Urteil des ArbG Berlin vom 13.03.2017

ArbG Berlin: ordentliche kündigung, compliance, daten, unternehmen, corporate governance, interne revision, wichtiger grund, verarbeitung, korruption, verdacht

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Gericht:
ArbG Berlin 38.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
38 Ca 12879/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 611 Abs 1 BGB, § 626 Abs 1
BGB, § 1 Abs 1 KSchG, § 1 Abs 2
S 1 KSchG, § 1 Abs 2 S 4 KSchG
Arbeitnehmerdatenschutz - Korruptionsbekämpfung -
verhaltensbedingte Kündigung
Leitsatz
1. Die Kündigung eines leitenden Mitarbeiters im Bereich "Compliance" und
Korruptionsbekämpfung wegen von ihm veranlasster Überwachungsmaßnahmen oder
Datenabgleichen ist nur zulässig, wenn der betreffende Arbeitnehmer objektiv rechtswidrig
gehandelt hat und der Arbeitnehmer subjektiv um die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen
gewusst hat. Das bedarf besonderer Darlegungen von Seiten des Arbeitgebers, wenn der
zuständige Mitarbeiter keine juristische Ausbildung hat und andere Mitarbeiter einer
"Compliance"-Arbeitsgruppe, in der der Mitarbeiter eingebunden war, über vertiefte juristische
Kenntnisse verfügen und diese keine Bedenken gegen die Maßnahmen hatten.
2. Bei begründetem Verdacht von Straftaten liegt es nahe, dass insbesondere zur
Korruptionsbekämpfung Überwachungsmaßnahmen gegenüber verdächtigen Mitarbeitern
oder außenstehenden Dritten veranlasst werden. Dazu können, je nach den
Verdachtsmomenten, auch Überwachungen durch Detektive oder Überwachungen von
ausgetauschten Daten, insbesondere auch in e-mails im hauseigenen Intranet, gehören. Im
Zusammenhang mit der Bekämpfung von Korruption oder Wirtschaftsstraftaten im
Unternehmen kann es in Einzelfällen auch erforderlich sein, personenbezogene Daten
abzugleichen.
3. Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten
erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht
begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die
Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige
Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung
nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht
unverhältnismäßig sind. Diese Maßstäbe formuliert der neu gefasste § 32
Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Allerdings war die Rechtslage auch vor Inkrafttreten des
neu gefassten § 32 BDSG keine andere. Durch die BDSG-Reform wurde nur im
Gesetzeswortlaut wiedergegeben, was bereits immer schon geltendes Recht war.
Tenor
I.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung
der Beklagten vom 30.06.2009 weder fristlos beendet wurde noch fristgemäß zum
31.12.2009 aufgelöst wird.
II.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss
dieses Rechtsstreits zu den bisherigen Vertragsbedingungen weiterzubeschäftigen.
III-
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte bei einem Gesamtstreitwert in
Höhe von 35 000,00 EUR zu tragen.
Tatbestand
Es geht um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, vorsorglich ordentlichen
verhaltensbedingten Kündigung.
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Die Klägerin (geboren am .......l961 in G..... Lebenslauf Bl. 109 d. A.) ist an der H.....
Universität zu B. promovierte Diplom-Ökonomin. Sie war seit 01.07.2000 zunächst bei
der ... und sodann bei der Beklagten, eine Gesellschaft im Konzern der D..... B..... AG,
beschäftigt. Die Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt durchschnittlich 8.750,00 Euro.
Bezüglich des Wortlauts des Anstellungsvertrages vom 26.05.2000 wird auf Bl. 5 bis 12
d. A, verwiesen.
Die Klägerin war zunächst Leiterin der Organisationseinheit Besondere Aufgaben im
Zentralbereich interne Revision. Später war sie im Vorstandsressort Compliance
zuständig für die nationalen Ermittlungen und im Lenkungskreis Compliance. Der
Lenkungskreis Compliance bestand seit Februar 2001. Seit September 2007 war sie
Leiterin Korruptionsbekämpfung Ermittlungen.
