Urteil des ArbG Düsseldorf vom 11.09.2008

ArbG Düsseldorf: tarifvertrag, juristische person, verkürzte arbeitszeit, nachtarbeit, arbeitsgericht, vergütung, organisation, schichtarbeit, anwendungsbereich, begriff

Arbeitsgericht Düsseldorf, 6 Ca 3325/08
Datum:
11.09.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 Ca 3325/08
Normen:
..
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Nach der Definition des § 7 Abs. 1 S. 3 TVöD-F sind nunmehr alle
Schichten, die mindestens zwei Stunden Nachtarbeit umfassen,
Nachtschichten.
2. § 23 Abs. 2 TVÜ-VKA sieht vor, dass für "Alt"-Beschäftigte, auf die
einer der Tarifverträge zu Schichtlohnzuschlägen Anwendung gefunden
hat, diese Tarifverträge einschließlich der zu ihrer Anwendung
maßgeblichen Begriffsbestimmungen der abgelösten Manteltarifverträge
weitergelten, bis sie von einer Entgeltordnung abgelöst werden.
3. Darin liegt allein eine Anordnung der Fortgeltung der Tarifverträge, die
bislang die Höhe der Schichtzuschläge regelten. Die Frage, ob ein "Alt"-
Arbeitnehmer Wechselschichtarbeiter ist und damit für ihn eine um die
Pausen verkürzte Wochenarbeitszeit nach § 6 Abs. 1 S. 2 TVöD-F gilt,
richtet sich hingegen nach § 7 TVöD-F.
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 329,39 € (i. W.:
dreihundertneunundzwanzig 39/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.5.2008 zu
zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 2/3, der Kläger zu
1/3.
4. Streitwert: 496,22 €.
5. Die Berufung der Beklagten wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten über die Auslegung einer tarifvertraglichen Regelung und über
Ansprüche auf Zahlung von Zulagen.
2
Der Kläger ist seit 1980 bei der Beklagten als Flugzeugabfertiger im Schichtdienst tätig.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der
TVöD-F Anwendung, der den zuvor geltenden BMT-G ablöste. Der Kläger ist in die
Entgeltgruppe 6 eingruppiert. Sein Monatstabellenlohn beläuft sich auf 2.222,16 €
brutto.
3
Mit Schreiben vom 28.04.2008 machte der Kläger unter Berufung auf die Regelungen
der §§ 6 und 7 TVöD-F gegenüber der Beklagten geltend, dass diese verpflichtet sei,
seine Pausen zu vergüten.
4
§ 6 TVöD-F normiert die regelmäßige Arbeitszeit und enthält in Abs.1 S.2 folgende dem
Wortlaut des § 14 BMT-G entsprechende Regelung:
5
Bei Wechselschichtarbeit werden die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen in die
Arbeitszeit eingerechnet.
6
Der Begriff der Wechselschichtarbeit ist definiert in § 7 TVöD-F:
7
(1) Wechselschichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen
Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen Beschäftigte
durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht
herangezogen werden. Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen
ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird.
Nachtschichten sind Arbeitsschichten, die mindestens zwei Stunden Nachtarbeit
umfassen. ...
8
(5) Nachtarbeit ist die Arbeit zwischen 21 Uhr und 6 Uhr.
9
Eine Neuerung gegenüber den Begriffsdefinitionen in § 67 BMT-G liegt allein in der
Schaffung einer Definition des Begriffs der Nachtschicht und in der Verschiebung des
Beginns der Nachtarbeit von 20 auf 21 Uhr.
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Der Kläger leistet mehrmals im Monat Arbeit in Schichten, die nach 23 Uhr enden.
