßnahmen bei der (nachfolgend auch „ “ genannt)
Die Vorsitzende Tarifpolitik und der VC-Vorstand fassen nachfolgenden Beschluss:
Der Vorstand beschließt bei der … zur Durchsetzung der u.g. Tarifziele die
Durchführung eines 36-stündigen zeitlich ununterbrochenen Arbeitskampfes
beginnend am Mittwoch, den 24.11. bis Donnerstag, den 25.11.. (…)
Mit dem Arbeitskampf sollen im Einzelnen folgende Tarifziele durchgesetzt werden:
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Neuabschluss eines Manteltarifvertrages
Erstmaliger Abschluss eines Tarifvertrages „Verstärkte
Flugbesatzung“ (auch Tarifvertrag „Enlarger“ genannt)
Einführung eines Tarifvertrages „Verstärkte Flugbesatzung“, der die Verstärkung
der Flugbesatzung auf Langstreckenflügen ab einer Distanz von 4.200 nautischen
Meilen (Großkreisdistanz) zwischen Abflug- und Ankunftsort (Airport Reference
Points) durch einen Cruise Commander vorsieht. (…)
Ziel des Tarifvertrages soll eine Entlastung der 2-Mann-Besatzung auf
Langstrecken sein, um physische und psychische Belastung zu reduzieren und die
Sicherheit weiter zu erhöhen. Er soll Anwendung finden für die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich des jeweiligen
Manteltarifvertrages für das … der … fallen.
Wegen des weiteren Inhaltes wird auf den Streikbeschluss vom 18. November
2010 (Anlage KV 12 Bl. 78 – 80 d. A.) Bezug genommen.
Mit ihren am 22. November 2010 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main
eingegangenen und der Antragsgegnerin am 23. November 2010 zugestellten
Anträgen (EB Bl. 87 d. A.) begehrt die Antragstellerin Unterlassung von
Arbeitskampfmaßnahmen.
Sie meint, ein Streik sei rechtswidrig. Da – was unstreitig ist – die
Besatzungsmitglieder der Antragsgegnerin derzeit keine Langstrecken-
Destinationen anfliegen, sei zumindest eines der beiden Streikziele unzulässig. Ein
Einsatz der Piloten der Antragstellerin auf Langstreckendistanzen ohne weitere
Schulungsmaßnahmen und Zulassungen sei derzeit rechtlich ohnehin nicht
möglich. Darüber hinaus sei die Antragsgegnerin verpflichtet, zunächst eine
Urabstimmung zu allen Punkten des Tarifergebnisses vom 31. August 2010
durchzuführen. Solange dies nicht geschehen sei, seien Arbeitskampfmaßnahmen
unverhältnismäßig. Schließlich sei nach der Beendigung der Verhandlungen mit
der „ “ nicht hinreichend zwischen den Parteien über mögliche Tarifverträge
verhandelt worden.
Die Antragstellerin beantragt zuletzt unter Antragsrücknahme im Übrigen,
1. der Antragsgegnerin zu untersagen, Arbeitskampfmaßnahmen aus dem
Streikbeschluss vom 18. November 2010, insbesondere Streiks, gegen die
Antragstellerin durchzuführen, ihre Mitglieder dazu aufzufordern, die Durchführung
von Arbeitskampfmaßnahmen öffentlich bekannt zu geben oder
Arbeitskampfmaßnahmen, insbesondere Streiks, ihrer Mitglieder gegen die
Antragstellerin zu unterstützen.
2. der Antragsgegnerin zu untersagen, bereits eingeleitete
Arbeitskampfmaßnahmen aus dem Streikbeschluss vom 18. November 2010,
insbesondere Streiks, gegen die Antragstellerin fortzusetzen oder bereits
eingeleitete Arbeitskampfmaßnahmen, insbesondere Streiks, ihrer Mitglieder
gegen die Antragstellerin zu unterstützen;
3. der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die
Unterlassungsverpflichtung aus Ziffer 1) und / oder 2) ein Ordnungsgeld bis zu €
150.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an
ihrem Präsidenten, anzudrohen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie meint, auch die zweite Forderung des Streikbeschlusses zum Abschluss eines
neuen Tarifvertrages „Verstärkte Flugbesatzung“ stelle ein derzeit tariflich
regelbares Ziel dar. Es gäbe die Möglichkeit, dass nach einer Integration der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der in die Antragsgegnerin auch deren
Besatzungsmitglieder auf Langstreckendistanzen eingesetzt würden. Bereits jetzt
sehe der Tarifvertrag „Bereederung“ in Notsituationen, etwa einem Streik, einen
konzernweiten Einsatz von fliegendem Personal vor. Weiter meint die
Antragsgegnerin, das Tarifergebnis vom 31. August 2010 begründe keine
Friedenspflicht und sei vielmehr ein „Vorvertrag“, dessen Bindungswirkung allein
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Friedenspflicht und sei vielmehr ein „Vorvertrag“, dessen Bindungswirkung allein
durch Zeitablauf nicht mehr gegeben sei. Auch sei mit einer Dauer von fast einem
Jahr ausreichend zwischen den Parteien verhandelt worden, da sämtliche
Forderungen für die Mitarbeiter der Antragsgegnerin aus den Verhandlungen mit
der „ … “ bekannt seien.
