Urteil des ArbG Dortmund vom 15.04.2010

ArbG Dortmund (mitarbeiter, höhe, wirtschaftliche lage, bonus, vorstand, zusage, ergebnis, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, allgemeine geschäftsbedingungen, juristische person)

Arbeitsgericht Dortmund, 6 Ca 4866/09
Datum:
15.04.2010
Gericht:
Arbeitsgericht Dortmund
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 Ca 4866/09
Nachinstanz:
Landesarbeitsgericht Hamm, Sa 854/10
Schlagworte:
Gesamtzusage, Bonuszahlung, Bindung an Ermessensentscheidung.
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.446,00 € brutto nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
dem 01.05.2009 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Der Streitwert wird auf 3.446,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um eine Bonuszahlung für das Jahr 2008.
2
Die am 16.09.1956 geborene Klägerin ist seit dem 01.07.1986 bei der D3 B3 AG
beschäftigt. Sie ist seit 2002 als Betriebsratsvorsitzende des D4 Betriebes freigestellt.
3
Der Gesamtbetriebsrat der D3 B3 AG schloss im Februar 2008 eine neue Version der
"Betriebsvereinbarung über das Bonussystem im Tarifbereich" ab. Die Regelung trat
rückwirkend zum 01.01.2007 in Kraft. Auf die Anlage 1 zur Klageschrift (Bl. 9 ff. d. A.)
wird ergänzend Bezug genommen. Darin heißt es u. a.:
4
"3. Bonuspool
5
Der Vorstand legt den Bonuspool für tariflich vergütete Mitarbeiter in Abhängigkeit
von den Geschäftsergebnissen der Bank fest.
6
Bei einer planungsgemäßen Performance der Bank beinhaltet der Bonuspool
mindestens die Summe der im Dezember des jeweiligen Geschäftsjahres
gezahlten tariflichen Monatsgehälter aller gemäß Ziffer 2 unter diese Vereinbarung
fallenden Mitarbeiter. Im Falle einer weit über der Planung liegenden Performance
werden auf der gleichen Berechnungsbasis bis zu 1,5 Gehälter pro Mitarbeiter, bei
einer weit unter der Planung liegenden Performance mindestens 0,5 Gehälter in
7
einer weit unter der Planung liegenden Performance mindestens 0,5 Gehälter in
den Pool eingestellt (Gesamtpoolfaktor). Die Performancelevels orientieren sich an
dem jeweils am Anfang des Jahres festgelegten EVA-Ziel. Der Vorstand kann eine
weitere Reduzierung der Poolvolumina unter 0,5 Gehälter beschließen, wenn der
EVA unter minus 100 Mio. EURO oder das erreichte EVA-Ziel 75% unter der
Planung liegt.
4. Verteilung des Bonus
8
Der Bonus eines Mitarbeiters ist grundsätzlich von zwei Faktoren abhängig: Von
der Höhe des für seine Einheit zur Verfügung stehenden Anteils am Bonuspool und
von seiner individuellen Leistung.
9
[…]
10
a) Verteilung des Bonuspools auf die Einheiten
11
[…]
12
b) Bestimmung des individuellen Bonus
13
[…]
14
c) Verfahren zur Leistungsbewertung
15
[…]
16
5. Sondergruppen
17
Die vorstehenden Bestimmungen über die Ermittlung eines individuellen Bonus
finden keine Anwendung auf folgende Mitarbeitergruppen:
18
[…]
19
b) freigestellte Betriebsräte
20
[…]
21
Mitarbeiter dieser Gruppen erhalten grundsätzlich einen Bonus von 100% ihres
individuellen Monatsgehalts. Enthält der Bonuspool mehr oder weniger als ein
Gehalt pro Mitarbeiter, erhöht bzw. reduziert sich der Bonus entsprechend.
22
[…]
23
7. Auszahlungszeitpunkt
24
Der Bonus wird einmal jährlich, spätestens im April des dem maßgeblichen
Geschäftsjahr folgenden Jahres gewährt.
25
[…]"
26
Die Klägerin erhielt für das Jahr 2007 einen Bonus von 4.338,- € brutto, was ausgehend
27
von einem Tarifgehalt von 4.092,- € (3.990,76 € zzgl. Gehaltsumwandlung von 101,24 €)
im Monat Dezember 2007 einem 1,06-fachen Gehalt (hinsichtlich der Cent-Beträge
abgerundet) entspricht.
