Urteil des ArbG Frankfurt an der Oder vom 19.03.2009

ArbG Frankfurt: wichtiger grund, fristlose kündigung, treu und glauben, japan, verdacht, hotel, zugang, abmahnung, gespräch, ruf

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Gericht:
ArbG Frankfurt 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 Ca 7751/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 626 Abs 1 BGB
Wichtiger Grund - Vertragliche Rücksichtnahmepflicht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 12.900,00 festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten außerordentlich
fristlos, hilfsweise außerordentlich mit sozialer Auslauffrist ausgesprochenen
Kündigung.
Die Beklagte ist ein Luftfahrtunternehmen mit mehreren tausend
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Personalvertretungen für das fliegende
Personal (Kabine und Cockpit) sind gebildet.
Der 43-jährige (geboren am 8. April 1965), ledige Kläger, der japanischer
Staatsbürger ist und seit 1992 in Deutschland lebt, wurde bei der Beklagten ab
dem 1. Juni 1992 aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 1. Dezember
1992 (Bl. 80 und 81 d. A.) als Flugbegleiter beschäftigt. Als Muttersprachler
(japanisch) wurde er als sogenannter regionaler Flugbegleiter auf den
"Japanstrecken" der Beklagten eingesetzt. Er erhielt an Vergütung zuletzt
monatlich rund € 4.300,00 brutto.
Im Juli 2008 ging bei der Beklagten ein anonymes Schreiben in japanischer
Sprache (Bl. 75 d. A. – deutsche Übersetzung Bl. 76 d. A.) ein, worin der Kläger
unter anderem des Missbrauchs Minderjähriger beschuldigt und die Beklagte zum
Handeln aufgefordert wird. Weiter heißt es in diesem Schreiben, der Kläger sei
bereits von dem anonymen Verfasser des Briefes der Polizei in Japan gemeldet
worden und der Kläger unterhalte derzeit eine als einvernehmlich zu bezeichnende
sexuelle Beziehung zu einem Oberschüler in Japan, wodurch er sich strafbar
mache. Aufgrund dieses Schreibens fand am 28. Juli 2008 zwischen dem Kläger
und seiner Teamleiterin bei der Beklagten ... ein Gespräch statt, bei dem der
Kläger über dieses anonyme Schreiben und dessen Inhalt informiert wurde, er eine
Kopie erhielt und von ... jedenfalls aufgefordert wurde, "aufzupassen". Der weitere
genaue Inhalt dieses Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig.
Am 10. September 2008 befand sich der Kläger anlässlich eines Flugeinsatzes von
München nach Tokio in der japanischen Präfektur Chiba im Vertragshotel der
Beklagten ("Crewhotel"). In den frühen Morgenstunden wurde er dort in seinem
Hotelzimmer mit einem 17-jährigen Studenten angetroffen, verhaftet und
anschließend wegen Verstoßes gegen die Verordnung "unversehrte Entwicklung
von Jugendlichen" der Präfektur Chiba durch Strafbefehl am 29. September 2008
zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von umgerechnet etwa € 2.000,00 verurteilt.
Über die Verhaftung des Klägers und dem Grund hierfür war bereits am 10.
September 2008 in einer lokalen Zeitung in Japan unter Angabe von Vor- und
Zunamen des Klägers und seiner Unternehmenszugehörigkeit zur Beklagten
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Zunamen des Klägers und seiner Unternehmenszugehörigkeit zur Beklagten
berichtet worden. Weiterhin war die Nachricht im Internet verbreitet worden.
Hinsichtlich des Inhalts des von der nationalen Nachrichtenagentur Kyodo News
japanweit gemeldeten Textes vom 10. September 2008 nebst deutscher
Übersetzung wird auf Bl. 60 und 61 d. A. Bezug genommen. Am 11. September
2008 war der Artikel über den Kläger auf der Internet-Seite "sankei.jp.msn.com"
auf Rang 1 der Rangliste der abgerufenen Nachrichten.
Nachdem sich der Kläger nach seiner Verhaftung am 10. September 2008 für
seinen Flugeinsatz von Tokio nach München an diesem Tage zunächst krank
gemeldet hatte, wurde er am 29. September 2008 aus der Haft entlassen, am 30.
