Urteil des ArbG Berlin vom 13.09.2005

ArbG Berlin: tarifvertrag, verfassungskonforme auslegung, meistbegünstigungsklausel, vorvertrag, bayern, ausnahme, anwendungsbereich, kopie, niedersachsen, gewerkschaft

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Gericht:
ArbG Berlin 91.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
91 Ca 7826/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 9 Abs 3 S 1 GG, § 1 Abs 2
TVG, § 133 BGB, § 157 BGB, §
145 BGB
Anspruch auf Abschluss eines Änderungstarifvertrages -
Tarifvertrag und Vorvertrag - Wirksamkeit einer
tarifvertraglichen Meistbegünstigungsklausel -
Richtigkeitsgewähr - kollusives Zusammenwirken
Leitsatz
1. Der zwischen dem KAV und den Gewerkschaften ver.di sowie d. T. geschlossene TV
Meistbegünstigung vom 13.9.2005 ist nach den Regeln eines Vorvertrages zu behandeln.
2. Es bestehen Zweifel, ob dieser Tarifvertrag mit Blick auf die Rechtsfolge seines § 1
hinreichend bestimmt ist (im Anschluss an BAG vom 5.7.2006 - 4 AZR 381/05 - AP Nr. 38 zu §
1 TVG).
3. Es ist ein Kennzeichen eines Tarifvertrages, dass er einen Kompromiss enthält. Ein
Tarifvertrag, für den das nicht zutrifft, ist nur schwer vorstellbar. Die Wertung, ein Tarifvertrag
habe ausnahmsweise keinen Kompromisscharakter, setzt daher die Feststellung besonderer
Umstände voraus, aus denen dies folgt (BAG vom 3.5.2006 – 4 AZR 795/05 – NZA 2006, S.
1125 ff (1127)). Für die Annahme, der TV-L besitze diesen Kompromisscharakter nicht, fehlt
es an jedwedem Anhaltspunkt.
4. Bei verfassungskonformer Auslegung des TV-Meistbegünstigung bleibt ein
Anwendungsbereich für dieses Tarifwerk. Verbleibt bei verfassungskonformer Auslegung ein
Anwendungsbereich, so bedarf es nicht der Annahme einer pauschalen Unwirksamkeit „jeder
Meistbegünstigungsklausel“ (gegen Rieble/Klebeck, RdA 2006, S. 38 ff).
5. Es kann nicht festgestellt werden, dass sowohl die Gewerkschaften als auch die TdL kollusiv
zum Nachteil des KAV zusammengewirkt hätten, um den Eintritt der genannten Rechtsfolge
zu verhindern. Dies ist schon deshalb zu verneinen, weil die Motive der Gewerkschaften sowie
der Länder bei der Gestaltung der Arbeitszeitregelungen völlig verschieden waren und sind.
6. Es konnte im Streitfall dahinstehen, ob die begehrte rückwirkende Inkraftsetzung der mit
den Haupt- und den Hilfsanträgen begehrten Änderungstarifverträge rechtlich möglich ist.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 500.000,00 € festgesetzt
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, einem Tarifabschluss zur
Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit für die bei den Mitgliedern der Klägerin
beschäftigten Arbeitnehmern zuzustimmen.
Die Parteien sind tariffähige Organisationen auf Arbeitgeber- und auf Arbeitnehmerseite.
Die Klägerin ist der tarifpolitische und arbeitsrechtliche Dachverband der kommunalen
Verwaltungen und Betriebe in Deutschland. Sie vertritt kommunale Arbeitgeber mit nach
ihren Angaben ca. zwei Millionen Beschäftigten. Mitglieder der Klägerin sind die in den
einzelnen Bundesländern bestehenden kommunalen Arbeitgeberverbände (KAV) als
Mitgliedsverbände.
Die Parteien vereinbarten unter dem Datum des 13.9.2005 den Tarifvertrag über die
Vereinbarung einer Meistbegünstigungsklausel (TV-Meistbegünstigung). Ebenfalls unter
dem 13.9.2005 schloss die Klägerin den TV-Meistbegünstigung mit identischem Wortlaut
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dem 13.9.2005 schloss die Klägerin den TV-Meistbegünstigung mit identischem Wortlaut
auch mit der Gewerkschaft ver.di (im Folgenden: Beklagte des Parallelverfahrens,
zusammen: „Die Gewerkschaften“). Der TV-Meistbegünstigung hat folgenden Wortlaut:
§ 6 Abs. 1 TVöD hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
§ 39 TVöD hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
Getrennt von den Tarifverhandlungen zwischen der Klägerin und dem Bund einerseits
sowie der Gewerkschaften andererseits verhandelten die TdL und die Gewerkschaften
über den Abschluss eines Tarifvertrages, die mit dem Abschluss des TV-L endeten.
§ 6 Abs. 1 TV-L lautet:
Der Anhang zu § 6 lautet:
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Eine von der TdL im Internet veröffentlichte Fußnote zu § 6 TV-L, die auch in den
handelsüblichen Publikationen des TV-L enthalten ist, hat folgenden Wortlaut:
Mit Schreiben vom 15.11.2006 (Anlage K 17, Kopie Bl. 166 f d.A.) übersandte die
Beklagte der Klägerin eine Kopie des unterzeichneten TV-L. Wegen der Einzelheiten wird
auf die Kopie des Schreibens verwiesen.
Mit Schreiben vom 6.12.2006 erklärte die Klägerin die Annahme der für das Bundesland
Bayern geregelten Arbeitszeit in Höhe von 40,1 Stunden pro Woche. Ferner wird die
Beklagte aufgefordert, den hierzu erforderlichen und bereits ausformuliert beigefügten
Änderungstarifvertrag zum TVöD zu unterzeichnen und bis zum 10.1.2007 an die
Klägerin zurückzusenden. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage K 18
eingereichte Kopie (Bl. 168 d.A.) des Schreibens verwiesen.
Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 19.12.2006 (Anlage K 19, Bl. 171 d.A.)
dahingehend, dass durch den Abschluss des TV-L die so genannte
Meistbegünstigungsklausel nicht ausgelöst werde.
Die Beklagte unterzeichnete den von der Klägerin unterzeichneten
Änderungstarifvertrag innerhalb der gesetzten Frist nicht.