Mit Schreiben vom 28.10.2008 (Anlage 4 zur Klageschrift, Bl. 25 d. A.), welches im
Intranet veröffentlich wurde, teilte die D3 B3 AG ihren Mitarbeitern folgendes mit:
28
"Bonusvolumen 2008
29
Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
30
wir freuen uns Ihnen mitteilen zu können, dass der Vorstand für das Kalenderjahr
2008 ein Bonusvolumen in Höhe von 100% des Bonusvolumens 2007 – angepasst
an den Mitarbeiterbestand 2008 – pro Funktion und Division (exclusive D6
Frontoffice) zugesagt hat.
31
Mit dieser Entscheidung verbunden ist der Dank für Ihr Engagement und Ihren
Einsatz für unsere Bank im laufenden Jahr, auf den wir auch in Zukunft vertrauen.
32
Die Festsetzung der individuellen Bonusbeträge erfolgt wie in den vergangenen
Jahren leistungsabhängig. Über die individuelle Bonusfestsetzung werden die
Führungskräfte ihre Mitarbeiter rechtzeitig in einem persönlichen Gespräch
informieren.
33
Die Auszahlung des Bonus erfolgt im Frühjahr 2009."
34
Im Dezember 2008 erhielt die Klägerin ein Tarifgehalt in Höhe von 4.194,- € (zzgl.
Gehaltsumwandlung von 101,24 €). Auf die Abrechnung (Anlage 7 zur Klageschrift, Bl.
28 d. A.) wird Bezug genommen.
35
In der Folgezeit wurden entsprechend der Regelungen in der
Gesamtbetriebsvereinbarung die Leistungsbewertungen der Beschäftigten zur
Bestimmung des individuellen Bonus nach den Regelungen über das
Mitarbeitergespräch durchgeführt.
36
Die Beklagte nahm in zwei Tranchen bis Januar 2009 insgesamt 18,2 Mrd. € als
Unterstützung des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) in Anspruch. Die
Beklagte führte der D3 B3 AG 4 Mrd. € Kapital zu.
37
Die Beklagte wurde Alleinaktionärin der D3 B3 AG, woraufhin sich die
Zusammensetzung des Vorstandes änderte. Mit Mitarbeiterbrief vom 18.02.2009
(Anlage B1, Bl. 61 ff. d. A.) teilte der neuer Vorstand der D3 B3 AG und der Beklagten
den Beschäftigten mit, dass es für 2008 keinerlei Bonuszahlung geben werde, da sich
die Ergebnissituation im November und Dezember 2008 deutlich verschlechtert habe
und man nur das ausgehen könne, was man auch eingenommen habe. Darüber hinaus
hingen die Boni zunächst vom wirtschaftlichen Gesamtergebnis des Unternehmens und
erst danach von der persönlichen Leistung ab. Schließlich entfalle in der D3 B3 der
Bonus im Tarifbereich, da die erforderlichen bonusrelevanten Performancekriterien nicht
erreicht worden seien. Der Wegfall des Bonus sei zur Sicherstellung einer fairen
Gleichbehandlung der Mitarbeiter beider Häuser (der D3 B3 und der Beklagten)
erforderlich. Die Tarifmitarbeiter würden jedoch eine einmalige freiwillige
38
Anerkennungsprämie in Höhe von 1.000,- € erhalten.
Mit der Abrechnung für den Monat März 2009 zahlte die D3 B3 AG der Klägerin unter
der Bezeichnung "einm.auß.ord. Sonderzhlg" eine Sonderzahlung in Höhe von 1.000,-
€ brutto. Mit Schreiben vom 06.04.2009 (Anlage 6 zur Klageschrift, Bl. 27 d. A.) machte
die Klägerin ihre Bonuszahlung auf Grundlage der Zusage vom 28.10.2008 geltend und
teilte mit, dass sie die geleistete Zahlung als Anzahlung auf die Bonuszusage vom
28.10.2008 betrachte.
39
Mit Wirkung vom 11.05.2009 wurde die D3 B3 AG auf die Beklagte verschmolzen.