11
Die Beklagte verweigerte die verlangte Vergütung unter Hinweis auf § 23 Abs.2 TVÜ-
VKA i.V.m. § 1 Abs.17 des Besonderen Überleitungstarifvertrages für Beschäftigte der
G. in den TVöD-F vom 01.12.2007, der besagt:
12
Bis zum In-Kraft-Treten der Entgeltordnung gelten für Beschäftigte gem. § 1 Abs.1, auf
die bis zum 31.Dezember 2007 der Tarifvertrag betreffend Wechselschicht- und
Schichtzulagen für Angestellte vom 01.Juli 1981, der Tarifvertrag betreffend
Wechselschicht- und Schichtzulagen für Angestellte (TV Schichtzulagen Ang-O) vom
08.Mai 1991, der Tarifvertrag zu § 24 BMT-G (Schichtlohnzuschlag) vom 01.Juli 1981
oder der Tarifvertrag zu § 24 bs.4 Unterabs.1 BMT-G-O (TV Schichtlohnzuschlag Arb-O)
vom 8.Mai 1991 Anwendung gefunden hat, diese Tarifverträge einschließlich der bis
zum 31.Dezember 2007 zu ihrer Anwendung maßgebenden Begriffsbestimmungen des
BAT/BAT-O/BMT-G/BMT-G-O weiter. Für alle übrigen Beschäftigten gelten bis zum In-
Kraft-Treten der Entgeltordnung die Regelungen des § 8 Abs.5 und 6 in Verbindung mit
§ 7 Abs.1 und 2 TVöD....
13
Der Kläger ist der Auffassung, dass § 23 Abs.2 TVÜ-VKA zwar auf die
Begriffsbestimmungen des BMT-G verweise. Da eine Begriffsbestimmung dazu, was als
Nachtschicht im Sinne des Tarifvertrages zu verstehen sei, jedoch fehle, sei § 7 Abs.1
TVöD insoweit ergänzend heranzuziehen.
14
Für die Berechnung des Anspruchs sei der Schnitt der letzten drei Monate
heranzuziehen. Der zusätzliche Vergütungsanspruch bestehe für 51 Arbetis- und 13
Krankheitstage in den Monaten Januar bis März 2008.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von EUR 496,22 brutto
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 488,75
seit dem 29.05.2008, sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz aus EUR 7,47 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
19
Die Beklagte ist der Auffassung, dass schon der Wortlaut des § 23 Abs.2 TVÜ-VKA, der
auf die "maßgebenden Begriffsbestimmungen des...BMT-G" verweist, eindeutig
klarstelle, dass die Frage, ob der Kläger in Wechselschicht arbeitet oder nicht, nach
altem Tarifrecht zu beurteilen sei, wonach er gerade nicht in Wechselschicht gearbeitet
habe. Alles andere führe zu widersprüchlichen Ergebnissen. Auch der Höhe nach sei
der Anspruch nicht schlüssig dargelegt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen
Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
21
Entscheidungsgründe:
22
Die Klage ist in einer Höhe von 329,39 € brutto begründet, im Übrigen unbegründet.
23
Der geltend gemachte Anspruch auf Entgeltzahlung für die arbeitstäglichen Pausen
besteht dem Grunde nach.
24
Anspruchsgrundlage ist der Arbeitsvertrag i.V.m. § 6 Abs.1 S.2 TVöD.
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Erbringt ein Arbeitnehmer auf Anordnung seines Arbeitgebers Arbeitsleistung über den
vertraglich geschuldeten Umfang hinaus, hat er, soweit nichts Abweichendes vereinbart
ist, auf der Grundlage des Arbeitsvertrages einen Anspruch auf gesonderte Vergütung.
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Der Kläger hat in den Monaten Januar bis März 2008 seine Arbeitsleistung nach
Schichtplan erbracht. Darin liegt eine Leistung über den vertraglich geschuldeten
Umfang hinaus, denn die Beklagte hat bei der Schichtplanerstellung nicht
berücksichtigt, dass auch die Pausen des Klägers in die Arbeitszeit einzurechnen sind.
27
Diese Verpflichtung zur Einbeziehung der Pausen in die Arbeitszeit ergibt sich für
Mitarbeiter, die Wechselschicht leisten, unmittelbar aus § 6 Abs.1 S.2 TVöD-F.
