Urteil des ArbG Düsseldorf vom 29.05.2008

ArbG Düsseldorf: klinik, oberarzt, psychotherapie, medizin, juristische person, psychotherapeutische behandlung, ambulanz, stationäre behandlung, spezialisierung, abgrenzung

Arbeitsgericht Düsseldorf, 6 Ca 6736/07
Datum:
29.05.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 Ca 6736/07
Schlagworte:
...
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Auslegung des § 16 c TV-Ärzte-VKA; Eingruppierung als Oberarzt
2. Ein Teilbereich im Sinne des § 16 c TV-Ärzte-VKA muss nicht
notwendigerweise die Voraussetzungen eines Funktionsbereichs
erfüllen. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass der Teilbereich ein
wissenschaftlich anerkanntes Spezialgebiet darstellt.
3. Selbständig ist ein Teilbereich, wenn er organisatorisch abgegrenzt
ist. Dies erfordert eine personelle und räumliche Eigenständigkeit.
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die klagende Partei trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert beträgt 27.843,48 €.
4. Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten über die Eingruppierung der Klägerin.
2
Die 49 Jahre alte, verheiratete Klägerin ist Fachärztin für Psychosomatische Medizin
und Psychotherapie-Psychoanalyse. Sie ist seit dem 01.07.2002 in der Klinik für
Psychotherapeutische Medizin der S., deren Träger der Beklagte ist, als Oberärztin und
Leiterin der Psychosomatischen lnstitutsambulanz tätig.
3
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag der Ärztinnen und Ärzte an
kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen
Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) Anwendung. Nach § 16 TV-Ärzte/VKA in der
Fassung vom 17.11.2006 werden Ärzte wie folgt eingruppiert:
4
a)Entgeltgruppe I
5
Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit
6
b)Engeltgruppe II
7
Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit
8
Protokollnotiz:
9
Fachärztin/Facharzt ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, die/der auf Grund
abgeschlossener Facharztweiterbildung in ihrem/seinem Fachgebiet tätig ist.
10
c)Entgeltgruppe III:
11
Oberärztin/Oberarzt
12
Protokollerklärung zu Buchstabe c)
13
Oberärztin/Oberarzt ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, der/dem die medizinische
Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung
vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.
14
d)Entgeltgruppe IV:
15
Leitende Oberärztin/leitender Oberarzt [...]
16
Die Klägerin ist in die Entgeltgruppe II mit einem Grundentgelt von 4.800,00 €
eingruppiert.
17
Gegen diese Eingruppierung erhob die Klägerin bereits im März 2007 "Widerspruch"
und forderte eine Eingruppierung als Oberärztin in die Entgeltgruppe III nach dem TV-
Ärzte/VKA. Dies lehnte der Beklagte ab.
18
In einer Broschüre der lnstitutsambulanz Psychosomatik ist die Klägerin als Oberärztin
und Leiterin der Einrichtung ausgewiesen. Gleiches ergibt sich aus dem Internetauftritt
des Beklagten.
19
Mit bei Gericht am 16.10.2007 eingegangener, der Beklagten am 24.10.2007
zugestellter Klage hat die Klägerin Feststellungsklage zur Eingruppierung in die
Vergütungsgruppe III sowie Zahlungsklage erhoben.
20
Die Klägerin behauptet, sie könne die Eingruppierung in die Entgeltgruppe III nach § 16
c des TV-Ärzte (VKA) verlangen.
21
Bereits 2002 habe der Beklagte ihr die Leitung der Psychosomatischen
lnstitutsambulanz ausdrücklich übertragen. Dies ergebe sich aus einem Schreiben vom
16.12.2002 zur Fallgruppenänderung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage zum
Schriftsatz vom 20.12.2007 (Bl. 44 d. A.) Bezug genommen. Darüber hinaus leite sie seit
Oktober 2005 oberärztlich eine der Stationen der Klinik. Außerdem nehme sie seit Juli
2002 am oberärztlichen Hintergrunddienst der Universitätsklinik für
Psychotherapeutische Medizin des Beklagten teil.
22
Die Aufgaben der oberärztlichen Leitung der lnstitutsambulanz, die von ihr
wahrgenommen würden, beinhalteten die Teamsupervision sowie die Einzelsupervision
der Mitarbeiter bezüglich Indikationsstellung, Diagnostik, Beratung und Behandlung der
dortigen Patienten. Sie sei maßgeblich am Aufbau und der stetigen Weiterentwicklung
der Ambulanz beteiligt.
