Urteil des ArbG Dortmund vom 19.04.2008

ArbG Dortmund: anpassung, ermessen, teuerungsausgleich, arbeitsgericht, altersrente, billigkeit, lebenshaltung, zusage, interessenabwägung, vergleich

Arbeitsgericht Dortmund, 7 Ca 5877/07
Datum:
19.04.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Dortmund
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 Ca 5877/07
Schlagworte:
betriebliche Altersrente, Garantieanpassung, individuelle Anpassung,
Teuerungsrate
Normen:
§§ 16 Abs. 2 u.3 Ziff. 1, 30 c Abs. 4 BetrAVG
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab dem 01.11.2007 eine
Rente in Höhe von insgesamt 3.416,16 EUR zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 1.062,30 EUR nebst 5
Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz von je 106,23 EUR seit
dem 02.01.2007, 02.02.2007, 02.03.2007, 02.04.2007, 02.05.2007,
02.06.2007, 02.07.2007, 02.08.2007, 02.09.2007, 02.10.2007 zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Streitwert: 3.824,28 EUR.
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten um die Höhe der Anpassung einer betrieblichen Altersrente.
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Die Beklagte unterhält einen weltweit tätiges Ingenieurunternehmen, dessen
Tätigkeitsbereich in der Planung und im Bau von Chemie-, Raffinerie- und anderen
Industrieanlagen besteht. Sie gehört dem T1-K5-Konzern an.
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Der am 13.09.1938 geborene Kläger trat am 01.07.1966 auf der Grundlage eines
schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01.03.1966 als Ingenieur in die Dienste der
Beklagten. Im Laufe der Beschäftigungszeit wurde mehrere Ergänzungsverträge
geschlossen. Wegen des Inhalts der zwischen den Parteien geschlossenen Verträge
wird auf die zu den Akten gegebenen Ablichtungen (Blatt 6 ff. der Akten) verwiesen. In
sämtlichen Verträgen verpflichtete die Beklagte sich, dem Kläger eine betriebliche
Altersversorgung, bestehend aus einer betrieblichen Grundversorgung und einer
betrieblichen Zusatzversorgung zu zahlen. Der Kläger schied zum 30.09.1998 aus dem
Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus und bezog ab dem 01.10.1998 eine betriebliche
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Altersversorgung, zunächst in Höhe von 3.021,77 EUR. Diese Altersrente wurde von der
Beklagten am 01.01.2001 um 2,68% auf 3.102,75 EUR erhöht, am 01.10.2004 um
3,57% auf 3.213,53 EUR und am 01.01.2007 um 3% auf 3.309,93 EUR.
Gegen die Höhe der zum Stichtag 01.01.2007 erfolgten Anpassung um 3% wehrt sich
der Kläger mit der folgenden Klage.
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Der Kläger ist der Auffassung, dass nach seinem Renteneintritt erfolgten Kaufkraftverlust
seiner Rente auf insgesamt 3.416,16 EUR zu erhöhen war. Die Beklagte könne sich
dem gegenüber nicht auf eine schlechte wirtschaftliche Lage berufen. Die Beklagte
könne dem Kläger nicht die "Mindestanpassungsverpflichtung" gemäß § 16 Abs. 3 Ziff.
1 BetrAVG aufzwingen. Die Beklagte könne dem Anpassungsbedarf nur
entgegenhalten, dass die durchschnittlichen Nettoverdienste innerhalb des
Unternehmens oder eines typischen Teils der Belegschaft des Unternehmens geringer
gestiegen seien und diese keinen vollen Teuerungsausgleich erhalten hätten. Aus den
Ausführungen der Beklagten gehe jedoch nicht hervor, dass die aktiven Arbeitnehmer
im Rahmen der gezahlten Nettolöhne keinen Teuerungsausgleich erhalten hätten.
