Urteil des ArbG Düsseldorf vom 18.09.2007

ArbG Düsseldorf: behinderung, teleologische auslegung, juristische person, stellenausschreibung, unternehmen, entschädigung, bauer, tochtergesellschaft, hochschulstudium, arbeitsgericht

Arbeitsgericht Düsseldorf, 7 Ca 1969/07
Datum:
18.09.2007
Gericht:
Arbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 Ca 1969/07
Schlagworte:
Entschädigung wegen Behinderung, Anspruchsgegner,
Geltendmachung innerhalb der Ausschlussfrist, Vermutungswirkung
Normen:
§ 15 Abs.2, 4 AGG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Anspruchsgegner i.S.d. § 15 Abs. 2 AGG ist nur der (potentielle)
Arbeitgeber, auch wenn Dritte im Auswahlverfahren einbezogen sind.
Der Entschädigungsanspruch muss hinreichend bestimmt geltend
gemacht werden. Kommen mehrere Anspruchsgegner in Betracht, so
muss der Anspruchsgegner benannt werden oder sich deutlich ergeben.
Es besteht keine tatsächliche Vermutung dafür, dass ein Arbeitgeber
Kenntnis von einer Behinderung des Bewerbers erlangt, die sich allein
aus einem dem Bewerbungsschreiben beigefügten Arbeitszeugnis
ergibt.
Ein Arbeitgeber, der seiner Pflicht nach § 81 Abs. 1 S. 2 SGB IX nicht
nachgekommen ist, kann die tatsächliche Vermutung einer
Benachteiligung wegen Behinderung widerlegen, wenn er darlegt, dass
er seine Pflicht nach § 71 SGB IX übererfüllt.
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Der Streitwert beträgt 48.000,00 €.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin begehrt eine Entschädigungszahlung wegen Nichteinstellung aufgrund
ihrer Behinderung.
2
Die 41-jährige, ledige Klägerin ist schwerbehindert mit einem GdB von 80 % (vgl. Bl. 26
f d.A.). Sie hat aufgrund eines schweren Verkehrsunfalls ihren rechten Arm verloren. Sie
schloss an der Bergischen Universität in Wuppertal ein Magisterstudium in Germanistik,
Wirtschaftswissenschaften und Philosophie ab. Anschließend arbeitete sie unter
3
anderem als freie PR-Beraterin, Journalistin sowie als Referentin und Teamleiterin in
einem Unternehmen der Kreditversicherungswirtschaft. Von 1996 bis zum 31.12.2003
war sie als PR-Refrentin und stellvertretende Leiterin Kommunikation bei der q. AG in
Plettenberg tätig. In dem von diesem Unternehmen unter dem 31.12.2003 der Klägerin
erteilten Zeugnis (Bl. 24 f. d.A.) heißt es auf Seite 2 auszugsweise:
In diesem Zusammenhang ist es uns ein besonderes Anliegen, mit G. Zustimmung
darauf hinzuweisen, dass sie auch nach einem sehr schweren Verkehrsunfall, bei dem
sie ihren rechten Arm verlor, ebenso leistungs- und ergebnisstark agierte wie vorher.
4
Dieser Satz ist im Zeugnis nicht hervorgehoben.
5
Bei der Beklagten zu 1, der Muttergesellschaft der Beklagten zu 2, handelt es sich um
einen Hersteller von Aufzügen, Fahrtreppen, Fahrsteigen, Treppen- und Plattformliften
sowie Fluggastbrücken. Sie hat über 30.000 Mitarbeiter. Unternehmensgegenstand der
Beklagten zu 2 sind vor allem Vertrieb sowie Serviceleistungen. Sie hat lediglich 5
Mitarbeiter. Unter dem 30.11.2006 erschien eine Stellenausschreibung (Bl. 13 d.A.).
Betitelt war sie mit der Firma der Beklagten zu 2. Darunter stand: Ein Unternehmen von
U. . Die Stellenausschreibung lautet auszugsweise:
6
U. GmbH
7
Ein Unternehmen von U.
8
Die U. I., Essen, ist die Führungsgesellschaft der Business V.. Sie ist ein
Tochterunternehmen der U. AG, die mit über 34.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von
3,8 Mrd. Euro einer der führenden Hersteller von Aufzügen, Fahrtreppen und
Fahrsteigen, Treppen und Plattformliften sowie Fluggastbrücken ist. U. ist in mehr als 60
Ländern und an über 800 Standorten weltweit vertreten. Unser Name steht für höchste
Qualität und zuverlässige Produkte.
9
U. ist weltweit zuständig für Produktion, Vertrieb und Service von Treppen- und
Plattformliften sowie Home Elevators. Sie ist in 11 Ländern mit eigenen Gesellschaften
vertreten. Insgesamt beschäftigt die Business V. ca. 750 Mitarbeiter in 13 Unternehmen
und konnte im Geschäftsjahr 2004/2005 einen Umsatz von 134 Mio. Euro realisieren.
10
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11
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18
U.
