Urteil des ArbG Berlin vom 10.09.2008

ArbG Berlin: unwirksamkeit der kündigung, arbeitsunfähigkeit, beweislast, kündigungsfrist, vorrang, arbeitsbedingungen, sicherheit, behörde, rechtfertigung, verwaltungsorganisation

Gericht:
ArbG Berlin 56.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
56 Ca 10703/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 3 StPoolG BE, § 1 Abs 2
KSchG, § 71 Abs 3 Nr 2 SGB 9, §
84 Abs 1 SGB 9, § 84 Abs 2 SGB
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Krankheitsbedingte Kündigung - Durchführung eines
betrieblichen Eingliederungsmanagements - Fehlen einer
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit - Vorverlagerung des
Beurteilungszeitraums - Darlegungs- und Beweislast
Leitsatz
1. Führt der Arbeitgeber ein gebotenes betriebliches Eingliederungsmanagement i.S.d. § 84
Abs. 2 SGB IX nicht durch, ist eine krankheitsbedingte Kündigung allein deshalb noch nicht
unwirksam. Den Arbeitgeber trifft jedoch eine erhöhte Darlegungs- und Beweislast für das
Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auch bei hypothetischer Durchführung eines
Eingliederungsmanagements (BAG).
2. Ob bei Zustimmung des Integrationsamtes zur krankheitsbedingten Kündigung ohne
"besondere Anhaltspunkte" eine Vermutung dafür spricht, dass eine Prävention zu keiner
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit geführt hätte (so BAG für § 84 Abs. 1 SGB IX), kann offen
bleiben. Sie bezieht sich allenfalls auf aktuelle Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten und nicht
auf die Frage, ob es dem Arbeitgeber aus normativen Gründen (§ 162 BGB analog) verwehrt
ist, sich auf den Wegfall einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu berufen. Sie ist auch
abzulehnen, wenn das Integrationsamt offensichtlich die Reichweite der
Weiterbeschäftigungspflicht des Arbeitgebers verkannt hat.
3. Eine krankheitsbedingte Kündigung ist unwirksam, wenn eine
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem (leidensgerechten) Arbeitplatz entweder im
Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung besteht oder diese "mit hinreichender Sicherheit" bis
zum Ablauf der Kündigungsfrist entsteht oder sie "in absehbarer Zeit" nach Ablauf der
Kündigungsfrist entstehen wird, sofern die Überbrückung dem Arbeitgeber zumutbar ist
(BAG). Im Ausnahmefall ist der Beurteilungszeitpunkt vorzuverlagern, wenn der Arbeitgeber
das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in treuwidriger Weise selbst herbeigeführt
hat, § 162 BGB analog (BAG).
4. Eine solche Vorverlagerung des Beurteilungszeitpunktes findet auch dann statt, wenn ein
öffentlicher Arbeitgeber einen für seine vertraglich geschuldete Tätigkeit dauerhaft
arbeitsunfähigen Arbeitnehmer aus fürsorgerischen Gründen dienstlich verwendet, ohne dass
die Tätigkeit mit einer finanzierten Stelle unterlegt ist, zwischenzeitlich freie (leidensgerechte)
Stellen anderweitig besetzt und sich schließlich gegenüber dem (vertragsbezogen)
arbeitsunfähigen Arbeitnehmer auf das Fehlen eines freien Arbeitsplatzes beruft. Bei
Nichtdurchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements hat der Arbeitgeber
diese Möglichkeit substantiiert auszuschließen. Dies gilt zumindest ab dem Zeitpunkt, zu
dem eine Kündigung objektiv möglich war und subjektiv in Erwägung gezogen wurde, was der
Arbeitgeber näher darzulegen hat.
5. Die Weiterbeschäftigungspflicht des öffentlichen Arbeitgebers beschränkt sich im
Normalfall auf seine in § 1 Abs. 2 KSchG definierten jeweiligen Verwaltungszweige. Werden wie
nach § 2 Abs. 3 Stellenpoolgesetz Berlin freie Stellen eines Verwaltungszweiges im Rahmen
eines Personalüberhangmanagements einem anderen Verwaltungszweig zugeordnet, so ist
dies zumindest gegenüber behinderten, ansonsten krankheitsbedingt zu kündigenden
Arbeitnehmern unbeachtlich, da dies eine sachlich nicht gerechtfertigte mittelbare
Diskriminierung Behinderter i.S.d. §§ 1, 2, 3 Abs. 2 7, 22 AGG darstellt.
6. Öffentliche Arbeitgeber im Sinne des 2. Teils des SGB IX und damit i.S.d. § 84 Abs. 2 SGB IX
sind nach § 71 Abs. 3 Nr. 2 SGB IX in einem Bundesland insbesondere die obersten
Landesbehörden mit ihren nachgeordneten Dienststellen, es sei denn, sie sind auf Grund
einer gemeinsamen Personalverwaltung gemäß § 71 Abs. 3 Nr. 2 letzter Hs. SGB IX zu einer
größeren Personalwirtschaftseinheit und damit als Arbeitgeber i.S.d. SGB IX zusammen zu
fassen. Hingegen werden nachgeordnete Dienststellen oder Dienstbehörden eines
Landesministeriums durch eine eigene Personalverwaltung nicht zu einem eigenständigen
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Landesministeriums durch eine eigene Personalverwaltung nicht zu einem eigenständigen
Arbeitgeber i.S.d. § 71 Abs. 3 Nr. 2 SGB IX.
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung
vom 04.10.2007 aufgelöst worden ist.
II. Das beklagte Land trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.646,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen krankheitsbedingten
Kündigung.
Der am … 1966 geborene, ledige Kläger ist seit dem 03.10.1990 bei dem beklagten
Land als Polizeiangestellter im Objektschutz, konkret beim P. in Berlin, beschäftigt und
erzielte zuletzt ein Bruttomonatseinkommen in Höhe von 1.882,00 EUR.
Der Kläger hatte vom 25.04.1997 bis 02.05.1997 acht und in der Zeit vom 24.06.1997
bis 20.12.1998 543 Fehltage.
Der Kläger ist seit dem 02.09.1998 anerkannter Schwerbehinderter mit einem Grad der
Behinderung von 60 %. Dem liegt eine Stoffwechselerkrankung mit Beeinträchtigungen
der Motorik und Sensorik im Bewegungsablauf verbunden mit einer psychosomatischen
leichten Erschöpfbarkeit und einer Aufmerksamkeitsschwäche zugrunde. Ein
polizeiärztliches Gutachten vom 07.12.1998 kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht
für den Dienst als Polizeiangestellter im Objektschutz gesundheitlich bedingt geeignet
sowie nur im Innendienst einsetzbar sei und dies nur ohne Schichtarbeit und ohne eine
Dienstwaffe.
