Urteil des ArbG Düsseldorf vom 20.10.2008

ArbG Düsseldorf: juristische person, arbeitsbedingungen, rechtfertigung, bedürfnis, arbeitsgericht, vergütung, gehalt, betriebsrat, gegenleistung, zugang

Arbeitsgericht Düsseldorf, 2 Ca 3133/08
Datum:
20.10.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 Ca 3133/08
Schlagworte:
Betriebsbedingte Änderungskündigung
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Das Erfordernis der Darlegung der sozialen Rechtfertigung der
Änderung muss für alle Vertragsänderungen vorliegen. Soll bei einer
Änderungskündigung durch das Änderungsangebot neben der Tätigkeit
auch die Gegenleistung geändert werden, sind beide Elemente des
Änderungsangebotes am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen.
Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist aus innerbetrieblichen
Gründen gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber im
Unternehmensbereich zu einer organisatorischen Maßnahme
entschließt, bei deren innerbetrieblichen Umsetzung das Bedürfnis für
die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt.
Tenor:
1. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch
die Änderungskündigung gemäß Schreiben der Beklagten vom
21.5.2008 sozial ungerechtfertigt ist.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Streitwert: 8.940,00 €
T a t b e s t a n d:
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten
Änderungskündigung der Beklagten vom 21.5.2008 zum 31.12.2008.
2
Die Beklagte, die ständig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, stellt her und vertreibt
Lebensmittel. Es besteht ein Betriebsrat.
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Die am 8.7.1949 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 1.7.1977 beschäftigt.
Die Einzelheiten der Beschäftigung regelt der Arbeitsvertrag vom 30.11.1977. Danach
arbeitete die Klägerin zunächst als Grafikerin. Zuletzt war sie als Art Direktorin tätig. In
dieser Funktion oblag ihr die Anpassung des werblichen Erscheinungsbildes der
Firmengruppe unter Berücksichtigung der Markterfordernisse, aber auch unter
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Beachtung von Wirtschaftlichkeit, Rentabilität und Effizienz. Zu den Aufgaben der
Klägerin gehörten dabei jedenfalls (i) das allgemeine Vorschlagswesen und die
Beratung der Abteilung Marketing und der Geschäftsführung bezüglich der
Modernisierung des Verpackungsbildes, der Werbung und der Werbemittel, (ii) die Art
Direktion für alle Werbemaßnahmen, Verantwortung für das Styling bei Fotoaufnahmen,
(iii) die Entwicklung neuer Layouts bis zur Erstellung von druckfertigen Unterlagen, die
Überwachung und Bewachung der Drucksachen bis zur Lieferung, (iv)
Rechnungsprüfung von Drucksachen, Lithos und Satzbestellungen sowie (v) die
Qualitätskontrolle aller bedruckten Verpackungen und Werbematerialien. Das
monatliche Gehalt betrug zuletzt 4.470,00 €.
Mit Schreiben vom 21.5.2008, der Klägerin zugegangen am gleichen Tage, kündigte die
Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2008. Zugleich bot sie der Klägerin ab dem
1.1.2009 eine Tätigkeit als Grafikerin an. Wörtlich heißt es auszugsweise:
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"1. Position
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Ab 1. Januar 2009 werden Sie als Grafikerin für den Bereich Marketing Operations
Management in unserem Hause weiter beschäftigt. Diese Position ist mit
Handlungsvollmacht ausgestattet. Wir behalten uns vor, Ihnen andere, Ihrer Vorbildung
und Ihrer Tätigkeit entsprechende gleichartige Aufgaben zu übertragen.
7
2. Gehalt
8
Ihr monatliches Gehalt beträgt EUR 3.000,00 brutto. Sie werden in die Tarifgruppe 8
eingestuft. Vergütungen und Leistungen darüber hinaus sind freiwillig und ohne
Rechtsanspruch."
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Die weiteren Einzelheiten des übermittelten Arbeitsvertrages ergeben sich aus Bl. 6 - 9
d. GA..
10
Mit Schreiben vom 27.5.2008, der Beklagten innerhalb der dreiwöchigen Annahmefrist
zugegangen, erklärte die Klägerin die Annahme dieses Angebotes unter dem Vorbehalt
der sozialen Rechtfertigung der Kündigung.
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Mit ihrer am 28.5.2008 bei Gericht eingereichten Klage macht die Klägerin die
Unwirksamkeit der Änderungskündigung geltend.