Seitdem wird die D3 B3 als Marke innerhalb der Beklagten geführt.
40
Die Klägerin ist der Ansicht, aus ihrer Bonuszahlung für das Jahr 2007 folge, dass der
Bonuspool 2007 mit 1,06 Dezembergehältern der Tarifmitarbeiter gespeist worden sei.
Auf dieser Grundlage stehe ihr für das Jahr 2008 eine Bonuszahlung von 4.446,- € (1,06
x Tarifgehalt (= 4.092,76 € zzgl. 101,24 € Entgeltumwandlung), hinsichtlich der Cent-
Beträge aufgrundet) zu. Nachdem sie unstreitig erst 1.000,- € erhalten habe, sei die
Klageforderung in Höhe von 3.446,- € offen.
41
Die Klägerin ist der Ansicht, im Schreiben vom 28.10.2008 sei eine vorbehalt- und
bedingungslose Gesamtzusage zu sehen. Es liege ein Angebot an jeden einzelnen
Mitarbeiter vor, dessen ausdrückliche Annahme entbehrlich sei und das mit der
Bekanntgabe Bestandteil des Arbeitsvertrages der Klägerin geworden sei.
42
Die Klägerin behauptet, Grund für die vorzeitige Bonuszusage sei gewesen, dass die
Finanzkrise zwar tiefe Löcher in die Bilanzen der Investmentbanken gerissen habe,
während in den restlichen Sparten – trotz Krise – weiterhin gut verdient worden sei. Für
den Bereich der D6 (Investmentbank) bestätigte der Vorstand dennoch sehr früh einen
Bonustopf. Der Gesamtbetriebsrat habe den Vorstand in einem Gespräch darauf
hingewiesen, dass es angesichts dieser Sachlage und des extremen Einsatzes der
Beschäftigten im Jahr 2008 nicht hinnehmbar sei, nun beim "normalen" Arbeitnehmer zu
sparen. Nachdem es für einen Teil der Mitarbeiter bereits individualrechtliche Zusagen
hinsichtlich des Bonus 2008 gab, habe sich im Interesse einer Gleichbehandlung die
Notwendigkeit einer verbindlichen Zusage gegenüber den übrigen Mitarbeitern
hinsichtlich des Poolvolumens ergeben.
43
Die Klägerin behauptet, der Vorstand habe sich Ende Oktober 2008 zu einer
verbindlichen Zusage entschlossen, obwohl die wirtschaftliche Lage der D3 B3 AG zu
diesem Zeitpunkt bereits schlecht gewesen sei. Die Klägerin behauptet, die
wirtschaftliche Lage der D3 B3 habe sich zwischen September 2008 und Ende 2008
nicht tatsächlich verschlechtert. Die von der Beklagten vorgetragenen anderen
Zahlenverhältnisse seien lediglich auf die Anwendung einer anderen
Bewertungsmethode z. B. hinsichtlich des Wertpapierbestandes oder der Kreditrisiken
zurückzuführen. Wirtschaftsprüfer hätten in einer Aufsichtsratssitzung der D3 B3 AG
noch beide Bewertungsansätze – den von September 2008 sowie den späteren – für
möglich und vertretbar gehalten.
44
Die Klägerin bestreitet, dass die von der Beklagten angeführte gesellschaftliche
Diskussion über Bonuszahlungen Tarifmitarbeiter in Bereichen, welche auch in der
Finanzkrise noch Gewinn abwarfen, betroffen hätte. In die Kritik seien vielmehr nur
Vorstandsmitglieder und Führungskräfte des Investmentbereichs geraten, die für die
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Krise verantwortlich waren. Dennoch seien an die Investmentbanker Bonuszahlungen in
einem Gesamtumfang von ca. 120 Mio. € gezahlt worden, während sich das
Bonusvolumen für die deutlich größere Anzahl der Tarifbeschäftigten auf ca. 20 – 30
Mio. belaufe.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei an die Gesamtzusage gebunden. Eine
Neufestsetzung nach billigem Ermessen sei nicht möglich, da es sich um ein einmaliges
Austauschverhältnis handelt. Weiterhin hätten die Voraussetzungen der
Gesamtbetriebsvereinbarung für eine Festsetzung des Bonuspools unterhalb von 0,5
Gehältern bereits auf Grundlage der von der Beklagten behaupteten Zahlen im Oktober
2008 vorgelegen.