In einem Personalgespräch am 21.12.1998 (Anlage A 2, Blatt 32 d. A.) kam der Kläger
und die Personalsachbearbeiterin Frau V. darin überein, dass der Kläger nicht im
Objektschutz eingesetzt werden könne, sondern „derzeit nur im Dienstleistungsbereich
der Direktion 7 als Mitarbeiter in Haushaltsangelegenheiten zur Verfügung stehe.“ In
dem Aktenvermerk der Frau V. heißt es weiter:
„Anschließend wies Frau V. Herrn S. darauf hin, dass der Arbeitgeber bei erneut
auftretender langandauernder Arbeitsunfähigkeit bzw. bei Nichteignung für die von uns
angebotenen Tätigkeiten auch eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses in
Erwägung ziehen muss.“
Der Kläger wurde seit dem 22.12.1998 zur Erledigung von Verwaltungsaufgaben im
Innendienst dienstlich verwendet. Zunächst in der Postverteilerstelle als Bote und dann
ab 2002 für die Verteilung der Post, für die Vorgangssteuerung und Materialverwaltung.
Für die Zeit vom 22.12.1998 bis zum 20.06.2007 teilten die Parteien keine Fehlzeiten
des Klägers mit.
Am 21.06.2007 wurde der Kläger erneut polizeiärztlich untersucht. Im
Untersuchungsbericht vom 22.06.2007 (Anlage A 3, Blatt 33 d. A.) wurde festgestellt,
dass der Kläger „arbeitsfähig“ sei. Insgesamt weise er im Zeitraum Januar 2002 bis Juni
2006 „eine sehr geringe Anzahl von Fehlzeiten“ auf. Auf Grund seiner organischen
Erkrankung sei er allerdings nicht im Objektschutz einsetzbar, „jedoch uneingeschränkt
in seinem jetzigen Aufgabengebiet“. Im Juli 2007 veranlasste der P. eine Umfrage zur
Prüfung der stellentechnischen Unterbringungsmöglichkeiten bei anderen
Landesbehörden, intern und landesweit. Das Ergebnis war negativ.
Mit Schreiben vom 03.08.2007 wurden der Personalrat, die
Schwerbehindertenvertretung und das Integrationsamt über die beabsichtigte
Kündigung informiert, wobei ihnen der Entwurf der ordentlichen Kündigung sowie die
polizeiärztlichen Gutachten übersandt wurden (Anlage A 4 ff. d. A.). Der Personalrat
stimmte mit einem unterschriebenen Zustimmungsstempel zu. Ebenso die
Schwerbehindertenvertretung mit der Begründung, dass leider „derzeit“ keine
Weiterbeschäftigung in der Behörde möglich sei. Zu beklagen sei jedoch, dass für den
Kläger, der in den letzten neun Jahren keine nennenswerten krankheitsbedingten
Ausfallzeiten ausgewiesen habe, „in nunmehr neun Jahren für ihn keine adäquate
Beschäftigung gefunden werden konnte“. Mit einem inzwischen rechtskräftigen Bescheid
vorm 26.09.2007 stimmte auch das Integrationsamt der Kündigung zu (Anlage A 8, Blatt
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vorm 26.09.2007 stimmte auch das Integrationsamt der Kündigung zu (Anlage A 8, Blatt
39 ff. d. A.). Auf die Einzelheiten wird verwiesen.
Mit Schreiben vom 04.10.2007, dem Kläger am 16.10.2007 zugegangen, kündigte das
beklagte Land dem Kläger mit Wirkung zum 30.06.2008.
Mit der am 25.10.2007 bei Gericht eingegangenen und dem beklagten Land am
02.11.2007 zugestellten Klage macht der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung
geltend.
Der Kläger stellt eine dauerhafte Dienstunfähigkeit für die Tätigkeit im Objektschutz
unstreitig. Er rügt die Sozialwidrigkeit, da das beklagte Land in der Zeit von 1998 bis
2007 nichts oder jedenfalls nichts Ausreichendes unternommen habe, dem Kläger eine
adäquate und leidensgerechte Stelle zu verschaffen. Es sei schon seit dem
Schwerbehindertenbescheid vom 02.09.1998 klar gewesen, dass der Kläger nicht mehr
im Objektschutz einsetzbar war. Der Kläger sei davon ausgegangen, dass er eine
normale, stellentechnisch unterlegte Stelle ausfülle. Davon sei auch sein Vorgesetzter
ausgegangen.
Im Übrigen seien keine dauerhaften betrieblichen Beeinträchtigungen im Objektschutz
mit seinen 300 - 400 Mitarbeitern zu sehen. Es sei dem Kläger unverständlich, dass er
nach neun Jahren ohne erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten nunmehr
krankheitsbedingt gekündigt werden soll.
Eine soziale Rechtfertigung sei auch deshalb abzulehnen, da das beklagte Land freie
Stellen für den Stellenpool reserviert habe. Insofern sei auch das Integrationsamt
unzureichend informiert worden. Es seien eben nicht alle möglichen Stellen geprüft
worden.
Konkret käme für den Kläger eine Tätigkeit als Munitionsmitarbeiter gemäß
Stellenbeschreibung Anlage K 5 (Blatt 55 d. A.) zum 01.12.2006 oder als
Schießstandarbeiter gemäß Anlage K 6 (Blatt 56 d. A.) vom 21.09.2007 in Betracht. Des
Weiteren Stellen gemäß Stellenbeschreibungen des Anlagenkonvolut K 7 (Blatt 80 ff. d.
A.) (aus der Zeit Februar - Mai 2008).
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der
Beklagten vom 04.10.2007, dem Kläger übergeben am 16.10.2007, nicht zum
30.06.2008 beendet wird, sondern darüber hinaus zu unveränderten Bedingungen
fortbesteht.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land behauptet, dass die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten
stellentechnisch nicht durch eine Stelle unterlegt gewesen seien. Es sei lediglich eine
dienstliche Verwendung aus fürsorglichen Gründen gewesen. Dem Kläger sei auch klar
gewesen, dass es sich nicht um Dauerstellen handele, zumal er die gesamte Zeit
übertariflich bezahlt worden sei.
Die vom Kläger konkret genannten Stellen kämen für den Kläger nicht in Betracht. Sie
seien zum Teil höherwertig, zum Teil sei der Kläger dafür nicht geeignet, zum Teil lägen
sie außerhalb des Verwaltungsbereiches des P. und im Übrigen lägen die zuletzt
genannten weit nach dem Kündigungszeitpunkt.
Die vom Gericht angedachte Anwendung der Grundsätze der BAG-Entscheidung vom
12.07.2007 bei Nichtdurchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagement sei in
mehrfacher Hinsicht verfehlt. Zum einen lägen die Voraussetzungen des § 84 Abs. 2
SGB IX nicht vor, da der Kläger nicht im dort vorausgesetzten Umfang arbeitsunfähig
gewesen sei. Selbst wenn man das Urteildirekt oder analog anwenden wolle, müsse man
zugleich auch die BAG-Entscheidung aus dem Jahr 2006 einbeziehen, wonach die
Zustimmung des Integrationsamtes die Vermutung begründe, dass ein etwaiges
Unterlassen des Arbeitgebers nicht kausal gewesen sei.