19
Unter dem 15.12.2006 bewarb sich die Klägerin auf die ausgeschriebene Stelle. Die
Bewerbung richtete sie an die in der Stellenausschreibung angegebene Mitarbeiterin H.
der Beklagten zu 1. Im Anschreiben und im Lebenslauf der Klägerin (Bl. 15 ff. d.A.) hat
sie auf ihre Behinderung nicht hingewiesen. Ob das oben aufgeführte Zeugnis vom
31.12.2003 der Bewerbung beilag, ist zwischen den Parteien streitig. Ob bei der
Beklagten zu 2 eine Schwerbehindertenvertretung besteht, ist zwischen den Parteien
ebenfalls streitig. Die bestehende Konzernschwerbehindertenvertretung ist jedenfalls
beim Einstellungsverfahren nicht beteiligt worden. Die Beklagten haben keinen
gesonderten Kontakt mit der Agentur für Arbeit wegen der Besetzung der Stelle gehabt.
Ob die Beklagten zu 1 im Rahmen des Bewerbungsverfahrens routinemäßig die
Onlinejobbörse der Agentur für Arbeit kontaktiert hat, ist streitig.
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Mit Schreiben vom 3.1.2007 (Bl. 28 d.A.) teilte die Beklagte zu 1 der Klägerin mit, dass
deren Qualifikationsprofil nicht mit den Anforderungen übereinstimme. Ein
Vorstellungsgespräch fand nicht statt. Mit Schreiben vom 7.2.2007 (Bl. 29 d.A.) machten
die Prozessbevollmächtigten der Klägerin einen Entschädigungsanspruch nach § 15
Abs. 2 AGG geltend. Das Schreiben richtete sich an die Personalabteilung der
Beklagten zu1. Unter dem 1.3.2007 (Bl. 31 d.A.) teilte die Rechtsabteilung der Beklagten
zu 1 mit, dass die Bewerbungsunterlagen keinen Anhaltspunkt für eine
Schwerbehinderung der Klägerin enthielten. Des Weiteren wies sie darauf hin, dass es
sich um eine Bewerbung der Klägerin um die Position bei ihrer Tochtergesellschaft, der
Beklagten zu 2 handelte.
21
Mit Klageschrift vom 20.3.2007, beim Gericht am 21.3.2007 eingegangen, hat die
Klägerin zunächst einen Entschädigungsanspruch gegen die Beklagte zu 1 geltend
gemacht. Auf den Hinweis der Beklagten zu 1 im Schriftsatz vom 3.5.2007 (Bl. 54 d.A.)
hat die Klägerin unter dem 4.5.2007 (Bl. 62 d.A.) ihre Klage gegen die Beklagte zu 2
erweitert. Die Klage ist der Beklagten zu 2 am 14.5.2007 (Bl. 71 d.A.) zugestellt worden.
22
Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stünde eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG
zu, da sie wegen ihrer Behinderung benachteiligt worden sei. Hierzu behauptet sie,
dass das Zeugnis vom 31.12.2003 ihren Bewerbungsunterlagen beigelegen habe. Es
sei davon auszugehen, dass die Beklagten auch das Zeugnis gelesen hätten. Es
handele sich um das jüngste Zeugnis vom letzten Arbeitgeber, was unstreitig ist. Nach
allgemeiner Erfahrung werde dieses gelesen. Eine Benachteiligung sei auch deswegen
zu vermuten, weil sie das geforderte Qualifikationsprofil erfülle. Fachliche Erwägungen
könnten kein Grund dafür sein, dass sie noch nicht einmal zu einem
Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei. Sie habe über das von den Beklagten
verlangte Hochschulstudium nicht verfügen können, da es diese Studiengänge damals
noch nicht gegeben habe. Es handele sich um eine mittelbare Benachteiligung wegen
des Alters, da eine entsprechende Qualifikation ältere Bewerber ausschließe.
23
Die Vermutung einer Benachteiligung wegen ihrer Schwerbehinderung ergebe sich
24
auch aus dem Umstand, dass die Beklagten die Schwerbehindertenvertretung entgegen
§ 81 Abs. 1 SGB IX nicht unterrichtet hätten. Jedenfalls sei die
Konzernschwerbehindertenvertretung nach § 97 Abs. 6 SGB IX mit einzubeziehen
gewesen.
Schließlich ergebe sich eine Vermutung für die Benachteiligung wegen ihrer
Schwerbehinderung aus dem Umstand, dass die Beklagten nicht versucht hätten, die
Stelle gemäß § 81 Abs. 1 S 2 SGB IX über einen Kontakt mit der Agentur für Arbeit mit
einem schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Eine Anfrage über die
Onlinejobbörse sei nicht ausreichend. Sie habe sich bei der Agentur für Arbeit
Wuppertal Arbeit suchend gemeldet, da sie beabsichtigt habe umzuziehen.
