Urteil des ArbG Frankfurt an der Oder vom 19.11.2009

ArbG Frankfurt: quittung, beweiskraft, erfüllung, auszahlung, beweiswert, gehalt, tarifvertrag, echtheit, blanko, hinweispflicht

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Gericht:
ArbG Frankfurt 19.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
19 Ca 6269/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 1 S 1 NachwG, § 2 Abs
1 S 2 Nr 10 NachwG, § 286
BGB, § 280 BGB
(Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Hinweispflicht aus
§ 2 Abs 1 NachwG - Schadensersatzanspruch des
Arbeitnehmers)
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.156,22 EUR (in Worten:
Viertausendeinhundertsechsundfünfzig und 22/100 Euro) brutto zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu 92 %, der Kläger zu 8
% zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 4.502,50 festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen des Erlöschens von
Vergütungsansprüchen des Klägers aus einem Arbeitsverhältnis.
Die Beklagte betreibt ein Gebäudereinigungsunternehmen.
Der Kläger war in der Zeit vom 01. Juli 2006 bis zum 30. September 2007 für die
Beklagte laut dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag als
"Putzmann" in Teilzeit (geringfügig) beschäftigt. Dieser Arbeitsvertrag enthielt
keinen Hinweis auf den auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag.
Während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses rechnete die Beklagte für den
Kläger monatlich Lohn und Gehalt in Höhe von EUR 393,50 brutto ab für 50 vom
Kläger erbrachte Arbeitsstunden, die laut Arbeitsvertrag mit je EUR 7,87 vergütet
wurden (Bl. 6 d.A.). Lediglich in den Monaten März und April 2007 wurden geringere
Beträge abgerechnet, nämlich jeweils EUR 188,88 bzw. EUR 251,84 brutto (Bl. 9
d.A.).
Die Auszahlung von Lohn und Gehalt erfolgte, sofern sie stattfand – was zwischen
den Parteien im Einzelnen streitig ist – stets in bar.
Mit Schreiben vom 11.07.2008 forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung von
rückständigem Lohn und Gehalt in Höhe von insgesamt EUR 4.502,50 brutto auf.
Eine Zahlung erfolgte nicht.
Der Kläger behauptet, die Beklagte habe ihm für die in der Zeit von Juli 2006 bis
Januar 2007 erbrachten Arbeitsleistungen nur monatlich EUR 200,– netto
ausgezahlt. Für die seit Februar 2007 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses
geleistete Arbeit habe er gar keinen Lohn erhalten.
Der Kläger behauptet darüber hinaus, dass er im Laufe des Arbeitsverhältnisses
eine gewisse Anzahl von Blankobelegen auf Verlangen des Ehemanns und
Generalbevollmächtigten der Beklagten unterzeichnet habe. Zumindest vier dieser
Blankoquittungen seien im Nachhinein von der Beklagten vervollständigt worden,
trotz mangelnder Zahlung der dort eingefügten Beträge. Die Übrigen von der
Beklagten vorgelegten Quittungen seien nicht von ihm unterschrieben worden.
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Der Kläger behauptet schließlich, auch in den Monaten März und April 2007 die
vertraglich vereinbarte Arbeit geleistet und damit einen Anspruch auf den vollen
Lohn in Höhe von EUR 393,50 zu haben (Bl. 111 d.A.).
Mit der der Beklagten am 22. September 2008 zugestellten Klage beantragt der
Kläger,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 4.502,50 brutto nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu
zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein wohlwollend qualifiziertes Endzeugnis
zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, dem Kläger das geschuldete Arbeitsentgelt nicht nur
vollständig ausgezahlt, sondern darüber hinaus Überzahlungen geleistet zu haben.
