Urteil des ArbG Dortmund vom 11.02.2010

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Arbeitsgericht Dortmund, 4 Ca 4644/09
Datum:
11.02.2010
Gericht:
Arbeitsgericht Dortmund
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 Ca 4644/09
Schlagworte:
Eingruppierung eines Rettungsassistenten Vorschrift: AVR
Diakonisches Werk
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.960,-- € festgesetzt.
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung des Klägers.
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Der am 31.12.1977 geborene Kläger ist seit dem 1.7.2001 bei dem beklagten Verein
zunächst als Rettungssanitäter und seit dem 1.9.2008 auf der Grundlage der
Stellenbeschreibung vom 4.9.2008 (Bl. 16 – 18 d. A.) als Rettungsassistent, wofür eine
zweijährige Ausbildung erforderlich ist, beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtet sich
nach den Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen, die dem diakonischen Werk der
evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind (im Folgenden: AVR). Zum
1.7.2007 wurden die AVR neu gefasst und ein neuer Eingruppierungskatalog eingeführt.
Nach den Überleitungstabellen in die neuen AVR, die nicht Bestandteil der AVR
wurden, werden Rettungsassistenten, die vormals in der Vergütungsgruppe 06b/05c
waren, in die Entgeltgruppe 7 eingruppiert. Nach dem Eingruppierungskatalog der
Anlage 1 zu den AVR sind in die Entgeltgruppe 7 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit
Tätigkeiten, die Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten voraussetzen eingruppiert.
Hierzu gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit eigenständiger Wahrnehmung von
Aufgaben in den Tätigkeitsbereichen unter anderem des nicht ärztlichen medizinischem
Dienstes sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit eigenständiger Wahrnehmung von
komplexen Aufgaben in den Tätigkeitsbereichen unter anderem des nicht ärztlichen
medizinischen Dienstes. Als Richtbeispiele sind der Entgeltgruppe 7 beigegeben die
Tätigkeiten der Alten-, Gesundheits- und Krankenpflegerinnen, Erzieherinnen,
Heilerziehungspflegerin, Gruppenleiterin in einer Werkstatt für behinderte Menschen,
Med.-technische Radiologieassistentin, Physiotherapeutin, Ergotherapeutin,
Arbeitserzieherin, Finanzbuchhalterin, Personalsachbearbeiterin, Med.-technische
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Assistentin. In der Anmerkung 6 zum Eingruppierungskatalog heißt es:
(6)
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Die eigenständig wahrgenommenen Aufgaben der Entgeltgruppe 7 und 8 setzen
Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten voraus, die i.d.R. durch eine
dreijährige Fachschulausbildung, aber auch anderweitig erworben werden können.
Eigenständig wahrgenommen bedeutet, dass für die Erledigung der übertragenen
Aufgaben Entscheidungen über Mittel und Wege zur Erreichung von
Arbeitsergebnissen selbst getroffen werden. Die Aufgaben, die im Klientenbezug
weitergehende emotionale und soziale Kompetent erfordern, beinhalten
Tätigkeiten, die in verschiedenen Arbeitssituationen in unterschiedlichem Maße
anfallen und wechselnde Anforderungen stellen.
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In § 12 AVR ist zudem geregelt, nach welchen allgemeinen Grundsätzen die
Eingruppierung des Mitarbeiters bzw. der Mitarbeiter zu erfolgen hat.
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Der Kläger wird bei dem beklagten Verein nach der Entgeltgruppe 6 zuzüglich 50 % der
Differenz zwischen Entgeltgruppe 6 und 7 vergütet. Sein Bruttomonatsverdienst beträgt
derzeit ca. 2.200,-- € und würde bei einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 7 ca.
2.310,-- € brutto betragen.
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Nachdem der Kläger vergeblich mit Schreiben vom 17.7.2009 seine Höhergruppierung
in die Entgeltgruppe 7 rückwirkend ab dem 1.9.2008 verlangt hat, verfolgt er sein
Begehren nunmehr mit seiner am 24.9.2009 bei Gericht eingegangenen Klage weiter.