Mit ihrer am 24.4.2007 vor dem Arbeitsgericht Berlin erhobenen Klage begehrt die
Klägerin im Hauptantrag die Verurteilung der Beklagten zur Annahme des
Änderungsangebots der Klägerin zur Erhöhung der Wochenarbeitszeit in § 6 TVöD im
Tarifgebiet West von 38,5 auf 40,1 Wochenstunden. Mit den Hilfsanträgen begehrt sie die
Verurteilung der Beklagten zur Annahme bestimmter Teile von Inhalten des § 6 TV-L.
Zeitgleich und mit identischen Anträgen hat die Klägerin die Beklagte des
Parallelverfahrens vor dem Arbeitsgericht Berlin unter dem Aktenzeichen 91 Ca 7827/07
in Anspruch genommen. Beide Rechtsstreite wurden zeitgleich verhandelt und
entschieden.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, zwar enthalte der TV Meistbegünstigung selbst noch
keinen Vorvertrag, aus dem die Verpflichtung der Beklagten zur Abgabe der begehrten
Willenserklärung folge. Übereinstimmender Parteiwille bei Abschluss des TV-
Meistbegünstigung sei es gewesen, eine schuldrechtliche Verpflichtung festzulegen, die
zu einem verbindlichen Vorvertrag geführt habe. Der Inhalt des abzuschließenden
Hauptvertrages sei auch hinreichend bestimmt.
Anspruchsgrundlage sei die schuldrechtliche Vereinbarung aus dem mit Übergabe des
TV-L vom 15.11.2006 erklärten Angebot der Beklagten und der wirksamen
Annahmeerklärung der Klägerin vom 6.12.2006.
Mit der Übergabe des TV-L habe die Beklagte unter Berücksichtigung der Vorgaben des
TV-Meistbegünstigung gegenüber der Klägerin ein Angebot auf Übernahme der in den
Bereichen Arbeitszeit und Sonderzahlung getroffenen Regelungen des TV-L, soweit sie
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Bereichen Arbeitszeit und Sonderzahlung getroffenen Regelungen des TV-L, soweit sie
vom TVöD abweichen, gemacht. Damit sei wirksam eine Einigung darüber zustande
gekommen, die wöchentliche Arbeitszeit für die Beschäftigten im Tarifgebiet West auf
40,1 Wochenstunden anzuheben. Die in § 1 TV Meistbegünstigung genannten Vorgaben
lägen einschließlich der Fristwahrung von vier Wochen vor.
Der TV-Meistbegünstigung sei wirksam abgeschlossen, auch wenn diesbezüglich eine
Einzelstimme in der Literatur hier Kritik anmelde.
Der wirksam abgeschlossene Vorvertrag unterliege nicht dem Schriftformerfordernis im
Sinne des § 1 Abs. 2 TVG. Selbst wenn man ein Schriftformerfordernis annehmen wollte,
komme man im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis, denn bereits der TV-
Meistbegünstigung erfülle die Anforderungen des § 1 Abs. 2 TVG. Bereits hiermit sei das
Informationsbedürfnis evtl. normunterworfener Arbeitnehmer und Arbeitgeber gedeckt.
Bei einer etwaigen anders lautenden Rechtsprechung des BAG zur Frage des
Schriftformerfordernisses des Vorvertrages genössen die Tarifvertragsparteien
Vertrauensschutz.
Die Klägerin habe sich bei ihrer Annahmeerklärung auf den das Bundesland Bayern
betreffenden Regelungsinhalt des § 6 Abs. 1 Satz 1 lit. a) TV-L beschränken können. Die
Auslegung des Angebots der Beklagten ergebe, dass eine Teilannahme möglich sei.
Die Klägerin habe die Wochenstundenzahl von 40,1 Stunden für das Bundesland Bayern
übernehmen können, auch wenn diese Zahl im Wortlaut des § 6 TV-L nicht genannt sei.
Die Beschreibung des Rechenweges in § 6 TV-L sei letztlich überflüssig, da das Ergebnis
der Rechenformel feststehe und unveränderlich sei. Arbeitnehmer und Arbeitgeber als
Anwender der Formel benötigten die Formel nicht, sondern vielmehr ausschließlich das
Ergebnis. Motivation der Beklagten, die Arbeitszeit nicht wie üblich in Stunden und
Minuten anzugeben, sondern in einer Rechenformel, sei es nach deren eigener Aussage,
zu verhindern, dass die Klägerin in Anwendung des TV-Meistbegünstigung die
Arbeitszeitregelung übernimmt. Ergebnis der Rechenformel für das Bundesland Bayern
sei eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden und 6 Minuten (= 40,1 Stunden), wie sich
aus der von der TdL verbreiteten Fußnote ergebe. Unschädlich sei, dass die Tarifparteien
die Rechenergebnisse für die einzelnen Bundesländer in einer Fußnote auflisten, die
nach ihrem Wortlaut ausdrücklich nicht Bestandteil des TV-L sein soll. Es liege eine
Vereitelungsabsicht der Beklagten vor, die bei entsprechender Anwendung der
Grundsätze über das Vorkaufsrecht unbeachtlich sei. Mit dem Einwand der
Vereitelungsabsicht verlange die Klägerin nicht ein bestimmtes Verhalten bei den
Tarifverhandlungen der Beklagten mit der TdL, die in der Vergangenheit liegen.
Allerdings dürfe die Beklagte ihr Verhalten gegenüber der TdL nicht dazu ausnutzen,
Verpflichtungen, die sie gegenüber der Klägerin eingegangen sei, zu entgehen. Dem
stünden zivilrechtliche Grundsätze entgegen, namentlich die §§ 162, 242 und 465 BGB.
Die Übernahme der Wochenarbeitszeit von 40,1 Stunden sei von Wortlaut, Sinn und
Zweck und aus der Entstehungsgeschichte des TV-Meistbegünstigung gedeckt.
Ausschlaggebend sei die Frage, was unter dem Begriff der „Regelung“ oder „ihrer
einzelnen Bestandteile“ in § 1 Satz 2 TV-Meistbegünstigung zu verstehen sei. Der
Wortlaut des TV-Meistbegünstigung schreibe eine wörtliche Übereinstimmung der von
der Klägerin übernommenen Tarifinhalte nicht vor. Unter welchen Umständen der zu
übernehmende Tarifinhalt geschlossen wurde, sei irrelevant.
Dass eine rückwirkende Inkraftsetzung begehrt werde sei nicht problematisch.