25
Die Klägerin ist der Auffassung, die Geltendmachung gegenüber der Beklagten zu 1
genüge zur Wahrung der Ausschlussfrist, da die Beklagte zu 2 das Auswahlverfahren
auf die Beklagte zu 1 übertragen habe. Dies ergebe sich aus der Stellenausschreibung
und den Ablehnungsschreiben. Die Beklagte zu 1 sei alleiniger Ansprechpartner
gewesen. Dies müsse dann auch für die Geltendmachung von
Entschädigungsansprüchen gelten. Zumindest sei es treuwidrig, wenn sich die Beklagte
zu 2 auf die Verfristung berufe.
26
Die Klägerin ist zudem der Auffassung, die Beklagte zu 1 hafte als Herrin des
Bewerbungsverfahrens . § 15 Abs. 2 AGG stelle nicht ausdrücklich auf den Arbeitgeber
ab. Aus der Stellenanzeige ergebe sich nicht eindeutig, dass Arbeitgeber die Beklagte
zu 2 werden sollte.
27
Schließlich ist die Klägerin ist der Meinung, als Entschädigung seien 12 Gehälter
angemessen. Nachdem sie zunächst von einem monatlichen Gehalt in Höhe von 3000
EUR ausgegangen war, hat sie zuletzt geltend gemacht, dass das Jahresgehalt in einer
solchen Position bis zu 100.000 EUR betrage.
28
Die Klägerin beantragt:
29
Die Beklagten werden verurteilt, an sie als Gesamtschuldner eine Entschädigung zu
zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
30
Die Beklagten beantragen,
31
die Klage abzuweisen.
32
Die Beklagte zu 1 ist der Auffassung, ihre fehle bereits die Passivlegitimation. Es habe
sich um eine von der Beklagten zu 2 ausgeschriebene Stelle gehandelt. Sie behauptet,
die Auswahlentscheidung sei nicht von ihr getroffen worden. Sie habe lediglich der
Beklagten zu 2 Kapazitäten in der Personalabteilung zur Verfügung gestellt, was
unstreitig. Ihre Mitarbeiterin habe allerdings die Vorauswahl getroffen, so dass die
Bewerbung der Klägerin erst gar nicht zu den Entscheidungsträgern der Beklagten zu 2
gelangt sei, was unstreitig ist. Es habe auch keine Rücksichtnahmepflicht in dem Sinne
gegeben, dass sie die Klägerin auf Ansprüche gegenüber der Beklagten zu 2 hätte
hinweisen müssen. Sie habe dies im Übrigen in ihrem Schreiben vom 1.3.2007 getan.
33
Die Beklagten machen geltend, die Behinderung der Klägerin habe sich aus der
Bewerbung nicht ohne weiteres ergeben. Ob das Zeugnis der Bewerbung beigefügt
34
gewesen sei, könnten sie nur mit Nichtwissen bestreiten, da die Bewerbungsunterlagen
zurückgesandt worden seien. Jedenfalls habe kein Mitarbeiter das Zeugnis gelesen. Es
habe über 60 Bewerbungen für die ausgeschrieben Stelle gegeben. Sie behaupten
ferner, der eingestellte Bewerber verdiene ca. 4000 e brutto monatlich.
Die Beklagten machen geltend, die Klägerin habe dem Anforderungsprofil nicht
entsprochen. Die Beklagte zu 2 habe ein abgeschlossenes Hochschulstudium mit
Schwerpunkt Marketing, Kommunikation und Journalismus verlangt. Ein Arbeitgeber
beschäftige sich nicht mit weiteren Bewerbungsunterlagen, wenn den Anforderungen
nicht entsprochen werde.
35
Die Beklagten behaupten des weiteren, bei der Beklagten zu 2 bestehe keine
Schwerbehindertenvertretung. Es gebe auch keine
Gesamtschwerbehindertenvertretung. Sie sind der Meinung, dass die
Konzernschwerbehindertenvertretung nicht einzuschalten gewesen sei. Dies gelte
bereits deswegen, weil sie keine Kenntnis von der Schwerbehinderung der Klägerin
gehabt hätten. Zudem habe keine Zuständigkeit der
Konzernschwerbehindertenvertretung bestanden.
36
Die Beklagten sind der Auffassung, es bestehe auch keine Vermutung der
Benachteiligung wegen einer Verletzung ihrer Pflichten nach § 81 Abs. 1 S. 2 SGB IX.
Die Beklagte zu 1 habe routinemäßig die Onlinejobbörse der Agentur für Arbeit auf in
Frage kommende Bewerberinnen und Bewerber geprüft. Die Entscheidung des BAG
vom 12.9.06 beziehe sich auf einen öffentlichen Arbeitgeber. Zudem habe sich die
Klägerin aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis gemeldet. Im Termin am 18.9.2007
haben die Beklagten geltend gemacht, eine Benachteiligung wegen Behinderung zu
vermuten sei abwegig. Ihr Konzern engagiere sich für eine Beschäftigung von
behinderten Menschen. Er übererfülle seine Beschäftigungsquote mit 6,2 %.
