Urteil des AG Wiesbaden vom 14.09.2007

AG Wiesbaden: hausordnung, eigentümer, kostenregelung, verwalter, garage, gesetzesänderung, ausnahme, eigentum, abmahnung, verursacher

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Gericht:
AG Wiesbaden
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
61 UR II 273/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 16 Abs 2 WoEigG, § 27 Abs 1
WoEigG, § 62 WoEigG
Wohnungseigentum: Anwendung des aktuellen Rechts auf
Altfälle mit Ausnahme der Beurteilung der Nichtigkeit von
vor der Gesetzesänderung gefassten
Eigentümerbeschlüssen
Tenor
Es wird festgestellt, dass der in der Eigentümerversammlung vom
16.10.2006 zu TOP 7.4a gefasste Beschluss hinsichtlich der
Kostenregelung nichtig ist.
Im Übrigen wird der Antrag – soweit über ihn noch nicht durch den
Teil-Beschluss vom 10.07.2007 entschieden wurde – zurück gewiesen.
Von den Gerichtskosten haben die Antragsteller als Gesamtschuldner
25 %, die Antragsgegner als Gesamtschuldner 75 % zu tragen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert wird auf 6.000,– Euro festgesetzt.
Gründe
Die Antragsteller und die Antragsgegner bilden die
Wohnungseigentümergemeinschaft A in ... W.
Zu dem Haus gehören mehrere Garagen, die über einen Hof der Wohnanlage
erreichbar sind. Die im Aufteilungsplan mit Nr. 8 bezeichnete Garage gehört zum
Sondereigentum der Antragsteller. Die unmittelbare Hoffläche vor dieser Garage
wird von den Antragstellern zeitweise ebenfalls zum Parken ihres Pkws genutzt.
In der Eigentümerversammlung vom 16.10.2006 hat die
Wohnungseigentümerversammlung unter TOP 7.3 mehrheitlich beschlossen, dass
das Abstellen von Fahrzeugen im Hof außerhalb der zugewiesenen Parkflächen nur
zum Be- und Entladen für die Dauer von 30 Minuten zulässig ist. Unter TOP 7.4a
wurde beschlossen, dass der Verwalter einen Rechtsanwalt zur Durchsetzung der
Hausordnung beauftragen darf, nachdem er einen die Hausordnung nicht
beachtenden Wohnungseigentümer zweimal erfolglos abgemahnt hat und dass die
dadurch entstehenden Kosten von dem verursachenden Eigentümer zu tragen
sind. Unter TOP 7.4b wurde beschlossen, dass für den Fall, dass ein Eigentümer
gegen den Willen der Mehrheit der anderen Eigentümer eine Änderung am WEG-
Eigentum und/oder Beschlüssen der WEG oder Eigentum eines anderen
Eigentümers durchsetzen will, er die hierdurch entstehenden Folgekosten trägt.
Ferner wurde unter TOP 7.4h festgestellt, dass Putzschäden an den Garagen nicht
die Hausgemeinschaft, sondern das Sondereigentum der Eigentümer R und O
betreffen. Wegen des genauen Wortlauts der Beschlüsse wird auf Bl. 18 f d.A.
Bezug genommen.
Die Antragsteller, die der Auffassung sind, dass diese Beschlüsse insgesamt
gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen, haben die
genannten Beschlüsse angefochten und hilfsweise beantragt, festzustellen, dass
die Beseitigung der Putzschäden an den beiden Garagen R und O auf Kosten der
Gemeinschaft zu geschehen hat.
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Über die Beschlüsse zu TOP 7.3, 7.4b u. 7.4h und den Hilfsantrag hat das Gericht
durch – mittlerweile – rechtskräftigen Teil-Beschluss vom 10.07.2007 bereits
entschieden.
Die Antragssteller sind der Auffassung, der unter TOP 7.4a getroffene Beschluss
sei ein "Vorratsbeschluss", der mit dem Abstimmrecht der Wohnungseigentümer
nicht vereinbar sei. Für die Heranziehung eines Rechtsanwaltes käme es vielmehr
auf den jeweiligen Einzelfall an, über welchen dann grundsätzlich noch durch einen
entsprechenden Beschluss zu entscheiden sei.