September 2008 telefonierte er mit seiner Teamleiterin bei der Beklagten W wegen
der Ereignisse, in der Zeit vom 1. bis zum 5. Oktober 2008 befand er sich in
seinem bereits zuvor genehmigten Urlaub und am 7. Oktober 2008 flog der Kläger
von Tokio zurück nach Frankfurt am Main. Unmittelbar nach seiner Ankunft legte
der Kläger in die dienstlichen Postfächer aller bei der Beklagten beschäftigten
japanischen Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter ein persönliches
Entschuldigungsschreiben in japanischer Sprache ein, hinsichtlich dessen nähere
Einzelheiten auf Bl. 73 und 74 (deutsche Übersetzung) d. A. verwiesen wird.
Am 9. Oktober 2008 fand bei der Beklagten ein erstes Personalgespräch mit dem
Kläger und seiner Teamleiterin bei der Beklagten ... sowie der zuständigen
Sachbearbeiterin Personal bei der Beklagten S statt. Am 13. Oktober 2008 fand
sodann ein weiteres Anhörungsgespräch mit dem Kläger zusätzlich in Anwesenheit
des Kündigungsberechtigten bei der Beklagten G und den Vertretern der
Personalvertretung Frau B und Herrn S statt.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2008 (Bl. 54 bis 57 d. A.) hörte die Beklagte die
Personalvertretung zur beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Kündigung des
Klägers, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist an. Mit Schreiben vom gleichen Tage
(Bl. 58 bis 59 d. A.) erhob die Personalvertretung Bedenken.
Mit Schreiben vom 20. Oktober 2008 (Bl. 53 d. A.), dem Kläger zugegangen am
gleichen Tage, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger
außerordentlich fristlos, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist zum 30. Juni 2009.
Mit seiner am 3. November 2008 bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main
erhobenen und der Beklagten am 6. November 2008 (Bl. 4 d. A.) zugestellten
Klage hat sich der Kläger gegen die Wirksamkeit der Kündigung der Beklagten vom
20. Oktober 2008 gewandt.
Der Kläger ist der Ansicht, Kündigungsgründe iSd. § 626 Abs. 1 BGB seien nicht
gegeben. So habe er keine überall gültigen rechtlichen Grundsätze verletzt. Weiter
behauptet er, die Strafbarkeit seines Verhaltens nicht gekannt zu haben.
Gegebenenfalls, so seine Ansicht, müsse die Beklagte ihn nicht mehr auf den
Japan-Strecken, sondern im übrigen Streckennetz einsetzen. Letztlich bestreitet
der Kläger die ordnungsgemäße Anhörung der Personalvertretung mit
Nichtwissen.
Hinsichtlich der weiteren Ausführungen des Klägers im Einzelnen wird Bezug
genommen auf die Klageschrift vom 29. Oktober 2008 (Bl. 1 und 2 d. A.) sowie den
weiteren Schriftsatz des Klägers vom 18. Februar 2008 (Bl. 82 bis 97 d. A.).
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis
weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 20. Oktober 2008
noch durch die hilfsweise erklärte außerordentliche Kündigung mit sozialer
Auslauffrist zum 30. Juni 2009 der Beklagten vom 20. Oktober 2008 aufgelöst
worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, es liege ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB
vor. Hierzu behauptet die Beklagte, das gesetzwidrige und verantwortungslose
Verhalten des Klägers, das damit einhergegangen sei, dass in der Öffentlichkeit in
Japan eine Verbindung zur Beklagten hergestellt worden sei, sei geeignet, das
Ansehen der Beklagten in der Öffentlichkeit in Japan zu schädigen. Auch sei der
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Ansehen der Beklagten in der Öffentlichkeit in Japan zu schädigen. Auch sei der
Kläger nach Zugang des anonymen Schreibens in dem Gespräch mit seiner
Teamleiterin ... am 28. Juli 2008 aufgefordert worden, sich diesbezüglich legal zu
verhalten.
Hinsichtlich der näheren Ausführungen der Beklagten im Einzelnen wird Bezug
genommen auf die Klageerwiderung vom 15. Januar 2009 nebst Anlagen (Bl. 34 bis
81 d. A.) und den weiteren Schriftsatz der Beklagten vom 9. März 2009 nebst
Anlagen (Bl. 122 bis Bl. 141 d. A.).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften
vom 4. Dezember 2008 (Bl. 10 d. A.) und 19. März 2009 (Bl. 142 d. A.) Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist insgesamt unbegründet.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete am 20. Oktober 2008 mit Zugang der
außerordentlich fristlosen Kündigung der Beklagten vom gleichen Tage. Diese
Kündigung ist rechtswirksam, da Gründe iSd. § 626 Abs. 1 BGB vorliegen. Dieses
Entscheidungsergebnis beruht im Wesentlichen auf folgenden Erwägungen, § 313
Abs. 3 ZPO:
1.
