Urteil des AnwGH Berlin vom 22.06.2017

AnwGH Berlin: unwahre angabe, unwürdigkeit, ermittlungsverfahren, leichterer fall, handelsvertreter, polizei, zahlungsverkehr, unterschlagung, onkel, persönlichkeit

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Gericht:
Anwaltsgerichtshof
Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
I AGH 06/09, I AGH
6/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 7 Nr 5 BRAO, § 7 Nr 8 BRAO, §
14 Abs 1 BRAO, § 40 Abs 4
BRAO, § 13a FGG
Leitsatz
1) Bewusst unwahre Angaben eines Anwaltsbewerbers in seinem Zulassungsantrag sprechen
für die Annahme seiner Unwürdigkeit im Sinne von § 7 Nr. 5 BRAO. Aus einer bewusst
unwahren Angabe ist allerdings nicht automatisch die Unwürdigkeit des Bewerbers zu folgern.
Vielmehr ist der Unwürdigkeitsvorwurf nur dann gerechtfertigt, wenn der Bewerber ein
Verhalten gezeigt hat, das ihn bei Abwägung dieses Verhaltens mit allen erheblichen
Umständen des Einzelfalls - wie z.B. Zeitablauf, zwischenzeitliche Führung und
Lebensumstände des Bewerbers - nach seiner Gesamtpersönlichkeit für den Anwaltsberuf
(noch) nicht tragbar erscheinen lässt.
2) Bei der Abwägung sind nicht nur solche Verhaltensweisen schädlich, die im technischen
Sinne schuldhaft sind, sondern auch sonstiges vorwerfbares Verhalten und private
Verfehlungen.
3) Zu den Umständen, die in die Abwägung im Einzelfall einfließen.
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass das Verfahren in der Hauptsache erledigt ist.
2. Die Gerichtskosten haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen. Im Übrigen findet eine
Kostenerstattung nicht statt.
3. Der Geschäftswert wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1.
Nachdem die Antragsgegnerin den Antragsteller nunmehr zur Rechtsanwaltschaft
zugelassen hat, ist dieser klaglos gestellt und folglich Erledigung des Verfahrens in der
Hauptsache eingetreten.
2.
In der Folge war über die Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Parteien
gemäß § 40 Abs. 4 BRAO in Verbindung mit § 13a FGG sowie analog § 91a ZPO nach
billigem Ermessen zu entscheiden, wobei vor allem die Erfolgsaussichten des Antrages
zum Zeitpunkt der Erledigung zu berücksichtigen sind (vgl. in Feuerich/Weyland,
BRAO, 7. Aufl. 2008, § 40 Rdnr. 35, m.w.N.). Zu den Erfolgsaussichten des vorliegenden
Antrages ist gemäß § 7 Nr. 5 BRAO Folgendes festzustellen:
a)
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichthofes können bewusst unwahre
Angaben eines Anwaltsbewerbers zur Annahme seiner Unwürdigkeit führen,
insbesondere wenn die unwahren Angaben im Zulassungsverfahren zwecks Täuschung
der Zulassungsbehörde gemacht werden (vgl. nur , BRAK-Mitt 1995, 166, Rdnr. 14
zit. nach Juris; , BRAK-Mitt 1996, 258, Rdnr. 10 zit. nach Juris; , BRAK-Mitt 1999,
38, Rdnr. 6 zit. nach Juris; zustimmend in Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl.
2008, § 7 Rdnr. 61). Aus einer bewusst unwahren Angabe ist allerdings nicht automatisch
die Unwürdigkeit des Bewerbers zu folgern. Vielmehr ist im Hinblick darauf, dass die
Versagung der Zulassung einen Eingriff in die von Art. 12 GG geschützte
Berufswahlfreiheit des Bewerbers darstellt, der Unwürdigkeitsvorwurf nur dann
gerechtfertigt, wenn der Bewerber ein Verhalten gezeigt hat, das ihn bei Abwägung
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gerechtfertigt, wenn der Bewerber ein Verhalten gezeigt hat, das ihn bei Abwägung
dieses Verhaltens mit allen erheblichen Umständen des Einzelfalls – wie z.B. Zeitablauf,
zwischenzeitliche Führung und Lebensumstände des Bewerbers – nach seiner
Gesamtpersönlichkeit für den Anwaltsberuf (noch) nicht tragbar erscheinen lässt ( ,
BRAK-Mitt 1996, 258, Rdnr. 8 zit. nach Juris; , BRAK-Mitt 1995, 166, Rdnr. 6, 11 und
14 zit. nach Juris; vgl. ebenso , BRAK-Mitt 1996, 37; , BRAK-Mitt 1993, 50).
