Urteil des AnwGH Frankfurt vom 02.10.2008

AnwGH Frankfurt: einkünfte, beitrag, erlass, mitwirkungspflicht, geschäftsjahr, begriff, meinung, steuerberater, stundung, dokumentation

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Gericht:
Anwaltsgerichtshof
Frankfurt
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 AGH 23/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 89 Abs 2 Nr 2 BRAO, Art 20
GG
Beitragsordnung einer Rechtsanwaltskammer: Grundsätze
der Ausgestaltung; Ausnahmeregelung vom allgemeinen
Kammerbeitrag; Mitwirkungspflicht des eine Ermäßigung
beantragenden Rechtsanwalts
Tenor
1. Der Antrag vom 14.09.2007 wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Gegenstandswert wird auf Euro 225,00 festgesetzt.
Tatbestand
1.
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 14.09.2007 um gerichtliche
Entscheidung wegen des ihm von der Antragsgegnerin verweigerten Erlasses bzw.
einer Ermäßigung des Anwaltskammerbeitrages des Jahres 2007 nachgesucht.
Der Beitrag wurde durch die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller i.H.v.
225,00 Euro festgesetzt. Der Bescheid liegt dem Senat nicht vor, die Parteien sind
sich jedoch darüber einig, dass der Erlass- bzw. Ermäßigungsantrag fristgemäß
nach der Beitragsordnung der Antragsgegnerin für das Jahr 2007 innerhalb der
dort zu Buchstabe c) vorgesehenen Frist bis zum 30.09.2007 gestellt wurde.
Die Antragsgegnerin hat den Antrag auf Erlass bzw. Ermäßigung durch Bescheid
vom 06.09.2007 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen hat der Antragsteller
mit Schriftsatz vom 14.09.2007, auf der Geschäftsstelle des Senats am
17.09.2007 eingegangen, Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Ziel
gestellt, ihm den Kammerbeitrag für das Jahr 2007 zu erlassen, hilfsweise zu
ermäßigen.
Der Senat hat über seinen Berichterstatter die Beitragsordnung für 2007 bei der
Antragsgegnerin angefordert und erhalten.
2.
Der Antragsteller begründet sein Anliegen damit, dass die Beitragsordnung für das
Jahr 2007 in Buchstabe c) rechtsunwirksam sei. Er führt aus, dass aufgrund
vorgelegter Einkommensteuerbescheide des Jahres 2005 und des Jahres 2006, die
beides Mal ihn beträfen, er hinreichende Gründe dargelegt habe, um den Erlass
des Kammerbeitrages 2007 oder aber eine Ermäßigung begründet erscheinen zu
lassen. Er stützt sich dabei auf die Entscheidung des BGH, abgedruckt in NJW
1999, Seite 1402 ff. Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung führt er aus, dass
nur seine Einkünfte als Kammermitglied für die Beurteilung einer
Billigkeitsentscheidung, wie von ihm angestrebt, herangezogen werden dürfen.
Einkünfte seiner Ehefrau oder aber Einkünfte seiner Kinder hätten dabei außer
Betracht zu bleiben. Insbesondere ist er der Meinung, dass hinsichtlich der
Einkünfte seiner Ehefrau oder aber seiner Kinder keine Nachweise verlangt werden
dürfen.
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Die Antragsgegnerin verteidigt ihre Entscheidung gemäß Bescheid vom
06.09.2007 und verweist darauf, dass eine Bezugnahme auf Einkünfte aus
anderen Berufstätigkeiten oder die entsprechende Bezugnahme auf sonstiges
Vermögen, welches die Lebensumstände des Mitgliedes prägt, für eine
Billigkeitsentscheidung des Beitrages 2007 durchaus herangezogen werden
dürfen. Dabei sei auch auf Einkünfte der Ehefrau zurückzugreifen. Insbesondere
meint sie, dass die Entscheidung des BGH, auf die sich der Antragsteller stützt,
keine andere Beurteilung rechtfertigt. Sie meint, dass dort, wo ein Mitglied der
Kammer über sonstige Einkünfte und Erträge verfügt, es sozial ungerechtfertigt
wäre, ihm den Beitrag ganz oder teilweise zu erlassen.
Wegen der weiter gewechselten Argumente und Sachvorträge wird auf die
Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet.
1.
a)
Rechtsanwaltsgesellschaften eine Rechtsanwaltskammer im Bezirk des
Oberlandesgerichts, in dem sie zugelassen sind (§§ 8, 73 BRAO). Danach ist jeder
zugelassene Rechtsanwalt auch gleichzeitig Mitglied einer Rechtsanwaltskammer.
Die Rechtsanwaltskammer ist über ihre Versammlung als Organ gemäß § 89 Abs.
2 Ziffer 2 BRAO befugt, die Höhe und die Fälligkeit des Beitrages zur
Rechtsanwaltskammer zu bestimmen.
