Urteil des ArbG Düsseldorf vom 27.10.2010

ArbG Düsseldorf (abmahnung, juristische person, beratung, ärztliche behandlung, schutzwürdiges interesse, ärztliche untersuchung, arbeitnehmer, stgb, teilnahme, personalakte)

Arbeitsgericht Düsseldorf, 4 Ca 4325/10
Datum:
27.10.2010
Gericht:
Arbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 Ca 4325/10
Schlagworte:
Schwangerschaftskonfliktberatung als ärztliche Leistung
Normen:
§ 7 BO Ärztekammer Nordrhein
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Die Durchführung einer Schwangerschaftskonfliktberatung gemäß § 219
StGB stellt keine ärztliche Behandlung i.S.d. § 7 der Berufsordnung der
Ärztekammer Nordrhein dar.
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 2/3 und der
Beklagte zu 1/3.
3. Der Streitwert beträgt 4.430,03 €
T AT B E S T A N D
1
Die Parteien streiten über eine Abmahnung und die Versagung einer
Nebentätigkeitsgenehmigung. Die Klägerin ist seit dem 17.11.1988 als Ärztin bei dem
Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TV-L Anwendung. Die
Klägerin ist in Vollzeit als Psychotherapeutin in den C. Düsseldorf und Mettmann
eingesetzt. Für die Tätigkeit als Arzt bei dem Beklagten existiert eine
Stellenbeschreibung (Bl. 48f. d.A.). Die Klägerin ist in die Entgeltgruppe 13 eingruppiert.
2
Die Klägerin führt für den Beklagten Schwangerschaftskonfliktberatungen durch. Im
März 2010 fand in der C. Düsseldorf eine Hospitation in der
Schwangerschaftskonfliktberatung durch eine Absolventin des Masterstudiengangs
Sexualpädagogik durch. Der Vorstand des Beklagten hatte am 21.01.2010 beschlossen,
Hospitanten in der Schwangerschaftskonfliktberatung zuzulassen, wenn sie bereits
qualifiziert sind, sie sich zur Verschwiegenheit verpflichten und die Klientin der
Teilnahme zustimmt. In diesem Rahmen wies der Beklagte die KIägerin an, eine
Hospitantin am 18., 22. und 23.03.2010 an einer Schwangerschaftskonfliktberatung
teilnehmen zu lassen. Dieses verweigerte die Klägerin. Der Beklagte teilte die
Hospitantin daraufhin anderen Mitarbeitern zu. Mit Schreiben vom 06.05.2010 (Bl. 12f.
d.A.) erteilte er die Klägerin hierzu eine Abmahnung.
3
Mit ihrer am 02.07.2010 bei Gericht eingegangenen und dem Beklagten am 19.07.2010
zugestellten Klage wendet sich die Klägerin gegen die Abmahnung und die Versagung
der Nebentätigkeitsgenehmigung.
4
Sie vertritt die Auffassung, die Abmahnung vom 06.05.2010 sei zu Unrecht ergangen.
Der Beklagte könne sie nicht anweisen, Dritte an einer
Schwangerschaftskonfliktberatung teilnehmen zu lassen, da Gegenstand der Beratung
nicht nur der psychosoziale Konflikt, sondern auch medizinische Themen seien. Gemäß
§ 7 Abs. 4 der Berufsordnung der Ärztekammer Nordrhein sei die Teilnahme der
Hospitantin von ihrer Zustimmung abhängig. Zudem verbiete § 2 Abs. 4 der
Berufsordnung die Entgegennahme von Weisungen durch nicht ärztliches Personal.
Diese Auffassung werde auch von der Ärztekammer Nordrhein geteilt. Die Klägerin
nimmt insoweit Bezug auf ein Schreiben vom 01.09.2010 (Bl. 142 d.A.).
5
Die Klägerin beantragt
6
den Beklagten zu verurteilen, die Abmahnung vom 06.05.2010 aus der Personalakte der
Klägerin zu entfernen.
7
Der Beklagte beantragt
8
die Klage abzuweisen.