28
Nach den Begriffsbestimmungen in § 7 TVöD-F leistet der Kläger Wechselschichtarbeit.
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Der Kläger arbeitet nach Schichtplan, die mit einem regelmäßigen Wechsel der
täglichen Arbeitszeit verbunden ist.
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Zusätzliche Voraussetzung ist, dass dabei mit einer bestimmten Regelmäßigkeit
Nachtschichten anfallen, zu denen nach der Definition des § 7 Abs.1 S.3 TVöD-F
nunmehr alle Schichten zählen, die mindestens zwei Stunden Nachtarbeit umfassen,
wobei Nachtarbeit wiederum in § 7 Abs.5 TVöD-F definiert ist als der Zeitraum zwischen
21 und 6 Uhr. Da der Kläger teilweise in Schichten arbeitet, die nach 23 Uhr enden,
bzw. solchen, die von 22 bis 5.30 Uhr dauern, ist er in Nachtschichten eingesetzt.
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Die Abstände zwischen den einzelnen Nachtschichten bzw. Nachtschichtfolgen dürfen
durchschnittlich höchstens einen Monat betragen (BAG - 05.06.1996 - 10 AZR 610/95 -
AP Nr.10 zu § 33a BAT, der Wechselschicht wortgleich mit § 7 Abs.1 TVöD-F definiert).
Auch diese Voraussetzung liegt vor, da der Kläger mehrmals im Monat zu
Nachtschichten herangezogen wird.
32
Die Beklagte ist hingegen der Auffassung, dass sich die Frage, ob der Kläger
Wechselschicht leistet, über § 23 TVÜ-VKA nach den Begriffsbestimmungen des BMT-
G richtet.
33
Die Frage, wie § 23 TVÜ-VKA auszulegen ist, ist für diesen Sachverhalt erheblich, da
die Schichtfolge des Klägers nach § 67 Nr.44 und 45 BMT-G keine Wechselschicht
darstellt.
34
Dies rührt daher, dass der Tarifvertrag den Begriff Nachtschicht nicht selbst definiert, so
dass er im Sinne seiner allgemeinen rechtlichen Bedeutung als die Schicht zu
verstehen ist, die zu einem wesentlichen Teil während der tarifvertraglich definierten
Nachtzeit abgeleistet wird (BAG - 07.09.1994 - 10 AZR 766/93 - AP Nr.5 zu § 33a BAT,
der die Wechselschicht wortgleich zu § 67 BMT-G definiert). Nachtzeit ist gem. § 67
Ziffer 27 BMT-G die Zeit zwischen 20 und 6 Uhr.
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Danach sind zwar die Schichten des Klägers, die von 22 bis 5.30 Uhr dauern,
Nachtschichten, nicht aber die Schichten, die zwischen 13.45 Uhr und 14.15 Uhr
beginnen und zwischen 23.15 und 23.45 Uhr enden. Da die erstgenannten Schichten in
dem streitgegenständlichen ersten Quartal lediglich zweimal anfielen, fehlt es an der
erforderlichen Regelmäßigkeit der Nachtschichtfolgen.
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§ 23 Abs.2 TVÜ-VKA i.V.m. § 1 Abs.17 des Besonderen Überleitungstarifvertrages für
Beschäftigte der G. in den TVöD-F vom 01.12.2007 sieht vor, dass für "Alt-Beschäftigte",
auf die einer der Tarifverträge zu Schichtlohnzuschlägen Anwendung gefunden hat,
diese Tarifverträge einschließlich der zu ihrer Anwendung maßgebenden
Begriffsbestimmungen der abgelösten Manteltarifverträge weitergelten, bis sie von einer
Entgeltordnung abgelöst werden.
37
Die Beklagte versteht die Regelung dahingehend, dass hiernach für den Kläger als "Alt-
Arbeitnehmer", für den auch die Tarifverträge zu Schichtlohnzulagen galten, derzeit
altes Tarifrecht für die Frage, wer Schicht- bzw. Wechselschichtarbeiter sei, Anwendung
finde.