23
Das gesamte Ambulanzteam, das aus zwischenzeitlich 15 Personen verschiedener
Arbeitsbereiche bestehe, werde von ihr geführt, darüber hinaus vertrete sie auch die
lnstitutsambulanz nach innen und nach außen.
24
Des Weiterem beteilige sie sich am Ausbau besonderer Bereiche der Ambulanz, wie
etwa der Traumaambulanz, der Ambulanz für Transkulturelle Psychotherapie und
Psychosomatik, Psychosoziale Betreuung für Onkologische Patienten, Diagnostik und
Behandlung für ADHS-Patienten, spezielle Angebote für Persönlichkeitsstörungen,
Essstörungen und dergleichen.
25
Außerdem unterstütze sie den Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin und
Psychotherapie, den Zeugen Prof. Dr. Dr. U. in dessen Privatambulanz und sei
zuständig für die Behandlung von Patienten mit Rezeptierung nach dem BTMG, etwa
bei erwachsenen ADHS-Patienten.
26
Überdies habe sie im stationären Bereich seit Oktober 2005 die oberärztliche Leitung
der Station 19A der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des
Beklagten inne. Sie führe hierbei die Teamleitung mit Therapieplanung, Koordination
der Multimodalen therapeutischen Elemente durch und erteile medizinische und
psychotherapeutische Anweisungen.
27
Außerdem übernehme sie die Betreuung und Supervision der ärztlichen,
psychologischen, aber auch der kreativtherapeutischen Mitarbeiter. Im stationären
Bereich sei sie an der konzeptionellen Entwicklung beteiligt. Zuletzt habe sie
insbesondere die Leitlinien-orientierte Behandlung von Essstörungen im stationären
Bereich entwickelt.
28
Sie führe regelmäßig oberärztliche Visiten im wöchentlichen Rhythmus und in
Vertretung des Chefarztes auch die Einzelpsychotherapie bei stationären Patienten mit
Wahlleistung durch. Sie vertrete den Oberarzt, der die Station 19 B leite.
29
Unabhängig davon sei sie Dozentin der Akademie für Psychoanalyse und
Psychosomatik Düsseldorf und an der wissenschaftlichen Forschung der Klinik beteiligt.
30
Ihre medizinische Verantwortung beziehe sich auf einen selbständigen Teil- bzw.
Funktionsbereich, nämlich die Leitung der lnstitutsambulanz zum Einen und die Leitung
der Station 19 A zum Anderen. Dies setze weder die medizinische noch die
organisatorische Letztverantwortung oder gar völlige Weisungsfreiheit voraus.
31
Die ihr übertragene oberärztliche Leitung der Stationen beinhalte jedenfalls die
medizinische Verantwortung für selbständige Teilbereiche. Beide von ihr geleiteten
Stationen seien spezielle Schwerpunktstationen. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Ausführungen im Schriftsatz vom 20.12.2007 auf S. 3 - 7 (Bl. 37 - 41 d. A.) Bezug
genommen.
32
Dies gelte jedenfalls deshalb, da sie entsprechende Vorgesetztenfunktionen ausübe.
33
Die Selbständigkeit müsse sich am ärztlichen Aufgabengebiet festmachen und nicht
zwangsläufig an Gebäudeteilen oder Räumlichkeiten.
34
Die Institutsambulanz arbeite vollkommen eigenständig. Sie bilde eine eigene
Kostenstelle im Bereich des Klinikgefüges und verfüge über eigene und ausschließliche
Mitarbeiter. Die Mitarbeiterzahl schwanke zwischen 12 und 15 Personen. Weiter verfüge
es über ein eigenes Sekretariat.
35
Im Bereich der Station stelle eine intensive, mulitmethodale psychosomatisch
psychotherapeutische Behandlung an sich schon eine Spezialisierung dar. Es erfolgten
eigene Oberarztvisiten. Es liege eine eigene Behandlungsplanung vor. Die Station
verfüge über eigene Mitarbeiter. Auch hier sei eine eigene Kostenstelle gebildet.