Insgesamt habe sie an den Kläger im Laufe des Arbeitsverhältnisses EUR 6.977,70
gezahlt. Unter Vorlage von elf Quittungsbelegen (Bl. 82 und 97 d.A.) behauptet die
Beklagte insbesondere, an den Kläger am 31.10.2006, 30. 11. 2006 und
30.12.2006 jeweils EUR 393,50, am 31.12.2006 EUR 1.183,–, am 28.02.2007 EUR
778,–, am 03.04.2007 EUR 700,–, am 05.04.2007 EUR 265,–, am 15.04.2007 und
15.05.2007 jeweils EUR 716,40 und am 06.06.2007 sowie am 15.06.2007 jeweils
EUR 1.500,– bzw. EUR 716,40 in bar ausgezahlt zu haben. Die Belege vom 31.10,
30.11., 30. und 31.12.2006 sowie vom 28.02.2007 seien von der angebotenen
Zeugin ... vorbereitet und nach erfolgter Auszahlung gebucht worden. In diesen
Fällen könne die Auszahlung an den Kläger nach dem Datum der Quittung erfolgt
sein. In anderen Fällen sei die Quittung durch den Generalbevollmächtigten der
Beklagten ausgefüllt (Bl. 96 d.A.) und vom Kläger Zug-um-Zug gegen Auszahlung
erteilt worden (Bl. 111 d.A.).
Die Beklagte behauptet, dass der Kläger in den Monaten März und April 2007
einige Tage unbezahlten Urlaub gehabt hätte, so dass für diesen Zeitraum
Lohnansprüche nur in Höhe der abgerechneten EUR 188,88 und EUR 251,84 brutto
entstanden seien.
Das Gericht hat über die Behauptung der Beklagten, dass die Kassenbelege /
Quittungen vom 31.12.2006 (Bl. 82 d.A.), 28.02.2007 (Bl. 97 d.A.), 03.04.2007,
15.04.2007, 06.06.2007 und 15.06.2007 (Bl. 82 d.A.) die Unterschrift des Klägers
tragen, Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Schriftgutachten des
Sachverständigen ... vom 28.03.2009, Bl. 121ff. d.A., verwiesen.
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 19. November 2009 weder
über den im Klageantrag zu 1. geltend gemachten Zinsanspruch noch über den
Klageantrag zu 2. entschieden. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 30.11.2009, bei
Gericht eingegangen am 01.12.2009, bereits eine Ergänzungsentscheidung nach §
321 ZPO beantragt. Ein Kammertermin ist anberaumt auf Donnerstag, den
11.02.2010, 8 Uhr 30.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt
der Akte verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist teilweise begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von EUR 4.156,22
brutto. Der darüber hinausgehende Zahlungsanspruch ist hingegen unbegründet.
1. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von
Schadensersatz in Höhe von EUR 4.156,22 brutto. Dieser Anspruch ergibt sich aus
§§ 286, 280 Abs. 2, 249 BGB i.V.m. mit § 2 Abs. 1 NachwG.
a) Gemäß § 2 Abs. 1 NachwG hat der Arbeitgeber spätestens einen Monat nach
dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen
Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen
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Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen
und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. In die Niederschrift ist mindestens ein in
allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, die auf das
Arbeitsverhältnis anwendbar sind, aufzunehmen (§ 2 Abs. 1, S. 2 Nr. 10 NachwG).
Kommt ein Arbeitgeber mit der Erfüllung dieser gesetzlichen Verpflichtung in
Verzug, hat er dem Arbeitnehmer den adäquat verursachten Schaden zu
ersetzen. Ein solcher Schaden kann im Erlöschen von Vergütungsansprüchen
aufgrund tarifvertraglicher Ausschlussfristen bestehen. In einem solchen Fall kann
der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber verlangen, so gestellt zu werden, als sei
sein Vergütungsanspruch nicht untergegangen.