37
Schließlich meint die Beklagte zu 2, der Entschädigungsanspruch sei ihr gegenüber
nicht rechtzeitig innerhalb der Ausschlussfrist nach § 15 Abs. 4 AGG geltend gemacht
worden sei. Es könne nichts anderes gelten wie bei einer Kündigungsschutzklage
gemäß § 4 KSchG, die gegenüber dem unzutreffenden Arbeitgeber erhoben werde.
38
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der Parteienschriftsätze sowie den gesamten weiteren Akteninhalt
Bezug genommen.
39
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
40
Die zulässige Klage ist unbegründet.
41
I.
42
Die Klage ist zulässig. Die Klägerin war nicht verpflichtet, in ihrem Klageantrag eine
konkrete Höhe der Entschädigung anzugeben. Die Leistungsklage kann vielmehr
unbeziffert erhoben werden (Bauer/Göpfert/Krieger § 15 AGG Rn. 37; Adomeit/Mohr §
15 AGG Rn. 56; vgl. BAG 15.2.2005 - 9 AZR 635/03, NZA 2005, 870 ff. zu § 81 SGB IX
a.F.).
43
II.
44
Die Klage gegen die Beklagte zu 1 ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht
passivlegitimiert. Anspruchsgegner im Sinne des § 15 Abs. 2 AGG kann nur der
(potentielle) Arbeitgeber sein.
45
1. Beim Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist allein der (potentielle)
Arbeitgeber Anspruchsgegner (so auch Däubler/Bertzbach/Deinert § 15 AGG Rn. 87;
Meinel/Heyn/Herms § 15 AGG Rn. 31; a.A. Diller NZA 2007, 649, 650 ff.). Zu diesem
Ergebnis gelangt man auch, wenn man vertritt, dass es sich bei § 15 Abs. 2 AGG um
eine Rechtsfolgeregelung handelt und hinsichtlich der Voraussetzungen auf § 15 Abs.1
AGG zurückgreift (Adomeit/Mohr § 15 AGG Rn. 3, 35; PalandtWeidenkaff, 66. Aufl. 2007,
§ 15 AGG Rn. 6; vgl. auch Bauer/Göpfert/Krieger § 15 AGG Rn. 31; vgl. zur Problematik
einer Rechtsfolgeregelung auch Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz,
2007, Rn. 514, 516; ErfK/Schlachter § 15 AGG Rn. 5).
46
Für eine bloße Passivlegitimation des (potentiellen) Arbeitgebers spricht die Auslegung
der gesetzlichen Regelung. Zwar ist der Wortlaut der Norm nicht eindeutig, da § 15 Abs.
2 AGG nicht den Anspruchsgegner benennt (Diller NZA 2007, 649, 650). Für dieses
Auslegungsergebnis sprechen aber die Entstehungsgeschichte sowie die
systematische und teleologische Auslegung der Norm.
47
Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ging es um europarechtlich erforderliche,
wirksame und verschuldensabhängige Sanktionen bei Verletzung des
Benachteiligungsverbotes durch den Arbeitgeber (BT-Drs. 16/1780, S. 38). Es sollte
eine abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber erreicht werden. Allgemein
heißt es in der Begründung, dass mit § 15 AGG eine klarere Unterscheidung zwischen
dem Ersatz materieller und immaterieller Schäden gegenüber § 611 a BGB erreicht
werden soll. In § 611 a Abs. 2 BGB war noch ausdrücklich von einem Verstoß des
Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot die Rede. In § 15 Abs. 1 ADG, der die
Entschädigung im vorherigen Entwurf zum Antidiskriminierungsgesetz beinhaltete, war
übrigens auch ausdrücklich von einem Verstoß des Arbeitgebers gegen das
Benachteiligungsverbot die Rede.
48
Systematisch geht es im gesamten § 15 AGG allein um Ansprüche gegen den
Arbeitgeber. Dies wird besonders deutlich anhand von § 15 Abs. 5 AGG, der klarstellt,
dass sonstige Ansprüche gegen den Arbeitgeber aus anderen Rechtsvorschriften
unberührt bleiben. Wollte § 15 AGG auch Ansprüche gegen Dritte regeln, so bliebe in §
15 Abs. 5 AGG völlig im Unklaren, was mit Ansprüchen aus sonstigen
Rechtsgrundlagen gegen diese Dritte wäre. Auch die Diskussion um die Frage, ob es
sich bei Abs. 2 um eine Rechtsfolgeregelung handelt (vgl. etwa Willemsen/Schweibert
NJW 2006, 2583, 2589; Bauer/Evers NZA 2006, 893, 896), zeigt die enge systematische
Verbindung zu § 15 Abs. 1 AGG auf. Bei dieser Diskussion geht es um die Problematik,
ob der Entschädigungsanspruch verschuldensunabhängig ist. Dies wäre bei einer
reinen Rechtsfolgeregelung schwer begründbar, da sich aus § 15 Abs. 1 S. 2 AGG
ergibt, dass der Erstattungsanspruch des materiellen Schadens verschuldensabhängig
sein soll. Der Gesetzgeber hat aber in seiner Begründung zu § 15 AGG gerade betont,
dass er die Unterscheidung zwischen Ersatz des materiellen und des immateriellen
Schadens deutlicher machen will (s.o.). Selbst wenn man § 15 Abs. 2 AGG nicht als
reine Rechtsfolgeregelung ansehen will, wofür vieles spricht (Willemsen/Schweibert
NJW 2006, 2583, 2589), so ist doch klar, dass die weiteren Voraussetzungen des § 15
Abs. 1 AGG vorliegen müssen, nämlich ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot
49
durch den Arbeitgeber. § 15 Abs. 2 AGG kann nicht ohne Abs. 1 gelesen werden
(Willemsen/Schweibert NJW 2006, 2583, 2589; Bauer/Evers NZA 2006, 893, 896).