36
Die Leitungsebene der Klinik sei zudem ein selbständiger Teilbereich, die durch die
"ärztliche Trias", nämlich dem Klinikleiter, dem Oberarzt und ihre Person gebildet würde.
37
Die Bereiche der Supervision und der Betreuung seien ihr nahezu vollständig
übertragen. Auch ihre Verantwortung für den Bereich der konzeptionellen Entwicklung,
der Stationsorganisation und der lndikationsstellung lasse nur auf eine erhebliche
medizinische Verantwortung in diesem selbständigen Funktionsbereich schließen, die
die medizinische Verantwortung etwa eines Assistenz- oder Facharztes deutlich
übersteige.
38
Ihre besondere medizinische Kompetenz ergebe sich auch aus ihrer intensiven
Beteiligung am Ausbau spezieller Bereiche (Traumaambulanz usw.). Diese
selbständigen Tätigkeiten bezögen sich außerdem auch auf einen Funktionsbereich im
Sinne eines wissenschaftlich anerkannten Spezialgebietes innerhalb eines ärztlichen
Fachgebietes.
39
Diese Tätigkeiten seien ihr im Übrigen auch durch den Beklagten bzw. die Klinik in
Gestalt des Chefarztes, des Zeugen Prof. Dr. Dr. U., übertragen worden. Dass hier keine
ausdrückliche schriftliche Übertragung vorliege, stehe dem nicht entgegen. Ungeachtet
dessen sei sie ja auch in der Außendarstellung ausdrücklich als Leiterin der
Psychosomatischen lnstitutsambulanz ausgewiesen, so dass sich der Beklagte nicht
darauf berufen könne, es läge keine Übertragung der Leitungstätigkeiten durch das
Krankenhaus vor.
40
Darüber hinaus nehme ihre oberärztliche Tätigkeit mindestens die Hälfte ihrer
Arbeitszeit in Anspruch.
41
Die Klägerin beantragt,
42
1. den Beklagten zu verurteilen, sie rückwirkend ab dem 01.03.2007 in die Entgeltstufe
III des TV-Ärzte/VKA einzugruppieren.
43
2. den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.414,01 € brutto nebst Zinsen aus jeweils
773,43 € brutto seit dem 03.04.2007, 03.05.2007, 03.06.2007, 03.07.2007, 03.08.2007,
03.09.2007 und 03.10.2007 in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz zu zahlen.
44
Der Beklagte beantragt,
45
die Klage abzuweisen.
46
Der Beklagte behauptet, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrte
Eingruppierung in die Entgeltgruppe III gemäß § 16 c) TV-Ärzte/VKA.
47
Die Tätigkeitsmerkmale, die die Höhergruppierung eines Oberarztes i. S. d. § 16 c TV
Ärzte/VKA rechtfertigen würden, seien im vorliegenden Fall nicht gegeben.
48
Nach der Niederschriftserklärung zu § 6 Abs. 2 TVÜ-Ärzte/VKA seien sich die
Tarifvertragsparteien einig gewesen, dass Ärzte, die am 31.07.2006 die Bezeichnung
Oberarzt führten, ohne die Voraussetzungen für die Eingruppierung als Oberarzt nach §
16 c TV Ärzte/VKA zu erfüllen, ihre bisherige Bezeichnung nicht verlieren, eine
Eingruppierung in die Entgeltgruppe II damit allerdings nicht verbunden sei.
49
Weder bei der lnstitutsambulanz noch bei der Station 19 A, in denen die Klägerin tätig
sei, handele es sich um selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche der Abteilung.
50
Selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche im Sinne des § 16 c TV-Ärzte/VKA setzten
sowohl eine organisatorisch abgrenzbare Eigenständigkeit dieses Bereiches, als auch
eine medizinische Spezialisierung innerhalb der Klinik bzw. Abteilung voraus.
51
Die Tarifvertragsparteien hätten den Begriff des "Funktionsbereichs" aus dem BAT in
den TV-Ärzte/VKA übernehmen wollen. Da jedoch auf die frühere Protokollnotiz
verzichtet worden sei, die deutlich gemacht habe, dass es sich um Spezialgebiete
innerhalb eines ärztlichen Fachgebietes, also um Teilgebiete, handeln muss, sei im
neuen Tarifvertrag die Formulierung "Teil- oder Funktionsbereiche" gewählt worden. Mit
der Formulierung "Teil- oder Funktionsbereiche" habe der Anwendungsbereich nicht
ausgeweitet werden sollen. Als Orientierungshilfe für die Auslegung, welche
medizinischen Spezialgebiete als Teil- oder Funktionsbereiche im Sinne des § 16 c TV-
Ärzte/VKA in Betracht kommen, könne auf die Weiterbildungsordnung der
Bundesärztekammer in der Fassung vom April 2007 zurückgegriffen werden.