Dabei sind nicht nur solche Verhaltensweisen schädlich, die im technischen Sinne
schuldhaft sind, sondern auch sonstiges vorwerfbares Verhalten und private
Verfehlungen ( in Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl. 2004, § 7 Rdnr. 39 f.)
Hinsichtlich des Wohlverhaltenszeitraumes, der gegen die Annahme von Unwürdigkeit
spricht, hat die Rechtsprechung bei leichteren Fällen eine Zeit von vier bis fünf Jahren
angenommen und bei schweren Fällen fünfzehn bis zwanzig Jahre (vgl. in
Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl. 2008, § 7 Rdnr. 41, m.Rspr.N.; in
Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl. 2004, § 7 Rdnr. 43, m.Rspr.N.). Die Abgabe
unzutreffender dienstlicher Äußerungen wird dabei als leichterer Fall eingeschätzt (
in Henssler/Prütting, a.a.O.).
b)
In die demgemäß vorzunehmende Abwägung ist vorliegend Folgendes einzubeziehen:
aa) Im Ausgangspunkt spricht für die Annahme einer Unwürdigkeit, dass der
Antragsteller in seinem Zulassungsantrag bewusst unwahre Angaben hinsichtlich des
gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahrens gemacht hat.
Seinem Vortrag, er habe des Fragebogen missverstanden, weshalb ihm die
Unwahrhaftigkeit der Angabe nicht bewusst war, vermag der Senat nicht ohne weiteres
zu folgen. Denn es ist schon nach dem Wortlaut und der druckgraphischen Gliederung
der Frage Nr. 4 fernliegend, dass sich – wie vom Antragssteller angeblich angenommen
– die erfragten Ermittlungsverfahren auf Verfahren nach den Fragen Nrn. 1 bis 3
beziehen. Das gilt um so mehr, als sich die Frage Nr. 1 gar nicht auf ein gegen den
Anwaltsbewerber gerichtetes Verfahren bezieht („Haben Sie bereits anderweitig oder
früher eine Zulassung zur Anwaltschaft beantragt?“). Auch enthält die Frage Nr. 4
keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass nur solche Ermittlungsverfahren abgefragt werden
sollten, die „direkt“ gegen eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft sprechen. Erst recht
aber verbieten sich derart einschränkende Auslegung nach dem eindeutigen Hinweis in
den „Erläuterungen“ des Fragebogens, wonach „alle Ermittlungsverfahren“ anzugeben
seien. Weil einerseits die „Erläuterungen“ direkt neben den jeweiligen Fragen in dem
Fragebogen abgedruckt sind und andererseits auch dem Antragsteller fraglich sein
musste, was unter einem „unmittelbar“ gegen die Zulassung sprechenden
Ermittlungsverfahren zu verstehen ist, ist auszuschließen, dass er die „Erläuterungen“
nicht zur Kenntnis nahm. Das gilt umso mehr, als davon ausgegangen werden kann,
dass der Antragsteller als angehender Jurist mit rechtlichen Fragestellungen und
Auslegungsfragen vertraut ist. Auch ist es deshalb sehr unwahrscheinlich, dass der
Antragsteller die „Erläuterungen“ nicht weiter zur Kenntnis nahm, weil in ihnen im
Fettdruck die Nichtzulassung für den Fall falscher Angaben angedroht wird. Schließlich ist
auch nicht anzunehmen, dass dem Antragsteller im Moment der Antragstellung das
Ermittlungsverfahren nicht mehr geistig präsent war. Denn wiederholte polizeiliche
Vernehmungen und eine Hausdurchsuchung unter Anwendung von Zwang, dürften
selbst einem in dieser Hinsicht abgehärteten Beschuldigten auf längere Zeit
unvergesslich bleiben. Insgesamt erscheint der Vortrag des Antragstellers zu seinem
angeblichen Missverständnis daher als eine bloße Schutzbehauptung.