Im Zuge der ... Datenschutzaffäre bei der D..... B..... kam es auch zu Vorwürfen von der
Beklagten gegenüber der Klägerin. Die Beklagte bezog sich dabei auf einen
Zwischenbericht zur „Überprüfung der Ordnungsgemäßheit von Maßnahmen der
Korruptionsbekämpfung in den Jahren 1998-2007" vom 10.02.2009, nach dem Verstöße
gegen straf- und datenschutzrechtliche Bestimmungen nicht ausgeschlossen werden
konnten (Bl. 164 bis Bl. 184 d. A.). Anschließend wurde eine Sonderuntersuchung gemäß
§111 Abs. 2 AktG durch die K..... vom Aufsichtsrat beauftragt. Im Zuge dessen wurde
auch die Klägerin von der K..... im März 2009 befragt. Die K..... legte ihren Bericht am
13.05.2009 vor (Management Summary Bi. 194 bis Bl. 200 d. A.). Die Beklagte leitet
daraus auch Vorwürfe gegen die Klägerin ab.
Die Klägerin wurde mit Schreiben vom 04.06.2009 von der Erbringung der
Arbeitsleistung freigestellt (Bl. 13 d. A.). Mit Schreiben vom 30.06.2009 erklärte die
Beklagte die außerordentliche, vorsorglich ordentliche Kündigung des
Arbeitsverhältnisses (Bi. 17/18 d. A.).
Mit der fristgemäß erhobenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der
Kündigung. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin wird verwiesen auf die
Klageschrift und die Schriftsätze vom 23.09.2009, vom 18.11.2009 und vom 07.12.2009.
Die Klägerin beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die
Kündigung vom 30.06.2009 weder fristlos beendet wurde noch fristgemäß zum
31.12.2009 sein Ende finden wird;
2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zum Abschluss des
Rechtsstreits vorläufig zu den bisherigen Vertragsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die Kündigung für gerechtfertigt. Bezüglich der Einzelheiten des
Vorbringens der Beklagten wird auf die Schriftsätze vom 06.10.2009 und vom
01.12.2009 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Das Arbeitsverhältnis wird durch die Kündigung vom 30.06.2009
weder fristlos noch fristgemäß aufgelöst. Es liegt weder ein wichtiger Grund für eine
außerordentliche Kündigung gemäß §626 Abs. i noch ein Grund für eine ordentliche
Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG vor.
I
Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers ist gerechtfertigt, wenn
der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht schuldhaft
erheblich verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare
Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des
Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und
angemessen erscheint. Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt das
Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene
Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher
Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der
Zukunft belastend auswirken
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Solche Tatsachen, die die Kündigung rechtfertigen könnten, liegen hier nicht vor, sind
jedenfalls von der Beklagten nicht in nachvollziehbarer Weise dargelegt worden. Der
Klägerin wird von der Beklagten im Wesentlichen vorgehalten, sie habe unter Verletzung
von Datenschutzbestimmungen und anderen rechtlichen Vorgaben
Überwachungsmaßnahmen von Mitarbeitern der D..... B..... veranlasst.