52
Die organisatorische Abgrenzung der Teil- oder Funktionsbereiche sei nur dann
gegeben, wenn eine personelle und räumliche Eigenständigkeit vorliege. Dabei müsse
die Verselbstständigung dieses Teil- oder Funktionsbereiches auch tatsächlich
vollzogen und dürfe nicht nur in der Außendarstellung des Krankenhauses in
Broschüren oder dem Internetzugriff verankert sein.
53
Bei der Institutsambulanz und der Station 19 A fehle es sowohl an der medizinischen
Spezialisierung innerhalb der Klinik bzw. Abteilung als auch an der erforderlichen
Selbstständigkeit. Die Unterschiede zwischen einer ambulanten Behandlung und der
auf den beiden Stationen seien überwiegend im Schweregrad der Erkrankung
begründet und beruhten nicht auf einer medizinischen Spezialisierung.
54
Die Abteilung für Psychosomatik und Psychotherapie, unter der ärztlichen Leitung des
Chefarztes, Herrn Prof. Dr. Dr. U., zu der die Institutsambulanz und die Station 19 A
gehörten, sei eine eigenständige Abteilung der Klinik. Sie verfüge neben den beiden
genannten Bereichen über eine weitere Station und eine Tagesklinik sowie die
Privatambulanz des Chefarztes. In der Abteilung sei außerdem noch der Leitende
55
Oberarzt, Herr Prof. Dr. L. tätig, der den Chefarzt bei Abwesenheit vertrete. In der
gesamten Abteilung würden psychische Erkrankungen behandelt. Dazu gehörten z. B.
psychosomatische Erkrankungen, Essstörungen, Depressionen,
Persönlichkeitsstörungen u.a.. Der Unterschied zwischen Ambulanz und den übrigen
Bereichen der Abteilung bestehe lediglich darin, dass die psychischen Störungen, die
auf den Stationen behandelt würden, eine stationäre Behandlung erforderten, während
die in der Ambulanz behandelten Störungen einer ambulanten Behandlung zugänglich
seien. Eine medizinische Spezialisierung innerhalb der Abteilung habe damit weder in
der Institutsambulanz noch auf der Station 19 A stattgefunden.
Darüber hinaus sei auch nicht von einer Selbständigkeit der Institutsambulanz
auszugehen. Es bestehe keine räumliche Trennung zwischen der Privatambulanz des
Chefarztes und der Institutsambulanz. Das dort eingesetzte Personal sei sowohl für die
Privatambulanz als auch für die Institutsambulanz zuständig. Der Leitende Oberarzt
regele sämtliche Personalfragen mit der Ambulanz der Verwaltung.
56
Auch auf der Station 19 A bestehe keine personelle Abgrenzung. So sei z. B. das
Pflegeteam sowohl für die Station 19 A als auch für die andere Station der Abteilung
zuständig. Beide Stationen teilten sich die Arbeitskraft eines Kreativtherapeuten, einer
Bewegungstherapeutin, die außerdem noch in der Tagesklinik eingesetzt sei, sowie
teilweise des ärztlichen Schreibdienstes.
57
Die Station verfüge über keinen festgelegten Personalschlüssel. Es existiere lediglich
ein Abteilungsbudget, dass der Abteilungsarzt verwalte. Dieser entscheide über die
Zuordnung des Personals nach Anzahl und Personen.
58
Es fehle auch an der ausdrücklichen Übertragung der medizinischen Verantwortung
durch den Arbeitgeber. Bei der Definition der medizinischen Verantwortung gehe es
dabei nicht nur um die Abgrenzung zur Organisationsverantwortung oder anderen
Verantwortungen, die keinen Bezug zur Patientenbehandlung hätten. Diese
Abgrenzung übernehme bereits der Ausdruck "medizinisch". Für die Erfüllung der
Voraussetzung "Verantwortung" reiche allein die Übertragung von
Weisungsbefugnissen gegenüber nachgeordneten Ärzten und dem Pflegepersonal
nicht aus. Es müsse vielmehr die Verantwortung für die gesamte Patientenbehandlung
ausdrücklich übertragen worden sein.