Ein solcher Schadensersatzanspruch ist begründet, wenn der geltend gemachte
Vergütungsanspruch bestand, nur wegen Versäumung der tarifvertraglichen
Ausschlussfrist erloschen ist und bei gesetzmäßigem Nachweis seitens des
Arbeitgebers nicht untergegangen wäre. Dabei ist grundsätzlich zugunsten des
Arbeitnehmers davon auszugehen, dass er die Ausschlussfrist beachtet hätte,
wenn er auf die Geltung des diese enthaltenden Tarifvertrages hingewiesen
ordnungsgemäß hingewiesen worden wäre. Dem Arbeitgeber bleibt die
Möglichkeit, diese tatsächliche Vermutung zu widerlegen (BAG, Urteil v. 17.4.2002
– 5 AZR 89/01, NZA 2002, 1096ff.; BAG 5.11.2003 – 5 AZR 676/02, NZA 2005,
64ff.).
b) Unter Anwendung dieser Grundsätze steht dem Kläger dem Grunde nach und in
Höhe von EUR 4.156,22 brutto ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz
gegen die Beklagte zu.
aa) Die Beklagte befand sich mit der Erfüllung ihrer gesetzlichen Nachweispflichten
in Verzug. Sie hat den Kläger nicht innerhalb eines Monats nach Beginn des
Arbeitsverhältnisses darauf hingewiesen, dass auf dieses der für
allgemeinverbindlich erklärte Rahmentarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer
und Auszubildende des Gebäudereinigerhandwerks in der Bundesrepublik
Deutschland vom 4. Oktober 2003 in der Fassung des Änderungstarifvertrages
vom 3. August 2006 Anwendung findet (im Folgenden: der Tarifvertrag).
Insbesondere der am 01. Juli 2007 von den Parteien unterzeichnete Arbeitsvertrag
enthält keinen Hinweis auf anwendbare Tarifverträge. Es sind auch keine
Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte den Kläger anderweitig auf den
Tarifvertrag hingewiesen hätte.
bb) Der vom Kläger geltend gemachte Vergütungsanspruch bestand. Es ist
unstreitig, dass der Kläger während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses
zumindest in dem von der Beklagten abgerechneten Umfang seine Arbeitsleistung
erbracht hat.
cc) Gemäß § 22 des Tarifvertrages sind Lohn- und Gehaltsansprüche des Klägers
gegen die Beklagte aus dem Arbeitsverhältnis erloschen. Denn dieser sieht vor,
dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit
dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb
von zwei Monaten seit Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.
Dies ist im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche wegen
ausstehenden Arbeitslohns für den Zeitraum des Bestehens des
Arbeitsverhältnisses der Fall. Die Forderung des Klägers wurde erstmals mit
Schreiben vom 11. Juli 2008 geltend gemacht, zu einem Zeitpunkt, als die noch
ausstehenden Lohnansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bereits länger als zwei
Monate fällig waren. Denn Lohnansprüche werden gemäß § 8 Abs. 2 des
Tarifvertrages spätestens zum 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, in
dem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Das Arbeitsverhältnis endete im
vorliegenden Fall am 30. September 2007.
dd) Die Lohn- und Gehaltsansprüche des Klägers gegen die Beklagte sind auch
allein aufgrund der genannten tarifvertraglichen Ausschlussfrist erloschen.
Die Ansprüche sind nicht im Wege der Erfüllung erloschen (§ 362 BGB). Die
Beklagte hat nicht bewiesen, dass sie dem Kläger den von ihr abgerechneten
Arbeitslohn, soweit dieser vom Kläger vorliegend geltend gemacht wird, ausgezahlt
hat.
Dem stehen die von der Beklagten vorgelegten diversen Quittungen nicht
entgegen. Hierbei handelt es sich zum Teil um Dokumente, denen keinerlei
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entgegen. Hierbei handelt es sich zum Teil um Dokumente, denen keinerlei
Beweiskraft zukommen kann, da sie nach der Überzeugung der Kammer keine
echte Unterschrift des Klägers tragen. Einige der Quittungen, die die echte
Unterschrift des Klägers tragen, können keine materielle Beweiskraft hinsichtlich
der Zahlung der auf ihnen angegebenen Beträge entwickeln, da sie offensichtlich
im Voraus erteilt wurden. Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung der
Kammer auch die materielle Beweiskraft der verbleibenden Quittungen in solchem
Maße erschüttert, dass ihnen keinerlei Beweiswert mehr zukommt. Die von der
Beklagten im Übrigen angebotenen Beweismittel waren als unzulässig
zurückzuweisen.
