Urteil des AG Wiesbaden vom 03.12.2007

AG Wiesbaden: notwendige streitgenossenschaft, ermittlung des abstimmungsergebnisses, firma, stimmzettel, widerklage, klagefrist, anfechtungsklage, hessen, wahlergebnis, erlass

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Gericht:
AG Wiesbaden
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
92 C 4116/07, 92
C 4116/07 - 81
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 43 WoEigG vom 26.03.2007,
§ 46 Abs 1 S 2 WoEigG vom
26.03.2007, § 62 Abs 1 ZPO, §
253 ZPO
Wohnungseigentum: Notwendige Streitgenossenschaft der
beklagten Wohnungseigentümer bei einer
Beschlussanfechtungsklage nach neuem Recht; Wahrung
der Klagefrist bei einem Antrag auf Feststellung eines vom
Protokoll abweichenden Beschlussergebnisses
Tenor
Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 06.07.2007 zu TOP 4.05 wird für
ungültig erklärt.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Von den Gerichtskosten tragen alle Beklagten als Gesamtschuldner 39 % und die
Beklagten und Widerkläger als Gesamtschuldner 22 %; 39 % tragen die
Klägerinnen als Gesamtschuldner selbst.
Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen tragen alle Beklagten als
Gesamtschuldner 39 % und die Beklagten und Widerkläger als Gesamtschuldner
22 %; 39 % tragen die Klägerinnen als Gesamtschuldner selbst
Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten und Widerkläger tragen die
Klägerinnen als Gesamtschuldner 32 %, 68 % tragen die die Beklagten und
Widerkläger als Gesamtschuldner selbst.
Von den außergerichtlichen Kosten der übrigen Beklagten tragen die Klägerinnen
als Gesamtschuldner 50 %, 50 % tragen die Beklagten als Gesamtschuldner
selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Voll-Streckung
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil zu
vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages
leistet.
Der Gegenstandswert wird für die Klage auf 6.133,20 Euro und für die Widerklage
auf 3.389,40 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger und die Beklagten bilden die Wohnungseigentumsgemeinschaft Hstr. ...
in W. Die Klägerin zu 1) ist Eigentümerin mit einem 47/10.000, die Klägerin zu 2)
mit einem 67/10.000, die Beklagte und Widerklägerin zu 1) mit einem 64/10.000
und der Beklagte und Widerkläger zu 2) mit einem 62/10.000 Miteigentumsanteil.
Die Beigeladene ist die Verwalterin der Wohnungseigentumsgemeinschaft.
Da die Amtszeit der Beigeladenen am 31.12.2007 endet, stand in der der
Eigentümerversammlung vom 06.07.2007 unter TOP 4.05 die Neuwahl eines
Verwalters auf der Tagesordnung. Bei der Wahl kam es bei einigen Stimmzetteln
zu Unklarheiten. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 3 d. A. Bezug genommen.
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zu Unklarheiten. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 3 d. A. Bezug genommen.
Dennoch stellte der Versammlungsleiter als Ergebnis des Wahl fest, dass die Firma
B und K als neue Verwalterin gewählt sei und der Verwaltungsbeirat ermächtigt
werde, mit dieser einen Verwaltervertrag abzuschließen. Wegen des genauen
Wortlauts des Beschlusses und der Vertragskonditionen wird auf Bl. 15 d. A. Bezug
genommen.
Die Klägerinnen behaupten, die festgestellten Unklarheiten beträfen ausschließlich
Stimmzettel, die zu Gunsten der Firma B und K abgegeben worden seien, während
alle Stimmzettel, die zu Gunsten der Firma S GmbH abgegeben worden seien,
eindeutig gewesen seien. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 109 ff d. A. Bezug
genommen. Sie sind daher der Auffassung, die Wahl der Firma B und K sei ungültig
und damit sei automatisch die Bewerberin mit der nächst höchsten Stimmenzahl,
die Firma S GmbH, gewählt.
Die Klägerinnen beantragen,
den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 06.07.2007 zu TOP 4.05 für
ungültig zu erklären,
festzustellen, dass statt der Firma B und K die bisherige Verwalterin S GmbH
gewählt wurde,
Die Beklagte und Widerklägerin zu 1) beantragt,
den Feststellungsantrag abzuweisen.
