Urteil des ArbG Berlin vom 14.03.2017

ArbG Berlin: tarifvertrag, verfassungskonforme auslegung, vorvertrag, meistbegünstigungsklausel, gewerkschaft, bayern, kopie, ausnahme, zahl, rechtsgrundlage

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Gericht:
ArbG Berlin 91.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
91 Ca 7827/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 TVG, Art 9 Abs 3 GG, § 311a
BGB, § 6 TV-L, § 150 Abs 2 BGB
Zustimmung zur Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
III. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 500.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, einem Tarifabschluss zur
Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit für die bei den Mitgliedern der Klägerin
beschäftigten Arbeitnehmern zuzustimmen.
Die Parteien sind tariffähige Organisationen auf Arbeitgeber- und auf Arbeitnehmerseite.
Die Klägerin ist der tarifpolitische und arbeitsrechtliche Dachverband der kommunalen
Verwaltungen und Betriebe in Deutschland. Sie vertritt kommunale Arbeitgeber mit nach
ihren Angaben ca. zwei Millionen Beschäftigten. Mitglieder der Klägerin sind die in den
einzelnen Bundesländern bestehenden kommunalen Arbeitgeberverbände (KAV) als
Mitgliedsverbände.
Die Parteien vereinbarten unter dem Datum des 13.9.2005 den Tarifvertrag über die
Vereinbarung einer Meistbegünstigungsklausel (TV-Meistbegünstigung). Ebenfalls unter
dem 13.9.2005 schloss die Klägerin den TV-Meistbegünstigung mit identischem Wortlaut
auch mit der ........... (im Folgenden: Beklagte des Parallelverfahrens, zusammen: „Die
Gewerkschaften“). Der TV-Meistbegünstigung hat folgenden Wortlaut:
„§ 1 Meistbegünstigungsklausel
Sofern die vertragsschließende Gewerkschaft ver.di für ein oder mehrere Bundesländer
einen Tarifvertrag abschließt, der von den Regelungen des TVöD oder der ihn
ergänzenden Tarifverträge in den Bereichen Arbeitszeit und Sonderzahlung
(Zuwendung, Urlaubsgeld u.ä.) abweichende Inhalte hat oder beim Entgelt
(insbesondere Einmalzahlung, Übergangskosten) für die Arbeitgeber günstigere
Regelungen enthält, vereinbaren die Tarifvertragsparteien ohne weitere Verhandlungen
folgendes:
- Die rechtsverbindliche Unterschrift der Gewerkschaft ver.di unter den ausgehandelten
Tarifvertrag gilt zugleich als unwiderrufliches Angebot an den Bund und die Vereinigung
der Kommunalen Arbeitgeberverbände, die Regelungen des Tarifvertrags insgesamt
oder in ihren einzelnen Bestandteilen in den TVöD oder ihn ergänzende Tarifverträge
(ersetzend oder ergänzend) zu übernehmen. 3Ver.di verpflichtet sich, den Tarifvertrag
unverzüglich dem Bund und der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände zur
Kenntnis zu geben.
- Der Bund und die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände können jeder für
sich binnen einer Frist von vier Wochen nach Kenntnisnahme des entsprechenden
Tarifvertrags das Angebot schriftlich annehmen.
§ 2 In-Kraft-Treten und Kündigung
(1) Dieser Tarifvertrag tritt am 9. Februar 2005 in Kraft.
(2) Dieser Tarifvertrag kann erstmalig zum 31. Dezember 2007 gekündigt werden. Eine
spätere Kündigung ist mit einer Frist von drei Monaten zum Quartalsende zulässig. Eine
Nachwirkung wird ausgeschlossen.“
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Mit Schreiben vom 29.3.2007 kündigte die Beklagte gegenüber der Klägerin den TV-
Meistbegünstigung zum 31.12.2007.
§ 6 Abs. 1 TVöD hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
㤠6
Regelmäßige Arbeitszeit
(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen für
a) die Beschäftigten des Bundes durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich,
b) die Beschäftigten der Mitglieder eines Mitgliederverbandes der VKA im Tarifgebiet
West durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich, im Tarifgebiet Ost durchschnittlich 40
Stunden wöchentlich; im Tarifgebiet West können sich die Tarifvertragsparteien auf
landesbezirklicher Ebene darauf einigen, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf
bis zu 40 Stunden zu verlängern.
2 (….)“
§ 39 TVöD hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
㤠39
In-Kraft-Treten, Laufzeit
(…)
(3) 1Abweichend von Absatz 2 kann im Bereich der VKA von den Tarifvertragsparteien
auf landesbezirklicher Ebene im Tarifgebiet West § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b mit einer
Frist von einem Monat zum Ende des Kalendermonats gekündigt werden, frühestens
jedoch zum 30. November 2005. 2Eine Kündigung nach Satz 1 erfasst zugleich auch
abweichende Regelungen der tariflichen regelmäßigen Wochenarbeitszeit für besondere
Beschäftigtengruppen in den Besonderen Teilen.
(4) Abweichend von Absatz 2 können schriftlich gekündigt werden
a) die Vorschriften des Abschnitts II einschließlich des Anhangs zu § 9 mit einer
Frist von einem Monat zum Schluss eines Kalendermonats, frühestens
jedoch zum 31. Dezember 2007;
(…)
Protokollerklärung zu Absatz 4:
Die Tarifvertragsparteien werden prüfen, ob die getroffenen Kündigungsregelungen den
beiderseitigen Interessen hinreichend Rechnung tragen, oder ggf. einer Änderung oder
Ergänzung bedürfen. 2Sollten bis zum 30. Juni 2006 keine Änderungen vereinbart
worden sein, bleibt Absatz 4 unverändert in Kraft. 3Die Tarifvertragsparteien werden im
Zusammenhang mit den Verhandlungen zur neuen Entgeltordnung gesonderte
Kündigungsregelungen zu den §§ 12, 13 und der Anlage [Entgeltordnung] vereinbaren.“
Getrennt von den Tarifverhandlungen zwischen der Klägerin und dem Bund einerseits
sowie der Gewerkschaften andererseits verhandelten die TdL und die Gewerkschaften
über den Abschluss eines Tarifvertrages, die mit dem Abschluss des TV-L endeten.
§ 6 Abs. 1 TV-L lautet:
㤠6
Regelmäßige Arbeitszeit
(1) 1Die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich der
Pausen
a) wird für jedes Bundesland im Tarifgebiet West auf der Grundlage der festgestellten
tatsächlichen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit im Februar 2006 ohne
Überstunden und Mehrarbeit (tariflich und arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit)
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Überstunden und Mehrarbeit (tariflich und arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit)
wegen der gekündigten Arbeitszeitbestimmungen
von den Tarifvertragsparteien nach den im Anhang zu § 6 festgelegten
Grundsätzen errechnet, *)
b) beträgt im Tarifgebiet West 38,5 Stunden für die nachfolgend aufgeführten
Beschäftigten:
aa) Beschäftigte, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit leisten,
bb) Beschäftigte an Universitätskliniken, Landeskrankenhäusern, sonstigen
Krankenhäusern und psychiatrischen Einrichtungen, mit Ausnahme der Ärztinnen und
Ärzte nach Buchstabe d,
cc) Beschäftigte in Straßenmeistereien, Autobahnmeistereien, Kfz-Werkstätten,
Theatern und Bühnen, Hafenbetrieben, Schleusen und im Küstenschutz,
dd) Beschäftigte in Einrichtungen für schwerbehinderte Menschen (Schulen, Heime) und
in heilpädagogischen Einrichtungen,
ee) Beschäftigte, für die der TVöD gilt oder auf deren Arbeitsverhältnis vor der
Einbeziehung in den TV-L der TVöD angewandt wurde,
ff) Beschäftigte in Kindertagesstätten in Bremen,
gg) Beschäftigte, für die durch landesbezirkliche Vereinbarung eine regelmäßige
wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden festgelegt wurde,
c) beträgt im Tarifgebiet Ost 40 Stunden,
d) beträgt für Ärztinnen und Ärzte im Sinne des § 41 (Sonderregelungen für Ärztinnen
und Ärzte an Universitätskliniken) im Tarifgebiet West und im Tarifgebiet Ost einheitlich
42 Stunden.
Bei Wechselschichtarbeit werden die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen in
die Arbeitszeit eingerechnet. 3Die regelmäßige Arbeitszeit kann auf fünf Tage,
aus dringenden betrieblichen/dienstlichen Gründen auch auf sechs Tage verteilt
werden.
