Urteil des AG Witten vom 20.11.2002

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Amtsgericht Witten, 15 C 417/02
Datum:
20.11.2002
Gericht:
Amtsgericht Witten
Spruchkörper:
15. Abteilung des Amtsgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 C 417/02
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 918,09 Euro nebst 5 %
Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10.09.2002 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Leistung einer
Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages
abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Die Beklagte schloss mit dem Kläger am 26.04.1999 ein Erbbaurechtsvertrag über ein
Grundstück, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Witten. Dabei war die
Beklagte Erbbaurechtsgeberin und Eigentümerin. Die Klägerin übernahm das Gebäude
der sogenannten "G1", dem späteren Kindergarten der Stadt X. Das weitere Gebäude
verblieb bei der Beklagten. Gemäß Ziffer 15 des Erbbaurechtsvertrages war der Kläger
verpflichtet, der Beklagten den Zugang zu der Heizungsanlage, die sich im Gebäude der
"G1" befindet, zu gewährleisten. In Erfüllung dieser Verpflichtung übergab der Kläger
der Hausmeisterin der Stadt X, Frau P, einen Schlüssel. Dabei wurde sie darauf
hingewiesen, dass es sich um einen Generalschlüssel handelt. Im Jahr 2002 ist der
Schlüssel abhanden gekommen. Im Oktober 2002 ließ der Kläger nach Einholung eines
Kostenvoranschlages im Februar 2002 die gesamte Schließanlage austauschen. Der
Gesamtbetrag belief sich auf 989,51 Euro. Der Kostenvoranschlag belief sich zuvor auf
lediglich 918,09 Euro.
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Der Kläger behauptet, Frau P habe den Schlüssel verloren. Hierin sieht er eine
Verletzung der Sorgfaltspflichtverletzung.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 918,09 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz
seit dem 13.06.2002 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behauptet, der Schlüssel sei Frau P nicht verloren gegangen, sondern vielmehr von
ihr sorgfältig aufbewahrt worden. Erst nach der von der Beklagten durchgeführten
Räumung des Gebäudes sei er nicht mehr auffindbar gewesen. Sie ist der Ansicht,
aufgrund des späten Austausches der Schließanlage sei ein Schaden nicht entstanden.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist überwiegend begründet.
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Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 918,09 Euro aus
positiver Vertragsverletzung des Erbbaurechtsvertrages.
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In § 15 des genannten Vertrages wurde vereinbart, dass der Kläger der Beklagten Zutritt
zu den Heizungsräumen ermöglichen soll, die sich in dem vom Kläger genutzten
Gebäude befanden. Diese Verpflichtung wurde durch die Übergabe des
entsprechenden Schlüssels erfüllt. Mit der Entgegennahme des Schlüssels, der die
Funktion hat, das Eigentum des Klägers vor Eingriffen zu schützen, hat die Beklagte
ihrerseits eine Pflicht zur sorgfältigen Aufbewahrung desselben übernommen. Durch
das unstreitige Abhanden kommen des Schlüssels wurde diese Pflicht von der
Beklagten schuldhaft verletzt. Insoweit ist es unerheblich, ob Frau P oder die bei der
Räumung eingesetzten Mitarbeiter der Beklagten das Abhanden kommen verschuldet
haben. Insoweit erübrigt sich eine Beweisaufnahme zur sorgfältigen Aufbewahrung des
Schlüssels von Frau P. In jedem Fall handelt es sich um Erfüllungshilfen der Beklagten,
deren Verschulden ihr über § 278 BGB zugerechnet werden.
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Der dem Kläger durch den Verlust des Schlüssels entstandene Schaden ist durch die
Beklagte zu ersetzen. Dies sind vorliegend die geltend gemachten Kosten für den
Ersatz der Schließanlage in Höhe von 918,09 Euro. Unerheblich ist insoweit, dass die
tatsächlichen Kosten höher lagen. Insoweit hat der Kläger die Klage nicht erweitert,
sondern den Schaden lediglich auf Höhe des Betrages des Kostenvoranschlages
gekürzt.
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Für den Kläger besteht die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung des Schlüssels,
die den Austausch der gesamten Anlage rechtfertigt. Besonders ist zu beachten, dass
es ich bei dem Schlüssel um einen Generalschlüssel handelt, so dass zu befürchten ist,
dass die bei einem eventuellen missbräuchlichen Gebrauch entstandenen Schäden
auch beträchtlich sind. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Schlüssel auf dem
Gelände verlorengegangen ist, so dass ein Zusammenhang zwischen dem Schlüssel
und dem sich auf dem Gelände befindlichen Gebäude von jedermann leicht hergestellt
werden kann. Dies erhöht die Gefahr der missbräuchlichen Verwendung, die auch bis
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zum Austausch weiter bestand. Aus dem Zuwarten mit dem Austausch der
Schließanlage ergibt sich auch nicht, dass es sich lediglich um eine vom Kläger nicht
ernst genommene hypothetische Gefahr handelte. Eine solche würde einen nicht
kommerzialisierbaren Schaden darstellen. Die Tatsache, dass der Kläger mit dem
Einbau der neuen Anlage gewartet hat, beruhte nicht darauf, dass er bereit war, die
Einbruchsgefahr hinzunehmen. Das Zuwarten beruhte auf finanziellen Schwierigkeiten
des Klägers und seinen diesbezüglichen Abwägungen. Dies ist bei einem karikativen
Verein auf ehrenamtlicher Basis durchaus nachvollziehbar. Es ist dem Verein nicht
vorzuwerfen, dass er Zeit braucht, um auf diese Situation zu reagieren und die
finanziellen Rahmenbedingungen für den Austausch erst ausgelotet werden mussten.
Insoweit liegt der Fall anders, als im Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom
17.12.1998 (vgl. NZM 1999 Seite 308). Dort war nur der Schlüssel ausgetauscht worden
und nach drei Jahren die Kosten für die Auswechslung der Schließanlage verlangt
worden, die letztlich noch gar nicht ausgetauscht worden war. Hier ist nach gut neun
Monaten die gesamte Schließanlage aufgrund der Missbrauchsgefahr tatsächlich
ausgetauscht worden.
Dieses verhältnismäßig kurze Zuwarten lässt die Gefahr des missbräuchlichen
Gebrauchs nicht entfallen. Durch den tatsächlichen Austausch ist ein
kommerzialisierbarer Schaden entstanden.
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Die Höhe des geltend gemachten Schadens orientiert sich am Kostenvoranschlag und
liegt damit sogar etwas geringer als die tatsächlich entstandenen Kosten. Da die
Beklagte auf die besondere Funktion des Schlüssels als Generalschlüssel aufmerksam
gemacht worden war, sind die verhältnismäßig hohen Kosten auch gerechtfertigt.
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Der Zinsanspruch ist erst ab Rechtshängigkeit begründet, da der Kläger den Zinsbeginn
vom 13.06.2002 nicht substantiiert hat.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Der Streitwert wird auf 918,09 Euro festgesetzt.
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