(1) Die von der Beklagten vorgelegten Quittungen vom 31.12.2006, 28.02.2007
und 06.06.2007 erbringen keinen Beweis dafür, dass die Beklagte an den Kläger
die aufgeführten Beträge in Höhe von EUR 1.183,–, EUR 778,– und EUR 1.500,–
ausgezahlt hat. Sie können nicht als Grundlage für einen Urkundsbeweis über die
Zahlungen in genannter Höhe dienen.
(a) Eine Quittung erbringt vollen Beweis gemäß § 416 ZPO dafür, dass die in ihr
enthaltene Erklärung von dem Unterzeichner abgegeben worden ist, nicht aber für
den Inhalt der Erklärung, also die Erfüllung der Verbindlichkeit; insoweit unterliegt
sie der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 286 ZPO). Sie enthält allerdings ein
außergerichtliches Geständnis hinsichtlich des Leistungsempfangs und
dementsprechend in der Regel ein (starkes) Indiz für die Leistung (Erfüllung) des
Schuldners und somit einen "gewissen Beweiswert" (OLG Brandenburg, Urteil v.
10.04.2008 – 5 U 220/06 – juris).
Voraussetzung für die vorgenannten Wirkungen einer Quittung ist jedoch, dass die
sich auf der Urkunde befindende Unterschrift echt ist (§§ 416, 440 ZPO). Die
Echtheit der Unterschrift bedarf des vollen Beweises durch denjenigen, der sich auf
die Urkunde beruft (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 29.11.2001 – 1 Sa
384/00 – juris).
(b) Diesen Beweis hat vorliegend die Beklagte nicht geführt, obschon die Echtheit
der fraglichen Unterschriften zwischen den Parteien streitig ist. Anhand des
eingeholten Schriftgutachtens konnte die Beklagte diesen Beweis nicht erbringen.
Denn aus diesem Gutachten ging gerade hervor, dass die Unterschriften auf den
Quittungen vom 31.12.2006, 28.02.2007 und 06.06.2007 mit hoher bzw. sehr
hoher Wahrscheinlichkeit Nachahmungsfälschungen sind (Bl. 128, 129, 131f. d.A.).
Es kann dahinstehen, ob, wie von der Beklagten gerügt, dem Gutachter zu wenige
unbefangene Vergleichsunterschriften zur Verfügung gestanden hätten bzw. eine
Unterschrift zum Vergleich herangezogen wurde, deren Unterzeichnung vom
Kläger nicht ausdrücklich eingeräumt worden war. Jedenfalls lieferte das Gutachten
keine Anhaltspunkte (und somit keinen Beweis) dafür, dass die fraglichen
Quittungen vom Kläger eigenhändig unterschrieben wurden.
Die Beklagte hat auch nicht anderweitig den Beweis dafür geführt, dass die
Unterschriften auf den in Frage stehenden Dokumenten vom Kläger stammen.
Hinsichtlich der Quittungen vom 31.12.2006 und 28.02.2007 hat die Beklagte
keine weiteren Beweise dafür angeboten, dass es sich um echte Unterschriften
des Klägers handelt. Dem steht die angebotene Vernehmung der Zeugin ... nicht
entgegen. Denn die hiermit unter Beweis gestellten Umstände beschränken sich
auf das Ausfüllen und Buchen der Kassenbelege. Zur Frage der Unterschrift der
Dokumente durch den Kläger wurde die Zeugin ... hingegen nicht benannt.
In Bezug auf die Quittung vom 06.06.2007 hat die Beklagte ebenso wenig den
Beweis geführt, dass diese vom Kläger stammt. Die Vernehmung des
angebotenen Zeugen ... hatte zu unterbleiben. Sie war unzulässig, da sie der
Ausforschung des Sachverhalts gedient hätte. Der unter Beweis gestellte
Tatsachenvortrag war nicht hinreichend bestimmt. Denn aus diesem ist nicht
erkennbar, wer dem Kläger im Beisein des Zeugen die Quittung vom 06.06.2007
zur Unterschrift vorgelegt haben und wie die behauptete Unterzeichnung von
Statten gegangen sein soll.