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Sie ist der Auffassung, die Änderungskündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die von der
Beklagten behauptete wirtschaftlich schwierige Situation bestreitet sie ebenso mit
Nichtwissen wie eine Beauftragung und Maßnahmenempfehlung durch die
eingesetzten Wirtschaftsprüfer X. und Partner. Schließlich sei nicht ersichtlich, ob und
inwieweit ihr Arbeitsbereich tatsächlich entfallen sei. Der gesamte Vortrag sei
substanzlos. Zudem bestreitet sie die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates mit
Nichtwissen.
13
Die Klägerin beantragt zuletzt,
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es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß Schreiben der
Beklagten vom 21.5.2008 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen
rechtsunwirksam ist.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, die Änderungskündigung sei aus betriebsbedingten
Gründen gerechtfertigt. Sie befände sich seit Anfang 2007 in einer wirtschaftlich
schwierigen Situation und erwirtschafte seit drei Jahren Verluste. Sie befände sich in
einer Sanierungsphase und müsse Empfehlungen des von den Banken eingesetzten
Beraters X. und Partner umsetzen. Eine dieser empfehlenden Maßnahmen sei die
Wiedereingliederung der bislang fremd vergebenen Kreativleistungen und
Druckunterlagenherstellung in dem Unternehmensprozess, wodurch 25.000,00 € pro
Monat gespart werden könnten. Diese wieder eingegliederten Arbeiten könnten der
Klägerin, Herrn K. und Herrn Q. übertragen werden. Durch diese Maßnahme, die auch
so umgesetzt worden sei, gerate der Arbeitsbereich der Klägerin in Fortfall. Ihre
Leitungsfunktion für einen Mitarbeiter entfalle, weil Grafik und Atelier gleichberechtigt
arbeiten sollen, und sich gegenseitig vertreten. Auch würden eine Reihe von Aufgaben
durch die Eingliederung wegfallen, die eine Vorgesetztenfunktion rechtfertigen würden.
Im Hinblick auf die übrigen Aufgaben behauptet sie, die Klägerin habe diese Aufgaben
entweder selten bis nie wahrgenommen, oder aber im Wesentlichen an ihren Mitarbeiter
delegiert.
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Im Kammertermin hat die Beklagte erstmals zur Betriebsratsanhörung vorgetragen und
ein Anschreiben an den Betriebsrat über die Anhörung zur Änderungskündigung
vorgelegt, von dem sie behauptet, dieses Schreiben sei dem Betriebsrat am 14.5.2008
übergeben worden, was die Klägerin mit Nichtwissen bestreitet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Ergebnis der
mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet. Das zwischen den Parteien
bestehende Arbeitsverhältnis ist durch die Änderungskündigung der Beklagten vom
21.5.2008 nicht abgeändert worden. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt und damit
rechtsunwirksam gemäß § 2 Abs. 1 KSchG.
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1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das KSchG gem. § 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1
Satz 2 KSchG Anwendung, da im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der
Kündigungserklärung das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestand und die
Beklagte im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ständig mehr als 10 Arbeitnehmer
beschäftigte.
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2. Die Klägerin hat gem. § 4 KSchG rechtzeitig Klage erhoben, da die dreiwöchige Frist
zwischen Zugang der Kündigung und Klageerhebung gewahrt ist.
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3. Die Änderungskündigung vom 21.5.2008 ist allerdings sozial ungerechtfertigt.
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a) Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im
Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu
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geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter
dem Vorbehalt annehmen, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen nicht sozial
ungerechtfertigt ist, (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2 KSchG). Diesen
Vorbehalt muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist,
spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären, § 2
KSchG.
Hier hat die Klägerin den Vorbehalt unstreitig rechtzeitig erklärt.
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b) Hinsichtlich der sozialen Rechtfertigung der Änderungskündigung verweist § 2 Satz 1
KSchG auf § 1 Absatz 2 Satz 1 - 3, Absatz 3 Satz 1 und 2 KSchG.
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aa) Gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht
durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder
durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des
Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.
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Die soziale Rechtfertigung einer Änderungskündigung wird vom Bundesarbeitsgericht
dabei in zwei Stufen geprüft. Auf der ersten Stufe wird überprüft, ob die Kündigung
unvermeidbar ist, also Personen-, Verhaltens- oder Betriebsbedingte Gründe die
Änderung der Arbeitsbedingungen erfordern. In einem zweiten Schritt ist zu
untersuchen, ob die vorgesehene Änderung dem Gekündigten zumutbar ist, also vom
Arbeitnehmer billigerweise hingenommen werden muss. Die Änderungskündigung ist
demnach sozial gerechtfertigt, wenn die Änderung der Arbeitsbedingungen
unvermeidbar war und die neuen Arbeitsbedingungen erforderlich und für den
Arbeitnehmer annehmbar sind, (BAG vom 24.07.1997, 2 AZR 352/96, NZA 1997, 1047;
BAG vom 06.03.1986, DB 1986, 2605; BAG vom 18.11.1999 EZA Nr. 104 zu § 1 KSchG
Betriebsbedingte Kündigung).