Schließlich geht auch § 61 b ArbGG davon aus, dass Ansprüche nach § 15 AGG gegen
den Arbeitgeber geltend zu machen sind, da andernfalls die Zuständigkeit für
Arbeitsgerichte nicht gegeben wäre. Warum bei einer Klage gegen Dritte andere
Regelungen gelten sollten, ist nicht ersichtlich. Dabei kann hier dahinstehen, ob und
welches Verhalten Dritter dem Arbeitgeber zuzurechnen ist (zur Zurechnung eines
Verhaltens Dritter im Rahmen des § 611 a BGB vgl. BAG 5.2.04 - 8 AZR 112/03, NZA
2004, 540 ff.).
Aus den obigen Ausführungen ergibt sich letztlich der Wille des Gesetzgebers, dass
Anspruchsgegner im Rahmen des § 15 Abs. 2 AGG ebenso wie in den sonstigen
Regelungen der Norm allein der (potentielle) Arbeitgeber ist.
50
Die Klägerin hat hiergegen unter Verweis auf Diller (NZA 2007, 649 ff.) argumentiert,
entscheidend sei, wer Herrin des Auswahlverfahrens sei. Die Probleme, die sich
dadurch ergeben können, dass ein Arbeitgeber im Rahmen eines Auswahlverfahrens
Dritte einbezieht, womöglich selbst sogar anonym bleibt, können aber auch anders
gelöst werden. Ob die denkbaren Probleme eines Bewerbers etwa durch einen
Auskunftsanspruch oder durch einen abweichenden Zeitpunkt des Beginns des Laufs
der Ausschlussfrist nach § 15 Abs. 4 AGG zu lösen sind, bedarf hier keiner
Entscheidung. Die oben aufgeführten systematischen Auslegungsgesichtspunkte
werden von dieser Auffassung völlig unberücksichtigt gelassen, so dass sie letztlich
nicht zu überzeugen vermag. Sonstige Rechtsgrundlagen für Ansprüche gegen Dritte
werden durch § 15 AGG ebenso wenig berührt wie die des Arbeitgebers (vgl. § 15 Abs.
5 AGG).
51
2. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus der Stellenausschreibung vom
30.11.2006, dass es sich um eine solche der Beklagten zu 2 handelt. Diese sollte also
im Falle einer erfolgreichen Bewerbung Arbeitgeberin werden. Hierfür spricht nicht nur,
dass die Firma der Beklagten zu 2 in Fettschrift die Ausschreibung betitelt. Die Beklagte
zu 2 wird auch im darunter stehenden Text zunächst angeführt. Der Hinweis, dass es
sich um ein Tochterunternehmen der Beklagten zu 1 handelt, dient zum einen dazu, die
Beklagte zu 2 näher zu beschreiben, zum anderen den Bewerbern verständlich zu
machen, warum sich die Bewerbungen an die Beklagte zu 1 richten sollen.
52
3. Die Klägerin hat sich auf andere Anspruchsgrundlagen gegenüber der Beklagten zu 1
nicht berufen. Im übrigen wäre insoweit die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für
Arbeitssachen zumindest fraglich.
53
4. Nach alldem ist die Beklagte zu 1 nicht der richtige Anspruchsgegner. Die Klage
gegen sie ist unbegründet.
54
III.
55
Die Klage gegen die Beklagte zu 2 ist ebenfalls unbegründet. Ein möglicher
Entschädigungsanspruch der Klägerin wäre jedenfalls nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen.
56
1. Gemäß § 15 Abs. 4 AGG ist auch ein Entschädigungsanspruch nach Abs. 2 innerhalb
einer Frist von 2 Monaten nach Zugang der Ablehnung schriftlich geltend zu machen.
Diese Ausschlussfrist hat die Klägerin nicht eingehalten.
57
a) Die Klägerin hat ihren vermeintlichen Entschädigungsanspruch gegenüber der
Beklagten zu 2 erst mit der Klageerweiterung vom 4.5.2007 geltend gemacht. Die Klage
ist der Beklagten zu 2 erst am 14.5.2007 zugestellt worden (Bl. 71 d.A.). Das
Ablehnungsschreiben ist vom 3.1.2007.
