Urteil des AG Wuppertal vom 01.12.2008

AG Wuppertal: fristlose kündigung, widerrufsrecht, anschluss, internetseite, telefon, vertragsabschluss, download, mahnkosten, erlöschen, techniker

Amtsgericht Wuppertal, 32 C 152/08
Datum:
01.12.2008
Gericht:
Amtsgericht Wuppertal
Spruchkörper:
Abteilung 32 des Amtsgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
32 C 152/08
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 51,64 € (in Worten: Einund-
fünfzig 64/100---Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 09.03.2007 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 91 % und dem Be-
klagten zu 9 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung aus dem Urteil gegen
Sicherheits-leistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Be-trages abwenden, wenn nicht die andere Seite
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung gegen das Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Zahlung wegen einer Inanspruchnahme von
Telekommunikationsdienstleistungen.
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Der Beklagte schloss mit der Klägerin am 26.06.2006 einen Vertrag über die
Bereitstellung von Telekommunikationsdienstleistungen. Es handelte sich um die zur
Verfügungstellung eines Internet- sowie eines Telefonanschlusses. Es wurde
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vereinbart, diese Verfügungstellung eines Internetanschlusses für einen monatlichen
Betrag in Höhe von 19,99 € inklusive Mehrwertsteuer. Darüber hinaus sollte es dem
Beklagten möglich sein, über die Klägerin Telefondienstleistungen in Anspruch zu
nehmen. Die anfallenden Einzelverbindungen sollten jeweils abgerechnet werden.
Der Beklagte schloss den Vertrag über das Internet. Der Auftrag an die Klägerin kann
nur dann abgeschickt werden, wenn der Kunde das Feld anklickt "von meinem Widerruf-
/Rückgaberecht habe ich Kenntnis genommen." Durch das Anklicken der Wörter
"Widerruf-/Rückgaberecht" öffnet sich für den Kunden die Seite mit der
Widerrufsbelehrung.
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Die Klägerin bestätigte den Auftrag mit Schreiben vom 27.06.2006.
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Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Auftragsbestätigung eine schriftliche
Widerrufserklärung beigefügt war. Zwischen den Parteien ist ferner streitig, ob die
Klägerin den Anschluss frei schaltete und der Beklagte den Telefon- bzw.
Internetanschluss nutzen konnte.
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Mit Schreiben vom 25.08.2006, eingegangen bei der Klägerin am 28.08.2006, erklärte
der Beklagte eine fristlose Kündigung des Vertrages.
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Mit Schreiben vom 05.09.2006 teilte die Klägerin dem Beklagten daraufhin mit, dass
eine Kündigung aufgrund der bestehenden Vertragsbindung für einen Zeitraum von
zwei Jahren nicht möglich sei. Daraufhin meldete sich der Beklagte am 29.09.2006 bei
der Klägerin, um einen Techniker zu bestellen. Der Techniker ist installierte die von dem
Beklagten bestellten V-Box. Diese wurde ihm mit Rechnung vom 08.11.2006 in
Rechnung gestellt. Mit Schreiben vom 08.11.2006 kündigte die Klägerin das
Kundenverhältnis zu dem Beklagten zum Ende des laufenden Monats.
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Ab Anfang Dezember 2006 stand dem Beklagten unstreitig der Telefon- bzw.
Internetanschluss nicht mehr zur Verfügung. Mit Rechnung vom 07.12.2006 stellte die
Klägerin dem Beklagten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 440,57 € in
Rechnung.
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Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Zahlung der folgenden offenstehenden
Rechnungen:
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Rechnung vom 17.08.2006 in Höhe von 50,49 €
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Rechnung vom 18.09.2006 in Höhe von 19,99 €
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Rechnung vom 15.10.2006 in Höhe von 19,99 €
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Rechnung vom 05.10.2006 in Höhe von 51,64 €
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Rechnung vom 08.11.2006 in Höhe von 51,64 €
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Rechnung vom 07.12.2006 in Höhe von 440,57 €.
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Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie den Beklagten hinreichend über sein
Widerrufsrecht belehrt habe. Diese Belehrung sei in ausreichender Form über die
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Internetseite der Klägerin im Rahmen der Auftragserteilung erfolgt. Darüber hinaus
behauptet die Klägerin, sie habe dem Beklagten gemeinsam mit der
Auftragsbestätigung eine Widerrufsbelehrung zugeschickt. Die Klägerin ist der
Auffassung, dass der Beklagte durch die Inanspruchnahme der
Telekommunikationsdienstleistungen auf die Wahrnehmung seines Widerrufsrechts
verzichtet habe. Sie behauptet ferner, dass der Anschluss frei geschaltet worden sei,
und der Beklagte den Anschluss auch genutzt habe.
Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 560,27 €
nebst Zinsen und weiteren Nebenkosten zu zahlen. Sie hat die Klage jedoch bezüglich
des geltend gemachten Schadensersatzes mit Schriftsatz vom 10.11.2008 in Höhe von
124,03 Euro zurückgenommen und beziffert den entstandenen Schaden aus der
Rechnung vom 7.12.2006 nunmehr auf 315,97 Euro.
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Die Klägerin beantragt nunmehr,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 509,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 28,08 € seit dem 20.09.2006, aus 19,99 €
seit dem 21.10.2006, aus 19,99 € seit dem 08.11.2006, aus 51,64 € seit dem
11.12.2006, aus 215,97 € seit dem 10.01.2007 sowie Mahnkosten in Höhe von 10,00 €,
Auskunftskosten in Höhe von 11,80 €, Inkassokosten in Höhe von 35,10 € und
Bankrücklastkosten in Höhe von 10,80 € zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Auffassung, dass er den Vertrag mit der Klägerin wirksam widerrufen hat. Er ist
der Auffassung, dass es unschädlich sei, dass er nach dem Schreiben der Klägerin vom
September 2006 eine V-Box bestellt habe. Hierdurch habe das Widerrufsrecht nur
erlöschen können, wenn er Kenntnis von diesem Widerrufsrecht gehabt habe. Der
Beklagte behauptet in diesem Zusammenhang, dass er eine schriftliche
Widerrufsbelehrung nicht erhalten habe. Er ist der Auffassung, dass die
Widerrufsbelehrung auf der Internetseite der Klägerin nicht ausreichend sei.
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Entscheidungsgründe
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I.
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Die Klägerin hat gegen den Beklagten gemäß §§ 812, 818 Abs. 2 BGB einen Anspruch
auf Zahlung von 51,64 €. Ein weitergehender Anspruch steht der Klägerin nicht zu.
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Der Klägerin steht gegen dem Beklagten kein Anspruch auf Zahlung des von ihr geltend
gemachten Betrages aus dem mit dem Beklagten abgeschlossenen
Telekommunikationsvertrag zu.
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Zwar haben die Parteien am 26.06.2006 einen Vertrag über die Erbringung von
Telekommunikationsdienstleistungen abgeschlossen. Der Beklagte hatte diesen
Vertrag jedoch wirksam gemäß § 312 d BGB widerrufen.
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Die entsprechende Widerrufserklärung ist in dem Schreiben des Beklagten vom
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25.08.2006 zu sehen. Zwar hat der Beklagte in diesem Schreiben ausdrücklich nur eine
Kündigung ausgesprochen. Mit diesem Schreiben hat er jedoch zum Ausdruck
gebracht, dass er das bestehende Vertragsverhältnis auf keinen Fall fortsetzen möchte.
Die Widerrufserklärung ist auch fristgerecht erfolgt. Zwar lagen zwischen dem
Vertragsabschluss und der Widerrufserklärung mehr als zwei Wochen. Mangels
hinreichender Aufklärung der Klägerin über das Widerrufsrecht hat die Widerrufsfrist
nicht mit dem Vertragsabschluss begonnen. Eine hinreichende Information des
Beklagten über das Widerrufsrecht ist nicht durch die Internetseite der Klägerin erfolgt.
Denn der Unternehmer muss dem Verbraucher gemäß § 355 Abs. 2 BGB eine
Widerrufsbelehrung in Textform (§ 126 b BGB) erteilen. Die Möglichkeit des
Verbrauchers, die Widerrufsbelehrung auf der Internetseite des Unternehmers
anzuklicken und sich auf diesem Weg zu informieren, erfüllt diese Voraussetzung nicht.
Denn gemäß § 126 b BGB muss die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur
dauernden Widergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise abgegeben werden. Bei
Texten, die in das Internet eingestellt, dem Empfänger aber nicht übermittelt worden
sind, ist § 126 b BGB nur gewahrt, wenn es tatsächlich zu einem Download kommt.
Dass es tatsächlich zu einem Download gekommen ist, ist von der Klägerin weder
vorgetragen worden, noch ersichtlich.
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Die Klägerin hat auch nicht den Nachweis dafür erbringen können, dass sie dem
Beklagten zeitgleich mit der Auftragsbestätigung eine Widerrufsbelehrung zugeschickt
hat. Der Beklagte hat den Erhalt einer solchen Widerrufsbelehrung bestritten. Beweis für
das Zusenden bzw. den Empfang der Widerrufsbelehrung hatte die Klägerin nicht
angetreten.
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Das Widerrufsrecht ist auch nicht gemäß § 312 d Abs. 3 Nr. 2 BGB erloschen. Zwar hat
der Beklagte den Auftrag erteilt, sofort mit der Ausführung der Dienstleistungen zu
beginnen. Er hat darüber hinaus im September 2006 die Lieferung einer V-Box
angefordert. Das Gericht ist gleichwohl der Auffassung, dass die Voraussetzungen des
§ 312 d Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht erfüllt sind. Denn der Beklagte handelte sowohl bei der
Beauftragung der Freischaltung als auch bei der Anforderung der V-Box in Unkenntnis
des ihm zustehenden Widerrufsrechts. Nach Auffassung des Gerichts ist jedoch eine
Kenntnis des Widerrufsrechts Voraussetzung dafür, dass das Widerrufsrecht gemäß §
312 d Abs. 3 erlöschen kann.