59
Die Verantwortung für die gesamte Patientenbehandlung sei der Klägerin ausdrücklich
weder für die Institutsambulanz noch für die Station 19 A übertragen worden. So sei die
Klägerin z.B. nicht befugt, Arztbriefe allein zu unterschreiben. Die verantwortliche
Unterzeichnung erfolge durch den Chefarzt oder den Leitenden Oberarzt. Bei
Neueinstellungen für die Ambulanz oder die Station würden Vorstellungsgespräche
regelmäßig bei zusätzlicher Anwesenheit des Chefarztes oder des Leitenden
Oberarztes geführt. Gespräche zur Personalausstattung oder zu Leistungen der
Ambulanz führe der Leitende Oberarzt. Darüber hinaus sei die Klägerin nicht
Vorgesetzte des Pflege- und Sozialdienstes auf der Station 19 A.
60
Aus der Tatsache, dass die Klägerin in der Broschüre der lnstitutsambulanz und im
Internetauftritt des Beklagten als Oberärztin benannt worden sei, könne sie keinen
Anspruch auf Eingruppierung als Oberärztin nach § 16 c TV-Ä herleiten.
61
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Parteien gewechselten
62
Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Ergebnis der Beweisaufnahme Bezug
genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
63
I.
64
Die Klage ist nicht begründet.
65
Der geltend gemachte Anspruch steht der Klägerin aus keinem rechtlichen Grund zu.
66
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Eingruppierung in die Vergütungsgruppe III und
dementsprechende, auch rückwirkende Bezahlung.
67
Nach der Protokollerklärung zu § 16 c TV-Länder/VKA ist Oberärztin diejenige Ärztin,
der die medizinische Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche der
Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist. Zudem ist
nach § 15 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte/VKA erforderlich, dass zeitlich mindestens zur Hälfte
Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines
Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale erfüllen.
68
Die Klägerin kann die Eingruppierung nach Vergütungsgruppe III jedenfalls deswegen
nicht verlangen, weil es an der Selbständigkeit des Teil- oder Funktionsbereichs fehlt,
für den ihr medizinische Verantwortung vom Arbeitgeber übertragen worden sein
könnte.
69
Ein selbständiger Teil- oder Funktionsbereich setzt voraus, dass es sich zum einen
überhaupt um einen Teil- oder Funktionsbereich handelt, zum anderen muss es sich um
einen selbständigen Bereich handeln.
70
a)
71
Die Institutsambulanz sowie die Station 19 A sind Teilbereiche im Sinne des
Tarifvertrages.
72
Ein Teilbereich muss nicht notwendigerweise die Voraussetzungen eines
Funktionsbereichs erfüllen. Der Begriff "Funktionsbereich" war nach der
Protokollerklärung Nr. 3 zum TV zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1a zum BAT
(Ärzte, Apotheker, Tierärzte, Zahnärzte) vom 23.02.1972 bereits bekannt. Hierunter
waren wissenschaftlich anerkannte Spezialgebiete innerhalb eines ärztlichen
Fachgebietes analog der ärztlichen Weiterbildungsordnung zu verstehen. Hierzu
gehörten z. B. Bereiche wie Nephrologie, Handchirurgie, Neuroradiologie und
Elektroencephalographie. Allein der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien es nicht
bei diesem Begriff belassen haben, sondern diesen Begriff um den Begriff "Teilbereich"
ergänzt haben, spricht dafür, dass ein Teilbereich jedenfalls auch etwas sein kann, was
nicht die Voraussetzungen des Funktionsbereichs erfüllt. Nach Auffassung der Kammer
spricht der Wortlaut deshalb dafür, dass die Tarifvertragsparteien auch medizinische
Verantwortung für Bereiche honorieren wollten, die gerade kein wissenschaftlich
anerkanntes Spezialgebiet (im Sinne der Weiterbildungsordnungen) darstellen, die der
Arbeitgeber aber dennoch als eigenständigen Bereich organisiert und definiert hat. Die
Auffassung der VKA, mit der Formulierung "Teil- oder Funktionsbereich" sei keine
73
Ausdehnung des ursprünglichen Anwendungsbereichs beabsichtigt gewesen (vgl.