46
Die Klägerin ist der Ansicht, eine Störung der Geschäftsgrundlage liege nicht vor.
Gerade wegen der Unsicherheit der wirtschaftlichen Entwicklung sei für die Mitarbeiter
keine Geschäftsgrundlage für die Bonuszusage erkennbar gewesen. Auch der Vorstand
habe nicht die Vorstellung gehabt, dass sich das Geschäftsergebnis nicht weiter
verschlechtern werde. Der Vorstand habe vielmehr eine unsichere Lage zutreffend
erkannt. Letztlich verkenne die Beklagte die Rechtsfolgen einer etwaigen Störung der
Geschäftsgrundlage, denn eine Setzung des Bonuspools auf Null sei schon deshalb
fehlerhaft, weil die Beklagte ja unstreitig eine freiwillige Sonderzahlung in Höhe von
1.000,- € pro Mitarbeiter leistete. Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, die Ertragslage
der Bank sei Inhalt der Vereinbarung über die Festlegung des Bonuspools und könne
daher nicht Geschäftsgrundlage sein.
47
Die Klägerin hat zunächst neben der Zahlung auch eine Abrechnung über diesen
Betrag geltend gemacht und die Klage nach Stellung der Anträge mit Zustimmung der
Beklagten zurückgenommen.
48
Die Klägerin beantragt nunmehr,
49
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.446,- € brutto nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2009
zu zahlen.
50
Die Beklagte beantragt,
51
die Klage abzuweisen.
52
Die Beklagte ist der Ansicht, in der Zusage des Vorstandes vom 28.10.2008 sei keine
Gesamtzusage zu sehen. Es liege kein annahmefähiges Angebot vor, denn es sei nicht
klar, welche Leistungen dem einzelnen Arbeitnehmer zukommen sollen. Die Beklagte
habe ihr Festsetzungsermessen noch nicht abschließend ausgeübt. Es sei das
Ermessen hinsichtlich der Höhe des Bonuspools und hinsichtlich der Höhe der
individuellen Boni zu unterscheiden. Der Vorstand habe bisher noch nicht einmal sein
Ermessen hinsichtlich der Höhe des Bonuspools ausgeübt, denn die Voraussetzungen
für eine endgültige Entscheidung, u. a. das feststehende Jahresergebnis, lagen im
Oktober 2008 noch nicht vor.
53
Selbst wenn man eine bindende Ermessensentscheidung zu Gunsten der Klägerin
unterstelle, habe die D3 B3 ihre Entscheidung aufgrund ihrer dramatischen
Geschäftsentwicklung nachträglich ändern können. Die Beklagte behauptet, der
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Vorstand der D3 B3 AG sei am 02.10.2008, als der Entschluss gefasst worden sei, der
Belegschaft ein Bonusvolumen für das Geschäftsjahr 2008 in Aussicht zu stellen,
welches in etwa dem Volumen für das Jahr 2007 entsprechen sollte, von einem
negativen Ergebnis aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit ("Operating Result") von 1,553
Mrd. € ausgegangen. Grundlage sei eine Prognose vom 01.08.2008 gewesen. Die
Beklagte behauptet, nach der Mitteilung vom 28.10.2008 habe sich die Situation für die
D3 B3 AG wie auch das gesamtwirtschaftliche Umfeld – insbesondere im Banksektor –
dramatisch verschlechtert. Aufgrund aktualisierter Prognosen sei die D3 B3 AG im
November 2008 bereits von einem negativen operativen Ergebnis in Höhe von rd. 3,5
Mrd. € ausgegangen. Das vorläufige tatsächliche Ergebnis (Stand 04.02.2009) habe ein
negatives operatives Ergebnis in Höhe von 6,468 Mrd. € ausgewiesen. Endgültig habe
sich ein negatives operatives Ergebnis von 6,560 Mrd. € ergeben. Die Beklagte
behauptet, diese Vervierfachung des negativen Ergebnisses (Stand 04.02.2009) sei
Grundlage für die Entscheidung am 17.02.2009 gewesen, grundsätzlich keine
Bonuszahlungen an die Mitarbeiter der Beklagten und der D3 B3 AG zu leisten. Die
Beklagte behauptet, das EVA ("Economic Value Added") für das Jahr 2008 habe bei -7
Mrd. € gelegen. Deshalb sei der Vorstand berechtigt gewesen, eine Reduzierung der
Bonuspoolvolumina unter 0,5 Gehälter vorzunehmen.