Wegen weiterer Einzelheiten der Rechtsauffassungen der Klägerin wird neben der
Klagschrift auf den Schriftsatz vom 13.11.2007 (Bl. 263 ff d.A.) einschließlich des
eingereichten Rechtsgutachtens von Prof. Dr. Dres. h.c. Peter H. (Bl. 282 ff d.A.), ferner
auf den Schriftsatz vom 2.1.2008 (Bl. 362 ff d.A.) verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, das Vertragsangebot der Klägerin zum Abschluss des
nachfolgenden Tarifvertrags anzunehmen:
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2. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 1., die Beklagte zu
verurteilen, einen Änderungstarifvertrag folgenden Inhalts mit der Klägerin
abzuschließen:
3. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Klageanträgen zu 1. und 2., die
Beklagte zu verurteilen, einen Änderungstarifvertrag folgenden Inhalts mit der Klägerin
abzuschließen:
4. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Klageanträgen zu 1., 2 und 3., die
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4. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Klageanträgen zu 1., 2 und 3., die
Beklagte zu verurteilen, einen Änderungstarifvertrag folgenden Inhalts mit der Klägerin
abzuschließen:
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, ein freies Eintrittsrecht der Klägerin in sämtliche
Arbeitszeitregelungen, die die Beklagte mit der TdL abgeschlossen habe, lasse sich dem
TV-Meistbegünstigung nicht entnehmen. Der TV-Meistbegünstigung stoße auf erhebliche
Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit Art. 9 Abs. 3 GG. Geboten sei auf jeden
Fall eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung der Tarifregelung am Maßstab
des Art. 9 Abs. 3 GG. Aus der Tarifautonomie folge, dass eine tarifliche
Meistbegünstigung sich nicht auf die Abschlussfreiheit des gebundenen Tarifpartners
auswirken dürfe.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Voraussetzungen des TV-Meistbegünstigung seien
auch nicht erfüllt. Keiner der Klageanträge stimme mit dem Anspruchsinhalt nach § 1
Satz 2 TV-Meistbegünstigung überein. Die Klägerin könne nicht verlangen, dass nur
bestimmte Ergebnisse, d.h., eine konkrete Wochenarbeitszeit, übernommen und
vereinbart würden. Der TV-Meistbegünstigung fingiere unter bestimmten
Voraussetzungen den Abschluss einer tariflichen Arbeitszeitregelung auf Landesebene
als entsprechendes Angebot an die Klägerin. Nur ein solches Angebot hätte von der
Klägerin angenommen werden können. Selbst wenn man § 6 Abs. 1 TV-L als Angebot in
diesem Sinne verstünde, sei dieses Angebot von der Klägerin nicht angenommen
worden.
Die Klägerin lasse die Zweckbestimmung des TV-Meistbegünstigung außer Betracht.
Dieser habe dem Ziel der Vereinheitlichung des öffentlichen Dienstrechts gedient. Um
überhaupt einen Kompromiss zu erreichen, sei der Weg gewählt worden,
Arbeitszeitregelungen nicht in konkreten Zahlen festzulegen, sondern in einer
bestimmten Formel zu definieren. Eine Einigung über bestimmte Arbeitszeiten hätte sich
als Inhalt der Tarifregelung nicht erreichen lassen. Der einheitliche Rechenweg, der für
alle Länder gleichermaßen gilt, habe die von den Gewerkschaften gewollte Einheitlichkeit
gestärkt, berücksichtige aber zugleich die unterschiedlichen Arbeitszeiten in den
Ländern.
Mit der Übersendung bzw. der Übergabe einer Kopie des unterzeichneten TV-L sei
keineswegs ein Vertragsangebot gemeint gewesen.
Folge man dem Hauptantrag der Klägerin, so sei auf die Arbeitszeitregelung abzustellen,
die in einem einzelnen Bundesland gelte. Dabei blieben die Besonderheiten, die zu
dieser Regelung geführt hätten, auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Klägerin
unberücksichtigt. Es sei mit der Meistbegünstigungsklausel nicht beabsichtigt gewesen,
der Klägerin ein einseitiges Wahlrecht zwischen verschiedenen, landesspezifischen
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der Klägerin ein einseitiges Wahlrecht zwischen verschiedenen, landesspezifischen
Regelungen innerhalb desselben, einheitlichen Verbandstarifvertrages einzuräumen.
Wegen weiterer Einzelheiten der Rechtsauffassungen der Beklagten wird auf den
Schriftsatz vom 10.10.2007 (Bl. 247 ff d.A.) sowie den Schriftsatz vom 24.12.2007 (Bl.
346 ff d.A.) einschließlich des im Parallelverfahren 91 Ca 7827/07 eingereichten
Rechtsgutachtens von Prof. Dr. O. E. K., dessen Inhalt sich die Beklagte zu eigen macht,
verwiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze
der Parteien nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsprotokolle verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist sowohl hinsichtlich des Haupt- als auch der Hilfsanträge zulässig.
Es handelt sich hier um eine Klage gerichtet auf Abgabe einer Willenserklärung. Bei einer
solchen Leistungsklage ist den Erfordernissen des Bestimmtheitsgebots des § 253 Abs.
2 Nr. 2 ZPO dann Genüge getan, wenn der Antrag so gefasst ist, dass er nach § 894
ZPO vollstreckt werden kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Klageantrag
den gesamten, nach der Vorstellung des Klägers erstrebten Vertragsinhalt erfasst (BAG
vom 5.7.2006 – 4 AZR 381/05 - AP Nr. 38 zu § 1 TVG unter Hinweis auf BGH 18.
November 1993 - IX ZR 256/92 - NJW-RR 1994, 317).
Die Klägerin hat in allen Anträgen den vollständigen Text eines Änderungstarifvertrages,
zu dem sie die Zustimmung der Beklagten begehrt, aufgeführt. Wird die Beklagte
antragsgemäß verurteilt, ist die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils eindeutig und
unterliegt hinsichtlich ihres Inhalts keinen Zweifeln. Der Streitfall unterscheidet sich
hinsichtlich der Fassung der Klageanträge nicht wesentlich vom Fall des BAG vom
5.7.2006, aaO, in dem das BAG die dortigen Klageanträge zu Recht ebenfalls für zulässig
gehalten hat.
Dass der Änderungstarifvertrag mit allen Anträgen rückwirkend in Kraft treten soll, ist
jedenfalls im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung ohne Belang.
II.
Die Klage ist jedoch weder mit dem Haupt-, noch mit den Hilfsanträgen begründet. Die
Klage war daher vollen Umfangs abzuweisen.