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Mangels wirksamen Vertrags kann die Klägerin von dem Beklagten die Zahlung des
von ihr geltend gemachten Betrages nicht aufgrund des abgeschlossenen
Telekommunikationsvertrages beanspruchen.
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Die Klägerin hat darüber hinaus gemäß §§ 357, 346 Abs. 2 BGB gegen den Beklagten
keinen Anspruch auf Erstattung der gezogenen Nutzungen. Denn sie hat nicht
nachweisen können, dass der Beklagte bis zur Beendigung des Vertrages durch das
Schreiben vom 25.08.2006 die Möglichkeit hatte, den Anschluss zu nutzen. Soweit sich
die Klägerin auf die internen Firmenvermerke zu einer Freischaltung des Anschlusses
beruft, sind diese nicht geeignet, den Nachweis einer tatsächlich erfolgten Freischaltung
zu erbringen. Nichts anderes ergibt sich aus den Rechnungen vom 17.08. und
18.09.2006. Denn den entsprechenden Rechnungen ist gerade nicht zu entnehmen,
dass der Beklagte den Anschluss genutzt hat. Es werden lediglich die Grundgebühr für
die Internetnutzung in Rechnung gestellt. Eine tatsächliche Nutzung des
Telefonanschlusses bzw. des Internets ergeben sich daraus jedoch nicht.
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Soweit die Klägerin darüber hinaus mit der Rechnung vom 05.10.2006 und vom
08.11.2006 Telekommunikationsdienstleistungen in Rechnung gestellt hat, kann sie
diese ebenfalls nicht gemäß §§ 357, 346 Abs. 2 BGB beanspruchen. Denn zu diesem
Zeitpunkt war der Vertrag bereits aufgrund des ausgesprochenen Widerrufs beendet.
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Die Klägerin kann jedoch von dem Beklagten gemäß §§ 812, 818 Abs. 2 BGB Zahlung
eines Betrages in Höhe von 51,64 €, resultierend auf der Rechnung vom 08.11.2006,
beanspruchen. Denn der Beklagte hat – wie sich aus der Rechnung vom 08.11.2006
ergibt – in dem Zeitraum vom 01.10. bis zum 31.10.2006 nach dem Termin des
Technikers bei dem Beklagten den Netzanschluss benutzt. Hieraus lässt sich ersehen,
dass zu diesem Zeitpunkt dem Beklagten der Telefon- und Internetanschluss zur
Verfügung stand. Die Klägerin kann dementsprechend Wertersatz für die
Telefonverbindungen sowie die zur Verfügungstellung des Internets beanspruchen. Das
Gericht hat bei der Bemessung des Wertersatzes die vertraglich vereinbarten Entgelte
zugrunde gelegt. Der Anspruch auf Zahlung des Betrages für die V-Box in Höhe von
25,85 € brutto ergibt sich aus § 433 BGB. Denn der Beklagte hat diese Box im
September 2006 bei der Klägerin bestellt und sie sich auch liefern lassen.
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Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen der fristlosen Kündigung steht
der Klägerin wegen des erfolgen Widerrufs des Vertrages nicht zu.
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Der Zinsanspruch steht der Klägerin aufgrund der §§ 286, 288 BGB zu.
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Die Klägerin kann gemäß §§ 280, 286 BGB von dem Beklagten Erstattung der
Inkassokosten in Höhe von 22,75 € beanspruchen. Denn der Beklagte hat trotz
Mahnung nicht auf die Rechnung vom 08.11.2006 gezahlt. Der Klägerin stehen
entsprechend auch die Mahnkosten in Höhe von 10,00 € zu. Die von ihr geltend
gemachten Auskunftskosten in Höhe von 11,80 € stehen nach Auffassung des Gerichts
in keinem Verhältnis zu dem geltend gemachten Anspruch. Sie können gemäß § 254
BGB nicht erstattet werden. Die Bankrücklastkosten in Höhe von 10,80 € beruhen auf
der Nichtzahlung der ersten Rechnungen. Bezüglich dieser Rechnungen ist ein
wirksamer Widerruf des Vertrages erfolgt. Die Klägerin kann dementsprechend die
diesbezüglichen Bankrücklastkosten nicht geltend machen.
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II.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war zuzulassen, da die Frage, wann eine Widerrufsbelehrung richtig erteilt
ist bzw. wann das Widerrufsrecht erlischt, von grundsätzlicher Bedeutung ist.
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Das Vorbringen in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 21.11.2008 gibt keine
Veranlassung, die Verhandlung wieder zu eröffnen.
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