Stellungnahme der VKA vom 13.02.2008, Bl. 62 ff. d. A.), kann deshalb jedenfalls dann
nicht geteilt werden, wenn gemeint gewesen sein soll, dass es bei dem
Anwendungsbereich der Protokollerklärung Nr. 3 zum TV Ärzte BAT habe verbleiben
sollen. Die weiteren Ausführungen der VKA, nach denen die Selbständigkeit von Teil-
oder Funktionsbereichen eine medizinische Spezialisierung voraussetzt, legen dieses
Verständnis allerdings nicht nahe. Vielmehr lässt die VKA auf S. 2 unten ihrer o. g.
Stellungnahme die medizinische Spezialisierung ausreichen und stellt nicht mehr auf
das Erfordernis eines wissenschaftlich anerkannten Spezialgebiets ab. Insoweit deckt
sich die Stellungnahme mit der Stellungnahme des marburger bundes e. V. vom
28.02.2008 (vgl. Bl. 68 d. A.), nach der Bereiche bzw. Organisationseinheiten losgelöst
von den Abgrenzungen in den jeweiligen Weiterbildungsordnungen definiert werden
sollten.
Bereits aus dem seitens der Beklagten vorgelegten Organigramm, in dem die
Institutsambulanz und die Station 19 A gesondert neben der anderen Station und der
Tagesklinik als der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
untergeordnete Einheiten aufgeführt werden, folgt, dass es sich bei den von der Klägerin
geführten Einheiten zumindest um Teilbereiche handelt.
74
b)
75
Diesen beiden Teilbereichen fehlt jedoch die nach § 16 c) TV-Ärzte/VKA erforderliche
Selbständigkeit.
76
Selbständig ist ein Bereich nur, wenn er organisatorisch abgegrenzt ist. Erforderlich ist
insbesondere eine personelle und räumliche Eigenständigkeit. Die Selbständigkeit der
Bereichsverantwortung ergibt sich durch eine Gesamtschau aller Kriterien des
Einzelfalls, die spezielle medizinische Kompetenz, die organisatorische
Eigenständigkeit (etwa durch eigene Sprechstunden und dergleichen), aber auch
Marketingauftritte im Internet können zu berücksichtigen sein (vgl. Bruns, Arztrecht 3,
2007, Seite 60 ff.). Es muss eine funktionell und organisatorisch abgrenzbare Einheit
bestehen (ArbG Köln v. 10.12.2007, 15 Ca 4506/07, vom Klägerinvertreter überreicht,
vgl. Bl. 69 ff. d. A., nicht rechtskräftig).
77
Auf die Abgrenzbarkeit als solches kommt es nicht an. Fehlt es bereits an einer
Abgrenzbarkeit überhaupt, liegt bereits kein Teilbereich vor. Es ist deshalb nicht von
entscheidender Bedeutung, ob die Klägerin Tätigkeiten ausführt, die im übrigen Bereich
der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie nicht ausgeführt werden.
78
Die Auflistung in einem Organigramm als solche ist ebenfalls nicht allein entscheidend.
Vielmehr kommt es auf die Stellung im Organigramm an. Die Institutsambulanz ist
gleichgeordnet mit den beiden Psychotherapiestationen (19 A und 19 B, im
Organigramm 71.10 und 71.11) sowie der Tagesklinik. Alle vier Bereiche sind der Klinik
für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie untergeordnet. Dies spricht gegen
eine Selbständigkeit dieses Teilbereichs, da jedenfalls ein Unterordnungsverhältnis
besteht und alle vier Bereiche auf der "untersten" Stufe des Organigramms stehen.
79
Gerade aus dem von der Klägerin selbst zur Begründung ihrer Klage in Bezug
genommenen Internetauftritt ergibt sich, dass es an der personellen Eigenständigkeit
fehlt. Neben der Klägerin als "Oberärztin" sind als Mitarbeiter der Institutsambulanz
80
lediglich zwei weitere Ärzte und drei Psychologen sowie weitere Mitarbeiter aufgeführt.