58
Die zweimonatige Frist gemäß § 15 Abs. 4 S. 1 AGG beginnt mit Zustellung der
Ablehnung. Selbst wenn man von der klaren gesetzlichen Regelung Ausnahmen wollte
für den Fall, dass einem Bewerber die für die Geltendmachung erforderliche Kenntnisse
fehlen oder der Anspruchsgegner unklar ist, so begann die zweimonatige
Ausschlussfrist spätestens am 5.3.2007 zu laufen, da die Prozessbevollmächtigten an
diesem Tag laut Eingangsstempel (vgl. Bl. 31 d.A.) das Schreiben der Beklagten zu 1
erhielten, mit dem diese darauf hinwies, dass es sich um ein Bewerbungsverfahren ihrer
Tochtergesellschaft, der Beklagten zu 2, gehandelt hat. Spätestens ab diesem Zeitpunkt
kannte die Klägerin alle erforderlichen Angaben, um ihren vermeintlichen Anspruch
auch gegenüber der Beklagten zu 2 geltend zu machen. Die Regelung des § 167 ZPO
kommt der Klägerin nicht zugute. Diese findet keine Anwendung bei der ersten Stufe,
also der außergerichtlichen Geltendmachung der zweistufigen Ausschlussfrist.
59
b) Ein etwaiger Anspruch der Klägerin ist auch nicht durch ihr Schreiben vom 7.2.2007
an die Beklagte zu 1 rechtzeitig geltend gemacht worden. Dabei kann dahinstehen, ob
für den Fall, dass ein Arbeitgeber sich im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens eines
Dritten bedient, dieser als empfangsberechtigt für die Geltendmachung angesehen
werden kann. Entscheidend ist, dass das Schreiben der Klägerin vom 7.2.2007 an die
Beklagte zu 1 hinsichtlich eines Anspruchs gegen die Beklagte zu 2 nicht hinreichend
bestimmt ist.
60
aa) Zu den Anforderungen einer schriftlichen Geltendmachung zählt, dass der
Anspruchsinhaber seinen Anspruch hinreichend bestimmt beschreibt. Der Anspruch
muss spezifiziert werden. Dies gilt nicht nur hinsichtlich des Grundes und der Höhe.
Kommen mehrere Schuldner in Betracht, so muss der Anspruchsgegner ebenfalls
benannt werden oder sich aus den Umständen deutlich ergeben.
61
bb) Diesen Anforderungen wird das Schreiben der Klägerin vom 7.2.2007 nicht gerecht.
Das Schreiben richtet sich an die Beklagte zu 1, nicht an die Beklagte zu 2. Zwar ist im
Schreiben der Klägerin die Rede davon, dass sie sich auf eine Position des Manager
Communication und Marketing in Ihrem Unternehmen beworben habe. Da die Beklagte
zu 1 wusste, dass nicht sie, sondern ihr Tochterunternehmen diese Position zu besetzen
hatte, hätte sie womöglich das Schreiben der Klägerin als Geltendmachung gegenüber
der Beklagten zu 2 interpretieren können. Dies ist aber nicht zwingend. Die Klägerin
selbst wollte wohl einen Anspruch gegen die Beklagte zu 1 geltend machen. Das zeigt
auch ihre zunächst erhobene Klage gegen die Beklagte zu 1. Selbst wenn man die
Beklagte zu 1 als Empfangsberechtigte für die Beklagte zu 2 ansehen wollte, genügte
das Schreiben er Klägerin dennoch nicht den Anforderungen. Die Klägerin selbst vertritt
im Verfahren die Auffassung, dass sowohl die Beklagte zu 1 als auch die Beklagte zu 2
als Anspruchsgegner in Betracht kommen. Vor diesem Hintergrund hätte es einer
Klarstellung bedurft, dass sich der Anspruch (auch) gegen die Beklagte zu 2 richtet. Die
Kammer ist der Auffassung, dass sie damit an die Klägerin keine überspannten
Anforderungen stellt. Spätestens nach dem Schreiben der Beklagten zu 1 vom 1.3.2007
muss auch die Klägerin die Unterscheidung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft
vor Augen gehabt haben.
62
cc) Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, die Beklagte zu 2 handele
treuwidrig, wenn sie die Beklagte zu 1 im Bewerbungsverfahren einschalte und dann
Schreiben an diese nicht gelten lasse. Zum einen ist bereits sehr fraglich, wie weit
vorvertragliche Treuepflichten gehen (vgl. zu nachvertraglichen Treuepflichten BAG
18.11.2004 - 6 AZR 651/03, NZA 2005, 516 ff.). Zum anderen hat die Beklagte zu 1 mit
Schreiben vom 1.3.2007 an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin darauf
hingewiesen, dass es sich um eine Stellenausschreibung ihrer Tochtergesellschaft, also
der Beklagten zu 2 handelt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt waren die Umstände
hinreichend transparent, so dass das Verhalten der Beklagten zu 2 nicht als treuwidrig
gewertet werden kann.
63
2. Die Kammer weist die Parteien daraufhin, dass im Übrigen noch nicht abschließend
beurteilt werden könnte, ob der Kläger grundsätzlich ein Entschädigungsanspruch
zugestanden haben könnte, der allerdings nach Auffassung der Kammer verfallen wäre.