Die unterschiedliche Höhe der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen
Arbeitszeit nach Satz 1 Buchstaben a und b bleibt ohne Auswirkung auf das
Tabellenentgelt und die in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile.“
Der Anhang zu § 6 lautet:
„Anhang zu § 6
Regelung der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit im
Tarifgebiet West
(1) Grundsätze der Berechnung
a) Die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich der Pausen
wird für jedes Bundesland im Tarifgebiet West auf der Grundlage der festgestellten
tatsächlichen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit im Februar 2006 ohne
Überstunden und Mehrarbeit (tariflich und arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit) von
den Tarifvertragsparteien einvernehmlich festgelegt.
b) Die Differenz zwischen der bisherigen tariflichen Arbeitszeit zur tatsächlichen
Arbeitszeit wird verdoppelt, dabei werden aber nicht mehr als 0,4 Stunden für den
zweiten Teil der Verdoppelung der Differenz berücksichtigt.
Das Ergebnis ist die Gesamtdifferenz. 3Die Gesamtdifferenz wird der bisherigen
tariflichen Arbeitszeit zugerechnet.
c) Für die Beschäftigten beziehungsweise Beschäftigtengruppen, welche die
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c) Für die Beschäftigten beziehungsweise Beschäftigtengruppen, welche die
Tarifvertragsparteien in § 6 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa bis ff
festgelegt haben beziehungsweise die durch landesbezirkliche Vereinbarung nach § 6
Absatz 1 Satz 1 Buchstabe b Doppelbuchstabe gg einbezogen sind, beträgt die
durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich der Pausen 38,5
Stunden. 2Das auf diese Beschäftigten (einschließlich der Ärzte nach § 6 Absatz 1 Satz
1 Buchstabe d) entfallende Volumen der Differenz zu der Arbeitszeit nach Buchstabe b
wird auf die Beschäftigten in den anderen Beschäftigungsbereichen übertragen und
erhöht beziehungsweise verringert für diese das Ergebnis der nach Buchstabe b
errechneten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Unter Berücksichtigung der
Ergebnisse nach Satz 1 und 2 wird die Gesamtdifferenz mit einem ermittelten Faktor
multipliziert.
(2) Feststellungen und Berechnungen
Die tatsächliche durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im Monat Februar 2006,
ermittelt nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe a, beträgt nach den Feststellungen der
Tarifvertragsparteien in
Baden-Württemberg 38,95 Stunden
Bayern 39,33 Stunden
Bremen 38,795 Stunden
Hamburg 38,73 Stunden
Niedersachsen 38,92 Stunden
Nordrhein-Westfalen 39,20 Stunden
Rheinland-Pfalz 38,75 Stunden
Saarland 38,80 Stunden
Schleswig-Holstein 38,60 Stunden.
(….)“
Eine von der TdL im Internet veröffentlichte Fußnote zu § 6 TV-L, die auch in den
handelsüblichen Publikationen des TV-L enthalten ist, hat folgenden Wortlaut:
Hinweise der Tarifvertragsparteien
zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit in den Ländern (West)
Um die praktische Umsetzung in den einzelnen Bundesländern zu erleichtern, geben die
Tarifvertragsparteien die Ergebnisse der Berechnungen nach § 6 Absatz 1 und dem
Anhang zu § 6 TV-L als Hinweis bekannt, der nicht Bestandteil des Tarifvertrages ist:
Baden-Württemberg 39 Stunden, 30 Minuten
Bayern 40 Stunden, 06 Minuten
Bremen 39 Stunden, 12 Minuten
Hamburg 39 Stunden, 00 Minuten
Niedersachsen 39 Stunden, 48 Minuten
Nordrhein-Westfalen 39 Stunden, 50 Minuten
Rheinland-Pfalz 39 Stunden, 00 Minuten
Saarland 39 Stunden, 30 Minuten
Schleswig-Holstein 38 Stunden, 42 Minuten.“
Am 13.11.2006 übergab das Bundesvorstandsmitglied der Beklagten …………der
Klägerin eine Kopie des unterzeichneten TV-L. Darüber hinaus übersandte die Beklagte
der Klägerin mit Schreiben vom 9.11.2006 (Anlage K 19, Kopie Bl. 187 d.A.) eine Kopie
des unterzeichneten TV-L. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopie des Schreibens
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des unterzeichneten TV-L. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopie des Schreibens
verwiesen.
Mit Schreiben vom 6.12.2006 erklärte die Klägerin die Annahme der für das Bundesland
Bayern geregelten Arbeitszeit in Höhe von 40,1 Stunden pro Woche. Ferner wird die
Beklagte aufgefordert, den hierzu erforderlichen und bereits ausformuliert beigefügten
Änderungstarifvertrag zum TVöD zu unterzeichnen und bis zum 10.1.2007 an die
Klägerin zurückzusenden. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage K 21
eingereichte Kopie (Bl. 189 d.A.) des Schreibens verwiesen.
Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 8.12.2006 (Anlage K 22, Bl. 192 ff d.A.)
dahingehend, dass der durch die Klägerin übersandte Änderungstarifvertrag nicht dem
entspreche, was die Beklagte im TV-L vereinbart hätten und was von der Klägerin im
Rahmen des TV-Meistbegünstigung auch nur übernommen werden könne. Des Weiteren
übersandte die Beklagte ihrerseits ein nicht unterzeichnetes Angebot zum Abschluss
eines Änderungstarifvertrages zum TVöD mit der Übernahme der im § 6 TV-L benannten
Rechenformel ohne das entsprechende Zahlenwerk.
Die Beklagte unterzeichnete den von der Klägerin unterzeichneten
Änderungstarifvertrag innerhalb der gesetzten Frist nicht.
Mit ihrer am 24.4.2007 vor dem Arbeitsgericht Berlin erhobenen Klage begehrt die
Klägerin im Hauptantrag die Verurteilung der Beklagten zur Annahme des
Änderungsangebots der Klägerin zur Erhöhung der Wochenarbeitszeit in § 6 TVöD im
Tarifgebiet West von 38,5 auf 40,1 Wochenstunden. Mit den Hilfsanträgen begehrt sie die
Verurteilung der Beklagten zur Annahme bestimmter Teile von Inhalten des § 6 TV-L.
Zeitgleich und mit identischen Anträgen hat die Klägerin die Beklagte des
Parallelverfahrens vor dem Arbeitsgericht Berlin unter dem Aktenzeichen 91 Ca 7826/07
in Anspruch genommen. Beide Rechtsstreite wurden zeitgleich verhandelt und
entschieden.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, zwar enthalte der TV Meistbegünstigung selbst noch
keinen Vorvertrag, aus dem die Verpflichtung der Beklagten zur Abgabe der begehrten
Willenserklärung folge. Übereinstimmender Parteiwille bei Abschluss des TV-
Meistbegünstigung sei es gewesen, eine schuldrechtliche Verpflichtung festzulegen, die
zu einem verbindlichen Vorvertrag geführt habe. Der Inhalt des abzuschließenden
Hauptvertrages sei auch hinreichend bestimmt.
Anspruchsgrundlage sei die schuldrechtliche Vereinbarung aus dem mit Übergabe des
TV-L vom 9.11.2006 erklärten Angebot der Beklagten und der wirksamen
Annahmeerklärung der Klägerin vom 6.12.2006.
Mit der Übergabe des TV-L habe die Beklagte unter Berücksichtigung der Vorgaben des
TV-Meistbegünstigung gegenüber der Klägerin ein Angebot auf Übernahme der in den
Bereichen Arbeitszeit und Sonderzahlung getroffenen Regelungen des TV-L, soweit sie
vom TVöD abweichen, gemacht. Damit sei wirksam eine Einigung darüber zustande
gekommen, die wöchentliche Arbeitszeit für die Beschäftigten im Tarifgebiet West auf
40,1 Wochenstunden anzuheben. Die in § 1 TV Meistbegünstigung genannten Vorgaben
lägen einschließlich der Fristwahrung von vier Wochen vor.
Der TV-Meistbegünstigung sei wirksam abgeschlossen, auch wenn diesbezüglich eine
Einzelstimme in der Literatur hier Kritik anmelde.