Die Beklagten und Widerkläger beantragen im Wege der Widerklage,
festzustellen, das der am 06.07.2007 vorgenommene Wahlgang insgesamt
unwirksam war.
Die Klägerinnen beantragen,
die Widerklage abzuweisen,
und haben gegen die nicht erschienenen Wohnungseigentümer des Erlass eines
Teil-Versäumnisurteil und hinsichtlich der Beschlussanfechtung eines Teil-
Anerkenntnisurteils beantragt.
Die Beklagten und Widerkläger behaupten, die festgestellten Unklarheiten beträfen
nicht ausschließlich die Stimmzettel, die zu Gunsten der Firma B und K abgegeben
worden seien. Im übrigen sind sie der Auffassung, der Wahlgang sei bereits
deshalb unwirksam, weil man nach Miteigentumsanteilen abgestimmt habe, aber
korrekterweise nach Kopfzahl hätte abstimmen müssen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat den Beklagten und Widerkläger zu 2) zum
Zustellungsbevollmächtigten der Beklagten bestimmt (§ 45 Abs. 3 WEG n. F.). Die
Verwalterin wurde beigeladen (§ 48 Abs. 1 S. 2 WEG n. F.). Sie ist dem Rechtsstreit
nicht beigetreten.
Entscheidungsgründe
Klage und Widerklage sind zulässig.
Hinsichtlich der Beschlussanfechtung ist die Klage auch begründet.
Hinsichtlich der Beschlussanfechtung wurde die Klage fristgerecht eingereicht (§ 46
Abs. 1 S. 2 WEG n. F.) und demnächst zugestellt (§ 167 ZPO).
Da die Stimmzettel, die zu Gunsten der Firma B und K abgegeben wurden,
unstreitig Unklarheiten aufwiesen, war der Wahlgang nicht korrekt und das
Wahlergebnis daher antragsgemäß für ungültig zu erklären.
Diese Entscheidung musste durch streitiges Urteil ergehen.
Entgegen dem Antrag des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung konnte
gegen die nicht erschienenen Wohnungseigentümer kein Teil-Versäumnisurteil
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gegen die nicht erschienenen Wohnungseigentümer kein Teil-Versäumnisurteil
ergehen. Bei einer Anfechtungsklage nach § 46 WEG n. F. sind die beklagten
Wohnungseigentümer notwendige Streitgenossen i. S. d. § 62 Abs. 1 ZPO (s.
Stefan Hügel/Oliver Elzer "Das neue WEG-Recht" München 2007 § 13 Rdnr. 125).
Diese werden durch den Verwalter vertreten (§ 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG n. F.). Ob diese
gesetzliche Vertretungsmacht des Verwalters ausgeschlossen ist, wenn – wie im
vorliegenden Fall – eine Interessenkollision vorliegt, konnte dahin gestellt bleiben,
da die Verwalterin zwar in der mündlichen Verhandlung vertreten war, aber keine
Anträge gestellt hat. Da jedoch zwei Wohnungseigentümer in der mündlichen
Verhandlung Anträge gestellt haben, werden die übrigen Wohnungseigentümer als
durch diese vertreten angesehen (§ 62 Abs. 1 ZPO), so dass keine Säumnis
vorlag.
Auch ein Teil-Anerkenntnisurteils hinsichtlich der Beschlussanfechtung konnte
nicht ergehen. Dem Klägervertreter ist zwar zuzugeben, dass in dem
Widerklageantrag denknotwendig ein Anerkenntnis des
Beschlussanfechtungsantrags zu sehen ist, ein Anerkenntnisurteil kann jedoch nur
ergehen, wenn das Anerkenntnis von allen notwendigen Streitgenossen
gemeinsam abgegeben wird (s. Hügel/Elzer a. a. O. § 13 Rdnr. 159).
Hinsichtlich des Feststellungsantrags ist die Klage dagegen unbegründet.