Die Antragsteller beantragen nunmehr,
den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 16.10.2006 zu TOP
7.4a für unwirksam zu erklären,
Die Antragsgegner beantragen,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Antragsgegner sind der Auffassung, Der zu TOP 7.4a getroffene Beschluss sei
kein "Vorratsbeschluss" dar, der eine Ermessensprüfung des Verwalters
grundsätzlich entfallen lasse. Durch den Beschluss habe man lediglich die
Bewohner zur Einhaltung der Hausordnung bewegen wollen. Im Übrigen
entspreche es auch dem Gesetz, dass die dadurch entstehenden Kosten von dem
Verursacher zu tragen seien.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der zulässige Antrag ist teilweise begründet.
Soweit unter TOP 7.4a beschlossen wurde, den Verwalter nach zweimaliger
erfolgloser Abmahnung zweimal zu ermächtigen, einen Rechtsanwalt mit der
Durchsetzung der Hausordnung zu beauftragen, ist der Beschluss nicht zu
beanstanden. Die uneinschränkbaren Rechte und Pflichten des Verwalters sind in §
27 WEG ausdrücklich normiert. Darunter fällt gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG auch die
Pflicht zur Durchsetzung der Hausordnung. In dem streitgegenständlichen
Beschluss, welcher dem Verwalter nach zweimaliger erfolgloser Abmahnung die
Heranziehung eines Rechtsanwaltes zur Durchsetzung der Hausordnung gestattet,
sieht das Gericht lediglich eine Konkretisierung der in § 27 Ab. 1 Nr. 1 WEG
gesetzlich normierten Pflicht. Keineswegs werden durch den
streitgegenständlichen Beschluss die Rechte und Pflichten des Verwalters
erweitert.
Auch hinsichtlich der beschlossenen Kostenauferlegung auf den Verursacher
überzeugen die Einwände der Antragsteller nicht. Es ist zwar richtig, dass im Falle
einer gerichtlichen Auseinandersetzung des Gericht über die Verfahrenskosten zu
entscheiden hat. Daneben gibt es jedoch auch einen materiellrechtlichen
Kostenerstattungsanspruch. Eine Regelung des materiellrechtlichen
Kostenerstattungsanspruchs ist auch sinnvoll, da es ja nicht zwangsläufig zu
einem Gerichtsverfahren und damit zu einer gerichtlichen Kostenentscheidung
kommen muss.
Die beschlossene Kostenregelung ist jedoch nichtig, da der
Wohnungseigentumsgemeinschaft zum Zeitpunkt der Beschlussfassung die
notwendige Beschlusskompetenz fehlte.
Bei dem vorliegenden Verfahren handelt es sich um ein FGG-Verfahren, da es
bereits am 01.07.2007 anhängig war (Art. 1 § 62 Abs. 1 des Gesetzes zur
Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes).
Grundsätzlich ist im FGG-Verfahren – wie auch im ZPO-Verfahren (s. Zöller "ZPO"
26. Aufl. Köln 2007 § 300 Rdnr. 3) – das zum Zeitpunkt der Entscheidung geltende
Recht anzuwenden (s. Bumiller/Winkler "FGG" 8. Aufl. München 2006 § 23 Rdnr. 4).