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Die hypothetische Berechnung, welche die Beklagte vornehme, sei ohne Belang. Die
Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass das von ihr vorgesehene
Anpassungssystem zu erheblichen Vorteilen für die Rentner führe; die Vorteile des von
der Beklagten vorgesehenen Anpassungssystems lägen ausschließlich bei ihr und
führten zu erheblichen Nachteilen bei den Betriebsrentnern.
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Der Kläger beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 01.11.2007 eine um 106,23 EUR
höhere monatliche Betriebsrente (insgesamt 3.416,16 EUR) zu zahlen,
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2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.062,30 EUR nebst 5%-Punkten über dem
Basiszinssatz von 106,23 EUR seit dem 02.01.2007, 02.02.2007, 02.03.2007,
02.04.2007, 02.05.2007, 02.06.2007, 02.07.2007, 02.08.2007, 02.09.2007,
02.10.2007 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte habe mit der Anpassung der Betriebsrente des Klägers zum 01.01.2007
ihrer Anpassungspflicht genügt. Die Beklagte habe nicht nur die Betriebsrente des
Klägers um 3% erhöht, sondern darüber hinaus allen Betriebsrentnern, so auch dem
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Kläger, unter dem 20.09.2007 freiwillig zugesagt, die Betriebsrenten sowohl zum
01.01.2010 als auch zum 31.12.2012 garantiert, d. h. unabhängig von ihrer
wirtschaftlichen Situation, jeweils um 3% zu erhöhen. Dem liege die Überlegung der
Beklagten zugrunde, die Betriebsrenten in Zukunft in einem von ihrer wirtschaftlichen
Situation unabhängigen Anpassungssystems zu vereinheitlichen, wie es der
Gesetzgeber in § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG als grundsätzlich gerecht vorgesehen hat. Ein
Anspruch auf eine weitere Erhöhung der Betriebsrente ab dem 01.01.2007 bestehe
nicht. Die Beklagte habe mit ihrer Anpassung der Pflicht gemäß § 16 BetrAVG genüge
getan. Die 3%ige Garantieanpassung, zu deren Vornahme sich die Beklagte gegenüber
dem Kläger alle drei Jahre verpflichtet habe, entspreche billigem Ermessen. Die
Garantieanpassung bringe die Belange des Versorgungsempfängers und diejenigen
des Arbeitgebers zu einem langfristig gerechten Ausgleich. Zu Gunsten des Klägers sei
zu berücksichtigen, dass die 3%ige Garantieanpassung über die nächsten Jahre
unabhängig von unsicheren Faktoren wie der wirtschaftlichen Lage, der Preissteigerung
und der Nettolohnentwicklung in jedem Fall gewährt werde. Außerdem genieße die
feste Garantiezusage im Gegensatz zu turnusmäßigen Anpassungsprüfung
Insolvenzschutz. Damit sei die Entwicklung der Betriebsrente für den Kläger über einen
langen Zeitraum verstetigt, gesichert und somit planbar.
Des Weiteren sei im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass die
dem Kläger gewährte Rentenanpassung die Nettolohnentwicklung vergleichbarer
Arbeitnehmergruppen im Betrieb der Beklagten sogar übertreffe, wenn die Kürzungen
der gesetzlichen Rentenversicherung und der damit verbundene zusätzliche
Vorsorgeaufwand der Vergleichsarbeitnehmer in die Berechnungen mit einflössen. Über
dies sei auch der Wertzuwachs, den die betriebliche Altersversorgung wegen der
deutlich gestiegenen Lebenserwartung der Bevölkerung erfahre, in die
Interessenabwägung mit einzubeziehen.