Die unwahre Angabe des Antragstellers war für das Zulassungsverfahren von
hervorgehobener Bedeutung. Denn der Vorwurf einer erheblichen Unterschlagung und
eines Betruges, bei dem immerhin drei verschiedene Stellen getäuscht wurden
(Versicherung, Leasinggesellschaft und staatliche Organe), führt in aller Regel dazu,
dass die Zulassung jedenfalls bis zur Klärung des Vorwurfes nicht erteilt wird. Ein
derartiges Verhalten ist zum Schutze von Mandanten sowie der Integrität der
Rechtspflege insgesamt nämlich unvereinbar mit der Tätigkeit eines Rechtsanwalts (vgl.
in Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl. 2008, § 7 Rdnr. 58 und 62). Dass dem
Antragsteller dieser Zusammenhang bewusst war, lässt der Umstand erkennen, dass er
die Frage Nr. 4 mit „Nein“ beantwortet hat. Denn hätte er das Ermittlungsverfahren für
unerheblich für das Zulassungsverfahren gehalten, hätte er sich dem erheblichen Risiko
der Nichtzulassung gemäß § 7 Nr. 5 BRAO nicht durch dessen Verschweigen ausgesetzt.
bb) Das sonstige Verhalten des Antragstellers lässt ebenfalls darauf schließen, dass er
dazu neigt, Probleme durch wahrheitswidriges Leugnen beiseite zu schieben:
So war die Angabe des Antragstellers gegenüber der Polizei am 20. Mai 2005, er habe
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So war die Angabe des Antragstellers gegenüber der Polizei am 20. Mai 2005, er habe
Herrn S... bisher erst einmal gesehen und habe sich mit ihm nicht unterhalten können,
weil dieser kein Deutsch spreche, evident unwahr, wenn der Antragsteller – wie er
gegenüber der Kfz-Versicherung am 18. Juni 2005 angab – Herrn S... in Wahrheit bereits
seit dem Jahre 2003 kannte, sich im Jahre 2004 mehrfach mit ihm getroffen hatte, um
ihre geschäftlichen Interessen auszuloten, und der Kontakt dem Antragsteller beruflich
sehr wertvoll erschien. Vor dem Hintergrund, dass Herr S... der mutmaßliche Mittäter
des Antragstellers war, kann die unwahre Angabe gegenüber der Polizei auch nicht als
nebensächlicher Irrtum des Antragstellers angesehen werden.
Auch hat der Senat zumindest starke Zweifel an der Richtigkeit der Behauptung des
Antragstellers gegenüber der Polizei vom 20. Mai 2005, wonach auf ihn sechs Fahrzeuge
aus nichtgewerblichen Gründen zugelassen waren. Insbesondere ist unwahrscheinlich,
dass der Antragsteller aus reiner Freundlichkeit Fahrzeuge, die einem Kollegen bzw.
einem Freund und Geschäftspartner gehörten, auf seinen Namen zulassen ließ, damit
jene „versicherungstechnische“ Vorteile erlangten. Denn mit der Zulassung sind in aller
Regeln Haftungsrisiken für den die Zulassung Beantragenden verbunden (etwa nach § 7
StVG); im Übrigen hat nach § 1 Abs. 1 StVG der Verfügungsberechtigte, nicht ein Dritter,
den Zulassungsantrag zu stellen. Es ist daher anzunehmen, dass der Antragsteller
seinen „guten“ Namen für Zulassungen zur Verfügung stellte und dafür eine
Gegenleistungen erhielt. Zudem räumt der Antragsteller hinsichtlich des VW Passat
selbst ein, diesen Pkw billig erworben zu haben und ihn ursprünglich weiterverkaufen zu
wollen; selbstredend mit Gewinn. Schließlich waren auf dem beschlagnahmten Laptop
des Antragstellers diverse, professionell wirkende Verträge zwischen dem Antragsteller
und Herrn A... über den Verkauf mit Finanzierungsvereinbarung eines Pkw Mercedes
Cabrio von September/Oktober 2005 gespeichert. Insgesamt ergibt sich daher das Bild
der Gewerblichkeit.
Zudem diente die hartnäckige Nichtreaktion des Antragstellers auf das Klingeln, Klopfen
und Rufen der Polizeibeamten zu Beginn der Hausdurchsuchung am 19. Januar 2006
offenbar dem Zweck, den wahrheitswidrigen Eindruck zu erwecken, es sei niemand zu
Hause, verbunden mit der Hoffnung, die Beamten würden sich hierauf wieder entfernen.
Der Vortrag des Antragstellers, er habe das Klingeln, Klopfen und Rufen nicht gehört, ist
angesichts der von den Polizeibeamten urkundlich festgehaltenen Dauer und Lautstärke
des Klingelns etc. und angesichts der überschaubaren akustischen Verhältnisse einer 3-
Zimmerwohnung und angesichts des Umstandes, dass auch die Lebensgefährtin des
Antragstellers zugegen war und hätte das Klingeln etc. hören können, wiederum als
bloße Schutzbehauptung anzusehen. Der Umstand der Anwesenheit der
Lebensgefährtin lässt im Übrigen auch erkennen, dass der Antragsteller sogar die
Energie besitzt, Dritte in seine Täuschungsmanöver einzubinden.