Sowohl der mit dem Hauptantrag begehrte Inhalt eines Änderungstarifvertrages zum
TVöD als auch die mit den Hilfsanträgen begehrten Inhalte zeichnen sich dadurch aus,
dass lediglich Teile der Regelungen des § 6 TV-L zum Inhalt eines den TVöD
abändernden Tarifvertrages gemacht werden sollen. Dies will die Klägerin erreichen über
die Berufung auf den TV-Meistbegünstigung und das in Erfüllung dieses Tarifvertrages
von der Beklagten übersandte Schreiben vom 15.11.2006, das nach Auffassung der
Klägerin ein Angebot enthält, das wiederum die Klägerin mit dem Schreiben vom
6.12.2006 angenommen habe.
Dieser Argumentation der Klägerin folgt die Kammer nicht. Der im Lichte des Art. 9 Abs.
3 GG auszulegende TV-Meistbegünstigung gibt bereits keine Rechtsgrundlage für eine
derart weitreichende Verpflichtung der Beklagten.
1. Ob die Auffassung der Klägerin hinsichtlich der dogmatischen Einordnung der
Meistbegünstigungsklausel als Vorvertrag, der den Regeln der §§ 463 ff BGB zu folgen
hat, letztlich zutreffend ist (insoweit ähnlich Rieble/Klebeck, RdA 2006, S. 65 ff, 69), ist für
den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits nicht entscheidend. Richtig ist allerdings in
jedem Fall der auch von den Parteien vertretene Befund, dass es sich beim TV-
Meistbegünstigung noch nicht um einen Tarifvertrag mit normativer Wirkung handelt,
vielmehr eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit in dem von der Klägerin begehrten
Umfang und Inhalt erst (durch einen dem Formgebot des § 1 Abs. 2 TVG
entsprechenden) Tarifvertrag umgesetzt werden muss. Der TV-Meistbegünstigung stellt
vielmehr eine schuldrechtliche Vereinbarung von Tarifvertragsparteien dar, deren
Auslegung sich nach den Grundsätzen der Auslegung von Willenserklärungen und
Verträgen (§§ 133, 157 BGB) vollzieht. Soweit H. auf Seite 18 seines Gutachtens
zugespitzt die Alternative aufmacht „Tarifvertrag oder Vorvertrag? “ neigt auch die
Kammer der damit implizierten Rechtsauffassung zu, dass eine andere Alternative bei
der rechtlichen Einordnung kaum vorstellbar ist, so dass wohl in der Tat der TV-
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der rechtlichen Einordnung kaum vorstellbar ist, so dass wohl in der Tat der TV-
Meistbegünstigung den Rechtscharakter eines Vorvertrages hat.
2. Zweifelhaft erscheint bereits, ob der TV-Meistbegünstigung inhaltlich so hinreichend
bestimmt ist, dass er den Schluss auf die von der Klägerin begehrte Rechtsfolge zulässt.
Nach zutreffender Auffassung des BAG (Urteil vom 5.7.2006, aaO m.w.N.) kann ein
Vorvertrag nur dann rechtsverbindliche Wirkung entfalten, wenn der Inhalt des
abzuschließenden Hauptvertrages hinreichend klar bestimmt ist. Insoweit ist jedenfalls
die dogmatische Einordnung durch die Klägerin im Anschluss an die Auffassung im
Gutachten von H. (dort Seite 20 f: „zweistufiger Vorvertrag“) abzulehnen. Nach
Auffassung der Kammer ist vielmehr der Vorvertrag durchaus im TV-Meistbegünstigung
selbst zu sehen. Die Korrespondenz der Parteien im November und Dezember 2006,
namentlich das Schreiben der Beklagten vom 15.11.2006, haben allerdings nicht die
Funktion eines Angebots, sondern dienen lediglich der Erfüllung der Verpflichtung der
Beklagten im TV-Meistbegünstigung, „…den Tarifvertrag unverzüglich … der VKA zur
Kenntnis zu geben“. Ein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert im Sinne eines Angebots
nach §§ 145 ff BGB kann diesen Schreiben ausweislich ihres klaren Wortlauts nicht
entnommen werden. Von daher verbietet sich auch die Annahme, diese Schreiben
stellten einen Teil eines Vorvertrags-Konstrukts dar, den H. mit „zweistufiger Vorvertrag“
bezeichnet. Für eine solche Konstruktion besteht auch keine rechtliche Notwendigkeit.
Denn der TV-Meistbegünstigung formuliert als Rechtsfolge, dass die Unterschrift der
Beklagten als Angebot Die Formulierung „gilt als“ bedeutet in der langläufigen
juristischen Terminologie, dass eine so genannte Fiktion vorliegt, d.h., die in Frage
stehende Rechtsfolge (Abgabe eines Angebots) wird (vom Gesetzgeber bzw. hier) von
den Autoren des Regelungswerks als bereits eingetreten unterstellt, ohne dass es noch
einer Umsetzung durch bestimmte Handlungen der Rechtsunterworfenen bedürfte. Von
daher bedarf es auch im Streitfall keiner rechtsgeschäftlichen Erklärung durch die
Beklagte mehr; vielmehr ist nach der hier verwendeten juristischen Konstruktion allein
den im TV-Meistbegünstigung genannten Arbeitgebern bzw. –verbänden das Recht
zugesprochen, durch einseitige Erklärung das im Tarifabschluss kraft Fiktion bereits
abgegebene Angebot – dessen Inhalt, Reichweite und verfassungsrechtliche Zulässigkeit
freilich noch der Bestimmung bedürfen - anzunehmen. Dies bedarf dann allerdings noch
der Umsetzung durch einen formwirksamen Tarifvertrag.
Auf die Frage, ob der als Vorvertrag zu qualifizierende TV-Meistbegünstigung seinerseits
dem Formgebot des § 1 Abs. 2 TVG entsprechen muss (offen gelassen von BAG vom
5.7.2006, aaO), kommt es damit nicht an, denn nach der hier vertretenen Konstruktion
ist der – formwirksam zustande gekommene – TV-Meistbegünstigung selbst der
Vorvertrag, der als Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren allein in Betracht
kommt.
