Urteil des AG Wiesbaden vom 31.10.2007

AG Wiesbaden: notwendiger lebensbedarf, unterhalt, wohnungsmiete, rechtskraft, schlechtwetter, akte, körperpflege, heizung, wechselkurs, fahrtkosten

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Gericht:
AG Wiesbaden
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 IN 63/04
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 36 InsO, § 850c ZPO, § 850f
ZPO
Insolvenzschuldner in der Wohlverhaltensphase:
Voraussetzungen der Heraufsetzung des
Pfändungsfreibetrages für Arbeitseinkommen bei
Auslandstätigkeit
Tenor
In der Rechtssache ... wird der unpfändbare Teil des Einkommens des Schuldners
in analoger Anwendung der §§ 36 InsO, 850 f ZPO auf monatlich 1660,21 EUR
festgesetzt. Sollte der pfändungsfreie Betrag nach Abzug des pfändbaren Teils des
Einkommens höher sein, verbleibt es bei diesem nach § 850 c ZPO ermittelten
pfandfreien Betrag.
Bis zur Rechtskraft der Entscheidung bestimmt sich der an den Schuldner
auszuzahlende unpfändbare Teil des Einkommens nach der Tabelle zu § 850 c III
ZPO in der jeweils gültigen Fassung. Das über diesen Teil hinausgehende
Einkommen ist zunächst zurück zu halten. Der erhöhte Pfändungsfreibetrag darf
erst nach Mitteilung der Rechtskraft durch das Gericht ausgezahlt werden.
Gründe
Mit Schreiben vom 07.08.2007 beantragte der Schuldner die Heraufsetzung der
Pfändungsfreigrenze. Zur Begründung führte er an, dass sein Arbeitgeber keinen
Ausgleich und keine Bezahlung für nicht geleistete Arbeitsstunden zahle (etwa im
Krankheitsfall oder bei Schlechtwetter). Für Urlaubstage zahle der Arbeitgeber nur
einen minimalen Ausgleich, um den Arbeitnehmer sozial zu unterstützen. Im
übrigen seinen die Lebenshaltungskosten an seinem jetzigen Wohnort in Kanada
höher als in Wiesbaden. Als Nachweis fügte der Schuldner dem Antrag beispielhaft
eine Aufstellung seiner Einnahmen und Ausgaben für die Monate April 2007 bis Juni
2007 nebst Belegen bei.
Der Treuhänder trat in seiner Stellungnahme dem Antrag des Schuldners mit der
Begründung entgegen, dass es sich bei dem von dem Schuldner aufgeführten
Ausgaben um solche handele, die normalerweise aus dem pfändungsfreien
Einkommen zu bestreiten sind. Auf die in der Akte befindlichen Schriftsätze wird
insoweit Bezug genommen.
In analoger Anwendung der §§ 36 InsO, 850 f ZPO kann das Insolvenzgericht dem
Schuldner auf Antrag einen von den Bestimmungen der §§ 850 c, 850 d und 850 i
pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens einen Teil belassen, wenn
a) der Schuldner nachweist, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenze zu §
850 c ZPO der notwendige Lebensunterhalt im Sinne des Sozialgesetzbuches für
sich und für die Personen, denen er Unterhalt zu gewähren hat, nicht gedeckt ist,
oder
b) besondere Bedürfnisse des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen
Gründen ... dies erfordern und keine Belange der Gläubiger entgegenstehen.
Der notwendige Lebensbedarf des Schuldners errechnet sich wie folgt:
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Folgende Kosten konnten bei der Berechnung des fiktiven Sozialhilfebedarfs nicht
berücksichtigt werden:
Wohnungsmiete:
Zwar zahlt der Schuldner monatlich eine Miete von 1150,00 CAD (dies entspricht
bei einem Wechselkurs von 0,67 (Stand 31.10.2007) einem Betrag von 770,50
EUR); jedoch beläuft sich nach den aus der Akte ersichtlichen Unterlagen, auf die
insoweit Bezug genommen wird (hier Bl. 299 d. A.), die durchschnittliche Miete für
ein Zwei-Zimmer-Appartement in der Umgebung von Vancouver auf 1045,00 CAD
(umgerechnet 700,15 EUR). Damit konnte nur dieser Betrag für den in Burnaby
wohnenden Schuldner als notwendige Miete berücksichtigt werden.