Ferner hat der Antragsteller durch den Lebenslauf, den er seinem Zulassungsantrag
vom 15. Juli 2008 beifügte, den wahrheitswidrigen Anschein erweckt, in den Jahren 2001
bis 2006 als Mitarbeiter an einer Universität und in einer Rechtsanwaltskanzlei
beruflich tätig gewesen zu sein. Insbesondere verschwieg er seine immerhin etwa
zweijährige und – mit großer Wahrscheinlichkeit – erwerbsmäßig bedeutsamere Tätigkeit
als Handelsvertreter für das Versicherungsunternehmen Deutscher Herold, obwohl
deren Erwähnung selbst in einem kurzen Lebenslauf nahe lag. Mutmaßlich verschwieg
der Antragsteller die Verbindung zu dem Versicherungsunternehmen mit gutem Grund:
Denn das Versicherungsunternehmen war nicht nur sein ehemaliger Auftraggeber,
sondern auch eines der Geschädigten in dem gegen den Antragsteller gerichteten
Ermittlungsverfahren. Der Antragsteller musste jedoch befürchten, dass bei einer
Erwähnung des Versicherungsunternehmens gegenüber der Antragsgegnerin diese mit
dem Versicherungsunternehmen Kontakt aufgenommen hätte, um zu erfahren, ob der
Antragsteller weiterhin für das Unternehmen als Handelsvertreter tätig ist, weil dies einer
Zulassung zur Anwaltschaft möglicherweise gemäß § 7 Nr. 8 BRAO entgegen gestanden
hätte (vgl. in Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl. 2008, § 7 Rdnr. 118; in
Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl. 2004, § 7 Rdnr. 105 „Versicherungsmakler“). Dabei
hätte wiederum die Gefahr bestanden, dass die Antragsgegnerin über das laufende
Ermittlungsverfahren von dem Versicherungsunternehmen informiert würde. Durch das
Verschweigen seiner Tätigkeit bei dem Versicherungsunternehmen umging der
Antragsteller daher die Gefahr der Zurückweisung seines Zulassungsantrages sowohl
nach § 7 Nr. 5 BRAO als auch nach § 7 Nr. 8 BRAO.
cc) Die von dem Antragsteller vorgelegten Referendarzeugnisse sprechen nicht gegen
die Annahme der Unwürdigkeit.
Denn die ihm dort bescheinigten juristischen Fähigkeiten haben keinen Aussagewert
über seine Charaktereigenschaften, namentlich nicht über seine hier in Frage stehende
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über seine Charaktereigenschaften, namentlich nicht über seine hier in Frage stehende
Aufrichtigkeit. Dasselbe gilt für die in den Zeugnissen wiederholt anzutreffende
Bemerkung, wonach das dienstliche Verhalten des Antragstellers einwandfrei gewesen
sei. Denn die Zusammenarbeit eines Referendars mit einem Stationsausbilder bzw.
Arbeitsgemeinschaftleiter ist zu kurz und zu wenig intensiv, als dass die bloße
Nichtwahrnehmung von Beanstandenswertem durch den Zeugnisverfassers eine
aussagefähige Beurteilungsgrundlage für die Persönlichkeit des Referendars sein könnte.
Der in jungen Jahren abgeleistete Wehrdienst ist schon wegen erheblichen Zeitablaufs
(10 Jahre) ungeeignet, irgendwelche Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des
Antragstellers zuzulassen.
Ob die Einreichung des Zeugnisses, das von dem Onkel und ehemaligen Strafverteidiger
des Antragstellers ausgestellt wurde und das mit der Bewertung „sehr gut“ (17 Punkte)
endet, weiteren Anlass zu Zweifeln an der charakterlichen Eignung des Antragsstellers
gibt, mag dahin stehen. Dafür, dass die von dem Onkel vergebene Note weniger den
juristischen Fähigkeiten des Antragstellers als der verwandtschaftlichen Beziehung der
beiden geschuldet ist, spricht immerhin der gescheiterte Examensversuch, der mit nur
„ausreichend“ (5,76 Punkten) bestandene Wiederholungsversuch sowie die drei
sonstigen mit „befriedigend“ (8 bis 9 Punkte) bewerteten Referendarsstationen des
Antragstellers.
dd) Die dem Senat bekannten Finanztransaktionen des Antragstellers werfen ebenfalls
ein ungünstiges Licht auf diesen.