Damit ist auch hinsichtlich der Bestimmtheitsprüfung allein auf den TV-
Meistbegünstigung abzustellen. Dieser formuliert, die Unterschrift unter den Tarifvertrag
gelte als Angebot, „die Regelungen des Tarifvertrages insgesamt oder in ihren einzelnen
Bestandteilen … zu übernehmen“. Der bestimmte Artikel „die“ bezieht sich dabei auf
die in § 1 Abs. 1 TV-Meistbegünstigung genannten „Bereiche“ „Arbeitszeit“ und
„Sonderzahlung“. Fraglich ist, was mit der untechnischen Formulierung „Bereich“
gemeint ist. Dabei ist den Vertragspartnern des TV-Meistbegünstigung gewiss zu
konstatieren, dass diese nicht wissen konnten, welcher Terminologie und welcher
Systematik sich die Tarifvertragsparteien des TV-L später bedienen würde, so dass eine
untechnische Formulierung nahe lag. Ebenso naheliegend erscheint, dass diese
Bezeichnung sich auf den Abschnitt II des TV-L, überschrieben mit „Arbeitszeit“ bezieht.
Dann aber erstreckte sich die Verpflichtung der Beklagten auf immerhin die §§ 6 bis 11
des TV-L. In Ansehung der von beiden Parteien in den wesentlichen Grundzügen
übereinstimmend geschilderten Vorgeschichte des Ausscheidens der TdL aus der bis
dato existenten Tarifgemeinschaft bestehend aus Bund, TdL und der Klägerin könnte mit
„Bereich Arbeitszeit“ aber auch lediglich der Umfang der Wochenarbeitszeit, und damit
lediglich der § 6 TV-L gemeint sein. Auch die im Gutachten von Kempen unter Berufung
auf die Historie des Ausscheidens der TdL aus der Tarifgemeinschaft dargelegte und von
der Beklagten vertretene Deutung des Inhalts des TV-Meistbegünstigung, die
Angebotsverpflichtung zur Arbeitszeit beziehe sich nur auf solche künftige
Tarifregelungen, deren Übernahme in den TVöD Arbeitszeitgleichheit im öffentlichen
Dienst wiederherstelle oder wesentlich fordere, erscheint durchaus möglich. Diese
Unsicherheiten bei der Bestimmung des Sinngehalts des TV-Meistbegünstigung,
insbesondere bei der Formulierung „oder in ihren einzelnen Bestandteilen“, lassen
Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit desselben aufkommen. Bereits diese
Unsicherheiten führten zum Ergebnis, dass es der Klägerin an einer Rechtsgrundlage für
die von ihr begehrte Rechtsfolge ermangelte.
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3. Unabhängig von der Rechtsnatur sowie auch der hinreichenden Bestimmtheit der
Meistbegünstigungsklausel muss auf jeden Fall der verfassungskonform ausgelegte
Inhalt des TV-Meistbegünstigung die von der Klägerin begehrte Rechtsfolge, und zwar
hinsichtlich jeden Teils ihrer jeweiligen Klageanträge (vgl. BAG vom 5.7.2006, aaO)
aussprechen. Dies ist indes nicht der Fall.
Zuzustimmen ist der Klägerin allerdings zunächst, wenn sie darauf hinweist, dass
hinsichtlich des „Bereichs“ „Arbeitszeit“ der TV-Meistbegünstigung lediglich von
„abweichenden Inhalten“ spricht, somit ein von der Beklagten abgeschlossener
Tarifvertrag nicht, wie beim Entgelt, für die Arbeitgeber günstigere Regelungen enthalten
muss. Damit kann die durch die Beklagte problematisierte Frage, inwieweit eine
Übernahme der Regelungen aus § 6 TV-L im Bereich der Klägerin überhaupt günstigere
Auswirkungen zeitigen kann oder nicht, dahinstehen.
Die Klägerin beruft sich damit vordergründig zu Recht auf den Bedeutungsgehalt des TV-
Meistbegünstigung hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „abweichende Inhalte“.
Solche enthält der TV-L in § 6 nämlich unzweifelhaft. Als Rechtsfolge ordnet § 1TV-
Meistbegünstigung an, dass „die rechtsverbindliche Unterschrift der Gewerkschaft ver.di
unter den ausgehandelten Tarifvertrag ….zugleich als unwiderrufliches Angebot an den
Bund und die VKA (gilt),
in den TVöD oder ihn ergänzende Tarifverträge (ersetzend oder
ergänzend) zu übernehmen.“ Unterstellt man zu Gunsten der Klägerin, dass die
Formulierung „in ihren einzelnen Bestandteilen“ sich nicht nur auf die Gesamtheit der
Paragrafen des zweiten Abschnitts des TV-L „Arbeitszeit“, sondern auch auf einzelne
Regelungen aus einem Paragrafen, namentlich auf Einzelregelungen aus § 6 des TV-L
beziehen soll, so stellt sich die Frage, ob die Folge, dass die Klägerin aus dem § 6 TV-L
„einzelne Bestandteile“ herausgreifen darf, mit anderen Worten, ein Teil-Annahmerecht
hat, sich mit höherrangigem – namentlich Verfassungs- Recht in Einklang bringen lässt.
Dies ist indes nach Auffassung der Kammer mit der weitreichenden Lesart der Klägerin
nicht der Fall. Allerdings führt dies nicht zwangsläufig zur völligen Unwirksamkeit der
Klausel, wenn sich diese auf einen verfassungsrechtlich zulässigen Inhalt reduzieren
lässt, m.a.W. eine verfassungskonforme Auslegung möglich ist. Ist dies möglich und
verbleibt ein Anwendungsbereich für den TV-Meistbegünstigung, so bedarf es nicht der
Annahme der von Rieble/Klebeck dargelegten pauschalen Unwirksamkeit „jeder
Meistbegünstigungsklausel“ unter Hinweis darauf, dass sich mit der Tarifautonomie des
Artikels 9 Abs. 3 GG keine vorgreifliche Selbstbindung der Tarifpartei, Tarifverträge nur
mit bestimmten Tarifpartnern oder mit bestimmten Inhalten abzuschließen, nicht
vertrage (Rieble/Klebeck, aaO, S. 71).
Die Meistbegünstigungsklausel lässt sich dergestalt verfassungskonform auslegen, dass
noch ein sinnvoller Anwendungsbereich verbleibt.
Aus Art. 9 Abs. 3 GG folgt im Grundsatz eine weitreichende Autonomie der
Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die
Arbeitsbedingungen und –inhalte der Arbeitnehmer und ihrer Beschäftigungsverhältnisse
zu gestalten. Das Mittel dieser Gestaltungsmacht ist regelmäßig der Tarifvertrag.