Noch in einem Personalgespräch im September 2007 habe man gemeinsam mit dem
Kläger überlegt, wie eine Kündigung zu vermeiden sei. Selbst wenn dies den
Formalitäten des § 84 Abs. 2 SGB IX nicht entsprochen habe, sei dies jedenfalls als
funktionsäquivalent anzusehen.
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Der P. sei Arbeitgeber im Sinne des § 71 Abs. 3 Nr. 2 SGB IX. Da der P. und seine
Dienststellen eine gemeinsame Personalverwaltung hätten, sei auch nur im Bereich des
P. nach Einsatzmöglichkeiten für einen schwerbehinderten Arbeitnehmer im Rahmen des
betrieblichen Eingliederungsmanagement zu suchen.
Hinsichtlich der Bedenken des Gerichts bezüglich der stellenwirtschaftlichen
Handhabung des Zentralen Personalüberhangmanagements des beklagten Landes hieß
es schriftsätzlich, dass § 2 Abs. 3 Stellenpoolgesetz vorsehe, dass die Dienststellen des
Landes Berlin freie dauerhafte oder befristet zu besetzende Stellen unverzüglich dem
ZEP zu melden haben. Diese freien und dort gemeldeten Stellen stünden den einzelnen
Behörden des Landes Berlin nicht mehr ohne weiteres für eine Nachbesetzung zur
Verfügung und könnten dem Kläger nicht angeboten werden, da sie ausschließlich mit
Personalüberhangkräften nach Vermittlung durch das ZEP besetzbar seien. In der
mündlichen Verhandlung hieß es zusätzlich dazu, dass vor der Meldung einer Stelle an
das Zentrale Überhangmanagement behördenintern im Rahmen eines "engen
Nachbesetzungsspielraums" eine Behörde interne Nachbesetzungsmöglichkeit prüfe.
Von einer systematischen Benachteiligung schwerbehinderter Mitarbeiter könne daher
keine Rede sein.
Für den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die gewechselten Schriftsätze
verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
A.)
lediglich ein unselbständiges Anhängsel.
B.)
ZPO auf Grund der Präklusionsgefahr der §§ 4, 7 KSchG gegeben.
C.)
I.
angegriffen.
II.
§§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 Abs. 2, 22 AGG folgt, weil das AGG richtlinienkonform entgegen § 2
Abs. 4 AGG auch bei Kündigungen Anwendung findet und ein im Konzept und in der
Praxis des Stellenpoolgesetzes des Landes Berlin angelegter absoluter Vorrang von
Mitarbeitern, die betriebsbedingt ihren Arbeitsplatz verloren haben, vor Mitarbeitern, die
krankheitsbedingt ihrer vertraglich geschuldeten Arbeit nicht nachgehen können, bei der
Vergabe freier Stellen systemimmanent eine mittelbare, i.S.d. § 3 Abs. 2 AGG nicht
gerechtfertigte Benachteiligung des schwerbehinderten Klägers darstellt.
III.
PersVG Berlin unwirksam. Die Unwirksamkeit einer nicht ordnungsgemäßen
Personalratsanhörung wird nur auf entsprechender, hier nicht erfolgter Rüge vom Gericht
geprüft.
IV.
Integrationsamt hat mit Bescheid vom 26.09.2007 der Kündigung zugestimmt. Dieser
Bescheid ist nach Mitteilung in der mündlichen Verhandlung inzwischen rechtskräftig.
V.
dem Kläger 1998 erklärte, dass bei "erneut auftretender langandauernder
Arbeitsunfähigkeit" eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses in Erwägung
gezogen werde. Damit ist keine Zusicherung verbunden, dass bei nicht auftretender
langandauernder Arbeitsunfähigkeit keine krankheitsbedingte Kündigung erfolgt.
VI.
unwirksam. Die Kündigung ist nicht i.S.d. § 1 KSchG sozial gerechtfertigt, da kein
personen-, hier krankheitsbedingter Kündigungsgrund vorliegt.
1.
geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, den Arbeitgeber nach § 1 Abs. 2 KSchG
grundsätzlich zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Bei einem
Arbeitsverhältnis, bei dem feststeht, dass der Arbeitnehmer in Zukunft die geschuldete
Arbeitsleistung überhaupt nicht erbringen kann, ist das Verhältnis von Leistung und
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Arbeitsleistung überhaupt nicht erbringen kann, ist das Verhältnis von Leistung und
Gegenleistung auf Dauer ganz erheblich gestört (BAG [22.09.2005] - 2 AZR 519/04 -
NZA 2006, 486 (487) [Rn. 21] m.w.N.).
Die Kündigung im Falle lang anhaltender Krankheit ist sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2
KSchG), wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der
Arbeitsunfähigkeit vorliegt - erste Stufe-, eine darauf beruhende erhebliche
Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist - zweite Stufe - und eine
Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer
billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen - dritte
Stufe (BAG [19.04.2007] - 2 AZR 239/06 - NZA 2007, 1041 Os.).
Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers auf Dauer für seine vertraglich geschuldete Tätigkeit
ist vorliegend unstreitig.
2.
2.1
Kündigung ist unverhältnismäßig -, wenn diese durch die Weiterbeschäftigung des
Arbeitnehmers auf einem anderen Arbeitsplatz abgewendet werden kann.
2.1.1
Widerspruch der zuständigen Personalvertretung vorliegt (BAG [25.04.2002] - 2 AZR
260/01 - NZA 2003, 605 = juris [Rn. 24]).
2.1.2
dasjenige wählen, das das Arbeitsverhältnis und den betroffenen Arbeitnehmer am
wenigsten belastet. Eine Kündigung ist als letztes Mittel nur zulässig, wenn der
Arbeitgeber alle zumutbaren Möglichkeiten zu ihrer Vermeidung ausgeschöpft hat" (BAG
[12.07.2007] - 2 AZR 716/06 - DB 2008, 189 = juris [Rn. 29]).
Die Weiterbeschäftigung auf einem freien leidensgerechten Arbeitsplatz hat Vorrang vor
einer Beendigungskündigung. Dies auch dann, wenn sie nur zu geänderten
Arbeitsbedingungen erfolgen kann (BAG [22.09.2005] - 2 AZR 519/04 - NZA 2006, 486 =
juris [Rn. 24 f.] m.w.N.). Der Arbeitgeber muss im Rahmen der Möglichkeiten seines
Direktionsrechts einen leidensgerechten Arbeitsplatz "freimachen" (BAG [12.07.2007] - 2
AZR 716/06 - DB 2008, 189 = juris [Rn. 29]) - gegenüber dem ansonsten zu
Kündigenden - mit Ausnahme von "Extremfällen" - notfalls durch Ausspruch einer
Änderungskündigung (BAG [21.09.2006] - 2 AZR 607/05 - NZA 2007, 431 = juris [Rn.
34]).