Der wirksam abgeschlossene Vorvertrag unterliege nicht dem Schriftformerfordernis im
Sinne des § 1 Abs. 2 TVG. Selbst wenn man ein Schriftformerfordernis annehmen wollte,
komme man im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis, denn bereits der TV-
Meistbegünstigung erfülle die Anforderungen des § 1 Abs. 2 TVG. Bereits hiermit sei das
Informationsbedürfnis evtl. normunterworfener Arbeitnehmer und Arbeitgeber gedeckt.
Bei einer etwaigen anders lautenden Rechtsprechung des BAG zur Frage des
Schriftformerfordernisses des Vorvertrages genössen die Tarifvertragsparteien
Vertrauensschutz.
Die Klägerin habe sich bei ihrer Annahmeerklärung auf den das Bundesland Bayern
betreffenden Regelungsinhalt des § 6 Abs. 1 Satz 1 lit. a) TV-L beschränken können. Die
Auslegung des Angebots der Beklagten ergebe, dass eine Teilannahme möglich sei.
Die Klägerin habe die Wochenstundenzahl von 40,1 Stunden für das Bundesland Bayern
übernehmen können, auch wenn diese Zahl im Wortlaut des § 6 TV-L nicht genannt sei.
Die Beschreibung des Rechenweges in § 6 TV-L sei letztlich überflüssig, da das Ergebnis
der Rechenformel feststehe und unveränderlich sei. Arbeitnehmer und Arbeitgeber als
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der Rechenformel feststehe und unveränderlich sei. Arbeitnehmer und Arbeitgeber als
Anwender der Formel benötigten die Formel nicht, sondern vielmehr ausschließlich das
Ergebnis. Motivation der Beklagten, die Arbeitszeit nicht wie üblich in Stunden und
Minuten anzugeben, sondern in einer Rechenformel, sei es nach deren eigener Aussage,
zu verhindern, dass die Klägerin in Anwendung des TV-Meistbegünstigung die
Arbeitszeitregelung übernimmt. Ergebnis der Rechenformel für das Bundesland Bayern
sei eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden und 6 Minuten (= 40,1 Stunden), wie sich
aus der von der TdL verbreiteten Fußnote ergebe. Unschädlich sei, dass die Tarifparteien
die Rechenergebnisse für die einzelnen Bundesländer in einer Fußnote auflisten, die
nach ihrem Wortlaut ausdrücklich nicht Bestandteil des TV-L sein soll. Es liege eine
Vereitelungsabsicht der Beklagten vor, die bei entsprechender Anwendung der
Grundsätze über das Vorkaufsrecht unbeachtlich sei. Mit dem Einwand der
Vereitelungsabsicht verlange die Klägerin nicht ein bestimmtes Verhalten bei den
Tarifverhandlungen der Beklagten mit der TdL, die in der Vergangenheit liegen.
Allerdings dürfe die Beklagte ihr Verhalten gegenüber der TdL nicht dazu ausnutzen,
Verpflichtungen, die sie gegenüber der Klägerin eingegangen sei, zu entgehen. Dem
stünden zivilrechtliche Grundsätze entgegen, namentlich die §§ 162, 242 und 465 BGB.
Die Übernahme der Wochenarbeitszeit von 40,1 Stunden sei von Wortlaut, Sinn und
Zweck und aus der Entstehungsgeschichte des TV-Meistbegünstigung gedeckt.
Ausschlaggebend sei die Frage, was unter dem Begriff der „Regelung“ oder „ihrer
einzelnen Bestandteile“ in § 1 Satz 2 TV-Meistbegünstigung zu verstehen sei. Der
Wortlaut des TV-Meistbegünstigung schreibe eine wörtliche Übereinstimmung der von
der Klägerin übernommenen Tarifinhalte nicht vor. Unter welchen Umständen der zu
übernehmende Tarifinhalt geschlossen wurde, sei irrelevant.
Dass der TV-Meistbegünstigung inzwischen gekündigt sei, sei in Anwendung der
Rechtsprechung des BAG unschädlich. Auch sei eine rückwirkende Inkraftsetzung
wirksam.
Wegen weiterer Einzelheiten der Rechtsauffassungen der Klägerin wird neben der
Klagschrift auf den Schriftsatz vom 15.11.2007 (Bl. 295 ff d.A.) einschließlich des
eingereichten Rechtsgutachtens von Prof. Dr. Dres. h.c. P. H., ferner auf den Schriftsatz
vom 2.1.2008 (Bl. 434 ff d.A.) verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, das Vertragsangebot der Klägerin zum Abschluss des
nachfolgenden Tarifvertrags anzunehmen:
Änderungstarifvertrag Nr. 2
vom 11. Dezember 2006 zum
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD)
vom 13. September 2005
Zwischen
....................
vertreten durch den Vorstand,
einerseits und
...................
vertreten durch den Bundesvorstand
andererseits
wird Folgendes vereinbart:
§ 1
Änderung des TVöD
Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom 13. September 2005 wird wie
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Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom 13. September 2005 wird wie
folgt geändert:
1. In § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b wird die Zahl „38,5“ durch die Zahl „40,1“ ersetzt und
der zweite Halbsatz gestrichen.
2. § 39 wird wie folgt geändert:
a) Absatz 3 wird aufgehoben.
b) Absatz 4 wird Absatz 3.
c) Die Protokollerklärung zu Absatz 4 wird wie folgt geändert:
Die Worte „Absatz 4“ werden durch die Worte „Absatz 3“ in der Überschrift und in Satz 2
ersetzt.
§ 2
Inkrafttreten
Dieser Tarifvertrag tritt am 1. Februar 2007 in Kraft.
2. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 1., die Beklagte zu
verurteilen, einen Änderungstarifvertrag folgenden Inhalts mit der Klägerin
abzuschließen:
Änderungstarifvertrag Nr. 2
zum
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD)
vom 13. September 2005
Zwischen
.......................................,
vertreten durch den Vorstand,
einerseits und
.....................................,
vertreten durch den Bundesvorstand,
diese zugleich handelnd für
- Gewerkschaft der Polizei,
- Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt,
- Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
andererseits
wird Folgendes vereinbart:
§ 1
Änderung des TVöD
Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom 13. September 2005 wird wie
folgt geändert:
In § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b wird der erste Teilsatz wie folgt gefasst:
„b) die Beschäftigten der Mitglieder eines Mitgliedverbandes der VKA
aa) im Tarifgebiet West durchschnittlich 40,1 Stunden wöchentlich und durchschnittlich
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aa) im Tarifgebiet West durchschnittlich 40,1 Stunden wöchentlich und durchschnittlich
38,5 Stunden wöchentlich für die nachfolgend aufgeführten Beschäftigten:
- Beschäftigte, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit leisten,
- Beschäftigte an Krankenhäusern und psychiatrischen Einrichtungen, mit Ausnahme der
Ärztinnen und Ärzte, die unter den BT-K fallen,
- Beschäftigte in Straßenmeistereien, Kfz-Werkstätten, Theatern und Bühnen,
Hafenbetrieben und Schleusen,
- Beschäftigte in Einrichtungen für schwerbehinderte Menschen (Schulen, Heime) und in
heilpädagogischen Einrichtungen mit Ausnahme der Ärztinnen und Ärzte, die unter den
BT-K fallen,
bb) im Tarifgebiet Ost durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich;“
§ 2
In-Kraft-Treten
Dieser Tarifvertrag tritt am 1. Februar 2007 in Kraft.
3. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Klageanträgen zu 1. und 2., die
Beklagte zu verurteilen, einen Änderungstarifvertrag folgenden Inhalts mit der Klägerin
abzuschließen:
Änderungstarifvertrag Nr. 2
zum
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD)
vom 13. September 2005
Zwischen
............................................................,
vertreten durch den Vorstand,
einerseits und
...........................................................,
diese zugleich handelnd für
- Gewerkschaft der Polizei,
- Industriegewerkschaft .........................,
- Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
andererseits
wird Folgendes vereinbart:
§ 1
Änderung des TVöD
Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom 13. September 2005 wird wie
folgt geändert:
§ 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b wird wie folgt geändert:
Nach dem Teilsatz „die Beschäftigten der Mitglieder eines Mitgliedverbandes der VKA im
Tarifgebiet West durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich, im Tarifgebiet Ost
durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich;“ wird folgender weiterer Teilsatz eingefügt:
„abweichend hiervon gilt für die Beschäftigten der Mitglieder der/ des
- KAV Baden-Württemberg 39,5 Stunden wöchentlich,
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- KAV Bayern 40,1 Stunden wöchentlich,
- KAV Bremen 39,2 Stunden wöchentlich,
- AV Hamburg 39 Stunden wöchentlich,
- KAV Niedersachsen 39,8 Stunden wöchentlich,
- KAV Nordrhein-Westfalen 39,83 Stunden wöchentlich,
- KAV Rheinland-Pfalz 39 Stunden wöchentlich;
- KAV Saar 39,5 Stunden wöchentlich,
- KAV Schleswig-Holstein 38,7 Stunden wöchentlich;“
§ 2
In-Kraft-Treten
Dieser Tarifvertrag tritt am 1. Februar 2007 in Kraft.
4. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Klageanträgen zu 1., 2 und 3., die
Beklagte zu verurteilen, einen Änderungstarifvertrag folgenden Inhalts mit der Klägerin
abzuschließen:
Änderungstarifvertrag Nr. 2
zum
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD)
vom 13. September 2005
Zwischen
der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände,
vertreten durch den Vorstand,
einerseits und
ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di),
vertreten durch den Bundesvorstand,
diese zugleich handelnd für
- Gewerkschaft der Polizei,
- Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt,
- Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
andererseits
wird Folgendes vereinbart:
§ 1
Änderung des TVöD
Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom 13. September 2005 wird wie
folgt geändert:
§ 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b wird wie folgt geändert:
Nach dem Teilsatz „die Beschäftigten der Mitglieder eines Mitgliedverbandes der VKA im
Tarifgebiet West durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich, im Tarifgebiet Ost
durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich;“ wird folgender weiterer Teilsatz eingefügt:
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„abweichend hiervon gilt für die Beschäftigten der Mitglieder der/ des
- KAV Baden-Württemberg durchschnittlich 39,5 Stunden,
- KAV Bayern durchschnittlich 40,1 Stunden,
- KAV Bremen durchschnittlich 39,2 Stunden,
- AV Hamburg durchschnittlich 39 Stunden,
- KAV Niedersachsen durchschnittlich 39,8 Stunden,
- KAV Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 39,83 Stunden,
- KAV Rheinland-Pfalz durchschnittlich 39 Stunden,
- KAV Saar durchschnittlich 39,5 Stunden,
- KAV Schleswig-Holstein durchschnittlich 38,7 Stunden
wöchentlich und durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich für die nachfolgend
aufgeführten Beschäftigten:
- Beschäftigte, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit leisten,
- Beschäftigte an Krankenhäusern und psychiatrischen Einrichtungen, mit Ausnahme der
Ärztinnen und Ärzte, die unter den BT-K fallen,
- Beschäftigte in Straßenmeistereien, Kfz-Werkstätten, Theatern und Bühnen,
Hafenbetrieben und Schleusen,
- Beschäftigte in Einrichtungen für schwerbehinderte Menschen (Schulen, Heime) und in
heilpädagogischen Einrichtungen mit Ausnahme der Ärztinnen und Ärzte, die unter den
BT-K fallen,
§ 2
In-Kraft-Treten
Dieser Tarifvertrag tritt am 1. Februar 2007 in Kraft.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, wenn sie auch zögere, sich gegen die Klage mit der Begründung
zu verteidigen, der TV-Meistbegünstigung verstoße gegen Art. 9 Abs. 3 GG, so gäbe es
doch diesbezügliche Bedenken. Meistbegünstigungsklauseln entsprächen den ebenfalls
grundsätzlich unzulässigen dynamischen Verweisungen auf einen fremden Tarifvertrag.
Meistbegünstigungsklauseln seien geeignet, autonome Konfliktlösungen wesentlich zu
erschweren. Geboten sei auf jeden Fall eine verfassungskonforme Auslegung und
Anwendung der Tarifregelung, woraus eine Beschränkung auf den Wortlaut der Regelung
folge. Diese schließe jegliche erweiternde schuldrechtliche Bindung aus.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Voraussetzungen des TV-Meistbegünstigung seien
auch nicht erfüllt. Keiner der Klageanträge stimme mit dem Anspruchsinhalt nach § 1
Satz 2 TV-Meistbegünstigung überein. Es fehle bereits am Tatbestandsmerkmal einer für
die Klägerin günstigeren Regelung. Die Klägerin könne nicht verlangen, dass nur
bestimmte Ergebnisse, d.h., eine konkrete Wochenarbeitszeit, übernommen und
vereinbart würden. Die Übernahme des Formelkompromisses führe nach den im Anhang
zu § 6 TV-L vereinbarten Kriterien nicht zu einer Änderung der tariflichen Arbeitszeiten im
kommunalen Bereich und löse deshalb die Meistbegünstigungsklausel nicht aus. Im
Gegenteil würden die seit Februar 2006 mit fünf Bundesländern mit dem jeweiligen KAV
ausgehandelten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeiten verschlechtert. Um
überhaupt einen Kompromiss zu erreichen, sei der Weg gewählt worden,
Arbeitszeitregelungen nicht in konkreten Zahlen festzulegen, sondern in einer
bestimmten Formel zu definieren. Eine Einigung über bestimmte Arbeitszeiten hätte sich
als Inhalt der Tarifregelung nicht erreichen lassen. Der einheitliche Rechenweg, der für
alle Länder gleichermaßen gilt, habe die von den Gewerkschaften gewollte Einheitlichkeit
gestärkt, berücksichtige aber zugleich die unterschiedlichen Arbeitszeiten in den
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gestärkt, berücksichtige aber zugleich die unterschiedlichen Arbeitszeiten in den
Ländern. Schließlich sei durch das Ausklammern besonders belasteter
Beschäftigtengruppen auch erreicht worden, dass wesentliche Bereiche unter der
magischen „40“ verblieben. Die getroffene Regelung lasse sich schon deshalb nicht in
Frage stellen, weil dies mit der Tarifhoheit nach Artikel 9 Abs. 3 GG schlechterdings
unvereinbar wäre. Gerade die Festschreibung der im Referenzmonat geltenden
Arbeitszeit mache den Kernbereich der tariflichen Regelung aus. Damit lasse es sich
nicht vereinbaren, Ergebnisse, auch wenn sie als Regelungen bezeichnet werden, von
der tariflich bestimmten Berechnungsgrundlage zu lösen.
Mit der Übersendung bzw. der Übergabe einer Kopie des unterzeichneten TV-L sei
keineswegs ein Vertragsangebot gemeint gewesen. Die Beklagte sei damit lediglich ihrer
Informationspflicht gemäß § 1 Satz 3 TV-Meistbegünstigung nachgekommen.
Folge man dem Hauptantrag der Klägerin, so sei auf die Arbeitszeitregelung abzustellen,
die in einem einzelnen Bundesland gelte. Dabei blieben die Besonderheiten, die zu
dieser Regelung geführt hätten, auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Klägerin
unberücksichtigt. Es sei mit der Meistbegünstigungsklausel nicht beabsichtigt gewesen,
der Klägerin ein einseitiges Wahlrecht zwischen verschiedenen, landesspezifischen
Regelungen innerhalb desselben, einheitlichen Verbandstarifvertrages einzuräumen.
Wegen weiterer Einzelheiten der Rechtsauffassungen der Beklagten wird auf den
Schriftsatz vom 22.12.2007 (Bl. 426 ff d.A.) einschließlich des eingereichten
Rechtsgutachtens von Prof. Dr. Otto Ernst Kempen verwiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze
der Parteien nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsprotokolle verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist sowohl hinsichtlich des Haupt- als auch der Hilfsanträge zulässig.
Es handelt sich hier um eine Klage gerichtet auf Abgabe einer Willenserklärung. Bei einer
solchen Leistungsklage ist den Erfordernissen des Bestimmtheitsgebots des § 253 Abs.
2 Nr. 2 ZPO dann Genüge getan, wenn der Antrag so gefasst ist, dass er nach § 894
ZPO vollstreckt werden kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Klageantrag
den gesamten, nach der Vorstellung des Klägers erstrebten Vertragsinhalt erfasst (BAG
vom 5.7.2006 - 4 AZR 381/05 - AP Nr. 38 zu § 1 TVG unter Hinweis auf BGH 18.