Machen Koalitionen von dieser Gestaltungsmacht durch Abschluss eines Tarifvertrages
Gebrauch, so gilt für tarifliche Regelungen aufgrund der grundsätzlich als paritätisch zu
charakterisierenden Verhandlungssituation eine Richtigkeitsvermutung. Angesichts des
grundrechtlichen Schutzes der Tarifautonomie in Art. 9 III GG unterliegen die Gerichte bei
der Kontrolle von Tarifverträgen einer dem Grundrecht entsprechenden Zurückhaltung.
Die Gerichte haben Tarifverträge nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen das
Grundgesetz, gegen anderes zwingendes Gesetzesrecht, die guten Sitten oder gegen
tragende Grundsätze des Arbeitsrechts verstoßen (LAG Hamburg vom 15.11.2004 - 8
Sa 105/03 – zitiert nach juris; vgl. BAG vom 20.2.2001 – 3 AZR 515/99 – ZTR 2002, S.
93).
Zwar geht die Kammer nicht so weit, dass die Meistbegünstigungsklausel eine
autonome Tarifauseinandersetzung unmöglich macht und deshalb die
Richtigkeitsgewähr des Sekundärtarifvertrages (hier also des TV-L) gleichsam
automatisch fraglich sei (so aber Rieble/Klebeck, aaO, S. 68). Die Richtigkeitsgewähr des
Sekundärtarifvertrages, und damit die grundsätzlich zu akzeptierende Unantastbarkeit
seines Inhalts, bleibt vielmehr im Sinne einer Vermutung bis zur Darlegung konkreter
Anhaltspunkte, aus denen das Gegenteil folgt, bestehen. Die Richtigkeitsvermutung darf
aber nicht losgelöst vom Kompromisscharakter eines Tarifvertrages gesehen werden. Es
ist ein Kennzeichen eines Tarifvertrages, dass er einen Kompromiss enthält. Ein
Tarifvertrag, für den das nicht zutrifft, ist nur schwer vorstellbar. Die Wertung, ein
Tarifvertrag habe ausnahmsweise keinen Kompromisscharakter, setzt daher die
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Tarifvertrag habe ausnahmsweise keinen Kompromisscharakter, setzt daher die
Feststellung besonderer Umstände voraus, aus denen dies folgt (BAG vom 3.5.2006 – 4
AZR 795/05 – NZA 2006, S, 1125 ff (1127); vgl. BAG vom 30.8.2000 – 4 AZR 563/99 –
NZA 2001, S. 613 ff).
Für die Annahme, der TV-L besitze diesen Kompromisscharakter nicht, fehlt es an jeder
Grundlage im Sachverhalt. Zwar haben beide Seiten umfänglich zu den Motiven aller
drei beteiligten Seiten vorgetragen, also der Klägerin, der Gewerkschaften sowie der TdL,
wie es zur Fassung des § 6 TV-L kam. Es mag auch durchaus so sein, dass der so
genannte „Formelkompromiss“ nur deshalb zustande kam, weil die Parteien des TV-L
die Auslösung der Rechtsfolge des TV-Meistbegünstigung vermeiden wollten. Dies ändert
aber nichts daran, dass die einzelnen Inhalte des § 6 TV-L, namentlich die Verständigung
auf den Referenzmonat Februar 2006, die Umrechnungsmodalitäten sowie die
verschiedenen Ausnahmen im Hinblick auf bestimmte Personengruppen, einen
Kompromiss darstellen, den die TdL sowie die Beklagte, ferner die weiter beteiligten
Gewerkschaften, im Sinne eines wechselseitigen Gewährens und Verzichtens
geschlossen haben dürften. Wie genau es zu den Inhalten im Einzelnen gekommen ist,
lässt sich zwar nicht sagen, es kann aber unterstellt werden, dass die in der TdL noch
verbliebenen Länder ihre Partikularinteressen in die Gesamtverhandlungen eingebracht
haben. Anders formuliert: es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es den
Kompromiss mit dem Inhalt, den der § 6 TV-L jetzt erfahren hat, nicht gegeben hätte,
hätten nicht alle Länder nach Prüfung ihrer eigenen Situation und ihrer von den
Interessen anderer Länder abweichenden Interessen dem zugestimmt. Es ist überaus
wahrscheinlich, dass sowohl hinsichtlich der generellen Wochenarbeitszeit-
Berechnungsformel als auch hinsichtlich der verschiedenen Besonderheiten bei
bestimmten Arbeitnehmergruppen eine so genannte „Paketlösung“ vereinbart wurde.
Noch anders formuliert, es muss unterstellt werden, dass man den durch Artikel 9 Abs. 3
GG geschützten Willen der Parteien des TV-L, also auch der hiesigen Beklagten –
mindestens bei den Inhalten des § 6 TV-L, möglicherweise aber auch noch darüber
hinaus bei allen Vorschriften des TV-L – unberücksichtigt ließe, wenn man einzelne Teile
dieses Gesamtkompromisses aus dem Regelwerk herauslösen würde.
In diesem Sinne ist auch die Auffassung der Klägerin - unterstützt vom Gutachten H.,
dort Seite 17 und Seite 26 f – wonach vorliegend in Abweichung von § 150 Abs. 2 BGB
auch eine Teilannahmeerklärung möglich ist, nach diesseitiger Auffassung unrichtig. Eine
Teilannahmeerklärung kommt nur dann in Frage, wenn dies dem – gegebenenfalls durch
Auslegung zu ermittelnden – objektivierten Willen der Parteien entspricht. Hinsichtlich
des Hauptantrages spricht auch H. davon, dass ein derartiges Verständnis dazu führen
würde, dass die Meistbegünstigungsregelung zu einer Vorzugshandlung für die Klägerin
führen würde, da die 40,1-Stunden-Woche in ihrem Mitgliederkreis einen größeren
Anwendungsbereich hätte als in Bayern. Aber auch hinsichtlich der Hilfsanträge, also
vornehmlich soweit § 6 Abs. 1a und b TV-L betroffen ist, entspricht der objektivierte Wille
der Beklagten sowie der Beklagten des Parallelverfahrens diesen Inhalten nicht. Ähnlich
formuliert Kempen in seinem Gutachten, dort Seite 11, dass die Vorstellung eines Teil-
Annahmerechts dem Willen der Tarifvertragsparteien widerspreche, die von der
Herstellung einheitlicher Arbeitszeitregelungen ausgegangen seien. Übertragen auf die
Rechtsgeschäftslehre des BGB bedeutet dies, dass es bei der Rechtsfolge des § 150
Abs. 2 BGB zu verbleiben hat; das entsprechende Angebot der Klägerin wurde aber von
der Beklagten nicht angenommen und musste mangels Rechtsgrundlage hierfür auch
nicht angenommen werden.