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Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 23 Abs.2 TVÜ-VKA liegen vor.
39
Die für den zeitlichen Geltungsbereich maßgebliche Entgeltordnung existiert derzeit
noch nicht.
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Der Kläger ist Arbeitnehmer im Sinne des § 1 Abs.1 TVÜ-VKA, da er zu den
Arbeitnehmern gehört, auf deren Arbeitsverhältnisse bis zum 31.12.2007 der BMT-G
angewandt wurde und nunmehr der TVöD-F Anwendung findet.
41
Auf ihn fand auch der Tarifvertrag zu § 24 BMT-G (Schichtlohnzuschlag) vom 01.Juli
1981 Anwendung. § 24 BMT-G regelt die Ansprüche auf Schichtlohnzuschläge für
ständige Wechselschicht- und ständige Schichtarbeiter, wobei gem. § 24 Abs.4 Ua.1
BMT-G die Höhe durch einen besonderen Tarifvertag zu vereinbaren war. Der Kläger
war zwar, wie bereits dargelegt, nicht Wechselschichtarbeiter im Sinne des BMT-G,
wohl aber ständiger Schichtarbeiter im Sinne des § 24 Abs.2 lit. b) BMT-G, da er
Schichtarbeit innerhalb einer Zeitspanne von mehr als 18 Stunden ableistet. Denn
Schichtanfang und Schichtende bewegen sich beim Kläger zwischen 5 und 23.45 Uhr.
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§ 23 Abs.2 TVÜ-VKA ordnet aber, abweichend vom Verständnis der Beklagten, nicht
an, dass nur die "Alt-Arbeitnehmer", die Wechselschichtarbeiter im Sinne des § 24
Abs.1 BMT-G sind, Anspruch auf eine verkürzte Arbeitszeit nach § 6 Abs.1 S.2 TVöD-F
haben. Angeordnet wird allein die Fortgeltung der Tarifverträge, die bislang die Höhe
der Schichtzuschläge regelten. Die Bezugnahme auf die Begriffsbestimmungen des
BAT/BAT-O/ BMT-G und BMT-G-O soll dabei nur klarstellen, dass für die Auslegung der
in diesen Tarifverträgen verwandten Begriffe wie "ständiger Wechselschichtarbeiter"
oder "ständiger Schichtarbeiter" oder auch "Nachtschicht" nicht § 7 TVöD
heranzuziehen ist, sondern die Begriffsbestimmungen, die den Schichtlohn-
Tarifverträgen zugrunde lagen, also die des alten Tarifrechts.
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Die Auslegung des normativen Teils des Tarifvertrages folgt nach ständiger
Rechtsprechung den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist
zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu
erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut
ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den
tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den
tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen
der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend
ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann
können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere
Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische
Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer
Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen
Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten
und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG - 16.06.2004 - 4 AZR 408/03 - AP Nr 24
zu § 4 TVG Effektivklausel ; 29. August 2001 - 4 AZR 337/00 - AP TVG § 1 Auslegung
Nr. 174).
