Urteil des ArbG Frankfurt an der Oder vom 22.04.2010

ArbG Frankfurt: geburt, anschluss, wechsel, vergütung, quelle, immaterialgüterrecht, zivilprozessrecht, ermessen, dispositionen, dokumentation

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Gericht:
ArbG Frankfurt 20.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 Ga 78/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 16 Abs 1 S 1 BEEG, § 16 Abs
3 BEEG
Geltendmachung von Elternzeit
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Verfügungsklägerin zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 1.200,00 festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zustimmung der Beklagten zur Elternzeit im dritten
Lebensjahr des Kindes der Klägerin.
Die Klägerin ist seit dem 1. Juli 1999 bei der Beklagten als
Verwaltungsfachangestellte zu einer Vergütung von zuletzt ca. 1.200,00 Euro pro
Monat beschäftigt.
Mit Schreiben vom 18. Februar 2008 beantragte die Klägerin im unmittelbaren
Anschluss an die Mutterschutzfrist Elternzeit bis zur Vollendung des zweiten
Lebensjahres ihres Kindes. Diese Elternzeit endete am 9. April 2010.
Mit einem Schreiben vom 19. Januar 2010 beantragte die Klägerin die
Verlängerung der Elternzeit um das dritte Jahr bis zum 9. April 2011 und bat
gleichzeitig um eine schriftliche Zustimmung.
Mit Schreiben vom 25. Januar 2010 lehnte die Beklagte die Zustimmung zur
Verlängerung der Elternzeit um ein Jahr ab.
Mit Schreiben vom 2. Februar 2010 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass die
Verlängerung der Elternzeit über das zweite Lebensjahr hinaus nicht der
Zustimmung des Arbeitgebers bedürfe und bat die Beklagte um erneute Prüfung
des Sachverhaltes. Mit Schreiben der Beklagten vom 11. Februar 2010 an die
Klägerin lehnte die Beklagte die Zustimmung unter Bezug auf ihr Schreiben vom
2. Februar 2010 ab. Mit Schreiben vom 25. März 2010 an den
Prozessbevollmächtigten der Klägerin verteidigte die Beklagte ihr
Zustimmungserfordernis. Hinsichtlich der Einzelheiten und der zwischen den
Parteien gewechselten Schreiben wird auf die Anlagen zur Klageschrift (Bl. 9 – 20
d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, hinsichtlich der begehrten Elternzeit für das dritte
Lebensjahr ihres Kindes handele es sich um eine Geltendmachung von Elternzeit
im Sinne von § 16 Abs. 1 BEEG, die nicht der Zustimmung der Beklagten bedürfe.
Selbst wenn die Zustimmung der Beklagten erforderlich wäre, so sei diese
jedenfalls nach billigem Ermessen zu treffen.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, die
Zustimmung zur Verlängerung der Elternzeit um ein weiteres Jahr ab dem 9. April
2010 zu erteilen.
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Die Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie vertritt die Ansicht, die Verlängerung der Elternzeit bedürfe nach § 16 Abs. 3,
15 Abs. 2 BEEG ihrer Zustimmung. Diese Zustimmung könne sie jedoch nicht
erteilen, da sie dringend auf die Arbeitsleistung der Verfügungsklägerin
angewiesen sei. Sie habe im Hinblick auf die Elternzeit der Verfügungsklägerin die
notwendigen Dispositionen für zwei Jahre getroffen. Hinsichtlich der genauen
Begründung wird auf ihren Schriftsatz vom 15. April 2010 (Bl. 44 – 47 d. A.) Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist unbegründet.
Die Klägerin hat weder einen Verfügungsanspruch noch einen Verfügungsgrund.
Die Verfügungsklägerin kann von der Verfügungsbeklagten nicht die Zustimmung
zur Verlängerung der Elternzeit bis zum 9. April 2011 beanspruchen, denn ihre
Inanspruchnahme von Elternzeit für das dritte Jahr nach der Geburt ihres Kindes
bedarf nicht der Zustimmung der Beklagten.
Die Inanspruchnahme von Elternzeit für das dritte Jahr nach der Geburt des Kindes
stellt eine Geltendmachung von Elternzeit im Sinne von § 16 Abs. 1 S. 1 BEEG und
keine Verlängerung dar.
Mit ihrem Schreiben vom 19. Januar 2010 hat die Klägerin rechtzeitig Elternzeit für
das dritte Lebensjahr ihres Kindes bis zum 9. April 2011 geltend gemacht. Danach
befindet sich die Klägerin um ein weiteres Jahr bis zum 9. April 2011 in Elternzeit.
Entgegen der Auffassung der Beklagten bedarf die Inanspruchnahme von
Elternzeit im Anschluss an die Elternzeit von zwei Jahren für das dritte Jahr hier
nicht der Zustimmung der Beklagten.