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Der Kläger ist der Ansicht, mit der von ihm abverlangten und auch tatsächlich
ausgeübten Tätigkeit als Rettungsassistent erfülle er die Tätigkeitsmerkmale der
Entgeltgruppe 7. Maßgeblich für die Eingruppierung sei § 12 AVR, wonach
insbesondere nicht die berufliche Ausbildung, sondern allein die Tätigkeit maßgebend
sei. Die Tätigkeit eines Rettungsassistenten setze aber ein Fachwissen und
entsprechende Fähigkeiten voraus, die regelmäßig durch eine zweieinhalbjährige
Berufsausbildung oder eine dreijährige Fachausbildung, aber eben auch auf anderem
Wege erworben werden könnten. Ohne das entsprechende Fachwissen und die
erforderliche besonders hohe soziale wie auch emotionale Kompetenz, die nicht nur im
Rahmen der "Notkompetenz" benötigt werde, könne er die Tätigkeit als
Rettungsassistent im Rettungsdienst der Stadt D1 nicht ausüben. In der täglichen Praxis
sei er regelmäßig damit konfrontiert, auf sich gestellt und eigenverantwortlich zumindest
vorübergehend ohne Mitwirkung eines Arztes Notfallpatienten zu versorgen. Schließlich
nehme er aufgrund der ihm übertragenen Zusatzaufgabe Leitungsaufgaben wahr, was
ebenfalls eine Eingruppierung – zumindest – in die Entgeltgruppe 7 rechtfertige.
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Der Kläger beantragt,
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1. festzustellen, dass der beklagte Verein verpflichtet ist, den Kläger ab dem 01.
September 1008 nach Entgeltgruppe 7 der Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD (neu)
zu vergüten;
2. festzustellen, dass der Beklagte bei der Erfüllung der Entlohnungspflicht nach
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Ziffer 1 die dem Kläger nachzuzahlenden monatlichen Netto-Differenzbeträge
zwischen der Vergütung nach Entgeltgruppe 6 nebst Zulage in Höhe von 50% der
Differenz zwischen Entgeltgruppe 6 und Entgeltgruppe 7 der Anlage 1 zu § 12
AVR.DW.EKD (neu) vom jeweiligen Fälligkeitstag an mit 5 %-Punkten über dem
Basiszinssatz zu verzinsen hat.
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Der beklagte Verein beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er vertritt die Auffassung, dem Kläger stehe die Eingruppierung nach der Entgeltgruppe
7 nicht zu, denn er erfülle nicht die Regelvoraussetzungen bzgl. der in der Entgeltgruppe
7 ausweislich der Anmerkungen 5 und 6 geforderten Ausbildungen. Auch die Ausübung
der sogenannten Notkompetenz, die an enge Voraussetzungen geknüpft sei und in D1
die absolute Ausnahme darstelle, führe zu keinem anderen Ergebnis. Ausweislich der
Stellenbeschreibung bestehe die Berufsausübung des Klägers im Wesentlichen aus
schlicht einfachen Arbeiten, wie das Warten auf Einsätze, Fahrzeugreinigung, Ausfüllen
von Formularen etc. sowie dem Transport eines Patienten von A nach B. Soweit der
Kläger das Transportvolumen von Patienten koordiniere, was seit Aufnahme seiner
Tätigkeit als Rettungsassistent seit dem 1.9.2008 an sieben Tagen der Fall gewesen
sei, sei nicht ersichtlich, dass diese Aufgabe seiner Tätigkeit das Gepräge gebe.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und der von ihnen geäußerten
Rechtsauffassungen wird auf dem vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe :
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Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
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I.
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Die Klage ist mit ihren Feststellungsanträgen zulässig. Es handelt sich um eine
Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit nach ständiger
arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung keine Bedenken bestehen. Dies gilt auch im
Hinblick auf die vom Kläger begehrten Verzugszinsen.
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Die gerichtliche Entscheidung führt zur Entscheidung des Streites der Parteien um die
zutreffende Eingruppierung und die daraus folgende Vergütung und ist deshalb
geeignet, eine Vielzahl von Leistungsklagen zu vermeiden. Bei dem beklagten Verein
als gemeinnützig anerkanntem Verein ist davon auszugehen, dass dieser ebenso wie
die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ein nur auf Feststellung lautendes
rechtskräftiges Urteil als Handlungspflicht anerkennt und umsetzen wird.