9
Er vertritt die Auffassung, er sei berechtigt, die Teilnahme von Hospitantinnen an der
Schwangerschaftskonfliktberatung anzuordnen. Schließlich fände die
Schwangerschaftskonfliktberatung in den C. Düsseldorf und Mettmann nicht nur durch
die Klägerin als Ärztin, sondern auch durch Sozialarbeiter, Sozialberater,
Sexualtherapeuten und Psychologen. Der Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit sei nicht
betroffen. Allein dadurch, dass die Klägerin als Ärztin auch diese Aufgabe übernehme,
könne sie nicht gegenüber diesen Mitarbeitern privilegiert werden.
10
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten
Schriftsätze sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 02.08. und
27.10.2010 Bezug genommen. Über eine Nebentätigkeitsgenehmigung, die ebenfalls
Streitgegenstand war, haben die Parteien im Termin am 27.10.2010 einen Teilvergleich
geschlossen.
11
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
12
I.
13
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf
Entfernung der Abmahnung mit Schreiben vom 06.05.2010 aus ihrer Personalakte.
14
1. Mit einer Abmahnung übt ein Arbeitgeber seine arbeitsvertraglichen Gläubigerrechte
aus. Er weist den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertraglichen Pflichten
hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rüge- und
Dokumentationsfunktion). Zugleich fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen
Verhalten auf und kündigt, weil ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche
Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion). Da eine
zur Personalakte genommene Abmahnung geeignet ist, den Arbeitnehmer in seinem
15
beruflichen Fortkommen und seinem Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen, darf ein
verständiger Arbeitgeber nicht ohne ausreichenden Anlass eine Abmahnung erteilen
und sie nur für einen angemessenen Zeitraum aufbewahren. Der Arbeitnehmer kann in
entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht
erteilten Abmahnung aus seinen Personalunterlagen verlangen, wenn das berechtigte
Interesse des Arbeitgebers an der Ausübung seines Gläubigerrechts fehlt.
Ein Arbeitnehmer kann folglich die Beseitigung dieser Beeinträchtigung verlangen,
wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, sie
unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
verletzt oder kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der
Abmahnung in der Personalakte mehr besteht. Soweit dem Arbeitnehmer eine
Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten vorgeworfen wird, kommt es nicht darauf
an, ob dieser Pflichtenverstoß dem Arbeitnehmer subjektiv vorwerfbar ist - es reicht aus,
wenn der Arbeitgeber einen objektiven Verstoß des Arbeitnehmers gegen die
arbeitsvertraglichen Pflichten rügt. Eine solche Rüge ist nicht nur dann ungerechtfertigt,
wenn sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, sondern auch dann, wenn sie auf
einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht
(BAG v. 11.12.2001 - AP Nr. 8 zu § 611 BGB Nebentätigkeit).
16
2. Die Abmahnung vom 06.05.2010 ist formell wirksam. Sie rügt die Pflichtverletzung der
Klägerin konkret und weist deutlich auf die Konsequenz im Wiederholungsfall hin.
17
3. Die Abmahnung vom 06.05.2010 ist auch materiell wirksam. Der Beklagte rügt mit der
Abmahnung, dass die Klägerin die Teilnahme einer Hospitantin an
Schwangerschaftskonfliktberatungen gemäß § 219 StGB versagt hat. Die Hospitation
bezieht sich ausschließlich auf die Schwangerschaftskonfliktberatung und nicht auf eine
andere Beratung.
18
Eine Schwangerschaftskonfliktberatung gemäß § 219 StGB stellt keine ärztliche
Untersuchung bzw. Behandlung im Sinne des § 7 Abs. 4 der Berufsordnung der
Ärztekammer Nordrhein dar. Die Durchführung ist im Schwangerschaftskonfliktgesetz
geregelt. Gemäß § 5 dieses Gesetzes umfasst die Schwangerschaftskonfliktberatung
jede nach Sachlage erforderliche medizinische, soziale und juristische Information, die
Darlegung der Rechtsansprüche von Mutter und Kind und der möglichen praktischen
Hilfen, insbesondere solcher, die die Fortsetzung der Schwangerschaft und die Lage
von Mutter und Kind erleichtern sowie das Angebot, die schwangere Frau bei der
Geltendmachung von Ansprüchen, bei der Wohnungssuche, bei der Suche nach einer
Betreuungsmöglichkeit für das Kind und bei der Fortsetzung ihrer Ausbildung zu
unterstützen, sowie das Angebot einer Nachbetreuung.