Selbst einem schwerbehinderten Arbeitnehmer gegenüber ist der Arbeitgeber dann
nicht zur Weiterbeschäftigung verpflichtet, wenn ihm die Beschäftigung unzumutbar oder
eine solche nur mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist, § 81 Abs. 4
Satz 3 SGB IX (BAG [14.03.2006] - 9 AZR 411/05 - NZA 2006, 1214 = juris [Rn. 19]). Der
Arbeitgeber muss auch für einen Schwerbehinderten weder einen neuen Arbeitsplatz
schaffen (BAG [14.03.2006] - 9 AZR 411/05 - NZA 2006, 1214 (1216); noch einen
Arbeitsplatz "freikündigen" - d.h. einem anderen Arbeitnehmer kündigen, selbst wenn
dieser i.S.d. § 1 Abs. 3 KSchG weniger schutzwürdiger ist (BAG [29.01.1997] - 2 AZR 9/96
- NZA 1997, 709 = juris [Rn. 22 f]; offen lassend BAG [28.04.1998] - 9 AZR 348/97 - NZA
1999, 152 = juris [Rn. 29 f.]).
2.1.3
Arbeitgeber objektiv möglich und zumutbar sein. "Dies setzt voraus, dass ein freier
vergleichbarer (gleichwertiger) Arbeitsplatz oder ein freier Arbeitsplatz zu geänderten
(schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden ist und der Arbeitnehmer über die hierfür
erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt" (BAG [25.04.2002] - 2 AZR 260/01 -
NZA 2003, 605 = juris [Rn. 24]).
Als Alternativarbeitsplatz kommt nur ein Arbeitsplatz mit gleichwertigen oder
schlechteren Arbeitsbedingungen in Betracht (BAG [02.02.2006] - 2 AZR 38/05 - NZA
2007, 352 Os.). Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einer zwar freien, jedoch
höherwertigen Stelle ist unbeachtlich (BAG [19.04.2007] - 2 AZR 239/06 - NZA 2007,
1041 (1043) [Rn. 25]) - ausgenommen Fälle einer bloßen Umwidmung in eine
Beförderungsstelle (BAG [18.10.2000] - 2 AZR 465/99 - NZA 2001, 437 = juris [Rn.
104]).
2.1.4
Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen in Betracht kommen. Dazu muss mit
hinreichender Sicherheit vorhersehbar sein, dass nach Abschluss der Maßnahme eine
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hinreichender Sicherheit vorhersehbar sein, dass nach Abschluss der Maßnahme eine
Beschäftigungsmöglichkeit auf einem freien Arbeitsplatz besteht, dessen Anforderungen
der Arbeitnehmer nach erfolgreicher Umschulung oder Fortbildung erfüllen kann " (BAG
[11.10.1995] - 7 AZR 119/95 - NZA 1996, 1212 (1213)). Soweit Umschulungs- oder
Fortbildungsmaßnahmen notwendig sind, sind sie dem Arbeitnehmer anzubieten (BAG
[09.05.1996] - 2 AZR 465/95 - juris [Rn. 37]).
2.1.5
der Kündigung, dem maßgeblichen Überprüfungszeitpunkt für die soziale Rechtfertigung
einer Kündigung, unbesetzt sind (BAG [23.11.2004] - 2 AZR 38/04 - NZA 2005, 986
(989)).
Im Normalfall muss ein freier Arbeitsplatz entweder schon im Zeitpunkt des Zugangs
der Kündigung bestehen oder "absehbar" (LAG Köln [13.06.2007] - 7 Sa 1299/06 - juris
[Rn. 32]) bzw. "mit hinreichender Sicherheit" vorhersehbar (BAG [15.12.1994] - 2 AZR
320/94 - NZA 1995, 413 (414)) bis zum Ablauf der Kündigungsfrist entstehen oder es
muss im Zeitpunkt der Kündigung bereits feststehen, dass er "in absehbarer Zeit" nach
Ablauf der Kündigungsfrist frei wird, "sofern die Überbrückung dieses Zeitraums dem
" (
"Eine sozialwidrige Kündigung liegt allerdings auch dann vor, wenn in dem für die
Beurteilung maßgeblichen Kündigungszeitpunkt zwar keine
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer mehr bestand, dem Arbeitgeber
aber die Berufung auf das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aus dem in §
162 Abs. 1 und Abs. 2 BGB normierten Rechtsgedanken verwehrt ist, weil er diesen
Zustand selbst treuwidrig herbeigeführt hat (...)" (BAG [01.02.2007] - 2 AZR 710/05 -
NZA 2008, 192 Os.; vgl. auch BAG [15.08.2002] - 2 AZR 195/01 - NZA 2003, 430 = juris
[Rn. 20] m.w.N.).
Diese Rechtsprechung wurde in Fällen vorgezogener Stellenbesetzung allgemein und im
Fall eines Teilbetriebsübergangs insbesondere angewandt (vgl. Schaub/Linck,
Arbeitsrechts-Handbuch, 12. Aufl. [2007], § 134 Rn. 23 m.w.N. zum Streitstand), ist
jedoch verallgemeinerungsfähig und auf Fälle eines unterlassenen betrieblichen
Eingliederungsmanagements zu übertragen. Das beklagte Land kann freiwerdende
leidensgerechte Arbeitsplätze nicht anderweitig besetzen, ohne einen - nur bezogen auf
seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit - arbeitsunfähigen Arbeitnehmer zu
berücksichtigen und sich dann später auf das Fehlen leidensgerechter Arbeitsplätze
berufen.
Der maßgebliche Zeitpunkt für den i.V.m. den §§ 162, 242 BGB entsprechend
gebotenen zeitlichen Rückbezug der Weiterbeschäftigungspflicht des beklagten Landes
ist spätestens gegeben, "sobald er (scilicet: der Arbeitgeber) vom Wegfall des bisherigen
Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers Kenntnis erlangt und eine Kündigung in Erwägung
zieht" (Quecke, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, 3. Aufl. [2008], KSchG § 1 Rn.
275).
Die Haltung des BAG in dieser Frage ist nur auf dem ersten Blick zurückhaltender,
letztlich jedoch vage und wird zu Recht in der LAG-Rechtsprechung verobjektiviert. Das
BAG spricht zwar von der Notwendigkeit eines "einheitlichen Entschlusses" des
Arbeitgebers (BAG [25.04.2002] - 2 AZR 260/01 - NZA 2003, 605 (607)) oder gar von
einer Besetzung und Kündigung "gewissermaßen uno actu aufgrund eines einheitlichen
Entschlusses" (BAG [10.11.1994] - 2 AZR 242/94 - AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 65 [zu B I 6]). Jedoch wird diese Wendung zutreffend nicht subjektiv und
psychologisch, sondern objektiv verstanden. Ein einheitlicher Entschluss ist hinreichend,
aber nicht notwendig (vgl. LAG Hamm [11.01.2007] - 17 Sa 79/07 - DÖD 2007, 237 =
juris [Rn. 41]: kein konzeptioneller Zusammenhang notwendig). Es ist ein "objektiver
Maßstab in dem Sinn anzustellen, dass es darauf ankommt, ob für den Arbeitgeber zum
Zeitpunkt der Stellenbesetzung der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeiten für andere
Arbeitnehmer hinreichend erkennbar war (...). Unmaßgeblich ist danach, ob der
Arbeitgeber diesen Umstand - aus welchen Gründen auch immer - in der konkreten
Situation tatsächlich erkannt hat; die Erkennbarkeit genügt" (LAG Hessen [15.09.2006] -
3 Sa 2213/05 - juris [Rn. 59]). Ausreichend ist, "wenn in dem Zeitpunkt, in dem der
Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes absehbar und damit die Kündigung als Möglichkeit
erkennbar war, ein anderer Arbeitsplatz frei war, der vom Arbeitgeber bis zum Zugang
der Kündigung - durch eine Neueinstellung - neu besetzt worden ist" (LAG Berlin
[29.08.1988] - 12 Sa 40, 59/88 - NZA 1989, 274 Ls.). "Denn anderenfalls hätte es der
Arbeitgeber in der Hand, die Kündigung eines Arbeitnehmers, dessen Arbeitsplatz
wegfallen wird, so lange hinauszuschieben, bis er andere freie Arbeitsplätze besetzt hat"
(LAG Berlin [29.08.1988] - 12 Sa 40, 59/88 - NZA 1989, 274).