21
II.
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Der Kläger hat jedoch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf die
begehrten Feststellungen.
23
Ein Anspruch auf Feststellung, er sei aus der Entgeltgruppe 7 zu entlohnen, kann der
Kläger nicht aus § 611 BGB, § 12 AVR i.V.m. dem Arbeitsvertrag herleiten.
24
1.
25
Nach § 12 Abs. 1 AVR richtet sich die Eingruppierung der Mitarbeiterinnen bzw. des
Mitarbeiters nach den Merkmalen der übertragenen Tätigkeiten in die Entgeltgruppen
gemäß dem Eingruppierungskatalog der Anlage 1 zu den AVR.
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Nach § 12 Abs. 2 AVR hat die Eingruppierung in die Entgeltgruppe, deren
Tätigkeitsmerkmale erfüllt sind und die der Tätigkeit das Gepräge geben zu erfolgen,
wobei Gepräge bedeutet, dass die entsprechende Tätigkeit unverzichtbarer Bestandteil
des Arbeitsauftrages ist. Ferner ist für die Eingruppierung nicht die berufliche
Ausbildung, sondern allein die Tätigkeit maßgebend. Entscheidend ist die für die
Ausübung der beschriebenen Tätigkeit in der Regel erforderliche Qualifikation, nicht die
formale Qualifikation der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters, § 12 Abs. 3 AVR. Da alle
Mitarbeiter des beklagten Vereins mit Wirkung ab dem 1.7.2007 in den
Eingruppierungskatalog gem. Anlage 1 zu § 12 Abs. 1 AVR einzugruppieren sind,
kommt es nicht darauf an, dass der Kläger als Rettungsassistent zuvor eine Vergütung
nach der Vergütungsgruppe 06b/05c erhielt, die zur Überleitung in die Entgeltgruppe 7
vorgesehen war. Denn bei der Überleitungstabelle handelt es sich lediglich um eine
unverbindliche Arbeitshilfe, also um Vorschläge, die keine zwingend vorgesehene
Folge der neuen Eingruppierung sind, denn sie sind nicht Bestandteil der AVR
geworden. Einen Anspruch auf Eingruppierung in die Entgeltgruppe 7 kann der Kläger
hieraus nicht ableiten.
27
2.
28
Nach der Entgeltgruppe 7 kann die für bestimmte Tätigkeiten vorausgesetzte
Berufsausbildung auch durch in der Berufsausübung erworbene vergleichbare
Kenntnisse und Fähigkeiten ersetzt werden. Dabei bauen die Tätigkeitsmerkmale der
vom Kläger eingeforderten Entgeltgruppe 7 auf denjenigen der Vergütungsgruppe 6 auf.
Damit ist zunächst zu prüfen, ob die Tätigkeit des Klägers den Tätigkeitsmerkmalen der
Entgeltgruppe 6 entspricht. Erst dann bedarf es einer weiteren Prüfung, ob die
qualifizierenden Anforderungen der höheren Vergütungsgruppe erfüllt werden, wobei
unerheblich ist, ob die Tätigkeitsmerkmale zwischen den Parteien unstreitig sind. Die
Parteien können nämlich nicht über Rechtsfragen und Rechtsbegriffe verfügen.
Allerdings kann bei übereinstimmender Erklärung der Parteien eine pauschale
rechtliche Überprüfung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles
ausreichend sein (BAG vom 26.1.2005 – 4 AZR 6/04 - ).
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Zwischen den Parteien ist nicht im Streit, dass der Kläger als Arbeitnehmer mit
Tätigkeiten betraut ist, die erweiterte und vertiefte Kenntnisse und entsprechende
Tätigkeiten voraussetzen. Unter Berücksichtigung dieser übereinstimmenden
Bewertung der Parteien kann daher zugunsten des Klägers angenommen werden, dass
diese qualifizierenden Merkmale erfüllt sind.
30
3.