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Jedenfalls sei die vom Kläger erhobene Forderung der Höhe nach unzutreffend. Dabei
sei zu berücksichtigen, dass der Zeitpunkt der Anpassungsprüfung bei der Beklagten
jeweils auf den September falle und deswegen jeweils die entsprechenden
Preisindextabellen aus September zu Grunde zu legen seien. Ferner sei zu
berücksichtigen, dass gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 30 c Abs. 4 BetrAVG
die Teuerungsrate bis zum 31.12.2002 mit dem Preisindex für die Lebenshaltung von 4
Personenhaushalten von Arbeitgebern und Angestellten mit mittlerem Einkommen
festzustellen sei und ab dem 01.01.2003 aus dem Verbraucherindex/ Preisindex für
Deutschland abzuleiten sei.
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Lege man diese Grundsätze zugrunde, so sei die Betriebsrente des Klägers allenfalls
auf 3.388,33 EUR zu erhöhen; ein Nachzahlungsanspruch bestehe daher lediglich in
Höhe von 78,40 EUR monatlich.
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Wegen des übrigen Parteienvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze und die zu
den Akten gegebenen Schriftstücke verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger kann von der Beklagten ab dem
01.01.2007 eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 3.416,16 EUR verlangen. Die
Beklagte hatte die Betriebsrente des Klägers zum 01.01.2007 jedenfalls in diesem
Umfang anzupassen. Gemäß § 16 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine
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Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und
hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange
des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu
berücksichtigen. Die Entscheidung des Arbeitgebers kann in entsprechender
Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB durch die Gerichte überprüft werden. Bei der
Ausübung seines billigen Ermessens muss der Arbeitgeber nach § 16 BetrAVG die
Belange der Versorgungsberechtigten einerseits und seiner eigenen wirtschaftlichen
Lage andererseits beachten (BAG v. 17.10.1995 - 3 AZR 881/94).
Die Belange des Betriebsrentners werden durch den Anpassungsbedarf bestimmt. Er
ergibt sich aus dem im Anpassungszeitraum eingetretenen Kaufkraftverlust. Hierbei ist
der vom Rentenbeginn bis zum Anpassungsstichtag eingetretene Kaufkraftverlust
entscheidend (BAG vom 21.08.2007 - 3 AZR 330/06; BAG vom 30.08.2005, 3 AZR
395/04). Die Belange des Betriebsrentners sind erfüllt, wenn entweder der seit seinem
Eintritt in den Ruhestand eingetretene Kaufkraftverlust ausgeglichen oder die
Versorgungsleistung entsprechend der Nettolohnentwicklung vergleichbarer
Arbeitnehmer des Unternehmens angepasst wird. Den Belangen der Betriebsrentner
kann der Arbeitgeber Gesichtspunkte entgegensetzen, die sich aus seiner eigenen
wirtschaftlichen Lage ergeben. Die Beklagte verweist hier allerdings darauf, dass der
Gesetzeswortlaut des § 16 Abs. 1 BetrAVG auf einen nicht abschließenden Charakter
der angegebenen Kriterien hindeutet, da die Belange des Versorgungsempfängers und
die wirtschaftliche Lage des Arbeitsgebers im Rahmen der Ermessensentscheidung
"insbesondere" zu berücksichtigen sind. Aus dem Normzweck, der einerseits primär auf
den Teuerungsausgleich gerichtet ist und andererseits die weitere Ausbreitung der
betrieblichen Altersversorgung nicht hindern soll, ist jedoch zu schließen, dass
Drittinteressen nicht in die Abwägung einzubeziehen sind (so: Blomeyer/Rols/Otto,
Betriebsrentengesetz, 4. Auflage, § 16 Rd. Zi. 128). Jedenfalls aber sind sämtliche aus
der Teuerung ergebende Anpassungsbedarf des Betriebsrentners und die
wirtschaftlichen Belange des Arbeitgebers, die wesentlichen Parameter, an den sich die
Ermessensentscheidung des Arbeitgebers auszurichten hat. Soweit ferner nach den
gesetzlichen Vorschriften eine Anpassung die Nettolohnzuwächse vergleichbarer
Arbeitnehmergruppe des Unternehmens im Prüfungszeitraum nicht zu übersteigen
braucht, wird hier berücksichtigt, dass die Versorgungsberechtigten kein
schützenswertes Vertrauen in eine über der Lohnentwicklung im Unternehmen liegende
Steigerung der Versorgungsleistung haben (Blomeyer/Rols/Otto, a.a.O., § 16 Rd. Zi.