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Gegebenenfalls hat das beklagte Land vorzutragen, dass es entweder trotz objektiver
Kündigungsmöglichkeit zunächst gar nicht vorhatte zu kündigen und wann ein
personalwirtschaftlicher Politikwechsel ("früher wurden solche Mitarbeiter
durchgeschleppt") einsetzte oder - bezogen auf die geschuldete Arbeit - trotz
neunjähriger Arbeitsunfähigkeit des Klägers von dem Fehlen einer
Kündigungsmöglichkeit ausging.
2.1.6
grundsätzlich arbeitgeberbezogen ("unternehmensbezogen"). Im öffentlichen Dienst
beschränkt sie sich auf einen anderen Arbeitsplatz "in derselben Dienststelle" oder "in
einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweiges an demselben Dienstort
einschließlich seines Einzugsgebietes" (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 b) KSchG). Der so definierte
"Verwaltungszweig" tritt an die Stelle des privatwirtschaftlichen Unternehmens (BAG
[17.05.1982] - 2 AZR 109/83 - NZA 1985, 589 = juris [Rn. 66]; BAG [25.04.2002] - 2 AZR
260/01 - NZA 2003, 605 = juris [Rn. 24]). Der "öffentliche Arbeitgeber (ist) in der Regel ..
nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einer außerhalb desselben Dienstorts und dessen
Einzugsgebiet gelegenen Dienststelle desselben Verwaltungszweiges
weiterzubeschäftigen" (BAG [17.05.1982] - 2 AZR 109/83 - NZA 1985, 589 = juris [Rn.
66]).
"Bei Arbeitnehmern, die nach § 12 BAT aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen
versetzt oder abgeordnet werden können und bei denen diese Versetzung in den
Ländern innerhalb des Geschäftsbereichs der obersten Dienstbehörde ohne weiteres
zulässig ist, beschränkt sich die Weiterbeschäftigungspflicht nicht auf die Dienststelle,
sondern erstreckt sich auf den gesamten Verwaltungsbereich" (BAG [06.06.1984] - 7
AZR 451/82 - NZA 1985, 93 = juris [Rn. 46]; vgl. auch BAG [27.04.1960] - 4 AZR 584/58
- AP BGB § 615 Nr. 10; BAG [25.03.1959] - 4 AZR 236/56 - AP BGB § 611 Fürsorgepflicht
Nr. 27). Im Normalfall besteht also "eine dienststellenübergreifende
Weiterbeschäftigungspflicht innerhalb desselben Verwaltungszweigs" (BAG [06.06.1984]
- 7 AZR 451/82 - NZA 1985, 93 = juris [Rn. 48]).
"Verwaltungszweige sind z.B. die Finanzverwaltung, die Justizverwaltung, die
Arbeitsverwaltung sowie die Wehrbereichsverwaltung" (KR/Etzel, 8. Aufl. [2007], KSchG §
1 Rn. 145), d.h. in Berlin insbesondere die einzelnen Senatsverwaltungen.
"Selbst über den Verwaltungszweig hinaus muss eine dem öffentlichen Arbeitgeber
zuzurechnende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit dann angenommen werden, wenn
dieser die bisherige Verwaltungsaufgabe und Verwaltungsorganisation einer Dienststelle
auflöst, um vergleichbare Aufgaben im Rahmen einer neu gebildeten Strukturform und
Verwaltungsorganisation in einem anderen Verwaltungsbereich auszuführen" (LAG Berlin
[23.11.2001] - 8 Sa 545/01 - juris [Rn. 98]; BAG [06.02.1997] - 2 AZR 50/56 - juris [Rn.
21] folgend). Es kann hier offen bleiben, ob das beklagte Land durch seine jahrelange
Stellenpoolpraxis in Anwendung dieses Gedankens inzwischen zumindest für
krankheitsbedingt zu kündigende Arbeitnehmer eine landesweite
Weiterbeschäftigungspflicht begründet hat.
Die vom beklagten Land bemühte Entscheidung BVerwG [05.06.1975] - V C 57.73 -
BVerwGE 48, 264 = juris steht dem nicht entgegen. In dieser Entscheidung verneinte
das BVerwG die Pflicht des Landes Berlin, einen schwerbehinderten Tierarzt über die
Grenzen des nicht rechtsfähigen Eigenbetriebes hinaus in dem gesamten Bereich der
Berliner (Veterinär-)Verwaltung weiterzubeschäftigen. Die Gegenauffassung trage der
"Aufteilung der Personalwirtschaft im Land Berlin (Mitglieder des Senats, Präsident des
Abgeordnetenhauses, Rechnungshof, Bezirksämter) nicht gebührend Rechnung" und
widerspreche der personalwirtschaftlichen Selbständigkeit des Eigenbetriebes und dem
haushaltsrechtlich verselbständigten Wirtschafts- und Stellenplan des Eigenbetriebes.
Diese Entscheidung veranlasste das LAG Berlin [29.08.2005] - 12 Sa 113/05 - n.v. in
einem obiter dictum zu der Vermutung, dass "viel dafür spricht, die
Beschäftigungsmöglichkeiten auf den personalwirtschaftlichen Bereich des P. zu
beschränken" (LAG Berlin, ebd., S. 13). Die Entscheidung des BVerwG erscheint jedoch
überholt und entspricht nicht der obigen Rechtsprechung des BAG. Die
Weiterbeschäftigungspflicht nach § 1 Abs. 2 KSchG n.F. bezieht sich auf den
Verwaltungszweig. Eine andere Frage ist, ob für das betriebliche
Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX i.V.m. § 71 Abs. 3 Nr. 2 SGB IX für
das beklagte Land ein engerer Verantwortungsbereich gilt.