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Hier beruft sich die Beklagte auf betriebsbedingte Gründe für die Änderungskündigung.
Dabei stellt sie im Wesentlichen darauf ab, dass Kreativleistungen, sie bislang fremd
vergeben worden seien, nun wieder im Hause der Beklagten durch eigene Mitarbeiter
erledigt werden sollen. Insoweit solle die Klägerin zusammen mit zwei weiteren
Arbeitnehmern diese Aufgabe übernehmen.
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bb) Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung führt die zweistufige Prüfung des
Bundesarbeitsgericht dazu, dass einerseits zu überprüfen ist, ob dringende betriebliche
Erfordernisse gem. § 1 Absatz 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen, andererseits
ist auf der zweiten Stufe entscheidend, ob sich der Arbeitgeber bei einem an sich
anerkennenswerten Anlass zur Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche
Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss, (BAG
vom 18.10.1984, EZA § 1 KSchG Nr. 34; BAG vom 13.06.1986, EZA § 1 KSchG Nr. 23).
32
Diese Grundsätze hat das BAG mehrfach zutreffend folgendermaßen zusammengefasst:
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"Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei
einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche
Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Im
Rahmen der §§ 1, 2 KSchG ist dabei zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den
betreffenden Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist (vgl. nur
BAG v. 23.6.2005 - 2 AZR 642/04, NZA 2006, S.92, BAG v. 22.4.2004 - 2 AZR 385/03,
34
AP Nr. 74 zu § 2 KSchG
Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot
abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat, (BAG 19. Mai 1993 - 2 AZR 584/92 -
BAGE 73, 151)."
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cc) Im Rahmen der zweistufigen Prüfung ist des weiteren zu beachten, dass der vom
BAG zu Recht angelegte Prüfungsmaßstab nicht nur für die veränderte Tätigkeit
anzuwenden ist, sondern sich auf sämtliche angebotenen Vertragsänderungen
erstreckt.
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Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen
muss, bestimmt sich nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (BAG, Urt. v. 3.4.2008 - 2
AZR 500/06, NZA 2008, 812, BAG, Urt. v. 2.3.2006 - 2 AZR 64/05, AP KSchG 1969 § 2
Nr. 84; BAG, Urt. v. 29.3.2007 - 2 AZR 31/06 , EzA KSchG § 2 Nr. 66). Die Änderungen
müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den
geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen
für alle Vertragsänderungen vorliegen, (BAG, Urt. v. 3.4.2008 - 2 AZR 500/06, NZA
2008, 812; KR-Rost 8. Aufl. § 2 KSchG Rn. 106d; HaKo-Pfeiffer 3. Aufl. § 2 KSchG
Rn. 38; von Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 2 Rn. 129a; Löwisch/Spinner
KSchG 9. Aufl. § 2 Rn. 42). Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung.
Insoweit dürfen sich nach der zutreffenden Rechtsprechung des BAG die angebotenen
Änderungen nicht weiter von dem Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen,
als zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich (BAG, Urt. v. 3.4.2008 - 2 AZR
500/06, NZA 2008, 812; BAG, Urt. v. 2.3.2006 - 2 AZR 64/05, AP KSchG 1969 § 2
Nr. 84). Aus dem Vorbringen des Arbeitgebers muss erkennbar sein, dass er auch unter
Berücksichtigung der vertraglich eingegangenen Verpflichtungen alles Zumutbare
unternommen hat, die durch die unternehmerische Entscheidung notwendig
gewordenen Anpassungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken.
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c) Diese Grundsätze hat die Beklagte auf Basis ihres Sachvortrages in erster Instanz
nicht im Ansatz beachtet. Der Vortrag kann im Hinblick auf die Anforderungen der
Rechtsprechung des BAG nur als Paradigma der Substanzlosigkeit bezeichnet werden.
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Im Einzelnen:
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aa) Zunächst muss der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs durch ein dringendes
betriebliches Erfordernis gerechtfertigt sein. Schon dies ist von der Beklagten nicht
dargelegt worden.