Die außerordentlich fristlose Kündigung der Beklagten vom 20. Oktober 2008 ist
wirksam. Die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB liegen vor.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz
Anwendung. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen in der Person des Klägers
und der Betriebsgröße der Beklagten liegen vor, §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG. Der
Kläger hat die Unwirksamkeit der Kündigungen der Beklagten vom 20. Oktober
2008 mit seiner Klageerhebung am 3. November 2008 und Zustellung der
Klageschrift am 6. November 2008 (Bl. 4 d. A.) innerhalb der Frist nach §§ 4 Satz
1, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG geltend gemacht.
Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne
Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen,
aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung
des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet
werden kann. Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die
besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich
geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob
die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten
Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile
zumutbar ist oder nicht (
).
Zunächst liegt ein an sich geeigneter wichtiger Kündigungsgrund iSv. § 626
Abs. 1 BGB vor, denn der Kläger hat durch sein Verhalten im Crew-Hotel am 10.
September 2008 auf seinem Flugeinsatz München-Tokio-München zumindest
seine vertragliche Rücksichtnahmepflicht gegenüber der Beklagten in
schwerwiegender Weise verletzt. In diesem Zusammenhang hat das
Bundesarbeitsgericht in einer neueren Entscheidung (
), auf
die das Gericht die Parteien bereits in der Güteverhandlung ausdrücklich
hingewiesen und diese mit ihnen erörtert hat, zum Vorliegen eines wichtigen
Grundes zur fristlosen Kündigung auch bei einer erheblichen Verletzung von
vertraglichen Nebenpflichten, insbesondere einer Verletzung der vertraglichen
Rücksichtnahmepflichten iSv. § 241 Abs. 2 BGB, die dem Schutz und der
Förderung des Vertragszwecks dienen, wie folgt ausgeführt:
"Eine schwere, regelmäßig schuldhafte Vertragspflichtverletzung kann eine
außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund an
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außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund an
sich rechtfertigen. Dabei kann ein wichtiger Grund an sich nicht nur in einer
erheblichen Verletzung der vertraglichen Hauptleistungspflichten liegen. Auch die
erhebliche Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten, insbesondere eine
Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflichten iSv. § 241 Abs. 2 BGB, die
dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks dienen
kann ein wichtiger Grund an sich zur außerordentlichen
Kündigung sein. Die vertragliche Rücksichtnahmepflicht verlangt von den Parteien
eines Arbeitsverhältnisses, gegenseitig auf die Rechtsgüter und die Interessen der
jeweils anderen Vertragspartei Rücksicht zu nehmen
. Der Arbeitnehmer hat seine
Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im
Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des
Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner
Stellung im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen
Arbeitnehmer des Betriebes nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden
kann. Dabei ergibt sich der konkrete Inhalt aus dem jeweiligen Arbeitsverhältnis
. Insbesondere bei
Arbeitnehmern in einer leitenden Position im Betrieb oder Arbeitnehmern, die mit
ihrer Tätigkeit spezifische Vertragspflichten übernommen haben, hat deren
Stellung unmittelbaren Einfluss auf die vertragliche Pflichtenstruktur
Dies gilt umso mehr, wenn berechtigte Belange des Arbeitgebers
erheblich gestört werden, weil das Verhalten des Arbeitnehmers geeignet ist, den
Ruf des Arbeitgebers im Geschäftsverkehr zu gefährden
."
