Urteil des ArbG Düsseldorf vom 17.03.2008

ArbG Düsseldorf: umwandlung der gesellschaft, geschäftsführer, arbeitsgericht, abberufung, anstellungsverhältnis, vertretung, rechtfertigung, fax, arbeitsrecht, kündigung

Arbeitsgericht Düsseldorf, 6 Ca 6528/07
Datum:
17.03.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 Ca 6528/07
Schlagworte:
...
Normen:
...
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Für Klagen von Organvertretern im Sinne des § 5 Abs. 3 ArbGG ist der
Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet.
2. Dies gilt auch dann, wenn Kündigungsschutzklage mit der
Behautpung erhoben wird, dass tatsächlich ein Arbeitsverhältnis
begründet wurde. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu
den sog."sic-non"- Fällen findet insoweit keine Anwendung.
Tenor:
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für Arbeitssachen ist nicht
eröffnet. Der Rechtsstreit wird an das zuständige Landgericht Düsseldorf
verwiesen.
Tatbestand:
1
I.
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier fristgerechter Kündigungen.
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Der Kläger ist seit dem 01. August 2006 bei der Beklagten beschäftigt. Grundlage des
Vertragsverhältnisses ist der Geschäftsführervertrag vom 06. Februar 2006 (Ablichtung
Bl. 9-16 d. A.).
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Unter Ziffer 1 des Geschäftsführervertrages ist Folgendes geregelt:
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" 1. Position
6
Mit Wirkung zum 1. August 2006 wird Herr G. Geschäftsführer der Gesellschaft.
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Herr G. ist "Executive Director Image & Marketing". In dieser Funktion berichtet er direkt
an den President Esprit Brand.
8
.....
9
.....
9
Seine Aufgabe ist die Führung der Geschäfte der Gesellschaft ....
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Der Geschäftsführer hat die jeweils durch die Gesellschafter ergehenden Richtlinien
und Weisungen sowie die gesetzlichen Bestimmungen und die Bestimmungen der
Satzung der Gesellschaft zu beachten.
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.....
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Im Falle einer Umwandlung der Gesellschaft und einem damit verbundenen Erlöschen
der Gesellschaft ist der Geschäftsführer bereit, in der aufnehmenden Gesellschaft eine
Organstellung oder eine angemessene, vergleichbare Position anzunehmen."
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Ziffer 10. Laufzeit
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Dieser Dienstvertrag beginnt am 1. August 2006 und wird auf unbestimmte Zeit
abgeschlossen. Er kann mit einer Frist von 6 Monaten zum Monatsende gekündigt
werden, frühestens jedoch mit Wirkung zum 31. Juli 2008.
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Im Falle der Abberufung ist die Gesellschaft berechtigt, den Geschäftsführer für die
Restlaufzeit des Vertrages von seinen Dienstpflichten und unter Fortzahlung eines
Gehaltes zu entbinden."
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Dem Kläger waren während seiner Tätigkeit für die Beklagte in mehr als 40 Ländern ca.
40 Mitarbeiter unterstellt. Er wurde nie zum Geschäftsführer berufen. Unter dem
29.03.2007 stellte die Beklagte den Kläger von seinen Dienstpflichten frei. Das
durchschnittliche monatliche Fixgehalt des Klägers beläuft sich auf 25.000,00 €.
Daneben hat der Kläger Anspruch auf einen Bonus, der im ersten Jahr in Höhe von
120.000,00 € garantiert war.
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Mit Schreiben vom 10.04.2007 (Ablichtung Bl. 25 d. A.) kündigte die Beklagte das
zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Mit weiterem Schreiben vom 24.09.2007 kündigte die Beklagte erneut das bestehende
Dienstverhältnis (Ablichtung Bl. 76 d. A.).
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Mit seiner am 02.05.2007 beim Arbeitsgericht anhängig gemachten Klage wendet sich
der Kläger gegen die soziale Rechtfertigung der ausgesprochenen Kündigungen. Das
Gericht wies mit Schreiben vom 04.05.2007 auf die Bedenken an der Eröffnung des
Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten hin. Die Beklagte rügte den gewählten Rechtsweg
mit Schriftsatz vom 15.03.2007 (Bl. 31 + 32 d. A.).
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Der Kläger ist der Ansicht, der abgeschlossene Geschäftsführervertrag sei nicht auf die
Bestellung zum Organvertreter gerichtet gewesen. Wäre er eindeutig so ausgerichtet
gewesen, hätte man ihn zum Organ berufen. Es ergäbe sich aber aus dem Vertrag
keinerlei Verpflichtung dies zu tun. Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3
Arbeitsgerichtsgesetz greife indes nicht, wenn keine ordnungsgemäße Berufung durch
die Gesellschafterin als Organisationsakt vorausginge. Im Übrigen sei er aufgrund der
Weisungsrechte der Beklagten eindeutig Arbeitnehmer. Der Vertrag sehe einige
Kompetenzeinschränkungen vor sowie Zustimmungserfordernisse. Er selbst habe nie
als Geschäftsführer agiert.
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Der Kläger beantragt,
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die
Kündigung der Beklagten vom 10.04.2007 zum 31.08.2008 aufgelöst wird, sondern über
diesen Zeitpunkt hinaus ungekündigt fortbesteht
22
sowie:
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festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die
Kündigung der Beklagten vom 24.09.2007 aufgelöst wurde, sondern ungekündigt
fortbesteht.