31
Der Kläger hat jedoch nicht vortragen können, dass er auch die weiteren
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qualifizierenden Voraussetzungen für die von ihm begehrte Entgeltgruppe 7 erfüllt. Es
ist nicht ersichtlich, dass der Kläger mit der eigenständigen Wahrnehmung von
Aufgaben im Tätigkeitsbereich nicht ärztlicher medizinischer Dienst betraut ist. Nach der
Anmerkung 6 setzen die eigenständig wahrgenommenen Aufgaben der Entgeltgruppe 7
und 8 Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten voraus, die in der Regel durch eine
dreijährige Fachschulausbildung aber auch anderweitig erworben werden können.
Solches ist jedoch nicht erkennbar. Der Kläger verfügt unstreitig nicht über eine
dreijährige Fachschulausbildung sondern vielmehr lediglich über eine zweijährige
Ausbildung zum Rettungsassistenten. Dafür, dass er über ein der dreijährigen
Fachausbildung gleichwertiges Fachwissen und der dreijährigen Fachschulausbildung
gleichwertige entsprechende Fähigkeiten verfügt, ist nichts ersichtlich. Der Kläger hat
als darlegungs- und beweisbelastete Partei nicht darzulegen vermocht, dass die
Voraussetzungen der von ihm geforderten Entgeltgruppe vorliegen. Dabei ist es nicht
ausreichend, wenn der Arbeitnehmer, der eine höhere Entgeltgruppe für sich in
Anspruch nimmt, seine eigene Tätigkeit darstellt. Aus der Tatsache, dass
möglicherweise von dem Kläger gelegentlich die sogenannte Notfallkompetenz verlangt
wird, lassen sich die einer dreijährigen Berufsausbildung gleichstehenden Kenntnisse
und Fähigkeiten nicht ableiten.
Der Kläger erfüllt auch nicht die Eingruppierungsmerkmale der Entgeltgruppe 7 Ziff. 2 da
er nicht mit der eigenständigen Wahrnehmen von komplexen Aufgaben im
Tätigkeitsbereich nicht ärztlicher medizinischer Dienst betraut ist. Hierfür werden nach
der Anmerkung 5 mindestens erweiterte und vertiefte Kenntnisse und entsprechende
Fähigkeiten verlangt, die in der Regel durch eine mindestens zweieinhalbjährige
Berufsausbildung, aber auch anderweitig erworben können.
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a)
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Nach der Stellenbeschreibung vom 4.9.2008 für den Kläger als Rettungsassistent im
Rettungsdienst, gehören zu den selbständig durchzuführenden Tätigkeiten des
Rettungsassistenten die Herstellung und Erhaltung der Transportfähigkeit von
Notfallpatienten, Patienten und Unfallopfern. Ferner gehört zu den Tätigkeiten des
Rettungsassistenten die Erledigung von Verwaltungshelfertätigkeiten für die Träger des
Rettungsdienstes und für die Johanniter, Teilnahme an den gesetzlich
vorgeschriebenen und von den Johannitern angebotenen rettungsdienstlichen
Fortbildungen, situationsbedingte Mitarbeit in allen satzungsgemäßen Aufgaben unter
Berücksichtigung der vorhandenen Kenntnisse und Fertigkeiten, insbesondere des
tatsächlichen Ausbildungsstandes, Teilnahme an der Hintergrundbereitschaft für den
erweiterten Rettungsdienst, Mitarbeit bei der Aufrechterhaltung von Verkehrssicherheit
und Ordnung in den Dienstgebäuden. Darüber hinaus ist der Kläger zusätzlich im
Bereich der Disposition und Einsatzlenkung der Einsatzmittel im Bereich des
Krankentransportes/ Krankenfahrdienstes weisungsbefugt eingesetzt.
35
b)
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Dass die genannten Tätigkeiten der Entgeltgruppe 7 zuzuordnen sind, ist dabei nicht
ersichtlich.