Die Kammerversammlung bei der Antragsgegnerin hat am 13.10.2006 die
Beitragsordnung für das Haushaltsjahr 2007 beschlossen. Diese hat in den hier
interessierenden Teilen a), b) und c) den folgenden Wortlaut:
Beitragsordnung 2007
a) Der von jedem Mitglied zu zahlende Beitrag für das Geschäftsjahr
2007 beträgt 225,00 Euro. Der anteilig zu entrichtende Monatsbeitrag
beträgt (aufgerundet) 18,80 Euro. Der Beitrag ist bis spätestens
30.04.2007 zu zahlen. Wird der Beitrag nicht bis zum 30.04.2007
gezahlt, wird ein Zuschlag i.H.v. 10 % des Beitrages erhoben. Der
Zuschlag entfällt für Mitglieder, die im Geschäftsjahr erstmals
beitragspflichtig werden.
b) Während des Geschäftsjahres neu zugelassene oder ausscheidende
Mitglieder entrichten den Beitrag anteilig, und zwar die neu
zugelassenen von dem 1. des auf die Zulassung folgenden Monats an,
die ausgeschiedenen bis zum Ende des Monats, in dem die Löschung
erfolgt.
c) Der Schatzmeister kann auf Antrag im Einzelfall aus
Billigkeitsgründen den von der Kammerversammlung beschlossenen
Beitrag ganz oder teilweise stunden, ermäßigen oder erlassen.
Billigkeitsgründe liegen insbesondere vor, wenn sich aus den
Einkommensnachweisen des Antragstellers ergibt, dass er aufgrund
seiner gesamten Lebensumständen den Beitrag nicht oder nur
teilweise aufbringen kann. Der Antrag ist schriftlich an den Vorstand
der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main bis spätestens
30.09.2007 (Ausschlussfrist) zu stellen und zu begründen.
Gegen das formell ordnungsgemäße Zustandekommen der Beitragsordnung für
das Haushaltsjahr 2007 wurden keine Argumente des Antragstellers angeführt und
sind auch nicht zu erkennen.
b)
ihren Gebührenbescheid über 225,00 Euro Mitgliedsbeitrag für das Jahr 2007
festgesetzt, der dem Senat zwar nicht vorliegt, der aber nach Grund und Höhe
zwischen den Parteien unstreitig ist.
2.
Die Regelung der Beitragsordnung zu lit c) des Jahres 2007 verstößt entgegen den
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Die Regelung der Beitragsordnung zu lit c) des Jahres 2007 verstößt entgegen den
Ausführungen des Antragstellers nicht gegen höherrangiges Recht.
a)
der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze des Äquivalenzprinzips, des
Gleichheitsprinzipes sowie des Verhältnismäßigkeitsprinzipes, wie sie sich aus § 89
II Ziff. 2 BRAO ergeben, ausgestaltet (vgl. zu den diesbezüglich einzuhaltenden
Prinzipien z.B. BGH, Beschluss vom 25.01.1999, Az. AnwZ (B) 48/98, Vorinstanz
AGH Rheinland-Pfalz, abgedruckt in NJW 1999, Seite 1402 ff., rechte Spalte zu
Ziffer 2 a; Beschluss vom 25.01.1971, Az. AnwZ (B) 16/70, abgedruckt in NJW
1971, Seite 1041; Hessischer AGH, Beschluss vom 07.12.2006, 1 AGH 17/05,
abgedruckt in BRAK-Mitteilungen 2007, Heft 1; sowie AGH Celle, Beschluss vom
24.06.1997, AGH 2/96, abgedruckt in BRAK-Mitteilungen 1998, Heft 4). Nach dieser
Entscheidungslage, der sich der Senat anschließt, ist die Beitragsordnung in den
Punkten a) und b), wonach alle Mitglieder der Rechtsanwaltskammer bzw.
Antragsgegnerin in gleicher Höhe zu den allgemeinen Kammerbeiträgen
heranzuziehen sind, ohne dass auf die Einkommenssituation des einzelnen
Rechtsanwaltes bei der Erhebung eines pauschalen Beitrages abgestellt wird, nicht
zu beanstanden. Eine Einschränkung dieser Regel bzw. eine Ausnahme enthält
Buchstabe c in der Beitragsordnung 2007, in dem dort die Voraussetzung für
einen Erlass, eine Reduzierung oder eine Stundungsmöglichkeit im Hinblick auf die
individuelle Einkommenssituation des beitragspflichtigen Rechtsanwaltes geregelt
ist.
b)
Rechtsanwaltes anknüpft, erscheint sowohl folgerichtig wie auch rechtmäßig. Die
Ausgestaltung der Beitragsregel nach lit a) und b) wie auch die Ausnahmeregelung
können grundsätzlich durch eine Typisierung erfolgen (vgl. dazu BGH a.a.O. in NJW
1999, Seite 1402, rechte Spalte) und hierbei Billigkeitsüberlegungen aufnehmen.