Unter Beachtung dieser Grundsätze, die für die Kammer trotz einer nicht
gegebenen leitenden Position hier anzuwenden sind, hat der Kläger durch sein
Verhalten im Crew-Hotel am 10. September 2008 auf seinem Flugeinsatz
München-Tokio-München jedenfalls seine arbeitsvertragliche
Rücksichtnahmepflicht gegenüber der Beklagten schwerwiegend verletzt. Den
Kläger trafen als Flugbegleiter der Beklagten hinsichtlich der Wahrung des
Ansehens seines Arbeitgebers während eines Flugeinsatzes im sogenannten Crew-
Hotel (= Vertragshotel) spezifische Vertragspflichten, die sich unmittelbar auf die
vertragliche Pflichtenstruktur der Parteien auswirkten. So heißt es in der
Dienstvorschrift "OM-A" in Ziffer 13.1.7.2 in Satz 1:
"In den Vertragshotels haben sich alle Besatzungsmitglieder in Uniform oder
Zivil so zu verhalten, dass das Ansehen der Lufthansa nicht geschädigt wird."
Der Kläger hat durch sein Verhalten am 10. September 2008, in dem er sich mit
seinem minderjährigen Partner während seines Flugeinsatzes München-Tokio-
München in seinem Hotelzimmer im Crew-Hotel in Tokio aufhielt, diese
spezifischen Vertragspflichten und damit seine arbeitsvertragliche
Rücksichtnahmepflicht in eklatanter Weise verletzt und sich zudem nach einer
jedenfalls in der Präfektur Chiba geltenden Verordnung strafbar gemacht. Er hat
hierdurch eine von ihm selbst nicht in Abrede gestellte breite
Medienberichterstattung in der japanischen Öffentlichkeit unter Nennung seines
Namens, seiner Tätigkeit als Flugbegleiter und der Beklagten als sein Arbeitgeber
ausgelöst. Damit hat der Kläger zu erkennen gegeben, dass er entgegen seiner
arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu einem Verhalten, durch das das Ansehen
der Beklagten als seiner Arbeitgeberin nicht geschädigt wird, nicht bereit ist. Dies
gilt umso mehr, als der Kläger durch das anonyme Schreiben und das Gespräch
mit seiner Teamleiterin bei der Beklagten ... vom 28. Juli 2008 hätte gewarnt und
sensibilisiert sein müssen. Durch sein Fehlverhalten und den Folgen hieraus
werden für die Kammer, ohne dass es hier auf nähere Einzelheiten ankommen
müsste, die Interessen der Beklagten auf dem japanischen Markt und das
Ansehen der Beklagten bei ihren japanischen Kunden in nicht hinnehmbarer Weise
erheblich beeinträchtigt. Dieser Umstand ist geeignet, den Ruf der Beklagten zu
gefährden.
Die Kammer sieht die Erteilung einer Abmahnung im hier vorliegenden Fall als
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Die Kammer sieht die Erteilung einer Abmahnung im hier vorliegenden Fall als
nicht erforderlich an. Bei einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen ist
auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine
Abmahnung jedenfalls nicht erforderlich, wenn es – wie vorliegend oben im
Einzelnen dargelegt – um eine schwere Pflichtverletzungen geht, deren
Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar und deren
Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (
). Eine Abmahnung ist dann grundsätzlich entbehrlich, weil in
diesen Fällen regelmäßig davon auszugehen ist, dass das pflichtwidrige Verhalten
das für ein Arbeitsverhältnis notwendige Vertrauen auf Dauer zerstört hat (
). Bei Pflichtverletzungen, deren Hinnahme durch den
Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist, muss dem Arbeitnehmer bewusst
sein, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt. Letzteres ist nach Überzeugung
der Kammer hier der Fall. Der Kläger musste bei gehöriger Anspannung seiner
Treue- und Sorgfaltspflichten erkennen, dass sein Verhalten am 10. September
2008 unter Berücksichtigung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten insbesondere
zum Verhalten in Vertragshotels und des Gesprächs mit seiner Teamleiterin bei
der Beklagten ... vom 28. Juli 2008 sowie aufgrund des Inhalts des anonymen
Briefes pflicht- und treuwidrig und dessen Hinnahme durch die Beklagte
offensichtlich ausgeschlossen war (
).
Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung
der Interessen beider Vertragsteile ist die außerordentliche fristlose Kündigung der
Beklagten vom 20. Oktober 2008 gerechtfertigt. Zwar war der 43-jährige (geboren
am 08. April 1965) Kläger, der ledig und ohne Unterhaltspflichten ist, bereits seit
dem 1. Juni 1992 und damit im Kündigungszeitpunkt seit über sechzehn Jahren bei
der Beklagten beschäftigt. Trotz dieses sozialen Besitzstandes überwiegt für die
Kammer gleichwohl das Beendigungsinteresse der Beklagten. Zu Lasten des
Klägers sind hier der hohe Stellenwert des geschäftlichen Rufs der Beklagten auf
dem japanischen Markt sowie das Ansehen der Beklagten bei ihren japanischen
Kunden und daraus resultierend die Schwere des hier in Streit stehenden
arbeitsvertraglichen Pflichtenverstoßes zu berücksichtigen.