Diese Vorwürfe sind auch angesichts der Funktion, die die Klägerin innehatte, nicht
nachvollziehbar. Als leitende Mitarbeiterin im Bereich Compliance und zuletzt Leiterin
Korruptionsbekämpfung war es gerade Aufgabe der Klägerin durch die Aufklärung von
Korruptionsverdachten Schaden von der D..... B..... AG und deren Tochterunternehmen
abzuwenden. Bei begründetem Verdacht liegt es nahe, dass die Klägerin
Überwachungsmaßnahmen gegenüber verdächtigen Mitarbeitern oder außenstehenden
Dritten veranlasst hat. Dazu können, je nach den Verdachtsmomenten, auch
Überwachungen durch Detektive oder Überwachungen von ausgetauschten Daten,
insbesondere auch in e-mails im hauseigenen Intranet, gehören. Entsprechende
Maßnahmen waren von der Beklagten zum damaligen Zeitpunkt auch offenbar
gewünscht. Der Klägerin aus heutiger Sicht vorzuhalten, sie habe Überwachungen von
Arbeitnehmern veranlasst, die damals gewollt, heute aber - möglicherweise - nicht mehr
opportun erscheinen, geht kündigungsrechtlich fehl. Ein Kündigungssachverhalt könnte
insoweit nur vorliegen, wenn die Klägerin zum damaligen rechtswidrig gehandelt
haben sollte und sie zudem um die Rechtswidrigkeit gewusst hat. Beides hat
die Beklagten nicht hinreichend nachvollziehbar dargelegt. Hinsichtlich der subjektiven
Vorwerfbarkeit hätte die Beklagte insbesondere darlegen müssen, dass die Klägerin als
Nichtjuristin besser als die anderen Mitglieder des Lenkungskreises Compliance,
darunter zahlreiche Juristen, hätte wissen müssen, dass bestimmte
Überwachungsmaßnahmen rechtswidrig gewesen sein sollten, zumal durch die Beklagte
offenbar auch Rechtsgutachten eingeholt worden waren, die die Zulässigkeit von
bestimmten Überwachungsmaßnahmen bestätigt haben.
Die Klägerin war verantwortlich im Bereich Compliance tätig. Compliance steht für die
Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen und regulatorischer Standards. Compliance
soll dazu beitragen, die Beständigkeit des Geschäftsmodells, das Ansehen in der
Öffentlichkeit und die finanzielle Situation eines Unternehmens zu verbessern.
Compliance umfasst die Einrichtung geeigneter Organisationsstrukturen, Prozesse und
Systeme im Unternehmen. Der Begriff Compliance umfasst mehr als die Bekämpfung
von Korruption oder Wirtschaftsstraftaten im Unternehmen - aber gerade darum geht es
auch und wesentlich. Die Diskussion um Compliance hat in den letzten fünf Jahren
erheblich an Dynamik gewonnen. Seit dem Jahre.20D7 befasst sich auch der Deutsche
Corporate Governance Kodex mit dem Begriff Compliance. Hiernach hat der Vorstand
einer Aktiengesellschaft für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der
unternehmensinternen Richtlinien zu sorgen und hat auf deren Beachtung durch die
Konzernunternehmen hinzuwirken. Dieser Feststellung fügt der Kodex quasi definitorisch
den Zusatz „Compliance" an (4.1.3 DCGK). Die Forderung nach Compliance in den
Unternehmen hat spätestens seit dem Fall ..... drastisch zugenommen. Sie wird in
verschiedensten Ausprägungen formuliert durch die Anteilseigner, den Gesetzgeber,
durch die Strafverfolger, die Steuerfahnder und Betriebsprüfer und generell
Finanzverwaltungen, durch die Aufsichtsräte, durch die Analysten und Rating-Agenturen,
die Unternehmen im Hinblick auf ihre Zulieferer und generell bezüglich der Auswahl und
Beurteilung ihrer Vertragspartner. Darüber hinaus gewinnt das Thema Compliance auch
in der breiteren Öffentlichkeit, eben auf Grund gravierender Verstöße in der
Vergangenheit, mehr und mehr an Bedeutung.