November 1993 - IX ZR 256/92 - NJW-RR 1994, 317).
Die Klägerin hat in allen Anträgen den vollständigen Text eines Änderungstarifvertrages,
zu dem sie die Zustimmung der Beklagten begehrt, aufgeführt. Wird die Beklagte
antragsgemäß verurteilt, ist die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils eindeutig und
unterliegt hinsichtlich ihres Inhalts keinen Zweifeln. Der Streitfall unterscheidet sich
hinsichtlich der Fassung der Klageanträge nicht wesentlich vom Fall des BAG vom
5.7.2006, aaO, in dem das BAG die dortigen Klageanträge zu Recht ebenfalls für zulässig
gehalten hat.
Dass der Änderungstarifvertrag mit allen Anträgen rückwirkend in Kraft treten soll, ist
jedenfalls im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung ohne Belang.
II.
Die Klage ist jedoch weder mit dem Haupt-, noch mit den Hilfsanträgen begründet. Die
Klage war daher vollen Umfangs abzuweisen.
Sowohl der mit dem Hauptantrag begehrte Inhalt eines Änderungstarifvertrages zum
TVöD als auch die mit den Hilfsanträgen begehrten Inhalte zeichnen sich dadurch aus,
dass lediglich Teile der Regelungen des § 6 TV-L zum Inhalt eines den TVöD
abändernden Tarifvertrages gemacht werden sollen. Dies will die Klägerin erreichen über
die Berufung auf den TV-Meistbegünstigung und die in Erfüllung dieses Tarifvertrages
von der Beklagten übersandten Schreiben vom 9.11. und 13.11.2006, die nach
Auffassung der Klägerin Angebote enthalten, die wiederum die Klägerin mit dem
Schreiben vom 6.12.2006 angenommen habe.
Dieser Argumentation der Klägerin folgt die Kammer nicht. Der im Lichte des Art. 9 Abs.
3 GG auszulegende TV-Meistbegünstigung gibt bereits keine Rechtsgrundlage für eine
derart weitreichende Verpflichtung der Beklagten.
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1. Ob die Auffassung der Klägerin hinsichtlich der dogmatischen Einordnung der
Meistbegünstigungsklausel als Vorvertrag, der den Regeln der §§ 463 ff BGB zu folgen
hat, letztlich zutreffend ist (insoweit ähnlich Rieble/Klebeck, RdA 2006, S. 65 ff, 69), ist für
den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits nicht entscheidend. Richtig ist allerdings in
jedem Fall der auch von den Parteien vertretene Befund, dass es sich beim TV-
Meistbegünstigung noch nicht um einen Tarifvertrag mit normativer Wirkung handelt,
vielmehr eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit in dem von der Klägerin begehrten
Umfang und Inhalt erst (durch einen dem Formgebot des § 1 Abs. 2 TVG
entsprechenden) Tarifvertrag umgesetzt werden muss. Der TV-Meistbegünstigung stellt
vielmehr eine schuldrechtliche Vereinbarung von Tarifvertragsparteien dar, deren
Auslegung sich nach den Grundsätzen der Auslegung von Willenserklärungen und
Verträgen (§§ 133, 157 BGB) vollzieht. Soweit Hanau auf Seite 18 seines Gutachtens
zugespitzt die Alternative aufmacht „Tarifvertrag oder Vorvertrag? “ neigt auch die
Kammer der damit implizierten Rechtsauffassung zu, dass eine andere Alternative bei
der rechtlichen Einordnung kaum vorstellbar ist, so dass wohl in der Tat der TV-
Meistbegünstigung den Rechtscharakter eines Vorvertrages hat.
2. Zweifelhaft erscheint bereits, ob der TV-Meistbegünstigung inhaltlich so hinreichend
bestimmt ist, dass er den Schluss auf die von der Klägerin begehrte Rechtsfolge zulässt.
Nach zutreffender Auffassung des BAG (Urteil vom 5.7.2006, aaO m.w.N.) kann ein
Vorvertrag nur dann rechtsverbindliche Wirkung entfalten, wenn der Inhalt des
abzuschließenden Hauptvertrages hinreichend klar bestimmt ist. Insoweit ist jedenfalls
die dogmatische Einordnung durch die Klägerin im Anschluss an die Auffassung im
Gutachten von Hanau (dort Seite 20 f: „zweistufiger Vorvertrag“) abzulehnen. Nach
Auffassung der Kammer ist vielmehr der Vorvertrag durchaus im TV-Meistbegünstigung
selbst zu sehen. Die Korrespondenz der Parteien im November und Dezember 2006,
namentlich die Schreiben der Beklagten vom 9. und 13.11.2006, haben allerdings nicht
die Funktion eines Angebots, sondern dienen lediglich der Erfüllung Verpflichtung der
Beklagten im TV-Meistbegünstigung, „…den Tarifvertrag unverzüglich … der VKA zur
Kenntnis zu geben“. Ein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert im Sinne eines Angebots
nach §§ 145 ff BGB kann diesen Schreiben ausweislich ihres klaren Wortlauts nicht
entnommen werden. Von daher verbietet sich auch die Annahme, diese Schreiben
stellten einen Teil eines Vorvertrags-Konstrukts dar, den Hanau mit „zweistufiger
Vorvertrag“ bezeichnet. Für eine solche Konstruktion besteht auch keine rechtliche
Notwendigkeit. Denn der TV-Meistbegünstigung formuliert als Rechtsfolge, dass die
Unterschrift der Beklagten als Angebot Die Formulierung „gilt als“ bedeutet in der
langläufigen juristischen Terminologie, dass eine so genannte Fiktion vorliegt, d.h., die in
Frage stehende Rechtsfolge (Abgabe eines Angebots) wird (vom Gesetzgeber bzw. hier)
von den Autoren des Regelungswerks als bereits eingetreten unterstellt, ohne dass es
noch einer Umsetzung durch bestimmte Handlungen der Rechtsunterworfenen bedürfte.
Von daher bedarf es auch im Streitfall keiner rechtsgeschäftlichen Erklärung durch die
Beklagte mehr; vielmehr ist nach der hier verwendeten juristischen Konstruktion allein
den im TV-Meistbegünstigung genannten Arbeitgebern bzw. -verbänden das Recht
zugesprochen, durch einseitige Erklärung das im Tarifabschluss kraft Fiktion bereits
abgegebene Angebot - dessen Inhalt, Reichweite und verfassungsrechtliche Zulässigkeit
freilich noch der Bestimmung bedürfen - anzunehmen. Dies bedarf dann allerdings noch
der Umsetzung durch einen formwirksamen Tarifvertrag.
Auf die Frage, ob der als Vorvertrag zu qualifizierende TV-Meistbegünstigung seinerseits
dem Formgebot des § 1 Abs. 2 TVG entsprechen muss (offen gelassen von BAG vom
5.7.2006, aaO), kommt es damit nicht an, denn nach der hier vertretenen Konstruktion
ist der - formwirksam zustande gekommene - TV-Meistbegünstigung selbst der
Vorvertrag, der als Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren allein in Betracht
kommt.
Damit ist auch hinsichtlich der Bestimmtheitsprüfung allein auf den TV-
Meistbegünstigung abzustellen. Dieser formuliert, die Unterschrift unter den Tarifvertrag
gelte als Angebot, „die Regelungen des Tarifvertrages insgesamt oder in ihren einzelnen
Bestandteilen … zu übernehmen“. Der bestimmte Artikel „die“ bezieht sich dabei auf
die in § 1 Abs. 1 TV-Meistbegünstigung genannten „Bereiche“ „Arbeitszeit“ und
„Sonderzahlung“. Fraglich ist, was mit der untechnischen Formulierung „Bereich“
gemeint ist. Dabei ist den Vertragspartnern des TV-Meistbegünstigung gewiss zu
konstatieren, dass diese nicht wissen konnten, welcher Terminologie und welcher
Systematik sich die Tarifvertragsparteien des TV-L später bedienen würde, so dass eine
untechnische Formulierung nahe lag. Ebenso naheliegend erscheint, dass diese
Bezeichnung sich auf den Abschnitt II des TV-L, überschrieben mit „Arbeitszeit“ bezieht.