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Schon der Wortlaut der Vorschrift spricht gegen die Auffassung der Beklagten. Darin
heißt es, dass "diese Tarifverträge einschließlich der zu ihrer Anwendung
maßgebenden Begriffsbestimmungen des…BMT-G…weiter" gelten. Es soll also für die
angesprochene Arbeitnehmergruppe nicht § 67 BMT-G weiter gelten, sondern lediglich
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die Tarifverträge, die die Höhe der Schichtlohnzuschläge regelten. Und nur soweit es für
die Anwendung und Auslegung dieser Tarifverträge notwendig ist, ist auf die
Begriffsdefinitionen zurückzugreifen, die den jeweiligen Tarifverträgen zugrunde liegen,
also das zwischenzeitlich abgelöste Tarifrecht. Dies ergibt sich auch aus der Systematik
bzw. dem Regelungszusammenhang der Vorschrift. § 23 TVÜ-VKA ist überschrieben
mit "Erschwerniszuschläge, Schichtzulagen", wobei ersteres in Abs.1 und zweiteres in
Abs.2 der Tarifnorm geregelt ist. Daran zeigt sich, dass besondere Vergütungsformen
Gegenstand der Regelung sein sollten, nicht Fragen zum Umfang der geschuldeten
Arbeitszeit, wie § 6 TVöD sie regelt. Auch der zeitliche Geltungsbereich des § 23 Abs.2
TVÜ-VKA spricht deutlich für die engere Auslegung. Denn dieser ist begrenzt auf das In-
Kraft-Treten der Entgeltordnung, in der insbesondere die für die §§ 12 und 13 TVöD
vorgesehene Eingruppierung geregelt werden soll. Auch dies zeigt, dass § 23 Abs.2
TVÜ-VKA Vergütungsansprüche regelt und nicht allgemein die Frage, was
Wechselschichtarbeit für Alt-Arbeitnehmer ist und was nicht. Allein der Charakter des §
23 TVÜ-VKA als Übergangsregelung macht schon deutlich, dass es erkennbares Ziel
der Tarifvertragsparteien war, eine Lücke zu schließen, die dadurch entstanden ist, dass
der TVöD bereits in Kraft und das bis dahin geltende Tarifrecht außer Kraft getreten ist,
ohne dass eine umfassende Regelung zu Entgeltgrundsätzen erfolgt ist. Zu der Frage,
was Wechselschicht ist und in welchem Umfang ein Wechselschichtarbeiter Arbeit
leisten muss, ist jedoch überhaupt keine Lücke entstanden, so dass es insoweit auch
nicht der Schaffung einer Übergangsregelung bedarf. Zweiter typischer
Regelungszweck einer Überleitungsvorschrift für "Alt-Arbeitnehmer" ist die Wahrung
von Besitzständen. So sind die im Tarifvertrag zu § 24 Abs.4 BMT-G
(Schichtlohnzuschlag) vom 01.07.1991 i.d.F. des Tarifvertrages vom 22.03.1991
vorgesehenen Zuschläge für Wechselschicht- und Schichtarbeiter höher als die, die § 8
Abs.5 und 6 TVöD-F vorsieht. Um insoweit die Arbeitnehmer vor Einkommenseinbußen
zu bewahren, wird der genannte Tarifvertrag weiter angewandt, bis im Rahmen einer
Entgeltordnung auch dieser Aspekt einheitlich mitgeregelt werden kann. Dies
korrespondiert auch mit S.2 des § 23 Abs.2 TVÜ-VKA, wonach für alle übrigen
Beschäftigten im Geltungsbereich des TVÜ, also die Alt-Arbeitnehmer, auf die der
Tarifvertrag Schichtlohnzuschlag keine Anwendung fand, § 8 Abs.5 und 6 i.V.m. § 7
Abs.1 und 2 TVöD gilt. Eine Regelung dazu, ob diese denn auch
Wechselschichtarbeiter im Sinne des § 6 TVöD sind, fehlt, eben weil dies nicht
Regelungsgegenstand des §23 TVÜ-VKA ist.
Die Beklagte hält diese Auslegung im Ergebnis für widersprüchlich, da sich die Frage,
ob der Kläger nun Wechselschichtarbeit leistet oder nicht, je nach verfolgtem Anspruch
unterschiedlich beantworte.