Zwar sei es zutreffend, wie die Klägerin meint, dass sich die Änderung der
wirtschaftlichen Lage zum Teil aus der Bewertung illiquider Wertpapiere herrühre.
Jedoch habe sich die Anzahl der Wertpapiere, für die kein Marktpreis mehr verfügbar
gewesen sei und die man nach dem Fair-Value-Prinzip habe bewerten müssen, im
Laufe der Verschärfung der Finanzmarktkrise deutlich und unvorhersehbar erhöht.
55
Die Beklagte ist der Ansicht, dasselbe Ergebnis folge auch aus dem Gesichtspunkt der
Störung der Geschäftsgrundlage. Die Mitteilung vom 28.10.2008 gegenüber der
Belegschaft sei vor dem Hintergrund der Ergebnisprognosen der D3 B3 AG zum
Zeitpunkt der Vorstandsentscheidung vom 02.10.2008 und der Mitteilung vom
28.10.2008 erfolgt und daher Geschäftsgrundlage der Mitteilung geworden. Dies sei für
die Mitarbeiter auch ersichtlich gewesen, da nach den Bestimmungen der
Betriebsvereinbarung die Höhe des Bonuspools vom Geschäftsergebnis abhängig ist.
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Zwar sei es zutreffend, dass die D3 B3 AG für Mitarbeiter aus dem Bereich der
Investmentbank, Front-Office, im August einen Bonuspool beschlossen hatte.
Besonderer Hintergrund dieser Maßnahme sei die Ankündigung im März 2008
gewesen, den Privat- und Firmenkundenbereich der D3 B3 AG in eine eigenständige
juristische Person einzubringen und nur noch die Investmentbanksparte D6 als
operatives Geschäft in der D3 B3 zu belassen. Wegen der Unsicherheit, die sich
dadurch für die Zukunft der Investmentbanksparte ergeben habe, habe die britische
Finanzaufsicht (F7) befürchtet, dass Mitarbeiter, welche für das operative Geschäft
Schlüsselfunktionen inne hatte, die Investmentbank verlassen und dadurch die
Investmentbank in eine Schieflage geraten könne. Deshalb habe die F7 die
Investmentbank D6, soweit sie ihrer Aufsicht unterstand, im Mai 2008 auf eine
Beobachtungsliste der gefährdeten Banken gesetzt und die D3 B3 aufgefordert, diese
Situation nicht zu eskalieren und Maßnahmen zur Stabilisierung zu ergreifen. Die D3 B3
habe daraufhin ein Programm erarbeitet, um die Mitarbeiterstabilität der
Investmentbanksparte D6 aufrecht zur erhalten. Sehr wenige Mitarbeiter, die für das
operative Geschäft sowohl in der Investmentbanksparte als auch in den anderen
Bereichen besonders wichtig waren, hätten darüber hinaus individuelle Bonusgarantien
erhalten. Aufgrund des dramatischen Verlustes der D3 B3 sei aber der ursprünglich
57
vorgesehene Bonuspool für die Investmentbanksparte ganz erheblich gekürzt worden.
Die Boni seien im Dezember 2008 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung bei einer
wesentlichen Verschlechterung des Ergebnisses der Investmentbanksparte festgesetzt
worden. Da diese Bedingung eingetreten sei, seien die Boni im Februar 2009 um
grundsätzlich 90 Prozent gekürzt worden. Die Mitarbeiter hätten zehn Prozent des unter
Vorbehalt festgesetzten Betrages, mindestens aber ein Monatsgehalt erhalten.