Der Arzt Herr N. ist aber gleichzeitig als Arzt der von dem "Psychologischen Leiter", und
damit nicht von der Klägerin, "geleiteten" Tagesklinik aufgeführt. Dabei kommt es für die
Abgrenzung der Selbständigkeit nicht darauf an, ob gerade dieser Arzt heute dort noch
tätig ist, sondern allein auf die Tatsache, dass es personelle Verflechtungen gegeben
hat und gibt. Die Musiktherapeutin Frau J. ist sowohl in der Institutsambulanz als auch
auf beiden Stationen als Musiktherapeutin tätig. Daneben sind die Ergo- und
Gestaltungstherapeutin und die Bewegungstherapeutin sowie die Sekretärin für beide
Stationen tätig.
Diese personelle Verflechtung spricht gegen eine Selbständigkeit des Teilbereichs. Die
Klägerin hat zudem ausgeführt, dass sie sich mit dem Oberarzt, der im übrigen die
andere Station leitet, vertritt. Wenn dies so ist, spricht auch dies gegen eine personelle
Eigenständigkeit.
81
Allein die Zuordnung von Ärzten und anderen Mitarbeitern zu einer Station bzw. zur
Tagesklinik und/oder Institutsambulanz führt nicht dazu, dass hierdurch eine personelle
oder organisatorische Eigenständigkeit entsteht.
82
Die Selbständigkeit des Teilbereichs kann sich auch - entgegen der Auffassung der
Klägerin - nicht vor allem aus dem ärztlichen Aufgabengebiet als solchem ergeben. Das
ärztliche Aufgabengebiet kann allenfalls ein Detail in der Gesamtschau sein. Die
Klägerin hat zudem - auch im Anblick ihrer sehr umfangreichen Ausführungen - bereits
nicht dargelegt, dass ihre Tätigkeit grundverschieden von den sonstigen Tätigkeiten in
der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie ist. Es genügt nicht, dass
die Klägerin selbständig arbeitet und sich in vielen verschiedenen Bereichen
spezialisiert hat. Dies kann von einer Fachärztin ohnehin erwartet werden. Demzufolge
ist das Tatbestandsmerkmal "selbständiger Teilbereich" nicht allein deshalb erfüllt, weil
in einer Klinik ausschließlich eine Ärztin bestimmte medizinische Funktionen oder
Spezialbereiche wahrnimmt.
83
Zu weiteren Indizien, wie z. B. einer eigenen Pflegedienstleitung, sowie zu einer
räumlichen Abgrenzung (s. dazu ArbG Köln v. 10.12.2007, 15 Ca 4506/07, s. o.), hat die
Klägerin nichts vorgetragen.
84
Das Erfordernis einer eigenen Kostenstelle ist hingegen wenig ausschlaggebend.
Insoweit kommt es darauf an, wie weit die Kostenstellen aufgeschlüsselt sind. Erst wenn
die Struktur der Kostenstellen insgesamt bekannt ist, können hieraus ggf. weitere
Rückschlüsse gezogen werden.
85
II.
86
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 91 ZPO.
87
Der Streitwert ist gem. § 61 Abs. 1 ArbGG, §§ 42 Abs. 4 S. 2, Abs. 5 S. 1 GKG im Urteil
festzusetzen.
88
Soweit die Berufung nicht bereits kraft Gesetzes zulässig ist, war sie zuzulassen. Gem.
§ 64 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbGG hat das Arbeitsgericht die Berufung zuzulassen, wenn die
Rechtssache Rechtsstreitigkeiten über die Auslegung eines Tarifvertrages betrifft,
dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt.
89
Von besonderer Bedeutung war vorliegend die Auslegung von § 16 TV-Ärzte/VKA, da
entscheidungserheblich ist, unter welchen Voraussetzungen ein selbständiger
Funktions- oder Teilbereich vorliegt.
Rechtsmittelbelehrung
90
Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
91
B e r u f u n g
92
eingelegt werden.
93
Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
94
Die Berufung muss
95
innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
96
beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
(0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
97
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung
98
Die Berufungsschrift muss von einem Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle
können Vertreter einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von
Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht
zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren
Mitglieder Partei sind. Die gleiche Befugnis haben Angestellte juristischer Personen,
deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten
Organisationen stehen, solange die juristische Person ausschließlich die
Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend
deren Satzung durchführt.
99
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
100