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Diesen Widerspruch sieht die Kammer nicht. Im Gegenteil, indem die
Tarifvertragsparteien klarstellten, dass die bis zur Überleitung geltenden Tarifverträge zu
den Schichtlohnzulagen im Lichte der zeitgleich geltenden Begriffsbestimmungen
auszulegen sind, vermieden sie widersprüchliche Ergebnisse. Denn mit dieser
Klarstellung wurde sichergestellt, dass einem Tarifvertrag nicht Begriffsbestimmungen
zugrunde gelegt werden, die die Tarifvertragsparteien bei der Vereinbarung des
Tarifvertrages nicht vor Augen haben konnten, weil diese zum damaligen Zeitpunkt
noch gar nicht existierten. Wollte man etwa auf den Tarifvertrag Schichtlohnzuschlag die
Begriffsbestimmungen des § 7 TVöD-F anwenden, würde dies dazu führen, dass
Mitarbeiter wie der Kläger, der nie einen Anspruch auf Zahlung einer
Wechselschichtzulage nach diesem Tarifvertrag hatte, plötzlich in den Genuss einer
solchen käme, was wiederum über den Regelungszweck des § 23 Abs.2 TVÜ-VKA,
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Besitzstände zu wahren, hinausschießen würde. Die widersprüchlichen Ergebnisse
sieht die Kammer eher bei einem Blick auf die Rechtsfolgen, zu denen die Auffassung
der Beklagten führen würde. So wäre es für nach dem 01.01.2008 eingestellte Kollegen
des Klägers mit entsprechenden Arbeitszeiten überhaupt keine Frage, dass deren
Pausen in die Arbeitszeit nach § 6 TVöD-F einzubeziehen wären und sie Anspruch auf
eine Wechselschichtzulage nach § 8 Abs.5 TVöD-F hätten. Warum der Kläger als
langjährig Beschäftigter zwar weiter eine Schichtlohnzulage nach altem Recht erhält,
aber länger arbeiten soll als der neu eingestellte Kollege, lässt sich nicht begründen.
Ebenso wenig erschließt sich, warum ein "Alt-Arbeitnehmer", der nicht unter den
Anwendungsbereich des Tarifvertrages Schichtlohnzuschlag fiel und nun nach den
neuen Begriffsbestimmungen Wechselschichtarbeit leistet, weniger arbeiten muss als
der, der immerhin schon nach altem Tarifrecht Anspruch auf eine Schichtlohnzulage
hatte. Diese Fälle sind durchaus denkbar, etwa dann, wenn die Schichtarbeit eines
Mitarbeiters nicht die Begriffsbestimmungen in § 24 Abs. 1 und 2 BMT-G erfüllte oder
weil er zu einer Gruppe von Mitarbeitern gehört, die ausdrücklich vom
Anwendungsbereich dieses Tarifvertrages ausgenommen waren, etwa gem. § 24 Abs.4
Ua.2 BMT-G oder aufgrund bezirklicher Vereinbarungen (vgl. Bsp. in
Clemens/Scheuring, Erl 3 zu § 2 TV Schichtlohnzuschlag).
Als abschließendes Argument sei noch auf die Niederschriftserklärung zu § 23 Abs.2
TVÜ-VKA hingewiesen. Darin heißt es: Die Weitergeltung der genannten Tarifverträge
lässt den Anspruch auf Zusatzurlaub nach § 27 TVöD unberührt. Anstelle der Zulagen
nach §§ 8 Abs.5 Satz 1 und Abs.6 Satz 1 TVöD treten die nach den weiter
anzuwendenden Tarifverträgen zustehenden Zulagen und Zuschläge.
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Also zumindest für die Frage des Zusatzurlaubes, der gem. § 27 Abs.1 TVöD-F
Mitarbeitern in Wechselschicht zusteht, haben die Tarifvertragsparteien das hier
streitgegenständliche Auslegungsproblem gesehen und klargestellt, dass § 23 Abs.2
TVÜ-VKA nicht anderweitige Ansprüche, die Wechselschichtarbeit voraussetzen,
einschränken soll. Erklärt wird auch, wie dies zu handhaben ist: Zulage nach altem
Tarifrecht, Urlaub nach neuem Tarifrecht. Entsprechend ist dies für § 6 TVöD-F mit Blick
auf die Arbeitszeiten zu beantworten.