Dann aber erstreckte sich die Verpflichtung der Beklagten auf immerhin die §§ 6 bis 11
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Dann aber erstreckte sich die Verpflichtung der Beklagten auf immerhin die §§ 6 bis 11
des TV-L. In Ansehung der von beiden Parteien in den wesentlichen Grundzügen
übereinstimmend geschilderten Vorgeschichte des Ausscheidens der TdL aus der bis
dato existenten Tarifgemeinschaft bestehend aus Bund, TdL und der Klägerin könnte mit
„Bereich Arbeitszeit“ aber auch lediglich der Umfang der Wochenarbeitszeit, und damit
lediglich der § 6 TV-L gemeint sein. Auch die im Gutachten von Kempen unter Berufung
auf die Historie des Ausscheidens der TdL aus der Tarifgemeinschaft dargelegte und von
der Beklagten vertretene Deutung des Inhalts des TV-Meistbegünstigung, die
Angebotsverpflichtung zur Arbeitszeit beziehe sich nur auf solche künftige
Tarifregelungen, deren Übernahme in den TVöD Arbeitszeitgleichheit im öffentlichen
Dienst wiederherstelle oder wesentlich fordere, erscheint durchaus möglich. Diese
Unsicherheiten bei der Bestimmung des Sinngehalts des TV-Meistbegünstigung,
insbesondere bei der Formulierung „oder in ihren einzelnen Bestandteilen“, lassen
Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit desselben aufkommen. Bereits diese
Unsicherheiten führten zum Ergebnis, dass es der Klägerin an einer Rechtsgrundlage für
die von ihr begehrte Rechtsfolge ermangelte.
3. Unabhängig von der Rechtsnatur sowie auch der hinreichenden Bestimmtheit der
Meistbegünstigungsklausel muss auf jeden Fall der verfassungskonform ausgelegte
Inhalt des TV-Meistbegünstigung die von der Klägerin begehrte Rechtsfolge, und zwar
hinsichtlich jeden Teils ihrer jeweiligen Klageanträge (vgl. BAG vom 5.7.2006, aaO)
aussprechen. Dies ist indes nicht der Fall.
Zuzustimmen ist der Klägerin allerdings zunächst, wenn sie darauf hinweist, dass
hinsichtlich des „Bereichs“ „Arbeitszeit“ der TV-Meistbegünstigung lediglich von
„abweichenden Inhalten“ spricht, somit ein von der Beklagten abgeschlossener
Tarifvertrag nicht, wie beim Entgelt, für die Arbeitgeber günstigere Regelungen enthalten
muss. Damit kann die durch die Beklagte problematisierte Frage, inwieweit eine
Übernahme der Regelungen aus § 6 TV-L im Bereich der Klägerin überhaupt günstigere
Auswirkungen zeitigen kann oder nicht, dahinstehen.
Die Klägerin beruft sich damit vordergründig zu Recht auf den Bedeutungsgehalt des TV-
Meistbegünstigung hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „abweichende Inhalte“.
Solche enthält der TV-L in § 6 nämlich unzweifelhaft. Als Rechtsfolge ordnet § 1TV-
Meistbegünstigung an, dass „die rechtsverbindliche Unterschrift der Gewerkschaft ver.di
unter den ausgehandelten Tarifvertrag ….zugleich als unwiderrufliches Angebot an den
Bund und die VKA (gilt),
in den TVöD oder ihn ergänzende Tarifverträge (ersetzend oder
ergänzend) zu übernehmen.“ Unterstellt man zu Gunsten der Klägerin, dass die
Formulierung „in ihren einzelnen Bestandteilen“ sich nicht nur auf die Gesamtheit der
Paragrafen des zweiten Abschnitts des TV-L „Arbeitszeit“, sondern auch auf einzelne
Regelungen aus einem Paragrafen, namentlich auf Einzelregelungen aus § 6 des TV-L
beziehen soll, so stellt sich die Frage, ob die Folge, dass die Klägerin aus dem § 6 TV-L
„einzelne Bestandteile“ herausgreifen darf, mit anderen Worten, ein Teil-Annahmerecht
hat, sich mit höherrangigem - namentlich Verfassungs- Recht in Einklang bringen lässt.
Dies ist indes nach Auffassung der Kammer mit der weitreichenden Lesart der Klägerin
nicht der Fall. Allerdings führt dies nicht zwangsläufig zur völligen Unwirksamkeit der
Klausel, wenn sich diese auf einen verfassungsrechtlich zulässigen Inhalt reduzieren
lässt, m.a.W. eine verfassungskonforme Auslegung möglich ist. Ist dies möglich und
verbleibt ein Anwendungsbereich für den TV-Meistbegünstigung, so bedarf es nicht der
Annahme der von Rieble/Klebeck dargelegten pauschalen Unwirksamkeit „jeder
Meistbegünstigungsklausel“ unter Hinweis darauf, dass sich mit der Tarifautonomie des
Artikels 9 Abs. 3 GG keine vorgreifliche Selbstbindung der Tarifpartei, Tarifverträge nur
mit bestimmten Tarifpartnern oder mit bestimmten Inhalten abzuschließen, nicht
vertrage (Rieble/Klebeck, aaO, S. 71).
Die Meistbegünstigungsklausel lässt sich dergestalt verfassungskonform auslegen, dass
noch ein sinnvoller Anwendungsbereich verbleibt.
Aus Art. 9 Abs. 3 GG folgt im Grundsatz eine weitreichende Autonomie der
Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die
Arbeitsbedingungen und -inhalte der Arbeitnehmer und ihrer Beschäftigungsverhältnisse
zu gestalten. Das Mittel dieser Gestaltungsmacht ist regelmäßig der Tarifvertrag.
Machen Koalitionen von dieser Gestaltungsmacht durch Abschluss eines Tarifvertrages
Gebrauch, so gilt für tarifliche Regelungen aufgrund der grundsätzlich als paritätisch zu
charakterisierenden Verhandlungssituation eine Richtigkeitsvermutung. Angesichts des
grundrechtlichen Schutzes der Tarifautonomie in Art. 9 III GG unterliegen die Gerichte bei
der Kontrolle von Tarifverträgen einer dem Grundrecht entsprechenden Zurückhaltung.
Die Gerichte haben Tarifverträge nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen das
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Die Gerichte haben Tarifverträge nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen das
Grundgesetz, gegen anderes zwingendes Gesetzesrecht, die guten Sitten oder gegen
tragende Grundsätze des Arbeitsrechts verstoßen (LAG Hamburg vom 15.11.2004 - 8
Sa 105/03 - zitiert nach juris; vgl. BAG vom 20.2.2001 - 3 AZR 515/99 - ZTR 2002, S.
93).
Zwar geht die Kammer nicht so weit, dass die Meistbegünstigungsklausel eine
autonome Tarifauseinandersetzung unmöglich macht und deshalb die
Richtigkeitsgewähr des Sekundärtarifvertrages (hier also des TV-L) gleichsam
automatisch fraglich sei (so aber Rieble/Klebeck, aaO, S. 68). Die Richtigkeitsgewähr des
Sekundärtarifvertrages, und damit die grundsätzlich zu akzeptierende Unantastbarkeit
seines Inhalts, bleibt vielmehr im Sinne einer Vermutung bis zur Darlegung konkreter
Anhaltspunkte, aus denen das Gegenteil folgt, bestehen. Die Richtigkeitsvermutung darf
aber nicht losgelöst vom Kompromisscharakter eines Tarifvertrages gesehen werden. Es
ist ein Kennzeichen eines Tarifvertrages, dass er einen Kompromiss enthält. Ein
Tarifvertrag, für den das nicht zutrifft, ist nur schwer vorstellbar. Die Wertung, ein
Tarifvertrag habe ausnahmsweise keinen Kompromisscharakter, setzt daher die
Feststellung besonderer Umstände voraus, aus denen dies folgt (BAG vom 3.5.2006 - 4
AZR 795/05 - NZA 2006, S, 1125 ff (1127); vgl. BAG vom 30.8.2000 - 4 AZR 563/99 -
NZA 2001, S. 613 ff).