Aus der einleitenden Formulierung in § 1 Abs. 1 Satz 1 TV-Meistbegünstigung kann die
Klägerin ebenfalls – auch hier entgegen H. Auffassung im Gutachten, dort Seite 27 –
nichts für sich herleiten. Denn die Worte „… für ein oder mehrere Bundesländer…“ steht
evident auf der Tatbestandsseite der Norm und sollte offenbar lediglich absichern, dass,
nachdem bereits mit den Ländern Berlin und Hessen zwei Länder aus der TdL
ausgeschieden waren, die Beklagte einen abweichenden „Haustarifvertrag“ mit einem
einzelnen Land abschließt, der einschlägig im Sinne der Vorgaben des TV-
Meistbegünstigung auf der Rechtsfolgenseite des dortigen § 1 sein könnte. Wäre es dazu
gekommen, so könnte - jedenfalls was die Arbeitgeberseite betrifft- die o.g.
Argumentation, es liege ein ausdifferenzierter und austarierter Gesamtkompromiss vor,
den man nicht ohne Anhaltspunkte für Sachgründe in seine Bestandteile zerlegen kann,
jedenfalls im Streitfall nicht greifen. Da der TV-L aber auf Arbeitgeberseite durch die TdL
abgeschlossen wurde, die immer noch alle Bundesländer mit Ausnahme Berlins und
Hessens vertritt, stellt sich dieses Problem nicht. Da auf der Rechtsfolgenseite aber
gerade nicht die Möglichkeit erwähnt wird, die Annahme der Arbeitszeitregelung lediglich
eines Bundeslandes zuzulassen, steht der Einleitungssatz dem hier gefundenen
Ergebnis keineswegs entgegen.
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Bei Zugrundelegung dieses Zwischenergebnisses kann jedenfalls der Ansatz der
Klägerin zur Auslegung der Formulierung „…die Regelungen … in ihren einzelnen
Bestandteilen“ in § 1 TV-Meistbegünstigung, sich nämlich bei grundsätzlicher Annahme
der in der Fußnote zu § 6 TV-L genannten Arbeitszeitvolumina ein Bundesland
herauszusuchen (und zwar das, das in Anwendung des Formelkompromisses die
höchste Wochenarbeitszeit erreicht), nicht in Einklang mit der Tarifautonomie des Art. 9
Abs. 3 GG gebracht werden. Denn eine solche Vorgehensweise zerstörte den
Kompromisscharakter des Sekundärtarifvertrages und kann deshalb dem im Wege der
Auslegung zu ermittelnden, objektivierten Willen der Gewerkschaften nicht entsprechen.
Insoweit deckt sich die Auffassung des erkennenden Gerichts mit der Auffassung K. in
seinem Gutachten, dort Seite 10 f. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen – mit den aus
der Logik der Besonderheiten der Organisationsstruktur der kommunalen Arbeitgeber
und ihrer Dienststellen und Betriebe folgenden Einschränkungen – den § 6 TV-L in Gänze
zu übernehmen. Hierzu waren die Gewerkschaften offensichtlich auch bereit. Auch das
Gericht hätte an einem solchen Vorgehen keine Bedenken. Allerdings entspricht dies
nicht dem – auch im Rahmen der zur Zeit laufenden Tarifrunde durch die Klägerin
deutlich geäußerten - tarifpolitischen Ziel der Klägerin, die Wochenarbeitszeit einheitlich
auf 40 Stunden pro Woche zu erhöhen. Zur Erreichung dieses Ziels ist aber der TV-
Meistbegünstigung jedenfalls im Zusammenwirken mit dem TV-L, namentlich des
dortigen § 6, nicht geeignet. Das Fazit der grundsätzlichen Wirksamkeit des TV-
Meistbegünstigung dürfte auch den von der Klägerin zitierten Entscheidungen des LAG
Köln vom 19.3.2007 – 12 Ta 41/07 - sowie des LAG Hamm 24.7.2006 – 8 Sa 741/06 -
zugrunde liegen. Diese Gerichte mussten sich lediglich mit der Zulässigkeit von Streiks
befassen, nicht aber, inwieweit konkrete Inhalte des TV-L von den
Tatbestandsmerkmalen des TV-Meistbegünstigung erfasst sind und konnten deshalb
zwanglos zunächst die grundsätzliche Wirksamkeit des TV-Meistbegünstigung
unterstellen.
Soweit aus der Entscheidung des BAG vom 10.11.1982 (– 4 AZR 1203/79 – AP Nr. 8 zu §
1 TVG Form) im Hinblick auf die Vereinbarkeit dynamischer Verweisungsklauseln mit
höherrangigem Recht etwas anderes entnommen werden könnte, folgt die erkennende
Kammer dem nicht. Danach sind Blankettverweisungen in Tarifverträgen zulässig, wenn
die Verweisung eindeutig ist und der Geltungsbereich der verweisenden Tarifnorm mit
dem Geltungsbereich der Tarifnormen, auf die verwiesen wird, in einem engen
sachlichen Zusammenhang steht. Unterstellt man diese Rechtsprechung als einschlägig
auch für die Rechtskontrolle von Meistbegünstigungsklauseln, so kann ein solcher enger
sachlicher Zusammenhang – auch insoweit anders H. in seinem Gutachten – keineswegs
unterstellt werden. Denn wie die Parteien zutreffend vortragen, ist die Interessenlage der
Klägerin und die der TdL durchaus im hier streitbefangenen Bereich der (Wochen-)
Arbeitszeit nicht im Gleichklang gewesen, sondern war sehr verschieden. Ferner kann
eine Meistbegünstigungsklausel auch wegen ihrer „arbeitgebernützigen Halbseitigkeit“
nicht sachgerecht sein, wie Rieble/Klebeck, aao, S. 70, zutreffend bemerken.