128).
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Die Beklagte hat im vorliegenden Fall bei ihrer Anpassungsprüfung weder die konkret
durch die Teuerungsrate im Prüfungszeitraum geprägten Belange der
Versorgungsempfänger berücksichtigt, noch auf ihre eigene wirtschaftliche Lage Bezug
genommen. Vielmehr ist sie davon ausgegangen, durch ihre Zusage, auch bei den
nächsten beiden Anpassungsterminen die Betriebsrenten jeweils um 3% zu erhöhen,
die Interessen der Betriebsrentner hinreichend berücksichtigt zu haben. Dem kann die
Kammer allerdings nicht folgen. Die Kammer ist nicht der Auffassung, dass die
Anpassungsentscheidung der Beklagten billigem Ermessen entspricht.
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Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass der Gesetzgeber nunmehr in § 16
Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG eine gesetzliche Regelung geschaffen hat, nach welcher die
Verpflichtung, eine Anpassung der Betriebsrenten nach billigem Ermessen
vorzunehmen entfällt, wenn der Arbeitgeber sich verpflichtet, die laufenden Leistungen
jährlich um wenigstens 1% anzupassen. Zum einen gilt diese Regelung nach der
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Übergangsregelung des § 30 c Abs. 1 BetrAVG nur für Versorgungszusagen, die nach
dem 31.12.1998 erteilt wurden. Dem Arbeitgeber sind hier in § 16 Abs. 3 BetrAVG
Möglichkeiten eröffnet worden, sich von der Anpassungsprüfungspflicht insgesamt zu
befreien; durch die Lockerung der Verpflichtungen der Arbeitgeber sollten weitere
Anreize zur Beibehaltung oder zu Einrichtung betrieblicher Versorgungssysteme
gegeben werden (vgl. Blomeyer/Rols/Otto, a.a.O., § 16 Rd. Zi. 295). Hierdurch hat der
Gesetzgeber aber gerade eine Ausnahme der grundsätzlich bestehenden Pflicht zu
Ausübung des billigen Ermessens im Rahmen der wirtschaftlichen Möglichkeiten eines
einzelnen Unternehmens gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG geschaffen, nicht jedoch eine
Vermutung dafür aufgestellt, dass in jedem Fall ein Vorgehen gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 1
BetrAVG durch den Arbeitgeber billigem Ermessen entspreche.
Im Übrigen ist auch darauf hinzuweisen, dass sich die Beklagte bei ihrer Zusage
keineswegs im Rahmen des § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG gehalten hat: Hiernach muss
sich der Arbeitgeber auf Dauer verpflichten, jährlich eine 1%ige Anpassung
vorzunehmen. Dies hat die Beklagte keineswegs zugesagt. Die Beklagte will vielmehr
die Versorgungsleistungen ihrer Betriebsrentner nur alle 3 Jahre um 3% anheben, womit
in den vorhergehenden 2 Jahre jeweils der Teuerungsausgleich unterbleibt; sie hat
keineswegs auf Dauer eine entsprechende Anpassung garantiert, sondern nur für die
nächsten 2 Anpassungsprüfungstermine gemäß § 16 Abs.1 BetrAVG. Bereits aus
diesem Grund kann eine Vermutung, dass die Entscheidung der Beklagten billigem
Ermessens entspricht, auch nicht aus einem Vergleich mit der Regelung des § 16 Abs. 3
Nr. 1 BetrAVG hergeleitet werden.
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Im Übrigen berücksichtigt die vorgesehene Leistung im Wesentlichen die Interessen der
Beklagten, insofern als sie den Teuerungsausgleich auf einer niedrigen Inflationsrate
festschreibt und das Risiko günstiger höherer Inflationsraten allein dem Arbeitgeber
auferlegt. Ein angemessener Interessenausgleich kann hierin nicht gesehen werden.