Für die Annahme, der TV-L besitze diesen Kompromisscharakter nicht, fehlt es an jeder
Grundlage im Sachverhalt. Zwar haben beide Seiten umfänglich zu den Motiven aller
drei beteiligten Seiten vorgetragen, also der Klägerin, der Gewerkschaften sowie der TdL,
wie es zur Fassung des § 6 TV-L kam. Es mag auch durchaus so sein, dass der so
genannte „Formelkompromiss“ nur deshalb zustande kam, weil die Parteien des TV-L
die Auslösung der Rechtsfolge des TV-Meistbegünstigung vermeiden wollten. Dies ändert
aber nichts daran, dass die einzelnen Inhalte des § 6 TV-L, namentlich die Verständigung
auf den Referenzmonat Februar 2006, die Umrechnungsmodalitäten sowie die
verschiedenen Ausnahmen im Hinblick auf bestimmte Personengruppen, einen
Kompromiss darstellen, den die TdL sowie die Beklagte, ferner die weiter beteiligten
Gewerkschaften, im Sinne eines wechselseitigen Gewährens und Verzichtens
geschlossen haben dürften. Wie genau es zu den Inhalten im Einzelnen gekommen ist,
lässt sich zwar nicht sagen, es kann aber unterstellt werden, dass die in der TdL noch
verbliebenen Länder ihre Partikularinteressen in die Gesamtverhandlungen eingebracht
haben. Anders formuliert: es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es den
Kompromiss mit dem Inhalt, den der § 6 TV-L jetzt erfahren hat, nicht gegeben hätte,
hätten nicht alle Länder nach Prüfung ihrer eigenen Situation und ihrer von den
Interessen anderer Länder abweichenden Interessen dem zugestimmt. Es ist überaus
wahrscheinlich, dass sowohl hinsichtlich der generellen Wochenarbeitszeit-
Berechnungsformel als auch hinsichtlich der verschiedenen Besonderheiten bei
bestimmten Arbeitnehmergruppen eine so genannte „Paketlösung“ vereinbart wurde.
Noch anders formuliert, es muss unterstellt werden, dass man den durch Artikel 9 Abs. 3
GG geschützten Willen der Parteien des TV-L, also auch der hiesigen Beklagten -
mindestens bei den Inhalten des § 6 TV-L, möglicherweise aber auch noch darüber
hinaus bei allen Vorschriften des TV-L - unberücksichtigt ließe, wenn man einzelne Teile
dieses Gesamtkompromisses aus dem Regelwerk herauslösen würde.
In diesem Sinne ist auch die Auffassung der Klägerin - unterstützt vom Gutachten
Hanaus, dort Seite 17 und Seite 26 f - wonach vorliegend in Abweichung von § 150 Abs.
2 BGB auch eine Teilannahmeerklärung möglich ist, nach diesseitiger Auffassung
unrichtig. Eine Teilannahmeerklärung kommt nur dann in Frage, wenn dies dem -
gegebenenfalls durch Auslegung zu ermittelnden - objektivierten Willen der Parteien
entspricht. Hinsichtlich des Hauptantrages spricht auch Hanau davon, dass ein
derartiges Verständnis dazu führen würde, dass die Meistbegünstigungsregelung zu
einer Vorzugshandlung für die Klägerin führen würde, da die 40,1-Stunden-Woche in
ihrem Mitgliederkreis einen größeren Anwendungsbereich hätte als in Bayern. Aber auch
hinsichtlich der Hilfsanträge, also vornehmlich soweit § 6 Abs. 1a und b TV-L betroffen
ist, entspricht der objektivierte Wille der Beklagten sowie der Beklagten des
Parallelverfahrens diesen Inhalten nicht. Ähnlich formuliert Kempen in seinem
Gutachten, dort Seite 11, dass die Vorstellung eines Teil-Annahmerechts dem Willen der
Tarifvertragsparteien widerspreche, die von der Herstellung einheitlicher
Arbeitszeitregelungen ausgegangen seien. Übertragen auf die Rechtsgeschäftslehre des
BGB bedeutet dies, dass es bei der Rechtsfolge des § 150 Abs. 2 BGB zu verbleiben hat;
das entsprechende Angebot der Klägerin wurde aber von der Beklagten nicht
angenommen und musste mangels Rechtsgrundlage hierfür auch nicht angenommen
werden.
Aus der einleitenden Formulierung in § 1 Abs. 1 Satz 1 TV-Meistbegünstigung kann die
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Aus der einleitenden Formulierung in § 1 Abs. 1 Satz 1 TV-Meistbegünstigung kann die
Klägerin ebenfalls - auch hier entgegen Hanaus Auffassung im Gutachten, dort Seite 27
- nichts für sich herleiten. Denn die Worte „… für ein oder mehrere Bundesländer…“
steht evident auf der Tatbestandsseite der Norm und sollte offenbar lediglich absichern,
dass, nachdem bereits mit den Ländern Berlin und Hessen zwei Länder aus der TdL
ausgeschieden waren, die Beklagte einen abweichenden „Haustarifvertrag“ mit einem
einzelnen Land abschließt, der einschlägig im Sinne der Vorgaben des TV-
Meistbegünstigung auf der Rechtsfolgenseite des dortigen § 1 sein könnte. Wäre es dazu
gekommen, so könnte - jedenfalls was die Arbeitgeberseite betrifft- die o.g.
Argumentation, es liege ein ausdifferenzierter und austarierter Gesamtkompromiss vor,
den man nicht ohne Anhaltspunkte für Sachgründe in seine Bestandteile zerlegen kann,
jedenfalls im Streitfall nicht greifen. Da der TV-L aber auf Arbeitgeberseite durch die TdL
abgeschlossen wurde, die immer noch alle Bundesländer mit Ausnahme Berlins und
Hessens vertritt, stellt sich dieses Problem nicht. Da auf der Rechtsfolgenseite aber
gerade nicht die Möglichkeit erwähnt wird, die Annahme der Arbeitszeitregelung lediglich
eines Bundeslandes zuzulassen, steht der Einleitungssatz dem hier gefundenen
Ergebnis keineswegs entgegen.
Bei Zugrundelegung dieses Zwischenergebnisses kann jedenfalls der Ansatz der
Klägerin zur Auslegung der Formulierung „…die Regelungen … in ihren einzelnen
Bestandteilen“ in § 1 TV-Meistbegünstigung, sich nämlich bei grundsätzlicher Annahme
der in der Fußnote zu § 6 TV-L genannten Arbeitszeitvolumina ein Bundesland
herauszusuchen (und zwar das, das in Anwendung des Formelkompromisses die
höchste Wochenarbeitszeit erreicht), nicht in Einklang mit der Tarifautonomie des Art. 9
Abs. 3 GG gebracht werden. Denn eine solche Vorgehensweise zerstörte den
Kompromisscharakter des Sekundärtarifvertrages und kann deshalb dem im Wege der
Auslegung zu ermittelnden, objektivierten Willen der Gewerkschaften nicht entsprechen.
Insoweit deckt sich die Auffassung des erkennenden Gerichts mit der Auffassung
Kempens in seinem Gutachten, dort Seite 10 f. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen -
mit den aus der Logik der Besonderheiten der Organisationsstruktur der kommunalen
Arbeitgeber und ihrer Dienststellen und Betriebe folgenden Einschränkungen - den § 6
TV-L in Gänze zu übernehmen. Hierzu waren die Gewerkschaften offensichtlich auch
bereit. Auch das Gericht hätte an einem solchen Vorgehen keine Bedenken. Allerdings
entspricht dies nicht dem - auch im Rahmen der zur Zeit laufenden Tarifrunde durch die
Klägerin deutlich geäußerten - Ziel der Klägerin, die Wochenarbeitszeit einheitlich
auf 40 Stunden pro Woche zu erhöhen. Zur Erreichung dieses Ziels ist aber der TV-
Meistbegünstigung jedenfalls im Zusammenwirken mit dem TV-L, namentlich des
dortigen § 6, nicht geeignet. Das Fazit der grundsätzlichen Wirksamkeit des TV-
Meistbegünstigung dürfte auch den von der Klägerin zitierten Entscheidungen des LAG
Köln vom 19.3.2007 - 12 Ta 41/07 - sowie des LAG Hamm 24.7.2006 - 8 Sa 741/06 -
zugrunde liegen. Diese Gerichte mussten sich lediglich mit der Zulässigkeit von Streiks
befassen, nicht aber, inwieweit konkrete Inhalte des TV-L von den
Tatbestandsmerkmalen des TV-Meistbegünstigung erfasst sind und konnten deshalb
zwanglos zunächst die grundsätzliche Wirksamkeit des TV-Meistbegünstigung
unterstellen.