2.1.7
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit darzulegen und zu beweisen (§ 1 Abs. 2 KSchG). Es gilt
"insoweit eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast: Der Arbeitgeber genügt zunächst
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"insoweit eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast: Der Arbeitgeber genügt zunächst
seiner Darlegungslast, wenn er allgemein vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des
Arbeitnehmers sei nicht möglich. Auf nähere Darlegungen des Arbeitnehmers, wie er
sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, muss der Arbeitgeber dann eingehend
erläutern, aus welchem Grund eine Beschäftigung auf einem entsprechenden
Arbeitsplatz nicht möglich gewesen sei (...). Dabei genügt es für die Darlegungen des
Arbeitnehmers, wenn er angibt, welche Art der Beschäftigung gemeint ist (...). Der
Arbeitnehmer muss im allgemeinen keinen konkreten freien Arbeitsplatz benennen (...)"
(BAG [15.08.2002] - 2 AZR 195/01 - NZA 2003, 430 = juris [Rn. 17] m.w.N.). Der
Arbeitgeber muss dann darlegen, warum eine Umsetzung des Arbeitnehmers auf die
vom Arbeitnehmer genannte Stelle nicht in Betracht kommt (BAG [11.10.1995] - 7 AZR
119/95 - NZA 1996, 1212 (1213)).
Genügt der Arbeitnehmer seiner sekundären Darlegungslast, ist das Vorbringen des
Arbeitgebers, er habe alle in Betracht kommenden Stellen wegen einer
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit angefragt und diese hätten eine solche verneint, nicht.
Der Arbeitgeber muss "im Einzelnen unter Erläuterung der Stellen- und
Organisationspläne dartun .., weshalb eine Weiterbeschäftigung des gekündigten
Arbeitnehmers unmöglich oder unzumutbar gewesen sein soll" (BAG [06.11.1997] - 2
AZR 94/97 - NZA 1998, 833 = juris [Rn. 40, 47] ).
2.1.8
gebotenen, aber nicht durchgeführten betrieblichen Eingliederungsmanagements eine
erhöhte Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers (Tschöpe, NZA 2008, 398 (399):
"Paradigmenwechsel" und "drastische Verlagerung der Darlegungs- und Beweislast").
Zwar ist ein betriebliches Eingliederungsmanagement kein Selbstzweck und seine
Nichtdurchführung führt nicht zu einem freien Arbeitsplatz. Ein unterlassenes
Eingliederungsmanagement steht daher einer Kündigung nicht entgegen, wenn sie auch
durch das Eingliederungsmanagement nicht hätte verhindert werden können (vgl. BAG
[12.07.2007] - 2 AZR 716/06 - DB 2008, 189 = juris [Rn. 42]). Dies hat aber der
Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen.
Der Arbeitgeber darf sich dann "nicht darauf beschränken, pauschal vorzutragen, er
kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer bzw. es
gebe keine `freien Arbeitsplätze´, die der erkrankte Arbeitnehmer auf Grund seiner
Erkrankung noch ausfüllen könne. Es bedarf vielmehr eines umfassenderen konkreten
Sachvortrags des Arbeitgebers zu einem nicht mehr möglichen Einsatz des
Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz einerseits und warum
andererseits eine leidensgerechte Anpassung und Veränderung ausgeschlossen ist oder
der Arbeitnehmer nicht auf einem (alternativen) anderen Arbeitsplatz bei geänderter
Tätigkeit eingesetzt werden könne" (BAG [12.07.2007] - 2 AZR 716/06 - DB 2008, 189 =
NZA 2008, 173 = juris [Rn. 44]).
Im Fall der Nichtdurchführung eines gebotenen Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1
SGB IX hat das BAG angenommen, dass im Fall der Zustimmung des Integrationsamtes
zur Kündigung grundsätzlich "nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte davon
ausgegangen werden (könne), dass ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX
die Kündigung verhindert hätte (BAG [07.12.2006] - 2 AZR 182/06 - NZA 2007, 617 =
juris [Rn. 28]).
Ob der weder normativ noch empirisch (vgl. Zwanziger/Deinert, in:
Kittner/Däubler/Zwanziger, KSchR, 7. Aufl. [2008], SGB IX § 84 Rn. 27: "ohne
Begründung"), sondern eher pragmatisch begründeten Annahme einer solchen
Vermutung auch für § 84 Abs. 2 SGB IX zu folgen ist, kann vorliegend offen bleiben
(bejahend LAG Nürnberg [21.06.2006] - 4 (9) Sa 933/05 - NZA-RR 2007, 75 (77); folgend
Jabben, Beck'scher Online-Kommentar, SGB IX § 84, Rn 4; ebenso Arnold/Fischinger, BB
2007, 1894 (1896 f.) zuvor der Sache nach auch LAG Schleswig-Holstein [17.11.2005] -
4 Sa 328/05 - BeckRS 2006 40264; dezidiert ablehnend Zwanziger/Deinert, in:
Kittner/Däubler/Zwanziger, KSchR, 7. Aufl. [2008], SGB IX § 84 Rn. 27; in diese Richtung
wohl auch Gagel/Schian, http://www.iqpr.de/iqpr/download/foren/B_2-2008.pdf:"keine
Kündigungserleichterung")
2.2
2.2.1
Innendienst ausgeübten Tätigkeiten des Klägers als Bote bzw. Postverteiler und
Materialverwalter nicht mit einer finanzierten Planstelle unterlegt waren.
2.2.2
werden, dass der Kläger für die von ihm konkret benannten Stellen gesundheitlich nicht
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werden, dass der Kläger für die von ihm konkret benannten Stellen gesundheitlich nicht
geeignet war (Munitionsmitarbeiter, Schießstandarbeiter) oder zum Zeitpunkt des
Zugangs der Kündigung ihr Freiwerden nicht absehbar waren (Stellenangebote Februar -
Mai 2008) oder - weil mit der Vergütungsgruppe VII/VI b dotiert - höherwertige Stellen
sind, auf die der Kläger keinen Anspruch hat.
2.2.3
Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten dargetan und würde daher nach der Verteilung der
Darlegungs- und Beweislast im Normalfall unterliegen.
2.2.4
analog ergebende erhöhte Darlegungs- und Beweislast.
2.2.4.-1
§ 84 Abs. 2 S. 1 SGB IX setzt voraus, dass ein Beschäftigter "innerhalb eines Jahres
länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig" war. Das
beklagte Land argumentiert, der Kläger sei ja während seiner Zeit im Innendienst nicht
erheblich arbeitsunfähig erkrankt gewesen. In der polizeiärztlichen Untersuchung vom
22.06.2007 (Anlage A 3) seien ihm im Gegenteil eine Arbeitsfähigkeit und "eine sehr
geringe Anzahl von Fehlzeiten" attestiert worden.
Eine solche Argumentation wird dem Normzweck des § 84 Abs. 2 SGB IX nicht gerecht.