64
a) Sofern die Klägerin anführt, es bestehe bereits eine tatsächliche Vermutung für eine
Benachteiligung, weil die Beklagte zu 2 ihre Behinderung gekannt und sie trotz
Erfüllung des Anforderungsprofils keine Einladung zum Vorstellungsgespräch erhalten
habe, so kann die Kammer dem nicht folgen. Es steht nicht fest, dass die Beklagte zu 2
oder ihre Handlungsgehilfen Kenntnis von der Behinderung der Klägerin hatten.
65
Der Klägerin hilft nicht die Regelung des § 22 AGG weiter. Aufgabe der Klägerin wäre
es gewesen, Indizien zu beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG
genannten Kriterien vermuten lassen. Dabei besteht wohl überwiegend
Übereinstimmung, dass ein Arbeitnehmer Indizien darlegen muss, die eine
Benachteiligung überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. etwa
Bauer/Göpfert/Krieger § 22 AGG Rn. 2; ErfK/Schlachter § 22 AGG Rn. 1; vgl. zu § 81
SGB IX a.F., so bereits BAG 15.2.2005 - 9 AZR 635/03, NZA 2005, 870 ff.). Solche
Indizien sind nicht ersichtlich. Es besteht keine tatsächliche Vermutung dafür, dass die
Beklagte zu 2 bzw. die für sie tätige Mitarbeiterin der Beklagten zu 1 tatsächlich
Kenntnis von der Behinderung hatten. Es ist weder überwiegend wahrscheinlich, dass
die Beklagte zu 2 bzw. die für sie tätige Mitarbeiterin der Beklagten zu 1 das
Qualifikationsprofil als erfüllt angesehen, noch dass sie von der entscheidenden
Passage über die Behinderung im Zeugnis Kenntnis genommen haben. Es kommt nicht
darauf an, dass der Bewerber die fachliche Eignung offensichtlich nicht besitzt. Eine
dem § 82 S. 3 SGB IX entsprechende Regelung für private Arbeitgeber gibt es nicht. Es
erscheint der Kammer zumindest unwahrscheinlich, wenn nicht lebensfremd
anzunehmen, dass Arbeitgeber bei allen Bewerbungen zumindest das jüngste
Arbeitszeugnis konzentriert durchlesen. Wenn ein Arbeitgeber aufgrund des
Anschreibens und des Lebenslaufes zu der Auffassung gelangt, dass ein Bewerber für
ihn uninteressant ist, gibt es keinen ersichtlichen Grund für ihn, weitere Zeit zu
investieren. Etwas anderes gilt auch nicht im vorliegenden Verfahren. Die
entscheidende Textpassage ist in keiner Weise hervorgehoben. Das Verhalten der
Klägerin hinsichtlich ihrer Behinderung ist intransparent. Es besteht zwar keine Pflicht
eines Arbeitnehmers, auf seine Behinderung hinzuweisen, er kann aber dann nicht
davon ausgehen, dass der Arbeitgeber Kenntnis von diesem Umstand erlangt und eine
Nichtberücksichtigung der Bewerbung gegen die Regelungen des AGG verstößt, das ja
gerade der Transparenz von Bewerbungsverfahren dienen soll.
66
b) Es besteht auch keine tatsächliche Vermutung einer Benachteiligung wegen
67
Behinderung aufgrund einer Verletzung der Pflicht gemäß § 81 Abs. 1 S. 4 AGB IX (vgl.
hierzu BAG 15.2.2005 - 9 AZR 635/03, NZA 2005, 870 ff.). Eine derartige Vermutung
kommt nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber Kenntnis davon hat, dass eine Bewerbung
eines schwerbehinderten Menschen vorliegt. Dies steht vorliegend nicht fest. Aus den
angeführten Gründen besteht auch keine Vermutung, dass die Beklagte zu 2 hiervon
Kenntnis hatte. Aus diesem Grund kann dahinstehen, ob im Betrieb der Beklagten zu 2
eine Schwerbehindertenvertretung besteht bzw. ob die
Konzernschwerbehindertenvertretung ggf. zuständig gewesen wäre.
c) Ob eine Benachteiligung wegen Behinderung anzunehmen ist, weil die Beklagte zu 2
ihrer Pflicht nach § 81 Abs. 1 S. 2 SGB IX nicht nachgekommen ist, kann noch nicht
abschließend beurteilt werden. Zunächst hat die Klägerin zutreffend auf die
Entscheidung des BAG vom 12.9.2006 (9 AZR 807/05, NZA 2007, 507 ff.) hingewiesen.