Die Beklagte behauptet, die dramatische Verschlechterung des Ergebnisses der
Prognosen vom 01.08.2008 sei für die D3 B3 nicht vorhersehbar gewesen. Die
Bewertung der illiquiden Finanzinstrumente im Geschäftsjahr 2008 sei besonders
problematisch gewesen. Dadurch seien die Ergebnisprognosen mit einer erheblichen
Unsicherheit belastet gewesen. Die Beklagte trägt hierzu vor. Weiterhin sei die
Entwicklung der Kernkapitalquote und die Entwicklung der Finanzmarkkrise für die
Entscheidung, grundsätzlich keine Boni für das Jahr 2008 zu zahlen, maßgeblich
gewesen. Auf den Vortrag im Schriftsatz vom 17.12.2009 (S. 6 ff., Bl. 44 ff. d. A.) wird
insoweit Bezug genommen.
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Die Beklagte behauptet, im Rahmen der gesellschaftlichen Diskussion im Frühjahr 2009
über die Berechtigung von Bonuszahlungen in Banken sei es der Öffentlichkeit nicht zu
vermitteln gewesen, dass die D3 B3 exorbitante Millionenbeträge für Boni ausschüttet,
obwohl sie dramatische Verluste schreibe und mit der Beklagten fusioniert ist, die
ihrerseits in ganz erheblichem Umfang öffentliche Gelder in Anspruch nimmt.
59
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien und der geäußerten
Rechtsansichten wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
Bezug genommen.
60
Entscheidungsgründe
61
Die zulässige Klage ist begründet.
62
1.
63
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Bonus in Höhe
von weiteren 3.446,- € brutto für das Jahr 2008 aus einer Gesamtzusage vom
28.10.2008 i. V. m. der seid dem 01.01.2007 anwendbaren Betriebsvereinbarung über
das Bonussystem im Tarifbereich.
64
a.
65
Der Zahlungsanspruch war der Höhe nach zwischen den Parteien unstreitig. Die
Beklagte ist dem rechnerisch nachvollziehbaren Vorbringen der Klägerin nicht
entgegengetreten. Ebenso war die Anrechenbarkeit der geleisteten Sonderzahlung in
Höhe von 1.000,- € letztlich unstreitig.
66
b.
67
Der Anspruch ist auch dem Grunde nach gegeben, denn die Kammer sieht die
Erklärung des Vorstandes vom 28.10.2008 i V. m. der Betriebsvereinbarung als
Gesamtzusage an.
68
Unter einer Gesamtzusage (vgl. insoweit Schaub-Koch, Arbeitsrechtshandbuch, § 111
Rn. 35 ff. m.w.N.) ist eine einseitige Verpflichtungserklärungen mit kollektivrechtlichem
Charakter zu verstehen, die der Arbeitgeber der Belegschaft gegenüber abgibt. Sie setzt
voraus, dass der einzelne Arbeitnehmer das Verhalten des Arbeitgebers als
Leistungsversprechen auffassen durfte. Der Inhalt der Gesamtzusage wird Bestandteil
des Arbeitsvertrages. Es liegen allgemeine Geschäftsbedingungen vor, die einer
Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB unterliegen. Gesamtzusagen werden bereits dann
wirksam, wenn sie gegenüber den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart werden, die
den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzen, von der Erklärung
Kenntnis zu nehmen. Auf die konkrete Kenntnis eines einzelnen Arbeitnehmers kommt
es nicht an. Ob eine Gesamtzusage vorliegt und welchen Inhalt sie hat, richtet sich nach
den für Willenserklärungen geltenden Regeln (§§ 133, 157 BGB). Maßgeblich ist der
objektive Erklärungsinhalt aus der Sicht des Empfängers.
69
Die Kammer sieht in der Erklärung des Vorstandes vom 28.10.2008 die Zusage an alle
Mitarbeiter, dass ein dem Jahr 2007 entsprechendes Bonusvolumen nach Maßgabe der
entsprechenden Betriebsvereinbarung auch für das Jahr 2008 verteilt und gezahlt wird.
Diese Erklärung ist nach Auffassung der Kammer auch bindend und kann von der
Arbeitnehmerschaft mit einem einfachen "Ja" angenommen werden, denn die weitere
Abwickelung folgt aus der bereits vorliegenden Betriebsvereinbarung. Diese regelt alle
Voraussetzungen der Bonuszahlung und die verfahrensmäßige Abwicklung. Allein die
Höhe des Bonustopfes war durch den Vorstand festzusetzen, was durch das Schreiben
vom 28.10.2008 verbindlich geschehen ist.