Lebensmittel, Haushaltskosten, Schreibwaren, Post, Telefon,
Körperpflege, Kleidung:
Zwar hat der Schuldner durch Vorlage von Belegen dargelegt, dass er tatsächlich
einen höheren als den nach dem SGB XII anerkannten Betrag für diese Ausgaben
verwendet; er hat jedoch nicht nachgewiesen, dass der von den kanadischen
Behörden anerkannte notwendige Lebensbedarf an seinem jetzigen Wohnort
tatsächlich dem von ihm getätigten Ausgabenumfang entspricht. Daher konnte
nur der nach SGB XII anerkannte Regelsatz berücksichtigt werden.
Tierarztkosten:
Der vom Sozialamt anerkannte Regelsatz deckt die notwendigen
Lebensunterhaltskosten des Schuldners und der Angehörigen, denen er zu
Unterhalt verpflichtet ist. Die Tierarztkosten gehören nicht dazu und konnten bei
der Berechnung des fiktiven Sozialhilfebedarfs daher nicht berücksichtigt werden.
Rückstellungskosten:
Aus dem Antrag des Schuldners und den beigefügten Unterlagen ergibt sich nicht,
für was die Rückstellungen zu bilden waren. Da eine Erforderlichkeit der
Rückstellung nicht dargelegt wurde und auch nicht ersichtlich ist, konnten die mtl.
150,00 EUR bei der Ermittlung des fiktiven Sozialhilfebedarfs nicht berücksichtigt
werden.
Geldstrafe Staatsanwaltschaft Darmstadt:
Der vom Sozialamt anerkannte Regelsatz deckt die notwendigen
Lebensunterhaltskosten des Schuldners und der Angehörigen, denen er zu
Unterhalt verpflichtet ist. Die monatlichen Raten konnten bei der Berechnung des
fiktiven Sozialhilfebedarfs daher nicht berücksichtigt werden.
Benzinkosten, Parkgebühren, Fahrtkosten:
Diese Ausgaben sind in dem Regelleistungsbetrag bereits enthalten, so dass eine
gesonderte Berücksichtigung nicht erfolgen kann.
Kfz-, Renten-, Mieter-, Unfallversicherung
Da es sich insoweit nicht um Pflichtversicherungen handelt, die jeder Mensch
haben muss, konnte eine Berücksichtigung im Rahmen des notwendigen Bedarfs
nicht erfolgen. Den übersandten Unterlagen des Schuldners konnte nicht
entnommen werden, dass es sich bei der Mieterversicherung um eine
Pflichtversicherung handelt. Selbst wenn dem so sein sollte, ergibt sich unter
Hinzurechnung der insoweit mtl. anfallenden 26,77 EUR (entsprechen 39,95 CAD
unter Zugrundelegung eines Wechselkurses zum heutigen Tag von 0,67) ein
notwendiger Lebensbedarf von 1686,98 EUR, der immer noch unter dem
Pfändungsfreibetrag des Schuldners liegen würde, wenn von einem
durchschnittlichen Monatseinkommen von 3284,16 CAD, d. h. 2200,39 EUR (bei
einem Wechselkurs von 0,67, Stand: 31.10.2007) und einer unterhaltsberechtigten
Person ausgegangen wird. Der Pfändungsfreibetrag beträgt insoweit 1778,34 EUR.
Ein erhöhter Bedarf des Schuldners aufgrund besonderer Bedürfnisse (§ 850 f. b
ZPO) war nicht ermittelbar. Zwar wies der Schuldner darauf hin, dass die
Fahrtkosten zu den Baustellen im Umland nicht vom Arbeitgeber übernommen
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Fahrtkosten zu den Baustellen im Umland nicht vom Arbeitgeber übernommen
werden (Bl. 294 d. A.), dies war den eingereichten Unterlagen vom Arbeitgeber
aber nicht zu entnehmen, so dass kein Nachweis vorlag.
Auch der konkret anfallende erhöhte Bedarf infolge ausbleibender oder
verminderter Zahlung bei Krankheitsausfall oder Schlechtwetter konnte von dem
Schuldner nicht dargelegt werden. Andersherum kann dieser vom Gericht aber
auch nicht geschätzt werden. Es liegen dem Gericht keine Anhaltspunkte vor, in
welchem Umfang sich der Lohn des Schuldners in den Wintermonaten vermindert.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.