Wegen des weiteren Vortrages der Parteien, ihrer Glaubhaftmachungen und
Rechtsausführungen sei auf die Antragsschrift und die Schutzschrift der
Antragsgegnerin vom 22. November 2010 nebst jeweiligen Anlagen sowie auf das
Sitzungsprotokoll vom 23. November 2010 (Bl. 89 d. A.) Bezug genommen, § 313
Abs. 2 S. 2 ZPO, § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG.
Entscheidungsgründe
I.
Die Anträge sind zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt gemäß § 253 Abs.
2 Nr. 2 ZPO, § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG. Durch die Bezugnahme auf den
Streikbeschluss vom 18. November 2010 sind die zu unterlassenden Handlungen
hinreichend klar gefasst.
II.
Die Anträge sind auch begründet.
Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin Unterlassung im beantragten
Umfang verlangen. Die Antragstellerin hat sowohl das Vorliegen eines
Verfügungsanspruchs (1.) wie auch eines Verfügungsgrundes (2.) glaubhaft
gemacht, §§ 935, 940, 294 ZPO, § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG.
Im Einzelnen:
1. Die beantragte Unterlassungsverfügung gemäß den Anträgen zu 1) und 2) ist
zum Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und
zur Abwendung drohender wesentlicher Nachteile geboten und erforderlich, §§ 823
i.V.m. § 1004 BGB analog. Denn die beabsichtigten bzw. durch den
Streikbeschluss bereits begonnenen Streikmaßnahmen im Betrieb der
Antragstellerin sind rechtswidrig, was glaubhaft gemacht worden ist, § 294 ZPO, §
46 Abs. 2 S. 1 ArbGG.
Die Arbeitskampffreiheit aus der Bestands- und Betätigungsgarantie des Art. 9
Abs. 3 GG zur Sicherung der Tarifautonomie beinhaltet, dass Gewerkschaften
Arbeitskämpfe mit dem Ziel von Vereinbarungen zur Wahrung und Förderung der
Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen anstreben dürfen. Für die Rechtmäßigkeit
des Streiks ist der konkrete Streikbeschluss maßgebend (Kissel,
Arbeitskampfrecht, 1. Auflage 2002 § 42 Rn. 17).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die
erkennende Kammer anschließt, können Arbeitskämpfe nur zur Durchsetzung
tarifvertraglich regelbarer Ziele geführt werden (BAG, Urteil vom 10.12.2002, AZ. 1
AZR 96/02 – AP Nr. 162 zu Art. 9 GG – Arbeitskampf (Rn. 43 bei juris); Erfurter
Kommentar zum Arbeitsrecht-Dieterich, 8. Auflage 2008, Art. 9 GG Rn. 114;
Berg/Platow/Schoof/Unterhinninghofen, TVG und Arbeitskampfrecht, 3. Auflage
2010 Teil 3 Rn. 23 jeweils m.w.N.). Ein Arbeitskampf zur Erreichung anderer,
rechtswidriger Ziele ist unzulässig (BAG, Urteil vom 10.12.2002, AZ. 1 AZR 96/02 –
AP Nr. 162 zu Art. 9 GG – Arbeitskampf; BAG, Urteil vom 05.03.1985, AZ. 1 AZR
468/83 – AP Nr. 85 zu Art. 9 GG – Arbeitskampf). Eine Unzulässigkeit des Streiks
ist darüber hinaus auch dann gegeben, wenn die Streikforderung ins Leere geht,
weil (derzeit) eine tarifliche Regelung nicht erforderlich oder sogar überflüssig ist.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung hat die Verfolgung rechtswidriger Ziele
die Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks zur Folge. Dies gilt jedenfalls dann,
wenn es sich bei der rechtswidrigen Forderung um eine Hauptforderung handelt
(BAG vom 10.12.2002, AZ. 1 AZR 96/02 – AP Nr. 162 zu Art. 9 GG Arbeitskampf
(Rn. 51 bei juris); Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht-Dieterich, 8. Auflage 2008,
Art. 9 GG Rn. 125).