Soweit aus der Entscheidung des BAG vom 10.11.1982 (- 4 AZR 1203/79 - AP Nr. 8 zu §
1 TVG Form) im Hinblick auf die Vereinbarkeit dynamischer Verweisungsklauseln mit
höherrangigem Recht etwas anderes entnommen werden könnte, folgt die erkennende
Kammer dem nicht. Danach sind Blankettverweisungen in Tarifverträgen zulässig, wenn
die Verweisung eindeutig ist und der Geltungsbereich der verweisenden Tarifnorm mit
dem Geltungsbereich der Tarifnormen, auf die verwiesen wird, in einem engen
sachlichen Zusammenhang steht. Unterstellt man diese Rechtsprechung als einschlägig
auch für die Rechtskontrolle von Meistbegünstigungsklauseln, so kann ein solcher enger
sachlicher Zusammenhang - auch insoweit anders Hanau in seinem Gutachten -
keineswegs unterstellt werden. Denn wie die Parteien zutreffend vortragen, ist die
Interessenlage der Klägerin und die der TdL durchaus im hier streitbefangenen Bereich
der (Wochen-) Arbeitszeit nicht im Gleichklang gewesen, sondern war sehr verschieden.
Ferner kann eine Meistbegünstigungsklausel auch wegen ihrer „arbeitgebernützigen
Halbseitigkeit“ nicht sachgerecht sein., wie Rieble/Klebeck, aao, S. 70, zutreffend
bemerken.
Die verfassungsrechtlich zu beachtende Autonomie der TdL und der Gewerkschaften bei
der Gestaltung der Tarifinhalte nach Art. 9 Abs. 3 GG wird im Streitfall ergänzt um die
Besonderheiten des föderalen Aufbaus des Staates nach den Art. 70 ff GG und der
daraus folgenden grundsätzlichen Personalhoheit der Länder (vgl. dazu Rieble/Klebeck,
aaO, S. 74; ferner BVerfGE 93, S. 37 ff). Eine Auslegung des TV-Meistbegünstigung, die
zum Ergebnis hätte, die Autonomie der Länder bei der Ausgestaltung der
Arbeitsbedingungen im Bereich der Arbeitszeit, damit auch der Personalkosten und
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Arbeitsbedingungen im Bereich der Arbeitszeit, damit auch der Personalkosten und
damit schließlich (mittelbar) ihres Personalbedarfs zu beschränken, kann mit
wesentlichen Grundsätzen der föderalen Struktur des Grundgesetzes nicht in Einklang
gebracht werden (insoweit zutreffend Rieble/Klebeck, aaO, S. 74 m.w.n.). Zwar gewährt
Art. 28 Abs. 2 GG den Kommunen ihre eigene Personalhoheit, allerdings darf nicht
verkannt werden, dass die Finanzierung des Personalbedarfs der Kommunen zum nicht
geringen Teil durch Mittelzuweisungen der Länder erfolgt, deren eigene Personalhoheit
damit ebenfalls betroffen ist. Dieser Befund führt zwar nicht zur Unwirksamkeit der
Meistbegünstigungsklausel, kann aber bei der Bestimmung ihres verfassungsrechtlich
(noch) zulässigen Gehalts nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben.
4. Zu keinem anderen Ergebnis kommt man über die Rechtsfigur einer
„Umgehungsabsicht“ der Beklagten bezogen auf die von der Klägerin gewünschte und
ihrer Auffassung nach aus dem TV-Meistbegünstigung abzuleitenden Rechtsfolge. Zum
einen wurde gezeigt, dass die begehrte Rechtsfolge selbst nicht aus dem TV-
Meistbegünstigung abgeleitet werden kann, insoweit kann eine Rechtsfolge, die gar nicht
eintritt, auch nicht umgangen werden. Zum anderen dürfte der Klägerin zwar, nicht
zuletzt wegen der Verlautbarungen der Beklagten selbst, zuzustimmen sein, dass die
recht komplizierte Fassung des § 6 TV-L gewählt wurde, um die Rechtsfolge des TV-
Meistbegünstigung nicht eintreten zu lassen. Es lässt sich allerdings bereits nicht
feststellen, dass eine diesbezügliche Absicht allein von der Beklagten bzw. der Beklagten
des Parallelverfahrens ausgegangen ist. Wahrscheinlicher ist das Gegenteil, dass
nämlich auch die TdL diese Absicht verfolgte. Zudem gestattet Art. 9 Abs. 3 GG den
Tarifparteien die autonome Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch
das Aushandeln von Tarifverträgen (s.o.), im Grundsatz ohne inhaltliche Begrenzungen.
Dieser Aspekt steht über dem verständlichen Interesse der Klägerin, von der
Tarifentwicklung im Bereich der Arbeitszeiten nicht abgekoppelt zu werden. Lässt sich
nicht feststellen, dass es allein oder doch vorrangig die Beklagte und die Beklagte des
Parallelverfahrens waren, die die dann zum Teil des Tarifvertrags gewordene Fassung
des § 6 TV-L initiiert haben, so ist für einen Umgehungstatbestand auch deshalb kein
Raum, weil - zumindest im Lichte der Tarifautonomie des Art. 9 Abs. 3 GG - die Beklagte
nicht allein verantwortlich gemacht werden darf für eine gemeinsam mit der TdL
ausgehandelte Regelung. Dies wäre allenfalls dann anders, wenn sowohl die Beklagte
bzw. die Beklagte des Parallelverfahrens als auch die TdL kollusiv zum Nachteil der
Klägerin zusammengewirkt hätten, um den Eintritt der genannten Rechtsfolge zu
verhindern. Dies ist jedoch schon deshalb zu verneinen, weil die Motive der
Gewerkschaften sowie der Länder bei der Gestaltung der Arbeitszeitregelungen völlig
verschieden waren und sind.
5. Dahinstehen konnte nach alledem auch, ob die begehrte rückwirkende Inkraftsetzung
der mit dem Haupt- und den Hilfsanträgen begehrten Änderungstarifverträge rechtlich
möglich ist. Anerkannt ist in der Rechtsprechung, dass auf Grund der seit 1.1.2002 in
Kraft befindlichen Vorschrift des § 311a BGB auch die Verurteilung zur rückwirkenden
Zustimmung zum Abschluss eines Vertrages (dort ein Teilzeitvertrag) zulässig ist (BAG
vom 8.5.2007 - 9 AZR 1112/06 - zitiert nach juris; BAG vom 27.4.2004 - 9 AZR 522/03 -
AP Nr. 12 zu § 8 TzBfG). Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob diese Rechtsprechung sich
übertragen lässt auf eine rückwirkende Anhebung der Arbeitszeitverpflichtung.
Angemerkt sei ferner, dass die im Gutachten von Hanau insoweit herangezogene
Entscheidung des BAG vom 23.1.2007 - 9 AZR 393/06 - (AP Nr. 8 zu § 2 ATG) zu einem
Antrag auf Verurteilung zur Eingehung eines Altersteilzeitarbeitsvertrages im
Blockmodell ergangen ist. Anders als dort, wo während der Arbeitsphase sich am
Arbeitszeitvolumen nichts geändert hat, geht es hier aber um die Frage, wie die
rückwirkende Inkraftsetzung einer erhöhten Wochenarbeitszeit umgesetzt werden
könnte. Da die Verpflichtung zur Erbringung von Arbeitsleistung eine Fixschuld darstellt,
könnte es allenfalls um eine Verrechnung auf einem Arbeitszeitkonto gehen. Insoweit
dürften aber Vertrauensschutzaspekte (vgl. dazu BAG vom 5.7.2006, aaO) einer
rückwirkenden Verurteilung entgegenstehen.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die klagende Partei als unterlegene Partei zu tragen, §§
46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO.
Den Wert des Streitgegenstandes hat das Gericht gemäß §§ 61 ArbGG, 3 ff ZPO, 23 Abs.
3 RVG im Urteil festgesetzt. Nach Auffassung der Kammer ist hier von einer
nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit auszugehen. In Ansehung der ganz erheblichen
Auswirkungen, die die begehrte Arbeitszeiterhöhung auf die im Bereich der Klägerin
beschäftigten Arbeitnehmer sowie die in ihr organisierten Arbeitgeber hätte, hat die
Kammer den Streitwertrahmen voll ausgeschöpft.
262 Rache
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