Im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Korruption oder Wirtschaftsstraftaten im
Unternehmen kann es in Einzelfällen auch erforderlich sein, personenbezogene Daten
abzugleichen. So werden Scheingeschäfte häufig über nahe Angehörige abgewickelt. Um
diese Muster abzufragen, drängt es sich auf, Kontonummer und Wohnanschrift der
eigenen Mitarbeiter mit denen der Lieferanten abzugleichen. Technisch gesehen werden
dabei zwei Datenbanken auf Übereinstimmungen in bestimmten Datenfeldern
abgefragt. Eine Übereinstimmung kann bedeuten, dass eine Manipulation vorliegt. Eine
solche Überprüfung kann allenfalls problematisch sein, wenn auch Daten ausgewertet
werden, die das Unternehmen nicht oder nicht zu diesem Zweck verwenden darf. Dies
kann insbesondere bei Telekommunikationsdaten der Fall sein, und zwar dann, wenn den
Mitarbeitern die private Nutzung der Telekommunikationseinrichtungen des
Unternehmens erlaubt ist. Lassen sich die privaten Gespräche oder die private Nutzung
von e-mails nicht eindeutig von den geschäftlichen trennen (zum Beispiel indem eine
getrennte Vorwahl für die Amtsleitung zu verwenden ist oder die private Nutzung
verboten ist) und sofern es keine Betriebsvereinbarung gibt, die die Nutzung solcher
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verboten ist) und sofern es keine Betriebsvereinbarung gibt, die die Nutzung solcher
Daten regelt, kann eine Überprüfung solcher Daten, auch peripherer Daten (wie etwa
Datum. Uhrzeit, Zielnummern, Kosten) rechtswidrig und gegebenenfalls gemäß §206
StGB strafbar sein.
Es ist mithin nicht auszuschließen, dass es bei der Beklagten, gegebenenfalls auch
veranlasst durch die Klägerin, zu rechtswidrigen Übergriffen auf Mitarbeiterdaten
gekommen ist. Die Beklagte hätte hierzu aber im Einzelnen mehr vortragen müssen, als
sie vorgetragen hat. Insbesondere hätte erläutert werden müssen, dass etwa im
Lenkungskreis Compliance bereits zum damaligen Zeit punkt rechtliche Zweifel an der
Zulässigkeit von Überwachungsmaßnahmen geäußert worden sind, sich die Klägerin
über diese aber wissentlich und vorsätzlich hinweggesetzt hat.
Es ist insbesondere auch nicht im Einzelnen nachvollziehbar, ob es bei der Beklagten
tatsächlich - der Klägerin als eigene Vertragspflichtverletzung zurechenbar - zu
Verstößen gegen das Datenschutzrecht gekommen ist. Zweck des
Datenschutzgesetzes ist es, den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den
Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht
beeinträchtigt wird. Personenbezogene Daten sind aber nur solche, die Einzelangaben
über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren
natürlichen Person enthalten. Es muss sich also um Angaben über persönliche oder
sachliche Verhältnisse einer Person handeln. Dazu gehören auch Angaben, die
ausschließlich der Identifizierung der Person dienen. Damit wird deutlich, dass eine
Vielzahl analytischer Prüfungshandlungen gar nicht der Überprüfung durch das BDSG
unterliegen, da es sich bei vielen Datenanalysen nur um Auswertung von
Transaktionsdaten handelt. Nur dann, wenn auch personenbezogene Daten einbezogen
werden, also beispielsweise ein Abgleich von Anschriften und/oder Kontodaten mit den
Adressen und/oder Kontodaten von Lieferanten erfolgt, ist das BDSG überhaupt
einschlägig. Allerdings bedeutet das nicht, dass entsprechende Datenabgleiche stets
rechtswidrig wären. Sie sind rechtmäßig, wenn ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.
Die Nutzung personenbezogener Daten als Mittel für die Erfüllung eigener
Geschäftszwecke ist zulässig, soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der
verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass
das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder
Nutzung schutzwürdiger ist. Erforderlich ist eine Abwägung. Das berechtigte Interesse
des Unternehmens an der Datenanalyse lässt sich aus der hohen
Schadenswahrscheinlichkeit, den hohen unmittelbaren Schäden wie auch den weiteren
Begleitschäden einerseits und aus den rechtlichen Verpflichtungen zur Bekämpfung von
Wirtschaftskriminalität und Korruption andererseits ableiten. Im Einzelfall können als
weitere Gesichtspunkte gegebenenfalls noch hinzukommen, wenn eine Risikoanalyse
gezeigt hat, dass das Unternehmen für das abgefragte Korruptionsmuster besonders
gefährdet ist oder sich ein entsprechendes Risiko in der Vergangenheit bereits realisiert
hat. Eine verantwortliche Unternehmensleitung wird in einer solchen Situation
Maßnahmen ergreifen, um das Risiko für die Zukunft auszuschließen.