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(1) Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne von § 1 Absatz 2
KSchG können sich auch bei der Änderungskündigung aus innerbetrieblichen
Umständen (Unternehmerentscheidungen wie z. B. Rationalisierungsmaßnahmen,
Umstellen oder Einschränkungen der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe
(z. B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Diese betrieblichen
Erfordernisse müssen dringend sein, und eine Kündigung im Interesse des Betriebes
notwendig machen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber nicht
möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem,
organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung zu
entsprechen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein,
(vgl. nur BAG vom 17.06.1999 2 AZR 456/98, AP Nr. 103 zu § 1 KSchG 1969
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betriebsbedingte Kündigung).
Im Ergebnis ist entscheidend, dass die die ordentliche Änderungskündigung sozial
rechtfertigenden dringenden betrieblichen Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1, § 2
KSchG dazu führen, dass das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers
im Betrieb zu den bisherigen Bedingungen entfallen ist (BAG v. 23.6.2005 - 2 AZR
642/04, NZA 2006, 92; BAG v. 22.4.2004 - 2 AZR 385/03 - AP KSchG 1969 § 2 Nr. 74;
BAG v. 27.9.2001 - 2 AZR 246/00 - EzA KSchG § 2 Nr. 41).
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Eine derartige betriebsbedingte Änderungskündigung ist aus innerbetrieblichen
Gründen gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber im Unternehmensbereich zu einer
organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblichen Umsetzung das
Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt, (BAG
v. 14.8.2007 - 8 AZR 1043/06, NZA 2007, 1431; BAG v. 5.12.2002 - 2 AZR 522/01 - AP
KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126; BAG v. 28.10.2004 - 8 AZR
391/03, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 69). Dabei muss der Arbeitgeber
darlegen, welche organisatorischen und technischen Maßnahmen er angeordnet hat
und wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die
Beschäftigungsmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirken. Der Vortrag
muss erkennen lassen, ob durch eine innerbetriebliche Maßnahme das Bedürfnis für die
Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers entfällt, (BAG vom 17.6.1999 - 2
AZR 456/98, a.a.O.; BAG vom 17.6.1999 - 2 AZR 522/98, AP Nr. 102 zu § 1 KSchG
1996 Betriebsbedingte Kündigung; BAG vom 17.06.1999, 2 AZR 141/99, AP Nr. 101 zu
§ 1 KSchG 1996 Betriebsbedingte Kündigung). Dabei unterliegt es der vollen
Nachprüfung der Gerichte, ob eine derartige Unternehmerentscheidung tatsächlich
vorliegt und durch ihre Umsetzung das Bedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist.
Dagegen ist die unternehmerische Entscheidung nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung
oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar
unsachlich, unvernünftig oder willkürlich und ob sie ursächlich für den vom Arbeitgeber
geltend gemachten Änderungsbedarf ist, (BAG v. 23.6.2005 - 2 AZR 642/04, NZA 2006,
92; BAG v. 27.9.2001 - 2 AZR 246/00, EzA KSchG § 2 Nr. 41; BAG v. 18.10.2000 - 2
AZR 465/99 - BAGE 96, 95).
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(2) Das gilt auch für die Entscheidung, bestimmte Arbeitsleistungen wieder von eigenen
Mitarbeitern erledigen zu lassen. Der Arbeitgeber muss insoweit vortragen, weshalb das
Beschäftigungsbedürfnis für die Klägerin am bisherigen Arbeitsplatz durch die
Wiedereingliederung von Arbeiten entfallen ist. Das leuchtet auf den ersten Blick nicht
ohne weiteres ein, weil der Arbeitsbedarf dem Grunde nach gleich bleibt und im Hause
der Beklagten zunächst mehr Arbeit anfällt, weil auch noch die wieder eingegliederte
Arbeit erledigt werden muss. Richtig ist zwar, dass die Verteilung der Arbeiten an das
Fremdunternehmen ebenso entfällt wie dessen Beaufsichtigung und Kontrolle, indes
muss auch die nun bei der Beklagten selbst anfallende Arbeit angewiesen und verteilt
werden. Insoweit behauptet die Beklagte in den Schriftsätzen, dass die Klägerin
zusammen mit zwei anderen Mitarbeitern nur noch die wieder eingegliederten
Grafikarbeiten machen soll. Dass jemand diese Arbeiten machen muss, leuchtet auch
der Kammer ein. Allerdings muss die Klägerin diese Arbeiten nur dann übernehmen,
wenn ihr Arbeitsbereich entfallen ist. Weshalb aber das umfangreiche
Tätigkeitsspektrum der Klägerin entfallen sein soll, wird nur rudimentär erwähnt.