Ob die festgestellten Unklarheiten – wie von den Klägerinnen behauptet –
ausschließlich die Stimmzettel, die zu Gunsten der Firma B und K abgegeben
wurden, betreffen, während alle Stimmzettel, die zu Gunsten der Firma S GmbH
abgegeben worden seien, eindeutig waren, konnte dahingestellt bleiben, da der
Feststellungsantrag verfristet war.
Der Antrag auf Feststellung, dass entgegen dem Inhalt der
Versammlungsniederschrift richtiger weise ein inhaltlich anderer Beschluss gefasst
wurde, muss innerhalb der Klagefrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG n. F. erhoben
werden (s. Hügel/Elzer a. a. O. § 13 Rdnr. 177 so bereits zur Rechtslage vor
Inkrafttreten der WEG-Reform H M "Praktische Fragen des Wohnungseigentums" 4.
Aufl. München 2004 Rdnr. 803 vgl. KG NJW-RR 1991, 213). Somit ist der von den
Klägerinnen erstmals in der mündlichen Verhandlung erhobene
Feststellungsantrag verfristet.
Hieran ändert auch der Hinweis der Klägerinnen auf die Entscheidung des OLG
München vom 26.06.2006 (Az. 34 Wx 003/06) nichts. Den Klägerinnen ist
zuzugeben, dass es im vorliegenden Fall möglich wäre, den fristgerecht erhobenen
Beschlussanfechtungsantrag als entsprechenden Feststellungsantrag
umzudeuten. Allerdings wäre ein solch umgedeuteter Antrag nicht rechtzeitig
begründet worden. Wenn es – wie dargelegt – erforderlich ist, einen solchen
Feststellungsantrag innerhalb der Klagefrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG n. F. zu
erheben, so muss er auch innerhalb der zwei-Monatsfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG
n. F. begründet werden. Dies ist hinsichtlich der nun begehrten Feststellung nicht
erfolgt. In der Klageschrift wurden ganz allgemein verschiedene Unklarheiten und
Mängel des Wahlverfahrens vorgetragen, die "begründete Zweifel an der
ordnungsgemäßen Ermittlung des Abstimmungsergebnisses aufkommen lassen".
Mit diesem Vortrag kann jedoch nur der Beschlussanfechtungsantrag begründet
werden.
Eine Begründung des Feststellungsantrags erfordert darüber hinaus die
Behauptung, die festgestellten Unklarheiten beträfen ausschließlich Stimmzettel,
die zu Gunsten der Firma B und K abgegeben worden seien, während alle
Stimmzettel, die zu Gunsten der Firma S GmbH abgegeben worden seien,
eindeutig gewesen seien. Dieser Vortrag erfolgte jedoch erstmals in der
mündlichen Verhandlung am 26.10.2007 und damit nach Ablauf der zwei-
monatigen Begründungsfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG n. F.
Aus dem gleichen Grund war die Widerklage als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Der Gegenstandswert bestimmt sich nach der Vergütung des Verwalters. Bei einer
monatlichen Verwaltergebühr von 16,– Euro pro Einheit ergibt sich bei einer
Laufzeit von 24 Monaten und 140 Einheiten ein Betrag von 53.760,– Euro.
Ausgehend von diesem Wert war zunächst das Interesse der Parteien zu ermitteln.
Dies ergibt für die Parteien folgende Beträge : für die Klägerin zu 1) 252,86 Euro
(47/10.000), für die Klägerin zu 2) 360,46 Euro (67/10.000), für die Beklagte und
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(47/10.000), für die Klägerin zu 2) 360,46 Euro (67/10.000), für die Beklagte und
Widerklägerin zu 1) 344,32 Euro (64/10.000) und für den Beklagten und
Widerkläger zu 2) 333,56 Euro (62/10.000). Gemäß § 49 a Abs. 1 S. 2 GKG n. F. war
nun das Fünffache des Wertes des Interesses des Parteien als Gegenstandswert
festzusetzen. Dies ergibt für die Anfechtungsklage und den Feststellungsantrag
einen Gegenstandswert von jeweils 3.066,60 Euro (252,86 Euro + 360,46 Euro x 5)
und für die Widerklage einen Gegenstandswert von 3.389,40 Euro (= 344,32 Euro
+ 333,56 Euro x 5).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.
11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.