Das heißt auch auf den Beschluss vom 16.10.2006 sind prinzipiell die Vorschriften
des Wohnungseigentumsgesetzes in der seit dem 01.07.2007 geltenden Fassung
anzuwenden, wenn nicht durch Übergangsbestimmungen etwas anderes
bestimmt ist. Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass ein Beschluss
ein punktueller Sachverhalt ist, auf den zwangsläufig das zum Zeitpunkt der
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ein punktueller Sachverhalt ist, auf den zwangsläufig das zum Zeitpunkt der
Beschlussfassung geltende Recht angewendet werden muss. Wenn dieser Ansatz
richtig wäre, würde man nur für Dauerschuldverhältnisse
Übergangsbestimmungen benötigen. Der Gesetzgeber hat jedoch auch für
andere, punktuelle Sachverhalte Übergangsvorschriften für notwendig erachtet. So
hat er anlässlich des Inkrafttretens des Gesetzes zur Neugliederung,
Vereinfachung und Reform des Mitrechts zum 01.09.2001 bestimmt, dass im Falle
einer vor dem 01.09.2001 zugegangenen Kündigung die bis zu diesem Zeitpunkt
geltenden Vorschriften Anwendung finden (Art. 229 § 3 Abs. 1 EGBGB). Dass der
Gesetzgeber dies geregelt hat, zeigt, dass im Falle einer Rechtsänderung auch
abgeschlossene Sachverhalte nicht zwangsläufig nach dem Recht zu beurteilen
sind, das galt, als sie passierten. Somit ist eine Übergangsvorschrift notwendig,
wenn man das bisherige Recht anwenden will. Das Gesetzes zur Änderung des
Wohnungseigentumsgesetzes enthält nur eine einzige Übergangsvorschrift. Art. 1
§ 62 Abs. 1 bestimmt, dass für die am 01.07.2007 bereits anhängigen Verfahren
die Vorschriften des III. Abschnitts des Wohnungseigentumsgesetzes in der bis
dahin geltenden Fassung anzuwenden sind. Das bedeutet, dass für die genannten
Verfahren nur die alten Verfahrensvorschriften gelten. Dies ergibt sich zum einen
aus dem Wortlaut. Der III. Abschnitt des Wohnungseigentumsgesetzes beinhaltet
die §§ 43 ff WEG a.F., die das Verfahren regeln. Zum anderen aus der amtlichen
Begründung des Gesetzesentwurfs, die zu § 62 WEG neu ausdrücklich sagt, dass
die Erstreckung der ZPO-Regelungen die im Zeitpunkt des Inkrafttretens
anhängigen Verfahren nicht berühren sollen (s. BT-Drucksache 16/887 zitiert nach
Bärmann/Pick "WEG" Ergänzungsband zur 17. Aufl. München 2006 S. 107).
Mangels einer entsprechenden Übergangsbestimmung sind daher auf das
materielle Wohnungseigentumsrecht die Vorschriften des
Wohnungseigentumsgesetzes in der seit dem 01.07.2007 geltenden Fassung
anzuwenden.
Dennoch muss man im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis kommen, dass der
unter TOP 7.4a getroffene Beschluss hinsichtlich der Kostenregelung nichtig ist.
Die beschlossene Kostenregelung ändert Kostentragungspflicht des § 16 Abs. 2
WEG. Hierfür besaß die Wohnungseigentümerversammlung nach der am
16.10.2006 geltenden Rechtslage keine Beschlusskompetenz, so dass der
Beschluss insoweit nichtig war. Da die Nichtigkeit kraft Gesetzes eintrat, war der
Beschluss bereits am 16.10.2006 nichtig und kann daher nicht aufgrund der am
01.07.2007 in kraft getretenen Gesetzesänderung wieder aufleben.
Die Entscheidung über die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten
beruht auf § 47 WEG a.F. Die Gerichtskosten waren im Verhältnis des
Obsiegens/Unterliegens zu verteilen. Seine außergerichtlichen Kosten hat jeder
Beteiligte selbst zu tragen, da im vorliegenden Fall keine Gründe ersichtlich sind,
die es unter Billigkeitserwägungen gebieten, vom dem im
Wohnungseigentumsverfahren geltenden Grundsatz, dass jeder Beteiligte seine
außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat, abzuweichen.
Als Geschäftswert waren für den Beschluss über den Fassadenschäden 3.000,–
Euro und für die 3 anderen Beschlüsse jeweils 1.000,– Euro festzusetzen (§ 48 Abs.
3 WEG a.F.). Für den Feststellungsantrag war kein eigener Geschäftswert
festzusetzen, da dessen Streitgegenstand mit dem des Beschlusses über den
Fassadenschäden identisch ist.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.