Urteil des AG Wuppertal vom 29.03.2010

AG Wuppertal (schuldner, gläubiger, zpo, objekt, besitz, ausfertigung, vollstreckung, räumung, wohnung, zwangsvollstreckung)

Amtsgericht Wuppertal, 44 M 3852/2010
Datum:
29.03.2010
Gericht:
Amtsgericht Wuppertal
Spruchkörper:
Abteilung 44 des Amtsgerichts
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
44 M 3852/2010
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Tenor:
Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, bei der Fortsetzung der
Zwangs-vollstreckung von seiner Auffassung Abstand zu nehmen, dass
dem Gläubiger ein Vermieterpfandrecht gegen den Schuldner zustehe
und dass aus diesem Grunde die Räumungsvollstreckung auf eine reine
Besitzeinweisung i.S.d. § 885 Abs. 1 ZPO beschränkt werden könne.
Die weitergehende Erinnerung wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Erinnerung tragen der Schuldner und der Gläubiger
jeweils zur Hälfte.
Gründe:
1
I.
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Der Schuldner war Eigentümer des Einfamilienhauses S 17a in X. Im Rahmen der
Zwangsversteigerung wurde dieses Objekt durch Beschluss des Amtsgerichts X vom
16. Dezember 2009 (####) dem Gläubiger zugeschlagen. Der Zuschlagsbeschluss ist
seit dem 12. Januar 2010 rechtskräftig. Dem Gläubiger wurde unter dem 14. Januar
2010 eine vollstreckbare Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses erteilt, die dem
Gerichtsvollzieher vorliegt.
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Am 26. Januar 2010 ist der Zuschlagsbeschluss dem Schuldner durch Niederlegung
wirksam zugestellt worden.
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Am 19. Januar 2010 beauftragte der Gläubiger den Gerichtsvollzieher mit der Räumung
des Einfamilienhauses S 17a in X. Der Gerichtsvollzieher forderte unter dem 21. Januar
2010 für die Räumung einen Kostenvorschuss in Höhe von 10.000,- € vom Gläubiger
an.
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Mit Anwaltsschreiben vom 8. Februar 2010 forderte der Gläubiger den Schuldner auf,
das Objekt bis zum 12. Februar 2010 zu räumen. Weiter teilte er dem Schuldner mit,
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dass er sich nach Fristablauf auf ein Vermieterpfandrecht berufen und den
Gerichtsvollzieher mit einer bloßen Besitzeinweisung beauftragen werde, die zur Folge
habe, dass sämtliche Möbel und Gegenstände im Objekt verbleiben müssten und der
Schuldner vom Gerichtsvollzieher mit sofortiger Wirkung der Wohnung verwiesen
werde.
Mit Schreiben vom 11. Februar 2010 teilte der Schuldner dem Gerichtsvollzieher mit,
dass er vorsorglich Widerspruch gegen eine möglicherweise beabsichtigte
Besitzeinweisung erhebe, da er niemals Mieter des Objekts gewesen sei und dem
Gläubiger daher kein Vermieterpfandrecht zustehe.
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Mit Anwaltsschreiben vom 22. Februar 2010 teilte der Gläubiger dem Gerichtsvollzieher
mit, dass er nunmehr "die sog. Besitzeinweisung nach BGH-Rechtsprechung" wünsche
und sich analog § 562 BGB auf ein Vermieterpfandrecht gegenüber dem Schuldner
berufe.
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Nachdem der Gläubiger einen Kostenvorschuss von 400,- € eingezahlt hatte, bestimmte
der Gerichtsvollzieher unter dem 3. März 2010 einen Räumungstermin für den 6. April
2010. Weiter teilte der Gerichtsvollzieher dem Schuldner mit, dass der Gläubiger die
Zwangsvollstreckung nach § 885 ZPO auf die Herausgabe der Wohnung beschränkt
habe und hinsichtlich aller – auch unpfändbaren – Gegenstände in den Räumlichkeiten
ein Vermieterpfandrecht geltend mache; deshalb werde die gesamte bewegliche Habe
des Schuldners im Besitz des Gläubigers bleiben.
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Mit Schriftsatz vom 18. März 2010 hat der Schuldner beim Vollstreckungsgericht
Erinnerung eingelegt.
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Er macht geltend:
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Er bestreite mit Nichtwissen, dass dem Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung des
Zuschlagsbeschlusses vom 16. Dezember 2009 erteilt worden sei.
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Im Haus lebe auch sein 12-jähriger Sohn.
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Ferner befänden sich im Haus auch Sachen, die im Eigentum seiner – bereits
ausgezogenen – Ehefrau stünden.
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Dem Gläubiger stehe kein Vermieterpfandrecht zu, da er – der Schuldner – niemals
Mieter, sondern Eigentümer des Objekts gewesen sei. Daher müssten ihm bei einer
Räumung sämtliche Sachen, die nicht von dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts
X vom 16. Dezember 2009 erfasst seien, verbleiben. Dies gelte insbesondere auch für
die unpfändbaren Sachen.
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Der Schuldner beantragt,
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das Verfahren auf zwangsweise Besitzeinsetzung des Gläubigers aus dem
Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts X vom 16. Dezember 2009 (403 K 006/08)
in das Grundstück ####1 X, S 17a, insbesondere die Wohn- und Kellerräume,
aufzuheben und die weitere Durchführung der zwangsweisen Besitzeinweisung in
der von Obergerichtsvollzieher Y (DR II – #####/####) betriebenen Weise zu
untersagen.