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Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die von ihr getroffenen
Anpassungsentscheidung deswegen billigem Ermessen entspricht, weil das verfügbare
Nettoeinkommen vergleichbare Arbeitnehmer des Unternehmens tatsächlich geringer
sei, als die gesetzlichen Nettolöhne, da jüngere Arbeitnehmer zunehmend höhere
Aufwendungen für private Altersversorge zu treffen hätten.
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Die Kammer verkennt nicht, dass hier ein soziales Problem angesprochen ist, welchem
sich der Gesetzgeber möglicherweise anzunehmen hätte. Die Tatsache, dass generell
derzeit noch aktive, jüngere Arbeitnehmer höhere Aufwendungen machen müssten, um
sich eine angemessene Altersversorgung zu sichern, kann jedoch nicht dazu führen,
dass die Beklagte ohne Rücksicht auf die konkreten Nettolohnerhöhungen, der bei ihr
Beschäftigten vergleichbaren Arbeitnehmer im Prüfungszeitraum die in dieser Zeit
angefallene Teuerung nicht auszugleichen braucht. Die Kammer ist nicht der
Auffassung, dass durch richterrechtliche Rechtsfortbildung auch die Aufwendungen
einer privaten Altersvorsorge im Rahmen der Ermittlung der Nettolöhne vergleichbarer
Arbeitnehmergruppe gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG zu berücksichtigen. Bislang ist
in der Rechtsprechung und aufgrund gesetzlicher Vorschriften eindeutig festgelegt, was
"Nettolöhne" sind. Hiervon ist der Gesetzgeber bei der Regelung des § 16 Abs. 2 Nr. 2
BetrAVG ausgegangen und hiervon hat auch die Rechtsprechung auszugehen. Etwa
anderes kann auch nicht deswegen angenommen werden, weil das BAG in der
Entscheidung vom 23.05.2000 (3 AZR 103/99) den Wegfall der Berlinzulage bei der
Ermittlung der Reallohn bezogenen Obergrenze berücksichtigt hat. Bei dieser
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Berlinzulage handelte es sich um einen klar feststehenden Betrag, welcher die
ausgezahlte Nettovergütung auch dann beeinflusste, wenn letztlich dieser Betrag nicht
vom Arbeitgeber zu zahlen war.
Der Betrag, der von jüngeren Arbeitnehmern für eine private Altersvorsorge anzulegen
ist, kann dagegen nicht eindeutig festgelegt werden. Es bleibt letztlich auch jedem
Einzelnen überlassen, ob er den entsprechenden Teil des verfügbaren
Nettoeinkommens für eine Altersvorsorge einsetzt oder nicht. Angesichts dieser
tatsächlichen Unsicherheiten kann derzeit der Gesichtspunkt der Notwendigkeit einer
privaten Altersvorsorge bei der Ermittlung der vergleichbaren Nettolöhne gemäß § 16
Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG keine Rolle spielen.
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Nach alledem ging das Gericht davon aus, dass von Seiten des Arbeitgebers keine der
Billigkeit entsprechende Ermessensentscheidung getroffen worden war.
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2.
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Da die Beklagte im Übrigen nicht vorgetragen hat, dass ihre wirtschaftliche Lage den
vollen Teuerungsausgleich nicht zulässt und dass die Nettolöhne vergleichbarer
Arbeitnehmergruppen im Prüfungszeitraum nicht entsprechend der in dieser Zeit
angefallenen Teuerungsrate gestiegen sind, muss davon ausgegangen werden, dass
eine der Billigkeit entsprechende Ermessungsentscheidung den vollen Kaufkraftverlust
auszugleichen hatte.