19
Die Schwangerschaftskonfliktberatung enthält - dieses ergibt sich auch aus der
gesetzlichen Vorgabe - medizinische Informationen. Es ist jedoch unstreitig nicht
erforderlich, dass diese Beratung durch einen Arzt oder eine Person aus anderen
Medizinberufen erfolgt. Vielmehr ergibt sich aus § 9 Nr. 2 des
Schwangerschaftskonfliktgesetzes, dass eine C. lediglich sicherstellen muss, dass zur
Durchführung der Beratung erforderlichenfalls kurzfristig eine ärztlich, fachärztlich,
psychologisch, sozialpädagogisch, sozialarbeiterisch oder juristisch ausgebildete
Fachkraft hinzugezogen werden kann, Daraus ergibt sich, dass verschiedenste
Fachgruppen entsprechende Beratungen durchführen können und zwischen der
Beratung als solcher sowie einem ergänzenden Beratungsbedarf auch durch das
20
Gesetz bereits differenziert wird, da die C. lediglich verpflichtet sind, für eine kurzfristige
Hinzuziehung fachlicher Berater verschiedener Disziplinen zu sorgen.
Zudem liegt weder eine Untersuchung noch eine Behandlung iSd § 7 Abs. 4 der
Berufsordnung der Ärztekammer Nordrhein vor. Die Beratung stellt keine Behandlung
eines Symptoms einer Erkrankung oder eine Vorsorgeleistung dar. Eine Untersuchung
ist nicht Gegenstand der Schwangerschaftskonfliktberatung gemäß § 219 StGB. Sie
kann zum Gegenstand der Beratung der Klägerin werden. Es gibt jedoch keinen
Anhaltspunkt dafür, dass ihr der Beklagte die Weisung erteilt hat, auch für diesen Fall
die Anwesenheit der Hospitantin zuzulassen. Allein die Tatsache, dass die Klägerin
diese Aufgabe im Rahmen ihres Vertrages als Ärztin bei dem Beklagten ausführt, führt
nicht dazu, dass die besonders geregelte Schwangerschaftskonfliktberatung zu einer
spezifischen ärztlichen Leistung wird und damit der Berufsordnung unterfällt. Der
Beklagte war daher berechtigt, der Klägerin die Weisung zu erteilen, eine Hospitantin an
der Konfliktberatung teilnehmen zu lassen.
21
Nach Auffassung der Kammer bleibt es der Kläger unbenommen, die Anwesenheit der
Hospitantin zu beenden, soweit der Rahmen der eigentlichen
Schwangerschaftskonfliktberatung überschritten wird und insbesondere medizinische
Fragen, die sich außerhalb des gesetzlichen geregelten Beratungsinhalts bewegen, zu
erörtern. Es besteht jedoch kein Anlass dafür, dass in den hier im Streit stehenden
konkreten Beratungen im April 2010 der Rahmen der Schwangerschaftskonfliktberatung
überschritten und eine weitergehende medizinische Beratung vorgenommen wurde.
22
Die Klage war daher abzuweisen.
23
II.
24
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 iVm § 98 ZPO.
25
III.
26
Die Streitwertentscheidung beruht auf § 3 ZPO. Der Streitwert wurde mit einem Gehalt
der EG 14 Stufe 5 angesetzt. Der Gebührenstreitwert unter Einbeziehung von zwei
weiteren Gehältern für die Nebentätigkeitsregelung wurde zu Protokoll festgesetzt.
27
Rechtsmittelbelehrung
28
Gegen dieses Urteil kann von der Klägerin
29
B e r u f u n g
30
eingelegt werden. Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht
gegeben.
31
Die Berufung muss
32
innerhalb einer N o t f r i s t * von einem Monat
33
beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
(0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
34
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
35
Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
36
1. Rechtsanwälte,
37
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
38
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in
Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich
die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder
eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung
entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der
Bevollmächtigten haftet.
39
Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
40
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
41
Gez. C.
42