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Mit Schreiben vom 19. März 2010 hat das Vollstreckungsgericht den Gerichtsvollzieher
um Prüfung der Abhilfe gebeten und darauf hingewiesen, dass allein das durch den
Zuschlagsbeschluss zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner begründete
Rechtsverhältnis dem Gläubiger kein Vermieterpfandrecht gebe und dass die
Geltendmachung eines Vermieterpfandrechts durch den Gläubiger daher nur in Betracht
komme, wenn dieser gegenüber dem Gerichtsvollzieher das Bestehen eines
Mietverhältnisses dargelegt und glaubhaft gemacht habe.
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Mit Schreiben vom 24. März 2010 hat der Gerichtsvollzieher mitgeteilt, dass er der
Erinnerung nicht abhelfen werde, weil der Gläubiger für die Nutzungsentschädigung seit
dem 16. Dezember 2009 sein Vermieterpfandrecht an allen eingebrachten Sachen
geltend mache.
19
II.
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Die Erinnerung des Schuldners vom 18. März 2010 ist begründet, soweit der Schuldner
sich gegen die Ankündigung des Gerichtsvollziehers vom 3. März 2010 wendet, die
Vollstreckung gemäß § 885 Abs. 1 darauf zu beschränken, den Schuldner außer Besitz
zu setzen, den Gläubiger in den Besitz einzuweisen und sämtliche bewegliche Habe
des Schuldners im Besitz des Gläubigers zu belassen. Die weitergehende Erinnerung
bleibt ohne Erfolg.
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1. Mit Erfolg wendet sich der Schuldner mit der Erinnerung gegen die Ankündigung des
Gerichtsvollziehers, die Vollstreckung auf eine reine Besitzeinweisung i.S.d. § 885 Abs.
1 ZPO beschränken und von einer weiteren Vollstreckung unter Berücksichtigung der §
885 Abs. 2 ff. BGB absehen zu wollen.
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Bereits mit Schreiben vom 18. März 2010 hat das Gericht den Gerichtsvollzieher darauf
hingewiesen, dass allein das durch den Zuschlagsbeschluss zwischen dem Gläubiger
und dem Schuldner begründete Rechtsverhältnis kein Vermieterpfandrecht des
Gläubigers begründet, sondern dass ein Vermieterpfandrecht nur dann geltend gemacht
werden kann, wenn der Gläubiger das Bestehen eines tatsächlichen Mietverhältnisses
zwischen ihm und dem Schuldner belegt. Die Vorschrift über das Vermieterpfandrecht (§
562 BGB) ist speziell auf das Mietverhältnis zugeschnitten und als Sonderregelung
keiner Analogie zugänglich. Einem Gläubiger, der im Rahmen der Zwangsversteigerung
ein Grundstück erworben hat, steht daher auch dann kein Vermieterpfandrecht zu, wenn
er sich eines Anspruchs auf Nutzungsentschädigung gegen den Schuldner berühmt.
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Im vorliegenden Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Gläubiger ein
Vermieterpfandrecht gegen den Schuldner zustehen könnte. Aus den in der
Gerichtsvollzieherakte befindlichen Unterlagen ergibt sich kein Hinweis darauf, dass
zwischen Gläubiger und Schuldner tatsächlich ein Mietverhältnis bestehen könnte.
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Der Gerichtsvollzieher war deshalb anzuweisen, bei der Fortsetzung der
Zwangsvollstreckung von seiner Auffassung Abstand zu nehmen, dass dem Gläubiger
ein Vermieterpfandrecht gegen den Schuldner zustehe und dass die
Räumungsvollstreckung deshalb auf eine reine Besitzeinweisung i.S.d. § 885 Abs. 1
ZPO beschränkt werden könne.
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2. Keinen Erfolg hat die Erinnerung, soweit der Schuldner sich darauf beruft, dass dem
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Gläubiger keine vollstreckbare Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses vom 16.
Dezember 2009 erteilt worden sei. Dem Gerichtsvollzieher liegt eine vollstreckbare
Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses vor, die die Grundlage der
Zwangsvollstreckung bildet.
Auch mit seinem Vortrag, dass in dem zu räumenden Objekt auch der 12-jährige Sohn
wohne, dringt der Schuldner nicht durch. Einem minderjährigen Kind sind Räume der
elterlichen Wohnung grundsätzlich nicht zum selbständigen Gebrauch überlassen, so
dass es auch keines Vollstreckungstitels gegen das Kind bedarf (Zöller-Stöber, ZPO,
28. Aufl. 2010, § 885, Rn. 7).
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Auch der Einwand des Schuldners, dass sich im Objekt auch noch Sachen seiner
bereits ausgezogenen Ehefrau befinden würden, steht der Räumung nicht entgegen.
Weder im Rahmen der Räumungsvollstreckung noch im Erinnerungsverfahren nach §
766 ZPO kommt es auf die Eigentumsverhältnisse an den im Objekt befindlichen
Sachen an. Maßgeblich ist allein der tatsächliche Besitz.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO.
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Gegenstandswert: 3.000,- €
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