Danach ist die Tatsache der Nichteinschaltung der Agentur für Arbeit geeignet, die
Vermutung einer Benachteiligung wegen Schwerbehinderung zu begründen, da der
objektiv gesetzeswidrig handelnde Arbeitgeber den Anschein erweckt, nicht nur an der
Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein, sondern auch
möglichen Vermittlungsversuchen aus dem Weg gehen zu wollen. Entgegen der
Auffassung der Beklagten ist nicht davon auszugehen, dass sich diese Vermutung allein
auf Pflichtverletzungen durch öffentliche Arbeitgeber beschränkt. Das BAG hat die
tatsächliche Vermutung nicht allein bei Verletzungen von Pflichten nach § 82 SGB IX
aufgestellt. Die Pflicht nach § 81 Abs. 1 S. 2 SGB IX trifft alle Arbeitgeber. Die Kammer
kann dahingestellt sein lassen, ob die Kritik der Beklagten an dieser weiten
Interpretation der Entscheidung wegen der praktischen Schwierigkeiten (Überhäufung
der Agenturen für Arbeit mit Anfragen; keine Rückmeldung an den Arbeitgeber;
Verzögerungen oder Stopp der Einstellungsverfahren) berechtigt ist. Sie möchte allein
darauf hinweisen, dass die tatsächliche Vermutung widerlegt werden kann, indem ein
Arbeitgeber konkret darlegt, dass er seine Pflicht zur Beschäftigung von
schwerbehinderten Menschen gemäß § 71 SGB IX übererfüllt. In einem solchen Fall
kann nicht davon ausgegangen werden, dass er kein Interesse an der Beschäftigung
schwerbehinderter Menschen hat oder sich grundsätzlich rechtswidrig verhalten will.
Die Beklagten haben im Termin am 18.9.2007 vorgetragen, dass die
Beschäftigungsquote schwerbehinderter Menschen im Konzern 6,2 % betrage. Unter
welchen Bedingungen eine konzernweite Überfüllung geeignet ist, die tatsächliche
Vermutung zu widerlegen, kann letztlich offen bleiben.
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d) Abschließend weist die Kammer darauf hin, dass eine mittelbare Benachteiligung der
Klägerin wegen ihres Alters aufgrund des aufgestellten Anforderungsprofils ohne
Anführung weiterer Umstände abwegig erscheint.
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Gemäß § 11 AGG darf ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG
ausgeschrieben werden. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters liegt nicht
vor und wird auch nicht geltend gemacht. Es handelt sich um eine neutrale
Stellenausschreibung. Eine mittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG
liegt ebenfalls nicht vor. Der Vortrag der Klägerin ist insoweit bereits völlig
unsubstantiiert und zudem von den Beklagten bestritten worden.
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Im übrigen sei darauf hingewiesen, dass Arbeitgeber in der Erstellung eines
Anforderungsprofils grundsätzlich frei sind. Nach der bisherigen Rechtsprechung des
BAG (hierzu BAG 25.6.2004 - 2 AZR 326/03, NZA 2004, 1268 ff.) unterliegt dabei die
Gestaltung des Anforderungsprofils für den freien Arbeitsplatz der lediglich auf offenbare
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Unsachlichkeit zu überprüfenden Unternehmerdisposition des Arbeitgebers. Soweit für
die sachgerechte Erledigung der Arbeitsaufgabe bestimmte persönliche oder sachliche
Voraussetzungen erforderlich sind, kann die unternehmerische Entscheidung, welche
Anforderungen an den Stelleninhaber zu stellen sind, nur auf offenbare Unsachlichkeit
gerichtlich überprüft werden. Die Entscheidung des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten
nur von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, ist von den
Arbeitsgerichten grundsätzlich jedenfalls dann zu respektieren, wenn die
Qualifikationsmerkmale einen nachvollziehbaren Bezug zur Organisation der
auszuführenden Arbeiten haben. Etwas anderes gilt lediglich bei der Festlegung rein
persönlicher Merkmale ohne hinreichenden Bezug zur konkreten Arbeitsaufgabe. Der
Arbeitgeber kann also auch den Hochschulabschluss einer bestimmten Fachrichtung,
auch einer neuen Fachrichtung verlangen. Andernfalls wäre bei konsequenter
Fortführung der Argumentation der Klägerin ebenso eine Benachteiligung junger
Absolventen anzunehmen, die eben diese Fachrichtung gewählt haben, wenn neue
Fachrichtungen nicht mehr aufgenommen werden dürften. Ein abschluss- oder
fachneutrales Anforderungsprofil ist keine Lösung, sondern in sich widersprüchlich und
schlicht unsinnig. Eine willkürliche Erstellung eines Anforderungsprofils kann nur bei
Darlegung weiterer, konkreter Umstände in Betracht kommen.
IV.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG.
73
V.
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Der Streitwertfestsetzung (zugleich Entscheidung nach § 63 Abs. 2 GKG) liegen 12
Monatsgehälter zu je 4000 € zugrunde.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
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B e r u f u n g
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eingelegt werden.
79
Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
82
beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
(0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
83
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung
84
Die Berufungsschrift muss von einem Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle
können Vertreter einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von
Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht
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zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren
Mitglieder Partei sind. Die gleiche Befugnis haben Angestellte juristischer Personen,
deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten
Organisationen stehen, solange die juristische Person ausschließlich die
Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend
deren Satzung durchführt.
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
86
gez. E.
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