Die verfassungsrechtlich zu beachtende Autonomie der TdL und der Gewerkschaften bei
der Gestaltung der Tarifinhalte nach Art. 9 Abs. 3 GG wird im Streitfall ergänzt um die
Besonderheiten des föderalen Aufbaus des Staates nach den Art. 70 ff GG und der
daraus folgenden grundsätzlichen Personalhoheit der Länder (vgl. dazu Rieble/Klebeck,
aaO, S. 74; ferner BVerfGE 93, S. 37 ff). Eine Auslegung des TV-Meistbegünstigung, die
zum Ergebnis hätte, die Autonomie der Länder bei der Ausgestaltung der
Arbeitsbedingungen im Bereich der Arbeitszeit, damit auch der Personalkosten und
damit schließlich (mittelbar) ihres Personalbedarfs zu beschränken, kann mit
wesentlichen Grundsätzen der föderalen Struktur des Grundgesetzes nicht in Einklang
gebracht werden (insoweit zutreffend Rieble/Klebeck, aaO, S. 74 m.w.n.). Zwar gewährt
Art. 28 Abs. 2 GG den Kommunen ihre eigene Personalhoheit, allerdings darf nicht
verkannt werden, dass die Finanzierung des Personalbedarfs der Kommunen zum nicht
geringen Teil durch Mittelzuweisungen der Länder erfolgt, deren eigene Personalhoheit
damit ebenfalls betroffen ist. Dieser Befund führt zwar nicht zur Unwirksamkeit der
Meistbegünstigungsklausel, kann aber bei der Bestimmung ihres verfassungsrechtlich
(noch) zulässigen Gehalts nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben.
4. Zu keinem anderen Ergebnis kommt man über die Rechtsfigur einer
„Umgehungsabsicht“ der Beklagten bezogen auf die von der Klägerin gewünschte und
ihrer Auffassung nach aus dem TV-Meistbegünstigung abzuleitenden Rechtsfolge. Zum
einen wurde gezeigt, dass die begehrte Rechtsfolge selbst nicht aus dem TV-
Meistbegünstigung abgeleitet werden kann, insoweit kann eine Rechtsfolge, die gar nicht
eintritt, auch nicht umgangen werden. Zum anderen dürfte der Klägerin zwar, nicht
zuletzt wegen der Verlautbarungen der Beklagten selbst, zuzustimmen sein, dass die
recht komplizierte Fassung des § 6 TV-L gewählt wurde, um die Rechtsfolge des TV-
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recht komplizierte Fassung des § 6 TV-L gewählt wurde, um die Rechtsfolge des TV-
Meistbegünstigung nicht eintreten zu lassen. Es lässt sich allerdings bereits nicht
feststellen, dass eine diesbezügliche Absicht allein von der Beklagten bzw. der Beklagten
des Parallelverfahrens ausgegangen ist. Wahrscheinlicher ist das Gegenteil, dass
nämlich auch die TdL diese Absicht verfolgte. Zudem gestattet Art. 9 Abs. 3 GG den
Tarifparteien die autonome Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch
das Aushandeln von Tarifverträgen (s.o.), im Grundsatz ohne inhaltliche Begrenzungen.
Dieser Aspekt steht über dem verständlichen Interesse der Klägerin, von der
Tarifentwicklung im Bereich der Arbeitszeiten nicht abgekoppelt zu werden. Lässt sich
nicht feststellen, dass es allein oder doch vorrangig die Beklagte und die Beklagte des
Parallelverfahrens waren, die die dann zum Teil des Tarifvertrags gewordene Fassung
des § 6 TV-L initiiert haben, so ist für einen Umgehungstatbestand auch deshalb kein
Raum, weil – zumindest im Lichte der Tarifautonomie des Art. 9 Abs. 3 GG – die Beklagte
nicht allein verantwortlich gemacht werden darf für eine gemeinsam mit der TdL
ausgehandelte Regelung. Dies wäre allenfalls dann anders, wenn sowohl die Beklagte
bzw. die Beklagte des Parallelverfahrens als auch die TdL kollusiv zum Nachteil der
Klägerin zusammengewirkt hätten, um den Eintritt der genannten Rechtsfolge zu
verhindern. Dies ist jedoch schon deshalb zu verneinen, weil die Motive der
Gewerkschaften sowie der Länder bei der Gestaltung der Arbeitszeitregelungen völlig
verschieden waren und sind.
5. Dahinstehen konnte nach alledem auch, ob die begehrte rückwirkende Inkraftsetzung
der mit dem Haupt- und den Hilfsanträgen begehrten Änderungstarifverträge rechtlich
möglich ist. Anerkannt ist in der Rechtsprechung, dass auf Grund der seit 1.1.2002 in
Kraft befindlichen Vorschrift des § 311a BGB auch die Verurteilung zur rückwirkenden
Zustimmung zum Abschluss eines Vertrages (dort ein Teilzeitvertrag) zulässig ist (BAG
vom 8.5.2007 – 9 AZR 1112/06 – zitiert nach juris; BAG vom 27.4.2004 – 9 AZR 522/03 –
AP Nr. 12 zu § 8 TzBfG). Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob diese Rechtsprechung sich
übertragen lässt auf eine rückwirkende Anhebung der Arbeitszeitverpflichtung.
Angemerkt sei ferner, dass die im Gutachten von H. insoweit herangezogene
Entscheidung des BAG vom 23.1.2007 – 9 AZR 393/06 – (AP Nr. 8 zu § 2 ATG) zu einem
Antrag auf Verurteilung zur Eingehung eines Altersteilzeitarbeitsvertrages im
Blockmodell ergangen ist. Anders als dort, wo während der Arbeitsphase sich am
Arbeitszeitvolumen nichts geändert hat, geht es hier aber um die Frage, wie die
rückwirkende Inkraftsetzung einer erhöhten Wochenarbeitszeit umgesetzt werden
könnte. Da die Verpflichtung zur Erbringung von Arbeitsleistung eine Fixschuld darstellt,
könnte es allenfalls um eine Verrechnung auf einem Arbeitszeitkonto gehen. Insoweit
dürften aber Vertrauensschutzaspekte (vgl. dazu BAG vom 5.7.2006, aaO) einer
rückwirkenden Verurteilung entgegenstehen.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die klagende Partei als unterlegene Partei zu tragen, §§
46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO.
Den Wert des Streitgegenstandes hat das Gericht gemäß §§ 61 ArbGG, 3 ff ZPO, 23 Abs.
3 RVG im Urteil festgesetzt. Nach Auffassung der Kammer ist hier von einer
nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit auszugehen. In Ansehung der ganz erheblichen
Auswirkungen, die die begehrte Arbeitszeiterhöhung auf die im Bereich der Klägerin
beschäftigten Arbeitnehmer sowie die in ihr organisierten Arbeitgeber hätte, hat die
Kammer den Streitwertrahmen voll ausgeschöpft.
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