Die Kündigung wurde von der Beklagten auch innerhalb der zweiwöchigen
Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgesprochen. Danach
kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen.
Diese Frist beginnt nach § 626 Absatz 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der
Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen
Kenntnis erlangt. § 626 Absatz 2 BGB ist ein gesetzlich konkretisierter
Verwirkungstatbestand. Ziel des § 626 Absatz 2 BGB ist es demnach, für den
betroffenen Arbeitnehmer rasch Klarheit darüber zu schaffen, ob ein
Kündigungsberechtigter einen Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche
Kündigung nimmt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
ist der Kündigungsberechtigte für die Einhaltung der Ausschlussfristen darlegungs-
und beweispflichtig (
). Die
Ausschlussfrist des § 626 Absatz 2 BGB beginnt, wenn der Kündigungsberechtigte
eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die
Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen,
ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht. Unter
Berücksichtigung dessen hat die Beklagte die zweiwöchige
Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB im Streitfalle gewahrt. Die
Beklagte durfte nach pflichtgemäßer Ausübung des ihr zustehenden Ermessens
zunächst die Anhörungen des Klägers nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik
Deutschland am 9. Oktober 2008 und 13. Oktober 2008 abwarten. Gerechnet ab
diesen Zeitpunkten hat die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs.
2 BGB unter Beachtung der §§ 187 ff. BGB mit Zugang ihrer außerordentlich
fristlosen Kündigung vom 20. Oktober 2008 beim Kläger noch am gleichen Tage
gewahrt.
Die außerordentlich fristlose Kündigung der Beklagten vom 20. Oktober 2008
ist auch nicht wegen mangelhafter Anhörung der Personalvertretung unwirksam.
Die Beklagte hat insoweit unwidersprochen (§ 138 Abs. 3 ZPO) vorgetragen, sie
habe die Personalvertretung mit ihrer Anhörungsvorlage vom 14. Oktober 2008
(Bl. 54 bis 57 d. A.) ordnungsgemäß iSd. § 90 TV PV angehört, die mit ihrer
Stellungnahme vom 13. Oktober 2008 (Bl. 58 und 59 d. A.) unter Bezugnahme auf
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Stellungnahme vom 13. Oktober 2008 (Bl. 58 und 59 d. A.) unter Bezugnahme auf
die Anhörungsvorlage vom 14. Oktober 2008 die beabsichtigten außerordentlichen
Kündigungen als sozial nicht gerechtfertigt angesehen habe.
Die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 29. Oktober 2008
konnte durch die Beklagte auch nicht im Wege der Umsetzung des Klägers als
mildere Maßnahme vermieden werden. Auch unter Berücksichtigung des
Rechtsgedankens des § 162 BGB muss die Beklagte den Kläger aufgrund seiner
fehlenden Deutschkenntnisse nicht außerhalb des japanischen Streckengebietes
auf anderen Strecken einsetzen.
Andere Unwirksamkeitsgründe sind nicht ersichtlich und der Kläger hat
insoweit konkrete Tatsachen auch nicht vorgetragen, so dass das Arbeitsverhältnis
der Parteien mit Zugang der außerordentlich fristlosen Kündigung der Beklagten
vom 20. Oktober 2008 am gleichen Tage endete.
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Da das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits aufgrund der außerordentlich
fristlosen Kündigung der Beklagten vom 20. Oktober 2008 beendet wurde, fällt der
Kammer die hilfsweise mit sozialer Auslauffrist zum 30. Juni 2009 erklärte
außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 20. Oktober 2008 nicht zur
Entscheidung an.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits hat das Gericht gemäß §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG;
91 Abs. 1 Satz 1 ZPO dem Kläger als unterlegene Partei auferlegt.
Der Wert des Streitgegenstandes beruht für die Kündigungsschutzklage gemäß §
42 Abs. 4 Satz 1 GKG auf einem dreifachen Bruttomonatsgehalt des Klägers bei
der Beklagten.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.