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Der Anpassungsbedarf richtete sich dabei nicht nur nach den in den letzten 3 Jahren
eingetretenen Kaufkraftverlust. Da die "Belange der Versorgungsberechtigten" in der
Wiederherstellung des ursprünglich vorausgesetzten Verhältnisses von Leistung und
Gegenleistung bestehen, ist der volle nicht gedeckte Anpassungsbedarf zu ermitteln. Er
besteht in der seit Rentenbeginn eingetretenen Teuerung, soweit sie nicht durch
vorhergehende Anpassungen ausgeglichen wurde. Der für die Belange der
Versorgungsempfänger maßgebliche Prüfungszeitraum beginnt mit dem Eintritt in den
Ruhestand, hier mit dem 01.10.1998 und endet unmittelbar vor dem
Anpassungsstichtag, im vorliegenden Falle am 31.12.2006 (vgl. BAG vom 30.08.2005 -
3 AZR 395/04; BAG vom 21.08.2007 - 3 AZR 330/06).
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Die Beklagte kann sich für die Berechnung des Anpassungsbedarfs auch nicht darauf
berufen, dass bei ihr die Anpassungsprüfungen jeweils im September vorgenommen
werden. Wenn der maßgebliche Prüfungszeitraum beginnt mit dem Eintritt in den
Ruhestand und endet unmittelbar vor dem Anpassungsstichtag (BAG vom 30.08.2005 -
3 AZR 395/04). Das heißt, dass die Anpassung unmittelbar nach der Prüfung des
Anpassungsbedarfs erfolgen muss. Die Beklagte hat hier unstreitig jedoch die
Betriebsrenten jeweils erst zum 01.01. des jeweils betreffenden Anpassungsjahres
erhöht. Die Beklagte muss dann auch die gesamte Teuerung in dem Prüfungszeitraum
jeweils bis zum 31.12. des vorhergehenden Jahres ihrer Anpassungsentscheidung
zugrunde legen.
34
3.
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Für den hier maßgeblichen Prüfungszeitraum vom 01.10.1998 bis zum 31.12.2006
ergab sich für den Kläger folgender Anpassungsbedarf:
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Bei Zugrundelegung des Preisindexes für die Lebenshaltung von Vier-Personen-
Haushalten von Arbeitern und Angestellten mit mittlerem Einkommen für die Zeit vom
01.10.1998 bis zum 12.02.2002 ergab sich für diesen Zeitraum bei einer Indexzahl von
104,1 für September 1998 und 110,4 für Dezember 2002 für den genannten Zeitraum
eine Teuerungsrate von 6,05% (110,4 - 104,1 = 6,3; 6,3 x 100 104,1 = 6,05). Für den
Zeitraum von Januar 2003 - Dezember 2006 ergab sich bei einem Teuerungsindex nach
dem Verbraucherpreisindex für Deutschland bei einer Indexzahl von 104 für Januar
2003 und einer Indexzahl von 111,1 für Dezember 2006 eine Teuerungsrate von 6,82%.
Bei einer Addition beider Teuerungsraten ergibt sich für den gesamten
Prüfungszeitraum eine Teuerungsrate von 12,87%. Dass für die Zeiträume vor und nach
dem 01.01.2003 verschiedene Preisindizes maßgeblich sind, ergibt sich aus dem
Wortlaut von § 30c Abs. 4 BetrAVG, da dort ausdrücklich auf "Zeiträume" abgestellt ist
(LAG München vom 28.02.2007, 5 Sa 879/06).
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Bei einer Erhöhung der ursprünglichen Rente von 3.021,77 EUR um 12,87% (388,90
EUR) ergibt sich nunmehr ein Rentenbetrag in Höhe von 3.410,67 EUR und für die
vergangenen Zeiträume ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 100,74 EUR monatlich.
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In diesem Umfang war der Klage stattzugeben. Im Übrigen geringfügig
darüberhinausgehenden Umfang war die Klage abzuweisen.
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II.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, der festgesetzte
Streitwert entspricht dem eingeklagten Betrag.
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Westphal
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