(2) Den von der Beklagten vorgelegten Quittungen vom 31.10., 30.11. und
31.12.2006 kommt keine materielle Beweiskraft hinsichtlich der Auszahlung der in
diesen aufgeführten Beträge zu, da die Kammer davon überzeugt ist, dass es sich
um nachträglich ausgefüllte Blankoquittungen handelt.
(a) Auch wenn die Unterschriften auf diesen Quittungen vom Kläger stammen und
insoweit echte Urkunden gemäß §§ 416, 440 ZPO vorliegen, kommt kein
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insoweit echte Urkunden gemäß §§ 416, 440 ZPO vorliegen, kommt kein
Beweiswert zu.
Denn der Beweiswert einer Quittung kann schon dadurch entkräftet werden, dass
die Überzeugung des Gerichts vom Empfang der Leistung erschüttert wird; ein
voller "Gegenbeweis" im Sinne des Nachweises der inhaltlichen Unwahrheit der
Quittung ist nicht nötig. Zur Entkräftung der Indizwirkung einer Quittung bedarf es
tragfähiger Anhaltspunkte, die den Verdacht ihrer inhaltlichen Unrichtigkeit
ernstlich nahelegen (OLG Brandenburg, Urteil v. 10.04.2008 – 5 U 220/06 – juris).
Dies ist insbesondere der Fall bei im Voraus erteilten Quittungen, bei denen davon
auszugehen ist, dass schon durch den Beweis der Vorauserteilung die materielle
Beweiskraft der Quittung derart erschüttert ist, dass der Schuldner seinerseits die
spätere tatsächliche Leistung beweisen muss (LAG Mecklenburg-Vorpommern,
Urteil v. 29.11.2001, 1 Sa 384/00 – juris).
(b) Die materielle Beweiskraft der von der Beklagten vorgelegten Quittungen vom
31.10., 30.11. und 31.12.2006 ist vorliegend derart erschüttert, dass die Beklagte
den Beweis für die in diesen Dokumenten aufgeführten Leistungen erbringen
muss. Für die Kammer steht zu ihrer Überzeugung fest, dass diese Dokumente als
Blanko-Quittungen vorab unterschrieben worden sind. Dies ergibt sich aus deren
äußerlicher Gestaltung. So wurde die Angabe des Zwecks der Leistung
("Aushilfslohn für ...") auf zwei Linien verteilt. In einer Lücke zwischen beiden Zeilen
befindet sich die sich schräg über das Blatt erstreckende Unterschrift des Klägers.
Hieraus wird nach Auffassung der Kammer ersichtlich, dass die Unterschrift schon
auf dem jeweiligen Dokument vorhanden war, bevor es ausgefüllt wurde. Denn im
umgekehrten Fall wäre davon auszugehen gewesen, dass der Zweck der Leistung
in einer Zeile aufgeführt worden wäre und der Kläger die Position seiner
Unterschrift den Gegebenheiten der vorbereiteten Quittung angepasst hätte.
Die Zeugin ... war zu diesem Thema nicht zu vernehmen. Denn der Beweisantritt
der Beklagten bezog sich nicht auf die Frage, ob die von ihr ausgefüllten
Quittungen bereits vom Kläger unterschrieben waren oder nicht.
(3) Nach Auffassung der Kammer ist auch der Beweiswert der verbleibenden
Quittungen derart erschüttert, dass die Beklagte den Beweis für die in diesen
Dokumenten aufgeführten Leistungen erbringen muss.
Denn die Beklagte hat, wie oben dargelegt, sieben Quittungen vorgelegt, die
entweder auf einer Blanko-Unterschrift des Klägers beruhen oder aber deren
Echtheit nicht bewiesen ist (und aufgrund des Sachverständigengutachtens im
Gegenteil als zweifelhaft erscheint). Vor diesem Hintergrund vermag die Kammer
den übrigen vier von der Beklagten vorgelegten Quittungen keinen Glauben mehr
schenken. Denn es ist naheliegend, dass es sich auch bei diesen um nachträglich
ausgefüllte Blanko-Quittungen handelt.