"Die in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Maßnahmen dienen letztlich der Vermeidung der
Kündigung und der Verhinderung von Arbeitslosigkeit erkrankter und kranker Menschen"
(BAG [12.07.2007] - 2 AZR 716/06 - DB 2008, 189 = juris [Rn. 40]). Der Verpflichtung zur
Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements kann der Arbeitgeber
nicht dadurch entgehen, dass er einen in Bezug auf seine vertraglich geschuldete
Tätigkeit dienstunfähigen Arbeitnehmer auf einem Schon-Arbeitsplatz beschäftigt - der
sich kündigungsrechtlich und personalwirtschaftlich als Schein-Arbeitsplatz darstellt -,
auf dem der Arbeitnehmer keine/nur unerhebliche Arbeitsunfähigkeitszeiten ausweist,
wenn er sich gleichzeitig vorbehält, unter Berufung auf eine Dienstunfähigkeit dem
Arbeitnehmer zu kündigen. Dies kann auslegungstechnisch teleologisch mit dem
Verweis auf die Notwendigkeit eines relativen, d.h. in Bezug auf die konkret geschuldete
Arbeitsleistung Arbeitsunfähigkeitsbegriffes ohne Weiteres aufgefangen werden. Für die
Verpflichtung, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen, war der
Kläger vom beklagten Land in Bezug seit Inkrafttreten des § 84 Abs. 2 SGB IX am
1.05.2004 so zu stellen, als ob er seit 1997 arbeitsunfähig erkrankt war.
2.2.4.-2
wurde seitens des beklagten Landes nicht durchgeführt.
Dies ist im Grunde unstreitig. Von der Klägerseite wurde jedoch problematisiert, ob nicht
die durchgeführten Maßnahmen als funktionsäquivalent anzusehen seien, so dass die
Forderung nach einem betrieblichen Eingliederungsmanagement formalistisch
anmuteten.
"Nach § 84 Abs. 2 SGB IX hat der Arbeitgeber bei einem Beschäftigten, der innerhalb
eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig
gewesen ist, mit der zuständigen Interessenvertretung und mit Zustimmung der
betroffenen Person die Möglichkeiten zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst
überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit
vorgebeugt und der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers erhalten werden kann" (BAG
[12.07.2007] - 2 AZR 716/06 - DB 2008, 189 = juris [Rn. 34]). § 84 Abs. 2 SGB IX
verlangt ein "intensives Verfahren unter Beteiligung betrieblicher und außerbetrieblicher
Akteure .., um Arbeitsplatzverluste wegen Erwerbsminderung" zu vermeiden (Gagel,
Anm. zu LAG Rostock [11.09.2007] - 5 Sa 110/07, jurisPR-ArbR 6/2008 Anm. 4).
Dem genügt das Personalgespräch im September 2007 ersichtlich nicht - das der
Klägervertreter auch als im Hinblick auf ein betriebliches Eingliederungsmanagement
("BEM") mehr "zufällig" einräumte -, zumal es dabei schon an der notwendigen
Einbindung des Personalrats und der Schwerbehindertenvertretung fehlte.
Auch das Verfahren um die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung ersetzt
kein betriebliches Eingliederungsmanagement. "Ziel des BEM ist ... die frühzeitige
Klärung, ob und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um eine möglichst dauerhafte
Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu fördern (BAG [12.07.2007] - 2 AZR
716/06 - DB 2008, 189 = juris [Rn. 40]). Es geht um Prävention und nicht um die Frage,
ob zum Zeitpunkt der Kündigung noch etwas für den Arbeitnehmer zu machen ist.
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2.2.4.-3
betriebliches Eingliederungsmanagement an dem Fehlen einer
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nichts geändert hätte.
Insbesondere kann sich das beklagte Land nicht auf eine durch die Zustimmung des
Integrationsamtes begründete Vermutung stützen. Es liegen hier "besonderen
Anhaltspunkte" i.S.d. BAG [07.12.2006] - 2 AZR 182/06 - NZA 2007, 617 = juris [Rn. 28]
vor. Die Vermutungswirkung der Entscheidung des Integrationsamtes kann nicht weiter
gehen als der Umfang seiner Prüfung.
Aufgabe des Integrationsamtes ist es nicht, "den von den Arbeitsgerichten nach
erfolgter Kündigung zu gewährenden arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz zu ersetzen
oder gar überflüssig zu machen. Der Hauptfürsorgestelle ist nicht die umfassende
Abwägung aller den Kündigungsstreit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
bestimmenden widerstreitenden Interessen aufgetragen, sondern nur die Einbringung
bestimmter, vom Schutzzweck des Schwerbehindertengesetzes erfasster Interessen.
Der Hauptfürsorgestelle obliegt im Rahmen des Sonderkündigungsschutzes die
fürsorgerische Inschutznahme des Schwerbehinderten mit dem Ziel, die aus seiner
Behinderung resultierenden Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt auszugleichen und
dadurch seine Wettbewerbsfähigkeit mit Nichtbehinderten herzustellen" (BVerwG
[02.07.1992] - 5 C 39/90 - BVerwGE 90, 275 = juris [Rn. 22]).
In diesem Rahmen war der Prüfungsmaßstab des Integrationsamtes ersichtlich in
mehrfacher Hinsicht begrenzt.
Zum einen hat das Integrationsamt für den Kläger nur die aktuellen Möglichkeiten
geprüft. Ausweislich der Begründung der Zustimmungsentscheidung des
Integrationsamtes hat sich das Integrationsamt nicht mit der Frage auseinandergesetzt,
was das beklagte Land in der Vergangenheit unterlassen hat, sondern lediglich, welche
aktuellen Möglichkeiten für den Kläger bestanden. Die sich aus dem Rechtsgedanken
des § 162 BGB ergebende Vorverlagerung des Prüfungszeitpunktes für die Frage der
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit und eine damit einhergehende Verschärfung der
Darlegungslast war nicht Gegenstand der Prüfung des Integrationsamtes.
Diese Vorverlagerung ist jedoch im vorliegenden Fall geboten. Dem Kläger ist darin zu
folgen, dass nach dem Grad der Schwerbehinderung und der Art der Erkrankung das
beklagte Land während der gesamten Zeit der Tätigkeit des Klägers im Innendienst von
einer Dienstunfähigkeit bezogen auf seine vertraglich geschuldete Tätigkeit ausgehen
musste. Der Kläger war als dauerhaft Dienstunfähiger zugleich dauerhaft
"kündigungsreif". Das beklagte Land hat nicht dargelegt, dass es entweder anfänglich
nicht kündigen wollte oder nicht von einer negativen Gesundheitsprognose ausgehen
musste. Im Wissen darum durfte das beklagte Land nicht für den Kläger etwaige, frei
werdende Stellen im obigen Sinn anderweitig durch Dritte besetzen. Dies bedeutet nicht,
dass es freie Stellen gab. Dies bedeutet jedoch, dass das beklagte Land darzulegen hat,
dass es keine freien Stellen gab oder der Kläger dafür nicht geeignet war. Dies ist ein
rechtlicher Gesichtspunkt, der vom Prüfungsprogramm des Integrationsamtes nicht
erfasst war.
Zum anderen ist nicht erkennbar, dass das Integrationsamt die ihm vom beklagten Land
mitgeteilten personalwirtschaftlichen Prämissen in der kündigungsschutzrechtlich
gebotenen Intensität hinterfragt hat.