49
Der Zahlungsanspruch des Klägers ist auch nicht gem. § 37 TVöD-F verfallen, wonach
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen eines halben Jahres ab Fälligkeit geltend
zu machen sind.
50
Mit dem Schreiben vom 28.04.2008 sind selbst die ältesten Ansprüche aus Januar 2008
rechtzeitig geltend gemacht worden.
51
Der Höhe nach begründet ist der Anspruch in einem Umfang von 329,39 € brutto.
52
Der Kläger hat an 51 Arbeitstagen in den Monaten Januar bis März 2008 jeweils eine
halbe Stunde länger gearbeitet, als dies vertraglich bzw. tarifvertraglich vereinbart war.
53
Diese Arbeit ist nach § 6 Abs.7 i.V.m. der Protokollerklärung zu § 8 Abs.1 S.1 TVöD auf
der Basis des Entgelts für die tatsächliche Arbeitsleistung nach der jeweiligen
Entgeltgruppe und der individuellen Stufe, höchstens jedoch nach Stufe 4 zu vergüten.
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Das Entgelt der Entgeltgruppe 6 Stufe 4 beläuft sich auf 2.155,- € brutto.
55
Die tarifvertragliche Wochenarbeitszeit liegt nach dem unwidersprochenen Vortrag des
Klägers bei 38,5 Wochenstunden.
56
Dies führt zu einem zugrunde zu legenden Stundenlohn des Klägers von 12,92 € brutto.
Wird dieser Betrag wiederum mit 51/2 multipliziert, führt dies zur zugesprochenen
Gesamtsumme von 329,39 € brutto.
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Die Nebenforderung ist gem. §§ 288, 286 BGB begründet.
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Soweit der Kläger eine höhere Forderung geltend macht, ist diese unbegründet.
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Ein Anspruch auf höhere Vergütung für 13 Krankheitstage besteht nicht. Zumindest ist
dieser nicht schlüssig dargelegt.
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Nach § 21 TVöD-F richtet sich die Höhe der Entgeltfortzahlung nach dem Schnitt der
vorangegangenen drei Monate. Da es an Vortrag fehlt, wann der Kläger krank war, lässt
sich dieser Schnitt nicht ermitteln. Insbesondere lässt sich nicht nachvollziehen, ob
tatsächlich in den vorangegangenen drei Monaten die Pausen bereits in die Arbeitszeit
mit einzubeziehen waren mit der Konsequenz des Entstehens zusätzlicher
Vergütungsansprüche. Lag die Krankheit beispielsweise im Januar 2008, wäre für
diesen Zeitraum nichts nachzuzahlen.
61
Ebenfalls unschlüssig ist die Zugrundelegung eines durchschnittlichen monatlichen
Gesamtbruttos inklusive Umlage, Aufschlägen etc. Dies lässt sich weder mit dem
arbeitsvertraglich bestehenden Anspruch auf Zahlung eines zusätzlichen Entgelts für
tatsächliche Arbeitsleistung noch mit dem Tarifvertrag in Einklang bringen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs.2 ArbGG i.V.m. § 92 ZPO.
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Die Streitwertentscheidung erging gem. §§ 61 Abs.1, 46 Abs.2 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO
und gleichzeitig gem. § 63 Abs.2 GKG.
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Die Berufung der Beklagten war gem. § 64 Abs.3 Nr.2 lit b ArbGG zuzulassen.
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Für den Kläger, der lediglich aufgrund der fehlerhaften Berechnung seines Anspruchs
teilweise unterlag, besteht ein solcher Zulassungsgrund nicht.
66
Rechtsmittelbelehrung
67
Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
68
B e r u f u n g
69
eingelegt werden.
70
Die Berufung muss
71
innerhalb einer N o t f r i s t * von einem Monat
72
beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
0211 7770 2199 eingegangen sein.
73
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
74
Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
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1. Rechtsanwälte,
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2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in
Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich
die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder
eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung
entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der
Bevollmächtigten haftet.
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Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
80
gez. T.
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