70
Die Verbindlichkeit der Zusage ist bereits dadurch erkennbar, dass die Mitarbeiter der
Beklagten aus Anlass der Mitteilung vom 28.10.2008 mit dem Verfahren zur Ermittlung
der individuellen Boni auf Grundlage der Betriebsvereinbarung begonnen haben. Die
Beklagte hat nicht dargelegt, welche konkrete weitere Erklärung des Vorstandes einer
tatsächlichen Bonuszahlung noch vorgeschaltet werden sollte. Ein Vorbehalt einer
weiteren Vorstandsentscheidung ist jedenfalls dem Schreiben vom 28.10.2008 nicht zu
entnehmen, wobei Unklarheiten zu Lasten der Beklagten gehen. Der Verbindlichkeit der
Zusage steht auch nicht entgegen, dass die Voraussetzungen der Festsetzung des
Bonusvolumens noch nicht vorlagen, weil das Gesamtergebnis des Jahres 2008 noch
nicht vorlag. Der Vorstand war nicht gehindert, unabhängig von der genauen Kenntnis
des Gesamtergebnisses einen Bonus zuzusagen, auch wenn er zu einer Entscheidung
noch nicht verpflichtet war. Auch insoweit gilt, dass ein Vorbehalt der Zusage nicht zu
entnehmen ist.
71
Zum selben Ergebnis gelangt die Kammer auch, wenn sie der Auffassung des LAG
Hamburg (Urt. v. 10.02.2010 – 3 Sa 83/09 – von der Beklagten vorgelegt) folgt, welches
zwar eine Gesamtzusage verneint, weil die Mitteilung vom 28.10.2008 das Bestehen
von Zusagen (vorliegend die Betriebsvereinbarung und nicht, wie im Fall des LAG, eine
individuelle Zielvereinbarung des Mitarbeiters) voraussetzt. Das LAG Hamburg gelangt
aber dennoch dazu, die Festlegung des Bonustopfes im Rahmen des Ermessens des
Vorstandes zunächst als verbindlich anzusehen (vgl. unter 2.2 der Gründe).
72
c.
73
Der Vorstand war entgegen der Auffassung der Beklagten und des LAG Hamburg (Urt.
v. 10.02.2010 – 3 Sa 83/09) nicht berechtigt, ihre Ermessensentscheidung im Februar
2009 zu ändern.
74
Die Kammer folgt dabei (ebenso wie auch die Beklagte) dem Grundsatz, dass eine
Ermessensentscheidung i. S. v. § 315 BGB bindend ist, denn eine derartige einseitige
Leistungsbestimmung konkretisiert den Leistungsinhalt, und zwar endgültig, weil sie
unwiderruflich ist (vgl. BAG, Urt. v. 08.05.2003 – 6 AZR 43/02 – AP Nr. 82 zu § 315
BGB; Urt. v. 11.03.1981 – 4 AZR 1070/79 – AP Nr. 2 zu § 39 TVAng Bundespost; BGH,
Urt. 24.01.2002 – IX ZR 228/00 – NJW 2002, 1421-1424; BGH, 29.11.1965 - VII ZR
265/63 - NJW 1966, 539-540, jeweils zitiert nach juris)
75
Entgegen der Ansicht der Beklagten (und des LAG Hamburg, aaO.) ist vorliegend eine
Änderung der Ermessensentscheidung oder Neubestimmung der Leistung aus Gründen
der Billigkeit weder gestattet noch geboten, selbst wenn sich die tatsächlichen oder
rechtlichen Voraussetzungen für die ursprünglich der Billigkeit entsprechenden
Ermessensausübung des Arbeitgebers geändert haben sollten. Die Möglichkeit einer
Änderung einer einseitigen Leistungsbestimmung ist in der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts zwar für Dauerschuldverhältnisse und ihnen entsprechende
Rechtsverhältnisse anerkannt (vgl. BAG, 08.05.2003 und 11.03.1981, aaO.), jedoch hat
das Bundesarbeitsgericht keine Ausnahme vom Grundsatz der Unwiderruflichkeit für die
Ermessensausübungen im Einzelfall zugelassen.