Es kann hier offen bleiben, ob hier gegenüber dem Integrationsamt allgemein der
Hinweis auf eine landesweite erfolglose Abfrage offener Stellen ausreichte. Jedenfalls im
Fall des Unterlassens eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ist dies zu wenig
und sind höhere Anforderungen an den Vortrag des beklagten Landes zu stellen. Auch
ein pauschaler Hinweis auf eine schlechte Stellensituation erscheint unzureichend.
Vor allem aber wurde vom Integrationsamt erkennbar nicht einbezogen, dass das
Stellenpoolgesetz in der Praxis des beklagten Landes zu einer nach §§ 1, 2, 3, 7, 22 AGG
unzulässigen Diskriminierung behinderter Arbeitnehmer, hier des Klägers, führt, indem
"unverzüglich die dauerhaft oder befristet besetzbaren Stellen" (§ 2 Abs. 3
Stellenpoolgesetz) dem Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool) zu
melden sind und der Kläger nach der Logik des Gesetzes gar nicht in den Genuss dieser
Stellen kommen kann, weil nicht seine Stelle weggefallen, sondern er für seine Stelle
ausgefallen ist. Dies stellt nicht die Feststellung der grundsätzlichen Wirksamkeit des
Stellenpoolgesetzes durch das OVG Berlin-Brandenburg [14.11.2006] - 4 B 15.04 - juris
(folgend u.a. LAG Berlin [24.05.2005] - 3 Sa 2534/04 - juris) in Frage, um die es hier nicht
geht. Es bedarf jedoch einer richtlinienkonformen Auslegung bzw. Handhabung, die das
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geht. Es bedarf jedoch einer richtlinienkonformen Auslegung bzw. Handhabung, die das
beklagte Land ersichtlich nicht verinnerlicht hat (vgl. auch Schriftsatz vom 18.12.2007, S.
8 (Bl. 27 d. A.) sowie Schriftsatz vom 1.07.2008, S. 4 (Bl. 104 d.A.)). Der mündliche
Versuch der Relativierung dieser Problematik durch Verweis auf einen "engen
Nachbesetzungsspielraum" überzeugt nicht. Schriftsätzlich wurde im Gegenteil die
Gesetzesbindung der Verwaltung an § 2 Abs. 3 Stellenpoolgesetz und eine daraus
resultierende fehlende Verfügbarkeit über an den Stellenpool gemeldete Stellen betont.
Dem AGG und dem durch § 84 Abs. 2 SGB IX verstärkten Behindertenschutz genügt
jedoch kein bloßer "enger Nachbesetzungsspielraum", sondern allein, entweder dem
Stellenpool zu meldende und gemeldete Stellen auch für ansonsten krankheitsbedingt
zu kündigende Arbeitnehmer als freie Stellen anzusehen oder auch krankheitsbedingt zu
kündigende Arbeitnehmer in den Stellenpool aufzunehmen. Durch das Stellenpoolgesetz
kann auch nicht die bundesgesetzliche Wertung des § 1 Abs. 2 KSchG ausgehebelt
werden, es sei denn mit der Konsequenz einer landesweiten Weiterbeschäftigungspflicht.
Das beklagte Land schätzt seine Verantwortung aus § 84 Abs. 2 SGB IX auch deshalb zu
eng ein, weil es die sich daraus ergebenden Verpflichtungen auf den P. beschränkt
sehen will. Dafür soll die Dienstbehördeneigenschaft des P. nach § 7 Nr. 1 PersVG Berlin
sprechen. Zutreffend ist zwar, dass nach § 71 Abs. 3 Nr. 2 SGB IX für § 84 Abs. 2 SGB IX
nicht der allgemeine, sondern ein engerer Arbeitgeberbegriff zu Grunde zu legen ist.
Nach § 71 Abs. 3 Nr. 2 SGB IX gelten als Arbeitgeber i.S.d. 2. Teils des SGB IX "jede
oberste Landesbehörde und die Staats- und Präsidialkanzleien mit ihren
nachgeordneten Dienststellen, die Verwaltungen der Landtage, die Rechnungshöfe
(Rechnungskammern), die Organe der Verfassungsgerichtsbarkeit der Länder und jede
sonstige Landesbehörde, zusammengefasst jedoch diejenigen Behörden, die eine
gemeinsame Personalverwaltung haben". Oberste Landesbehörden i.S.d. § 71 Abs. 3 Nr.
2 SGB IX sind in Berlin die jeweiligen Senatsverwaltungen und die ihnen nachgeordneten
Dienststellen, d.h. hier die Senatsverwaltung für I. und S.. Zwar haben durch § 71 Abs. 3
Nr. 2 letzter Halbsatz SGB IX zusammengefasste Personalwirtschaftseinheiten Vorrang
vor den in § 71 Abs. 3 Nr. 2 SGB IX konkret genannten Behörden, da er sonst
"bedeutungslos" (GK-SGB IX/Großmann (Lbl. 2007), § 71 Rn. 104) wäre. § 71 Abs. 3 Nr. 2
SGB IX letzter Halbsatz führt aber nicht zu einer Beschränkung, sondern gegebenen-
und allenfalls zu einer Ausweitung der Arbeitgeberpflichten des beklagten Landes. Er hat
als Normzweck nicht eine über das Ressortprinzip hinausgehende weitere Atomisierung,
sondern im Dienste der Effektuierung des Behindertenschutzes eine "Konzentration" und
"Zusammenfassung" (GK-SGB IX/Großmann (Lbl. 2007), § 71 Rn. 104) von
Landesbehörden als an sich selbständige Arbeitgeber im schwerbehindertenrechtlichen
Sinn des SGB IX zu größeren Personalwirtschaftsbereichen. Ausweislich der
Gesetzesbegründung im Zusammenhang mit der wortgleichen Vorgängernorm des
SchwbG a.F. in BT-Dr. 7/656, S. 49 wurde diese Regelung auch gerade im Hinblick auf die
ansonsten bestehenden Schwierigkeiten der P., auf die gebotene
Schwerbehindertenquote zu kommen, eingeführt (vgl. auch Neumann, in:
Neumann/Pahlen/Mejerski-Pahlen, SGB IX, 11. Aufl. [2005], § 71 Rn. 25)
Hat die Entscheidung des Integrationsamtes ersichtlich all diese vorgenannten Fragen
nicht einbezogen, kann sie auch nicht dem beklagten Land die erhöhte Darlegungslast
abnehmen.
Entsprechend bleibt das beklagte Land die Darlegung schuldig, dass auch bei
Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements schon zu gegebener Zeit
unter Berücksichtigung der Reichweite der Weiterbeschäftigungspflicht und in einer
praktischen Konkordanz des Stellenpoolgesetzes und der § 1 Abs. 2 KSchG, §§ 1, 3, 7
AGG bzw. § 84 Abs. 2 SGB IX für den Kläger keine (leidensgerechte)
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gefunden worden wäre.
D.)
ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Diese bemessen sich nach einem gemäß den §§ 61
ArbGG, 42 Abs. 4 GKG festgesetzten Streitwert.
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