Denn die erheblichen Barauszahlungen innerhalb kurzer Zeit (23.000 EUR innerhalb von
2 ½ Wochen sowie weitere 5.000 EUR zwei Monate später) lassen darauf schließen, dass
der Antragsteller einen Zahlungsverkehr, der üblicherweise unbar durch Überweisung
o.ä. erfolgt, undokumentiert lassen wollte. So ist der unbare Zahlungsverkehr deutlich
bequemer und bei hohen Beträgen vor allem sicherer als der bare Zahlungsverkehr. Die
Vermutung liegt daher nahe, dass der Antragsteller sich oder dem Zahlungsempfänger,
unrechtmäßige Steuervorteile o.ä. verschaffen wollte oder fragwürdige, wenn nicht gar
illegale Transaktionen vor den Augen Dritter verbergen wollte. Einen Verbrauch der
23.000 EUR zur Deckung des täglichen Lebensbedarfes innerhalb weniger Wochen ist
zumindest äußert unwahrscheinlich.
Auch deutet der Umstand, dass der Antragsteller sein Bankkonto zeitweise mit über
16.000 EUR überzogen hat, bei einem Studenten mit einem Einkommen nach Steuer
von knapp 3.000 EUR darauf hin, dass er entweder Einnahmen aus Geschäften
erwartete, die er bislang verschwiegen hat oder dass er deutlich über seine Verhältnisse
lebte.
ee) Die (zeitweise) Nichtzulassung als Rechtsanwalt beeinträchtigt den Antragsteller in
seinen Lebensverhältnissen vergleichsweise weniger schwer.
Denn der Antragsteller steht am Anfang seines Berufslebens und war bislang nicht als
Rechtsanwalt tätig. Es dürfte ihm deshalb leichter fallen, sich einem anderen juristischen
oder einem außerjuristischen Berufsfeld zuzuwenden, als etwa einem seit längerem
bereits als Rechtsanwalt Tätigen, dessen Zulassung wegen Unwürdigkeit gemäß §§ 7 Nr.
5, 14 Abs. 1 BRAO zurückgenommen wird. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der
Antragsteller bereits über einen längeren Zeitraum erfolgreich als Handelsvertreter
beruflich tätig war. Es ist daher davon auszugehen, dass der Antragsteller auch in
Zukunft ohne Rechtsanwaltszulassung wird erfolgreich beruflich tätig sein können – etwa
wieder als Handelsvertreter – und sich dadurch ein auskömmliche wirtschaftliche
Lebensgrundlage schafft.
Im Übrigen kann das vergleichsweise junge Alter des Antragstellers gemäß §§ 1, 2 Abs. 1
Nr. 1 und 3 AGG weder für noch gegen die Versagung der Zulassung ins Feld geführt
werden.
ff) Ob der Zeitraum von gut einem Jahr, der seit den unwahren Angaben des
Antragsstellers im Zulassungsantrag vom 15. Juli 2008 verstrichen ist, erheblich gegen
die Annahme der Unwürdigkeit spricht, ist zweifelhaft. Zwar ist zu berücksichtigen, dass
die Begehung von Straftaten durch den Antragsteller letztlich nicht festgestellt werden
konnte. Es ist aber auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der
Stellung seines Zulassungsantrages immerhin erheblichen strafrechtlichen Vorwürfen
(Unterschlagung, Versicherungsbetrug und Vortäuschung eines Raubes) seitens der
Strafverfolgungsbehörde ausgesetzt war, die er gegenüber der Antragsgegnerin
verschwiegen hat. Es ist daher in tatsächlicher Hinsicht zweifelhaft, ob der Ablauf eines
Zeitraumes von gut einem Jahr die Annahme rechtfertigt, der Antragsteller sei von
seiner bisherigen Verhaltesweise mittlerweile innerlich abgerückt. Dies gilt umso mehr
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seiner bisherigen Verhaltesweise mittlerweile innerlich abgerückt. Dies gilt umso mehr
als der Antragsteller auch seitdem versucht hat, sich durch unwahre Angaben – zu
seinem angeblichen Missverständnis des Fragebogens – Vorteile zu verschaffen.
c)
Die Entscheidung des Senats hing somit im Wesentlichen von der weiteren Aufklärung
der oben als maßgeblich geschilderten, tatsächlichen Umstände – vor allem durch
Befragung des Antragstellers – ab. Die Erfolgsaussichten des Antrages auf gerichtliche
Entscheidung waren daher zum Zeitpunkt der Erledigung nach beiden Seiten offen.
Nachdem eine weitere Tatsachenaufklärung mit Eintritt der Erledigung in der
Hauptssache nicht mehr vorzunehmen ist, hält der Senat daher die Kostenverteilung wie
aus dem Beschlusstenor ersichtlich für angemessen.
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