Die Forderung nach einem Tarifvertrag „Verstärkte Flugbesatzung“ ist eine der
beiden mit dem Streik verfolgten Hauptforderungen und damit maßgeblich für die
Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Arbeitskampfes. Vorliegend betrifft der zweite
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Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Arbeitskampfes. Vorliegend betrifft der zweite
Teil des Streikbeschlusses vom 18. November 2010 einen neu abzuschließenden
Tarifvertrag „Verstärkte Flugbesatzung“, und zwar konkret für die Verstärkung der
Flugbesatzung auf Langstreckenflügen ab einer Distanz von 4.200 nautischen
Meilen zwischen Ankunfts- und Abflugort. Unstreitig ist derzeit keiner der bei der
Antragstellerin eingesetzten Piloten auf derartigen Langstreckendistanzen
eingesetzt. Damit ist die Forderung eines Tarifvertrages für eine verstärkte
Besatzung auf Langstreckendienstanzen bei der Antragstellerin derzeit nicht
tariflich regelbar, sondern geht ins Leere. Sie ist damit rechtswidrig.
Es wird nicht verkannt, dass nach einer möglichen Integration der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter der … bei der Antragstellerin auch bei dieser
Langstreckendistanzen geflogen werden könnten. Ob, wann und unter welchen
Voraussetzungen dies der Fall sein soll, hat die Antragsgegnerin jedoch nicht
substantiiert glaubhaft gemacht.
Auch der Einwand, dass bereits jetzt ein Einsatz von Piloten der Antragstellerin auf
Langstreckendistanzen in Notfällen aufgrund des Tarifvertrages Bereederung
möglich wäre, vermag nicht zu überzeugen. Denn dass dies überhaupt jemals
vorgekommen ist, ist nicht glaubhaft gemacht worden. Zudem ist ein Einsatz von
auf Kurzstreckenmustern fliegenden Piloten ohne zusätzliche Schulungs- und
Zulassungsverfahren tatsächlich und rechtlich derzeit unmöglich. Wegen des
zweiten, auf etwas derzeit tariflich nicht Regelbares gerichteten Streikziels ist der
gesamte Streikbeschluss vom 18. November 2010 auf unzulässige
Arbeitskampfmaßnahmen gerichtet, so dass den Anträgen stattzugeben war.
2. Ein Verfügungsgrund ist ebenfalls glaubhaft gemacht worden, §§ 935, 940 ZPO,
§ 62 Abs. 2 S. 1 ArbGG. Die einstweilige Verfügung ist zur Abwendung wesentlicher
Nachteile für die Antragstellerin geboten.
Der für den 24. November 2010 angekündigte Streik würde den Flugverkehr bei
der Antragstellerin für 36 Stunden lahmlegen. Die zwangsweise ausgefallenen
Flüge könnten nicht nachgeholt werden. Die damit verbundenen erheblichen
wirtschaftlichen Belastungen und Eingriffe in den Flugverkehr, welche
gegebenenfalls auch über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
hinausgehen, sind für die Antragstellerin angesichts der Rechtswidrigkeit des
Arbeitskampfes nicht hinzunehmen.
3. Das Ordnungsgeld ist bis zu der im Tenor genannten Höhe anzudrohen, § 62
Abs. 2 S. 1 ArbGG, § 890 Abs. 2 ZPO.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 269 Abs. 3 S. 2
ZPO, § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG. Danach sind die Kosten des Verfahrens im Verhältnis
des Obsiegens und Unterliegens bzw. der Klagerücknahme zu verteilen. Da die
Antragstellerin die Anträge teilweise zurückgenommen, jedoch überwiegend
obsiegt hat, sind ihr nur zehn Prozent der Kosten aufzuerlegen.
Der Streitwert richtet sich nach dem wirtschaftlichen Interesse, das die
Antragstellerin mit den Anträgen verfolgt. Hier ist zu berücksichtigen, dass die
Untersagung eines Arbeitskampfes in seiner Gänze beabsichtigt ist. Bei der
Bemessung ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass der Arbeitskampf
überregionale Auswirkungen hätte und bei Durchführung des Arbeitskampfes ganz
erhebliche Schäden drohen. Daher ist ein Wert von € 500.000,00 angemessen.
Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 3 Nr. 2c ArbGG zuzulassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.