Urteil des AG Wiesloch vom 02.05.2003

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AG Wiesloch Urteil vom 2.5.2003, 3 C 88/03; 3 C 89/03
Luftbeförderungsvertrag: Selbständiges IATA-Reisebüro als Geschäftsstelle im Sinne des Warschauer Abkommens
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 176,49 nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 18.03.2003 zu
zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1 (von der Fertigung des Tatbestandes wurde gem. §§ 313a, 495a ZPO abgesehen)
Entscheidungsgründe
2 Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht Wiesloch ist gem. Art. 28 Abs. 1 des auf den streitgegenständlichen Luftbeförderungsvertrag anzuwenden
Warschauer Abkommens zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr als Gericht am Sitz der
Geschäftsstelle, durch die der Vertrag geschlossen wurde, zuständig. Der Luftbeförderungsvertrag wurde in einem Reisebüro mit IATA-Lizenz in
Walldorf geschlossen. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten handelt es sich bei einem solchen Reisebüro um eine Geschäftstelle im Sinne
des Abkommens. Zwar wird ausgehend von französischen Wortlaut des Abkommens vertreten, dass unter das Abkommen nur Geschäftstellen
fallen, die zur Eigenorganisation des Frachtführers gehören. Ausgehend vom durchgehend kundenfreundlich ausgestalteten Ansatz des
Abkommens, das im Interesse des Kunden die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Gerichtsständen eröffnet, sind jedoch auch selbständige
Agenturen unter diesen Begriff zu fassen (Kronke in Münchner Kommentar zum HGB Art 28 WA Rn. 16). Dies gilt auch dann, wenn der
Frachtführer wie die Beklagte im Inland eine eigene Niederlassung unterhält. Eine Differenzierung nach Frachtführern mit und ohne eigene
Geschäftstelle im Inland ergibt sich aus dem Wortlaut des Warschauer Abkommens nicht. Auch ist nicht ersichtlich, dass der Gerichtsstand der
Geschäftstelle gegenüber anderen Gerichtsständen subsidiär sein soll. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten hat auch der
Bundesgerichtshof im Urteil vom 16.06.1982 (BGHZ 84,339) eine solche Differenzierung nicht vorgenommen. In dem vom Bundesgerichtshof
entschiedenen Fall unterhielt die Fluggesellschaft keine Niederlassung im Inland. Die Rechtsfrage, ob Agenturen auch Geschäftsstellen im Sinne
des Abkommens sind, wenn die Fluggesellschaft eine Niederlassung im Inland unterhält, brauchte der Bundesgerichtshof nicht zu entscheiden.
Auch obiter hat er sich mit diesem Problem ausweislich der Entscheidungsgründe nicht auseinandergesetzt.
3 Die Klage ist auch begründet. Gem. Art. 19 WA hat die Beklagte der Klägerin den geltend gemachten Verspätungsschaden in Form von nutzlosen
Aufwendungen für nicht in Anspruch genommene Kurleistungen zu ersetzen. Die Höhe des Schadens schätzt das Gericht gem. § 287 ZPO
ausgehend von der Berechnung der Klägerin auf EUR 176,49. Die Beklagte ist nicht gem. Art. 20 WA von der Ersatzpflicht frei geworden. Das
bloße pauschale Berufen auf einen nicht näher benannten technischen Mangel führt nicht zu einer Entlastung i.S. dieser Vorschrift. Der
Luftfrachtführer muss darlegen und beweisen, dass ihn kein, auch nicht ein leichtes, Verschulden an der Verspätung trifft. Er muss insbesondere
vortragen, welche Schadensverhütungsmaßnahmen er vor und während des Fluges getroffen hat. Diesen nach dem Sinn des Abkommens hohen
Anforderungen entspricht der Vortrag der Beklagten nicht. Die bloße Verweisung auf regelmäßig auf deutschen Flughäfen vorgenommene
Überprüfungen genügt nicht, so lange nicht einmal ansatzweise dargelegt werden, welche Überprüfungen und konkreten Fall vorgenommen
wurden und weshalb der konkrete Defekt bei ordnungsgemäßer Überprüfung nicht hätte verhindert werden können.
4 Die Entscheidung über die Zinsen ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Die Berufung war nicht zuzulassen. Von grundsätzlicher Bedeutung ist allenfalls die
Frage der örtlichen Zuständigkeit. Diese kann wegen § 513 ZPO durch eine Berufungsentscheidung nach Bejahung der örtlichen Zuständigkeit
nicht überprüft werden.