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Die Beklagte ist der Auffassung, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei nicht
gegeben. Sie trägt vor, dass die Bestellung zum Geschäftsführer lediglich wegen der
vordringlichen Tagesgeschäfte unterblieben sei.
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II.
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Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht eröffnet. Der Kläger gilt
nicht als Arbeitnehmer im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetz.
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1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3a, b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich
zuständig für "bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und
Arbeitgebern" aus dem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen oder Nichtbestehen
eines Arbeitsverhältnisses. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten als Arbeitnehmer nicht
die Personen, die in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit
kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrages allein, oder als Mitglieder des
Vertretungsorgans zu Vertretung der juristischen Person oder Personengesamtheit
berufen sind (BAG, Beschluss vom 18.12.1996 - 5 AZB 25/96; BAG, Beschluss vom
25.06.1997 - 5 AZB 41/96).
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Hinsichtlich der rechtlichen Stellung der Mitglieder der Vertretungsorgane juristischer
Personen ist zwischen dem Organisationsakt, nämlich der Bestellung und Abberufung
dieser Organe und dem der Bestellung zugrunde liegenden Vertrag zu unterscheiden.
Die Bestellung zum Organ und die Beendigung der Organbestellung haben für sich
allein keinen Einfluss auf den Bestand des zugrunde gelegten Vertrages.
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Für die Frage, ob der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen, oder zu den
allgemeinen Zivilgerichten eröffnet ist, wenn über den Bestand des
Anstellungsverhältnisses oder über Rechte hieraus gestritten wird, ist danach zu
unterscheiden, ob das Anstellungsverhältnis mit der juristischen Person besteht, zu
deren Organvertreter der Dienstnehmer bestellt werden sollte oder wurde, oder ob das
Anstellungsverhältnis mit einem Dritten begründet wurde.
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Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssache ist grundsätzlich nicht eröffnet, wenn
das Vertragsverhältnis zwischen dem, der zum Organ (Mitglied) bestellt werden sollte
und der juristischen Person geschlossen worden ist, für die er als deren Vertretung
bestellt werden sollte (BAG, Beschluss vom 25.06.1997 - 5 AZB 41/96). Dabei ist es
unerheblich, ob es zur vertraglich vorgesehenen Bestellung zum Organvertreter
gekommen ist oder nicht (BAG, Beschluss vom 25.06.1997 - 5 AZB 41/96). In einem auf
die Bestellung zum Organvertreter gerichteten Vertrag ist der Dienstnehmer nicht etwa
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bis zur Bestellung Arbeitnehmer und erst danach Nichtarbeitnehmer im Sinne von § 5
Abs. 1 Satz 3 ArbGG.
2. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze war der Rechtsstreit an das zuständige
Landgericht zu verweisen.
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Trotzdem der Kläger sich mit seiner Kündigungsschutzklage gegen die soziale
Rechtfertigung der ausgesprochenen Kündigungen wendet und behauptet, dass mit der
Beklagten tatsächlich ein Arbeitsverhältnis begründet wurde, ist der Rechtsweg zu den
Arbeitsgerichten nicht eröffnet. Es handelt sich nicht etwa um einen "Sic-Non-Fall" im
Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Denn der Kläger gilt nach § 5
Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer. Dass möglicherweise das Landgericht bei
der Beurteilung des Falls Arbeitsrecht zugrunde legen muss, ändert nichts daran, dass
der Kläger als Organvertreter zu qualifizieren ist und damit gem. § 5 Abs. 1 Satz 3
ArbGG nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes gilt. Aus dem
Geschäftsführervertrag, der dem Vertragsverhältnis zugrunde liegt, ergibt sich eindeutig,
dass der Kläger als Geschäftsführer für die Beklagte tätig werden sollte. Dies ist
ausdrücklich so benannt. Eine Verpflichtung zur gesellschaftsrechtlichen Bestellung
braucht sich aus diesem Vertrag nicht als positiv formulierter Anspruch zu ergeben, da
er dem Geschäftsführervertrag immanent ist. Zurecht weist die Beklagte darauf hin, dass
die Beschreibung der Aufgaben des Klägers als "Führung der Geschäfte der
Gesellschaft" sowie die Freistellungsmöglichkeit im Falle der "Abberufung" durch die
Gesellschaft ansonsten sinnentleert wäre. Der Abberufung geht notwendigerweise die
Bestellung als Geschäftsführer voraus. Dass der Kläger möglicherweise während seiner
Tätigkeit Weisungen entgegennehmen muss oder aber auch der Zustimmung der
Gesellschafter für alle Handlungen außerhalb des normalen Geschäftsablaufs bedarf,
sieht bereits § 37 GmbH Gesetz vor und ist nichts, was einer Organstellung
entgegenstehen würde.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen diesen Beschluss kann von der klagenden Partei
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sofortige Beschwerde
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eingelegt werden.
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Für die beklagte Partei ist gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel gegeben.
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Die sofortige Beschwerde muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von zwei Wochen
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e n t w e d e r beim Arbeitsgericht Düsseldorf
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Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax: (0211) 7770 - 2299
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o d e r beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf
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Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax: (0211) 7770 - 2199
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eingelegt werden.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf
Monaten nach Verkündung des Beschlusses. § 9 Abs. 5 ArbGG bleibt unberührt.
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Die Beschwerde kann schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des
Arbeitsgerichts Düsseldorf erklärt werden und auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel
gestützt werden.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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