Der Zeuge ... zu diesem Thema nicht zu vernehmen, da er nach dem Vortrag der
Beklagten nur bezeugen sollte, dass er sechs Quittungen ausgefüllt habe, weil der
Kläger Barauszahlungen begehrte. Selbst wenn dieser Vortrag als wahr unterstellt
wird, ist damit noch nicht gesagt, wann die Quittungen ausgefüllt wurden und
insbesondere ob diese bereits zuvor vom Kläger unterschrieben worden waren.
(4) Die Beklagte hat auch nicht den Beweis für die Zahlung des Arbeitslohns
erbracht.
Die von der Beklagten angebotene Zeugin ... war nicht zu vernehmen, da der
insoweit unter Beweis gestellte Tatsachenvortrag nicht darin besteht, dass die
Zeugin bei Barauszahlungen an den Kläger zugegen gewesen sei.
Die übrigen von der Beklagten angebotenen Beweismittel sind unzulässig, da sie
der Ausforschung des Sachverhalts gedient hätten. Der unter Beweis gestellte
Tatsachenvortrag war nicht hinreichend bestimmt. Zum einen ist nicht erkennbar,
bei welchen der von der Beklagten behaupteten Auszahlungsvorgängen der Zeuge
... zugegen gewesen sein soll. Zum anderen wäre die Vernehmung der Zeugen ...
sowie der Beklagten selbst eine unzulässige Erhebung eines
Ausforschungsbeweises gewesen, da aus dem Vortrag der Beklagten nicht
hinreichend erkennbar ist, wer für sie die behaupteten Zahlungen an den Kläger
vorgenommen haben soll.
dd) Es ist schließlich davon auszugehen, dass es bei einer Erfüllung der
Nachweispflicht der Beklagten nicht zu einem Erlöschen der Lohnansprüche des
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Nachweispflicht der Beklagten nicht zu einem Erlöschen der Lohnansprüche des
Klägers gekommen wäre, da dieser die Ausschlussfristen beachtet hätte. Der
Vortrag der Beklagten enthält keine Anhaltspunkte, welche die dahingehende
Vermutung entkräften würden.
2. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von
Schadensersatz über den unter 1. genannten Betrag hinaus.
Nach den allgemeinen Regeln hat derjenige, der eine ihm günstige Rechtsfolge für
sich in Anspruch nimmt, die rechtsbegründenden und rechtserhaltenden
Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, der Gegner die rechtshindernden,
rechtsvernichtenden und rechtshemmenden (Thomas/Putzo- Reichold, ZPO, 25.
Aufl., Vorb § 284 Rn. 23 m.w.N.).
Diesen Anforderungen hat der Kläger nicht genügt, sofern er die Zahlung eines
über EUR 4.156,22 brutto hinausgehenden Betrages fordert. Der Kläger hat
insoweit die von der Beklagten bestrittenen anspruchsbegründenden Tatsachen
nicht unter Beweis gestellt. Der Kläger hat keinen Beweis dafür angeboten, dass er
in den Monaten März und April 2007 Arbeitsleistungen für die Beklagte in einem
über das von der Beklagten abgerechnete Maß hinausgehenden Umfang erbracht
hätte, d.h. dass Lohn- und Gehalt in Höhe von jeweils EUR 393,50 brutto
gerechtfertigt wären statt der abgerechneten EUR 188,88 und EUR 251,84 brutto.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. § 92 ZPO. Der
Kläger ist im Hinblick auf den von ihm geltend gemachten Zahlungsantrag zu 8%
unterlegen, da dieser in Höhe von EUR 346,28 abgewiesen worden ist. Die
Beklagte ist hinsichtlich des von dem Kläger geltend gemachten Zahlungsantrags
zu 92% unterlegen, da sie zur Zahlung von EUR 4.156,22 brutto an den Kläger
verurteilt worden ist.
III. Der Streitwert beträgt EUR 4.502,50. Dies entspricht dem Betrag, über den die
Kammer entschieden hat.
IV. Eine Rechtsmittelbelehrung folgt auf der nächsten Seite.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.