Dabei liegt ebenso wenig ein Ermessensmißbrauch wie eine Überschreitung der
Regelungskompetenz der Kammerversammlung mit Blick auf § 89 Abs. 2 Ziffer 2
BRAO vor. Die Typisierung, die mit dem Begriff der "gesamten Lebensumstände"
getroffen wurde, ist ausreichend transparent und konkret, weil sie einerseits dem
Rechtsanwalt die Möglichkeit eröffnet, seine individuelle Einkommensituation, wenn
er das für richtig hält, darzulegen. Zu dieser gehören z.B.
Unterhaltsverpflichtungen gegenüber eigenen Kindern und dem Ehegatten, die
ansonsten erst im Rahmen etwaiger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu einer
Überprüfung führen (können), was sich aus § 850 c ZPO ergibt. Andererseits muss
dann die Antragsgegnerin mit der getroffenen Billigkeitsregelung ihrerseits auch
die Möglichkeit zur Prüfung haben, inwieweit dem Rechtsanwalt seinerseits
unterhaltsrechtliche Ansprüche gegenüber seinem Ehegatten zustehen können.
Es kann dem die Billigkeitsregelung in Anspruch nehmenden Rechtsanwalt nicht
alleine überlassen bleiben, in welchem Umfang er seine individuelle
Einkommenssituation offenlegt, wenn er eine Billigkeitsentscheidung auf seinen
Antrag hin anstrebt. Wenn er die Ausnahmeregelung für sich in Anspruch nehmen
will, dann entspricht es seiner Mitwirkungspflicht, in dem Maße seine Verhältnisse
offenzulegen, dass die Antragsgegnerin in die Lage versetzt wird, den vom
Antragsteller vorgetragenen Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt der
individuellen Lebensverhältnisse vollständig zu überprüfen. Dieser Sachverhalt
unterscheidet sich vom Sachverhalt der Entscheidung des BGH in NJW 1999, 1402
f. Dort wurden Einkünfte aus der gleichfalls zusätzlich ausgeübten Tätigkeit als
Steuerberater für einen Rechtsanwaltskammerbeitrag nicht berücksichtigt, weil
diese ebenfalls zu einem Kammerbeitrag der Steuerberaterkammer führte und die
Einkünfte dort nach dem Äquivalenzprinzip bereits zugeordnet waren.
c)
Verlust aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt i.H.v. 4.221,00 Euro und einen
solchen in 2006 i.H.v. 3.416,00 Euro erwirtschaftet. In den Vorjahren habe er einen
Gewinn erzielt, der jedoch weit unter 10.000 Euro lag. Auch diese Ausführungen
erscheinen nicht geeignet, den vom Antragsteller eingenommenen Standpunkt zu
begründen.
aa)
Antragsteller betreffenden Einkommenssteuerbescheiden für die Jahre 2005 und
2006) nicht zu entnehmen, dass sie überhaupt den Antragsteller betreffen.
bb)
Antragstellers unterstellen wollte, wäre der Antragsteller seiner zu berücksichtigen
Mitwirkungsverpflichtung gem. § 40 Abs. 4 BRAO i.V.m. § 12 FGG nicht gerecht
geworden, denn er hat die vollständigen Steuerbescheide nicht vorgelegt, obwohl
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geworden, denn er hat die vollständigen Steuerbescheide nicht vorgelegt, obwohl
er es in der Hand hatte. Damit hat er der Antragsgegnerin die Möglichkeit zur
Überprüfung genommen, inwieweit er Unterhaltsansprüche gegenüber seiner
Ehefrau im Rahmen der ehelichen Lebensverhältnisse geltend machen könnte,
denen zufolge er die Forderung der Antragsgegnerin vollständig gegebenenfalls
bedienen würde können.
Durch die unterbliebene Mitwirkung des Antragstellers an der vollständigen
Darlegung des Lebenssachverhalts i.S.d. lit. c) der Beitragsordnung der
Antragsgegnerin für 2007 hat der Antragsteller der Antragsgegnerin eine
vollständige Überprüfung verunmöglicht, ob in seiner Person Gründe für einen
Erlass, eine Reduzierung oder eine Stundung des fälligen Kammerbeitrages für
2007 vorliegen (vgl. dazu auch Kleine/Cosack, 4. Aufl. BRAO, § 36 a, Anm. 2 mit
weiteren Nachweisen). Der Antrag ist danach unbegründet.
3.
Der Antragsgegner hat gem. § 201 BRAO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Kostenwert wird gem. § 202 Abs. 2 BRAO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO auf 225,00
Euro festgesetzt.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.