76
Entgegen der im Ergebnis vertretenen Ansicht des LAG Hamburg vermag die Kammer
hier keinen Grund zu erkennen, von den Grundsätzen der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs abzuweichen. Deshalb kommt es
nicht darauf an, ob die Entscheidung der D3 B3 aus Februar 2009, Bonusansprüche
auszuschließen, billigem Ermessen entsprach. Entscheidend ist nur, dass die D3 B3 im
Oktober 2008 eine Bonuszusage in Höhe des Bonuspools des Jahres 2007 gemacht
und damit entsprechende Ansprüche der Mitarbeiter in dieser Höhe begründet hat.
Hieran muss sich die D3 B3 und nunmehr auch die Beklagte festhalten lassen.
77
Durch die Ausübung des Ermessens im Oktober 2008 hat die D3 B3 ein Vertrauen ihrer
Arbeitnehmer begründet, eine einmalige Bonuszahlung für das Jahr 2008 im gleichen
Volumen wie 2007 zu erhalten. Damit hat die D3 B3 freiwillig ihre Leistungspflicht aus
dem Arbeitsverhältnis definiert. Allein die (nach dem streitigen Vortrag der Beklagten
später eingetretene) fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit kann einen Ausschluss
dieser Ansprüche nicht rechtfertigen. Verträge und Zusagen sind grundsätzlich
einzuhalten. Ein Bedürfnis für die Anerkennung einer Möglichkeit des Arbeitgebers, sich
von seinen Zusagen aufgrund einer Änderung der tatsächlichen und rechtlichen
Rahmenbedingungen wieder lösen zu können, kann nur dann bestehen, wenn eine
Zusage nicht auf eine einmalige, sondern auf eine wiederkehrende Leistung gerichtet ist
und eine Änderung mit Wirkung für die Zukunft erfolgen soll. So liegt der Fall hier aber
nicht, denn die Zusage für das Jahr 2008 beinhaltet unstreitig keine Bindung für das
Jahr 2009 oder die weitere Zukunft, sondern nur eine einmalige, im April 2009 zu
erbringende Zahlung.
78
d.
79
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus § 313 BGB. Danach kann eine Anpassung
des Vertrages verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages
geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien
den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese
Veränderungen vorausgesehen hätten.
80
Es sind schon keine Umstände feststellbar, die die Parteien übereinstimmend als
Grundlage der Bonuszusage vom 28.10.2008 angesehen haben. Die Kammer vermag
nicht zu erkennen, welche konkrete wirtschaftliche Situation der Beklagten (bzw. der D3
B3 AG) im Oktober 2008 Grundlage des Bonusvereinbarung geworden sein soll. Die
Beklagte verkennt nach Auffassung der Kammer, dass es nicht ausreichend ist, dass
den Arbeitnehmern der D3 B3 (und damit auch der Klägerin) klar war, dass die in der
Betriebsvereinbarung definierten wirtschaftlichen Parameter Grundlage der
Bonusbemessung sind. Es ist vielmehr endscheidend, dass beide Vertragsparteien
übereinstimmend von konkreten Zahlen (zumindest aber von einer konkreten
wirtschaftlichen Situation) und einer konkreten Zukunftserwartung ausgingen. Es ist
aber weder vorgetragen noch ersichtlich, in welchem Umfang der Arbeitnehmerschaft
die wirtschaftliche Situation der D3 B3 AG am 28.10.2008 bekannt war. Es ist auch nicht
ersichtlich, von welcher Zukunftserwartung des Vorstandes die Arbeitnehmerschaft
Kenntnis hatte. Mangels konkreter Kenntnis können auch keine Umstände Grundlage
des Vertrages geworden sein.
81
Es bedarf deshalb keiner Erörterung, welche Rechtsfolgen an eine Störung der
Geschäftsgrundlage zu knüpfen wären. Es kommt nicht darauf an, ob die Beklagte
berechtigt war, gerade pauschal 1.000,- € zu zahlen oder ggf. diese Summe pro
Mitarbeiter hätte als Bonuspool zur Verfügung stellen müssen.
82
2.
83
Der Anspruch auf Zahlung von Zinsen besteht unter Verzugsgesichtspunkten. Die
Bonuszahlung war im April 2009 zu leisten.
84
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die
unterlegene Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
85
Der Streitwert war in Höhe des Zahlungsanspruchs im Urteil festzusetzen, § 61 Abs. 1
ArbGG.
86