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Zunächst ist festzustellen, dass die Tätigkeit des Rettungsassistenten nicht in den
Richtbeispielen zu den jeweiligen Entgeltgruppen genannt ist. Die
Arbeitsvertragsrichtlinien sind allerdings nach den für Tarifverträge geltenden
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Maßstäben auszulegen (BAG vom 17.11.2005 – 6 AZR 160/05 - ). Normative
Bestimmungen eines Tarifvertrages sind nach Beachtung ihres Wortlautes, ihres
systematischen Zusammenhangs, ihrer Entstehungsgeschichte sowie des hiermit
verfolgten Zwecks auszulegen, wobei der Wille der Tarifparteien nur insoweit
Berücksichtigung finden kann, wie er auch in dem Wortlaut einen für Dritte erkennbaren
Ausdruck gefunden hat. Im Rahmen einer zweckorientierten Auslegung ist im Zweifel
die Auslegungsmöglichkeit vorzuziehen, die zu einer sachgerechten, vernünftigen und
praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG in ständiger Rechtssprechung, vergl. nur
Urteil vom 22.10.2002 – 3 AZR 468/01 - ).
Beinhaltet ein Tarifvertrag in seinen Eingruppierungsvorschriften Richtbeispiele, so ist
die Eingruppierung in die jeweilige Entgeltgruppe anhand dieser vorzunehmen, weil in
den Richtbeispielen der unmittelbare Wille der Tarifvertragsparteien zum Ausdruck
kommt, bestimmte Tätigkeiten einer bestimmten Entgeltgruppe zuzuordnen (BAG vom
11.6.1997 – 10 AZR 613/9 - ).
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Aus dem Wortlaut der insoweit zu bewertenden allgemeinen und besonderen
Eingruppierungsmerkmale der Entgeltgruppen 6 und 7 ergibt sich eine
Eingruppierungssystematik hinsichtlich der auszuübenden Tätigkeiten im nicht
ärztlichen Dienst, nach welcher der Entgeltgruppe 6 assistierende und damit
unterstützende, vorbereitende, zuarbeitende, ggf. nachsorgende Tätigkeiten erfasst sind,
währenddessen in die Entgeltgruppe 7 medizinische Pflegeberufe mit einer weitgehend
selbstständigen Arbeit an und mit dem Patienten eingruppiert sind, worauf bereits das
Arbeitsgericht Cottbus in seinem Urteil vom 14.1.2009 – 7 Ca 723/08 – hingewiesen
hatte. Dem schließt sich die Kammer an. Die genannte Systematik zeigt sich
insbesondere anhand der Richtbeispiele der Entgeltgruppen 4, 5, 6 und 7. Während die
Entgeltgruppe 4 reine Helfertätigkeiten beinhaltet, finden sich in der Entgeltgruppe 5
höherwertige Helfertätigkeiten. Die Entgeltgruppe 6 zeichnet sich sodann durch
einfachere und durchschnittlichere Assistententätigkeit mit selbständigem Handeln und
begrenztem Entscheidungsspielraum aus, wohingegen die Entgeltgruppe 7 qualifizierte
spezifische Facharbeiten mit selbständigem Handeln und eigenem
Entscheidungsspielraum beinhaltet, wobei das Handeln und Entscheiden auf die
Herbeiführung eines selbst oder fremd definierten Erfolges ausgerichtet ist. Dem
entspricht aber die Stellenbeschreibung des Rettungsassistenten im Betrieb des
beklagten Vereines gerade nicht. Zwar ist in diesem Zusammenhang, worauf der Kläger
zu Recht hinweist, nicht zu verkennen, dass der Rettungsassistent im Einsatz bei
Nichtanwesenheit eines Arztes im Einzelfall Tätigkeiten, die eine sogenannte
Notkompetenz erfordern, leistet, bei dieser Aufgabenstellung ist jedoch nicht ersichtlich,
dass sie der Tätigkeit des Klägers als unverzichtbarer Bestandteil des Arbeitsauftrages
das Gepräge gibt, § 12 Abs. 2 AVR. Zu den Arbeitsaufgaben des Rettungsassistenten
gehören nach dessen Stellenbeschreibung vielmehr die Assistenz nach Anweisung des
Notarztes sowie umfangreiche Kontroll-, Pflege- Vorbereitungs- und
Nachbereitungstätigkeiten hinsichtlich der Rettungsfahrzeuge und des in diesen
befindlichem medizinischen Gerätes. Ebenfalls obliegen ihm
Verwaltungshelfertätigkeiten für die Träger des Rettungsdienstes und für die Johanniter.