Nach § 16 Abs. 1 BEEG muss, wer Elternzeit beanspruchen will, diese spätestens
sieben Wochen vor Beginn schriftlich beim Arbeitgeber verlangen und gleichzeitig
erklären, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren Elternzeit genommen werden
soll. Hierbei kann die Elternzeit nach § 16 Abs. 1 S. 5 BEEG auf zwei Zeitabschnitte
verteilt werden. Eine Verteilung auf weitere Zeitabschnitte ist nur mit Zustimmung
des Arbeitgebers möglich.
Die Erklärungsfrist in § 16 Abs. 1 BEEG bezieht sich auf einen zeitlichen Rahmen
von zwei Jahren innerhalb derer die Elternzeit, welche mit dem betreffenden
Verlangen geltend gemacht wird, genommen werden soll. Ein Zeitraum von zwei
Jahren soll dem Arbeitgeber Planungssicherheit geben. Innerhalb dieses
Zweijahres-Zeitraums kann daher eine Verkürzung oder Verlängerung nur mit
Zustimmung des Arbeitgebers erfolgen (§ 16 Abs. 3 BEEG). § 16 Abs. 3 Satz 4
enthält eine Sonderregelung, wonach eine Verlängerung dann verlangt werden
kann, wenn ein vorgesehener Wechsel in der Anspruchsberechtigung aus einem
wichtigen Grund nicht erfolgen kann.
Der Anspruch auf Elternzeit besteht nach § 15 Abs. 2 BEEG bis zur Vollendung des
dritten Lebensjahres. Die Inanspruchnahme von Elternzeit für das dritte Jahr nach
der Geburt des Kindes stellt damit eine Geltendmachung im Sinne von § 16 Abs. 1
BEEG und keine Verlängerung innerhalb des Zweijahres-Zeitraumes, die der
Zustimmung des Arbeitgebers bedarf, dar. Zustimmungsbedürftig nach § 15 Abs.
2 BEEG ist die Übertragung eines Anteils der Elternzeit von bis zu zwölf Monaten
auf die Zeit bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes, der
vorliegend nicht begehrt worden ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten steht
auch die von ihr zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 19. April
2005, Aktenzeichen 9 AZR 233/04, diesem Ergebnis nicht entgegen. Das
Bundesarbeitsgericht führt in dieser Entscheidung aus, "nach § 16 Abs. 1 S. 1
BErzGG hat der Arbeitnehmer mit seinem schriftlichen Verlangen zugleich zu
erklären, für welche Zeiten er "innerhalb von zwei Jahren" Elternzeit nehmen wird.
Diese Anforderung ist dahin zu verstehen, dass der Arbeitnehmer den Zweijahres-
Zeitraum "mindestens" abdecken muss. Sie trägt dem Interesse des Arbeitgebers
an Planungssicherheit Rechnung. Bleibt die mitgeteilte Elternzeit hinter diesem
Zeitraum zurück, kann der Arbeitnehmer eine Verlängerung der Elternzeit im
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Zeitraum zurück, kann der Arbeitnehmer eine Verlängerung der Elternzeit im
Rahmen des § 15 Abs. 2 BErzGG daher nur mit Zustimmung des Arbeitgebers
erreichen (§ 16 Abs. 3 S. 1 BErzGG) und gegen dessen Willen nur dann, wenn ein
vorgesehener Wechsel in der Anspruchsberechtigung aus wichtigem Grund nicht
erfolgen kann (§ 16 Abs. 3 S. 4 BErzGG)."
Danach geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass der Zweijahres-Zeitraum
des § 16 Abs. 1 BEEG der Mindestzeitraum ist, für den der Arbeitnehmer Angaben
machen muss, für welche Zeiten er Elternzeit in Anspruch nehmen will. Aus der
Begründung des Bundesarbeitsgerichts ergibt sich sodann, dass für den Fall, dass
die mitgeteilte Elternzeit hinter diesem Mindestzeitraum zurückbleibt, eine
Verlängerung nur mit Zustimmung des Arbeitgebers erfolgen kann. Die
verbindliche Festsetzung in § 16 Abs. 1 BEEG dient der Planungssicherheit.
Innerhalb dieses Zeitraumes ist mithin eine Verkürzung oder Verlängerung nur mit
Zustimmung des Arbeitgebers möglich. Die Einschränkung dahingehend, dass die
Eltern sich auf maximal zwei Jahre festlegen können, eine weitere
Inanspruchnahme der Elternzeit innerhalb der Frist des § 15 Abs. 2 BEEG nur mit
Zustimmung des Arbeitgebers möglich ist, ergibt sich daraus nicht.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, da sie unterlegen ist. Die
Entscheidung über die Kosten beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 91
Abs. 1 ZPO.
Der Wert des Streitgegenstandes ist auf 1.200,00 Euro festgesetzt worden und
entspricht einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst der Klägerin.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.