Nicht selten werden entsprechende Datenanalysen durchgeführt, nachdem ein Fall im
Unternehmen bekannt geworden ist. Um in einer derartigen Situation ausschließen zu
können, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelte, liegt es nahe, das erkannte
Muster zu analysieren und anschließend die eigenen Datenbestände daraufhin zu
untersuchen, ob sich derartige Fälle auch anderswo ereignet haben könnten. Damit
dürfte das berechtigte Interesse des Unternehmens an der Durchführung von
Datenanalysen häufig grundsätzlich zu bejahen sein. Dass bei der Beklagten eine solche
Situation nicht gegeben gewesen sein sollte und die Klägerin - als Nichtjuristin - dies
hätte erkennen müssen, hätte von der Beklagten im Einzelnen aufgezeigt werden
müssen. Das hat sie nicht getan.
Davon abgesehen dürfen zur Aufdeckung von Straftaten personenbezogene Daten
eines Beschäftigten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn tatsächliche
Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im
Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder
Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des
Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht
überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht
unverhältnismäßig sind. Diese. Maßstäbe formuliert der neu gefasste § 32 BDSG.
Allerdings war die Rechtslage zum Zeitpunkt der hier Im Streit stehenden Handlungen
keine andere. Durch die BDSG-Reform wurde nur positiviert, was bereits immer schon
geltendes Recht war. Daraus folgt a-ber, dass zur Aufdeckung von Straftaten
personenbezogene Daten von Arbeitnehmern durchaus erhoben, verarbeitet und
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personenbezogene Daten von Arbeitnehmern durchaus erhoben, verarbeitet und
genutzt werden dürfen. Dass bei der Beklagten Konstellationen vorlagen, die - für die
Klägerin erkennbar - die Nutzung von personenbezogenen Daten nicht zuließen, hätte
die Beklagte im Einzelnen nachvollziehbar darlegen müssen.
Mit der Zielsetzung, Verdachtsfällen nachzugehen, ist es auch nicht zu beanstanden,
dass externe Firmen (Network, Argen) beauftragt wurden oder die Observation eines
externen Bauüberwachers (U..... F.....) veranlasst wurde. Es ist weder ersichtlich, dass
diese Handlungen objektiv rechtswidrig waren, noch legt die Beklagte nachvollziehbar
dar, dass die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt um die Rechtswidrigkeit hätte wissen
müssen und sie gleichwohl subjektiv vorwerfbar solche rechtswidrigen Handlungen
veranlasst hat.
Insgesamt liegt schon an sich kein Kündigungsgrund vor, und zwar weder für eine
außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB noch für ein ordentliche
Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG.
Ob die Beklagte aus ihren Andeutungen über die Neustrukturierung des Bereichs
Compliance einen (betriebsbedingten) Kündigungsgrund ableiten will, mit der Erwägung,
der Arbeitsplatz der Klägerin sei nicht mehr vorhanden, ist nicht ganz klar. Ein
Kündigungsgrund wäre aber auch insofern nicht gegeben. Durch eine bloße
Umstrukturierung fällt als solcher der Bereich Compliance und der entsprechende
Tätigkeitsbereich nicht fort. Dieser ist von einem Unternehmen wie der D..... B.....
notwendigerweise durchzuführen. Davon abgesehen ist zu einem solchen Vorbringen der
Betriebsrat nicht angehört worden und auch nicht der Sprecherausschuss.
II.
Da die Kündigung unwirksam ist, hat die Klägerin gemäß § 611 BGB einen Anspruch auf
ihre vertragsgemäße Beschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses.
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