Bei den genannten Arbeitsaufgaben handelt es sich in erster Linie um solche, welche
schematisch abzuarbeiten und nach entsprechenden Prüfungskatalogen durchzuführen
sind. Es handelt sich um Tätigkeiten, die auf die erforderliche Patientenversorgung zwar
ausgerichtet und einen diesbezüglichen Fachbezug aufweisen, die aber ohne eigenen
Entscheidungsspielraum und nicht auf einen selbst oder fremd definierten Erfolg in
eigener Verantwortung erbracht werden. Nach dem Sinn und Zweck der
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Eingruppierungssystematik, wie sie sich auch aus den Vorbemerkungen zum
Eingruppierungskatalog der Anlage 1 ergibt und worauf die Richtbeispiele jeweils
hinweisen, ist davon auszugehen, dass zunächst grundsätzlich eine dreijährige
Ausbildung für die Entgeltgruppe 7 gefordert wird. Würde man daher den
Rettungsassistenten der Entgeltgruppe 7 zuordnen, so würde die Systematik der
Entgeltgruppen durchbrochen. Da bei jedem Rettungsassistenten praktisch vom ersten
Arbeitstag an die Möglichkeit besteht, dass er vor dem Arzt am Einsatzort eintrifft, kann
die insoweit dann geforderte Notkompetenz nicht das entscheidende
Eingruppierungskriterium sein. Da im Zweifel aber davon auszugehen ist, dass bei der
Schaffung der Entgeltgruppen eine sinnvolle Regelung des angesprochenen
Sachbereichs gewollt war, ist zu unterstellen, dass durch die Entgeltgruppen eine
vernünftige und praktische brauchbare Regelung getroffen werden sollte. Wollte man
aber der Auslegungshypothese des Klägers folgen, so zöge dies die sonderbare
Konsequenz nach sich, dass nunmehr alle Rettungsassistenten auch ohne dreijährige
Berufsausbildung in die Entgeltgruppe 7 eingruppieren wären, obwohl der
Rettungsassistent tatsächlich nur im Notfall – bis zum Eintreffen des Arztes –
eigenständige Aufgaben wahrnimmt, er tatsächlich jedoch im Wesentlichen Helfer bzw.
Assistent des Arztes ist. Eine Eingruppierung des Rettungsassistenten in die
Entgeltgruppe 7 erscheint daher nicht interessengerecht und führt nicht zu einem
sachgerechten, vernünftigen und praktisch brauchbaren Ergebnis. Vielmehr würde
lediglich auf gelegentliche Sondersituationen des Rettungsassistenten abgestellt, nicht
jedoch darauf, welche Aufgaben seiner Tätigkeit das Gepräge geben, wie § 12 Abs. 2
AVR es verlangt.
c)
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Da schließlich auch nicht erkennbar ist, dass die Zusatzaufgabe des Klägers bei der
Disposition und Einsatzlenkung der Einsatzmittel im Bereich des Krankentransportes/
Krankenfahrdienstes der Entgeltgruppe 7 zugeordnet werden kann, weil es sich auch
insoweit nicht um Tätigkeiten handelt, die der Tätigkeit des Klägers das Gepräge geben
und unverzichtbarer Bestandteil seines Arbeitsauftrages sind, da der Kläger
unwidersprochen diese Tätigkeit lediglich an sieben Tagen seit dem 1.9.2008 ausgeübt
hat, war die Klage demzufolge abzuweisen.
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3.
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Weitere Anspruchsgrundlagen, auf die der Kläger sein Klagebegehren stützen könnte,
sind nicht erkennbar. Da der Kläger keinen Anspruch auf Eingruppierung in die
Entgeltgruppe 7 besitzt, war auch der Feststellungsantrag zu 2) abzuweisen.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 ZPO. Die Entscheidung
über den Streitwert gründet sich auf § 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, § 42 Abs. 4 GKG. Es
wurde die 36-fache Vergütungsdifferenz zwischen der vom Kläger begehrten Zahlung
nach der Entgeltgruppe 7 und der von ihm tatsächlich bezogenen Vergütung (36 x 110,--
€) zugrunde gelegt.
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