Vorgesetztenfunktionen sollen wegen einer gleichberechtigten Tätigkeit zweier
Abteilungen entfallen, über die die Kammer nicht ansatzweise unterrichtet worden ist.
Zu den übrigen Arbeiten, die der Klägerin oblagen, wird ohne Beweisantritt nebulös
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behauptet, diese Arbeiten habe die Klägerin "hauptsächlich" an ihren Mitarbeiter
delegiert bzw. die Klägerin habe diese Arbeiten "selten bis nie" wahrgenommen. Wie
die Beklagte mit diesem tatsachenarmen Vortrag den Wegfall des bisherigen
Arbeitsbereiches begründen möchte, ist für die Kammer nicht erkennbar.
bb) Darüber hinaus ist die betriebsbedingte Änderungskündigung auch deshalb
unwirksam, weil der Kammer die Veränderung der Vergütung - auch auf Nachfrage im
Kammertermin - mit keinem Wort begründet worden ist.
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Neben dem Arbeitsbereich hat die Beklagte die Vergütung der Klägerin abgesenkt.
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(1) Soll bei einer Änderungskündigung durch das Änderungsangebot neben der
Tätigkeit auch die Gegenleistung geändert werden, sind beide Elemente des
Änderungsangebotes am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen, (ständige
Rechtsprechung, zuletzt BAG, Urt. v. 3.4.2008 - 2 AZR 500/06, NZA 2008, 812). Eine
gesonderte Rechtfertigung der Vergütungsänderung ist nur dann entbehrlich, wenn sich
die geänderte Vergütung aus einem im Betrieb angewandten Vergütungssystem ergibt
(Tarifautomatik), (BAG, Urt. v. 3.4.2008 - 2 AZR 500/06, NZA 2008, 812; BAG, Urt. v.
23.6.2005- 2 AZR 642/04, BAGE 115, 149). Allerdings kommt eine
Vergütungsreduzierung bei geänderter Arbeitsleistung nicht nur dann in Betracht, wenn
ein festes Vergütungssystem besteht. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, sich einem
wie auch immer gearteten Vergütungssystem zu unterwerfen. Er ist frei, die Löhne und
Gehälter frei auszuhandeln. Er kann deshalb auch in Fällen der Tätigkeitsänderung dem
Arbeitnehmer eine von ihm selbst und unabhängig von Vergütungssystemen
festgesetzte Gegenleistung (Entgelt) anbieten. Bei der Festsetzung muss er allerdings
den Änderungsschutz berücksichtigen und im Prozess die Gründe darlegen, die ihn
unter Berücksichtigung des Änderungsschutzes zu den angebotenen
Vertragsbedingungen bewogen haben. So kann eine Entgeltreduzierung bei
geändertem Arbeitsinhalt beispielsweise durch einen evident geringeren Marktwert der
neu angebotenen gegenüber der bisherigen Tätigkeit gerechtfertigt, (BAG, Urt. v.
3.4.2008 - 2 AZR 500/06, NZA 2008, 812; BAG, Urt. v. 23.6.2005- 2 AZR 642/04,
BAGE 115, 149).
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(2) Hier hat die Beklagte mit keinem Wort erwähnt, aus welchen Gründen auch das
Entgelt geändert der Klägerin auf den in der Änderungskündigung genannten Betrag
geändert worden ist. Insbesondere ist auch auf Nachfrage im Kammertermin weder eine
Tarifsystematik noch ein sonstiger Grund für den in der Änderungskündigung
angegebenen Betrag genannt worden. Dies, obwohl im
Änderungskündigungsschreiben auf eine Tarifgruppe Bezug genommen worden ist,
was möglicherweise ein Hinweis darauf sein könnte, dass die Beklagte in ihrem Hause
ein Tarifsystem anwendet.
48
II.
49
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Da die
Beklagte in vollem Umfange unterliegt, hat sie die gesamten Kosten des Rechtsstreits
zu tragen.
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III.
51
Der Streitwert ist gem. § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Die
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Streitwertentscheidung beruht auf § 3 ZPO und beträgt für die Änderungskündigung
zwei monatliche Bruttogehälter.
Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
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B e r u f u n g
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eingelegt werden.
56
Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
59
beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
0211 7770 2199 eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
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Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
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1. Rechtsanwälte,
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2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in
Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich
die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder
eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung
entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der
Bevollmächtigten haftet.
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Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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