Urteil des AG Wiesbaden vom 17.08.2010

AG Wiesbaden: schutzwürdiges interesse, gesetzliche frist, daten, verschuldung, zahlungsfähigkeit, ausschluss, quelle, zivilprozessrecht, informationssystem, kreditwesen

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Gericht:
AG Wiesbaden
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
91 C 4018/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 29 BDSG, § 35 BDSG
Leitsatz
Gemeinschaftseinrichtungen der kreditgebenden Wirtschaft sind berechtigt, im Falle der
Privatinsolvenz die Erteilung der Restschuldbefreiung in ihrem Datenbestand bis zum
Ablauf der Drei-Jahres-Frist zu speichern
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird
zurückgewiesen.
Gründe
Die Antragsgegnerin ist eine Gemeinschaftseinrichtung der kreditgebenden
deutschen Wirtschaft. Sie sammelt und speichert Daten, um ihren
Vertragspartnern Informationen zu einer Kreditentscheidung geben zu können.
Zur Antragstellerin ist im Datenbestand der Antragsgegnerin gespeichert wird,
dass der Antragstellerin am 09.07.2008 Restschuldbefreiung erteilt wurde. Mit der
Behauptung, aufgrund dieser Eintragung habe sie weder Konto noch Strom- und
Telefonanbieter wechseln oder bei Warenhäusern Bestellungen vornehmen
können, begehrt die Antragstellerin Löschung ihrer über die Erteilung der
Restschuldbefreiung gespeicherten Daten.
Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war
zurückzuweisen, da die Voraussetzungen der §§ 114, 115 ZPO nicht vorliegen.
Die Rechtverfolgung der Antragstellerin in diesem Rechtsstreit hat keine
hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Vortrag der Antragstellerin, mit dem sie die
Löschung eines Negativeintrags der Klägerin begehrt, ist unschlüssig.
Die Antragstellerin hat aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf
Löschung der Eintragung der Restschuldbefreiung nach § 35 Abs. 2 BDSG. Nach §
35 Abs. 2 Nr. 1 BDSG sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre
Speicherung unzulässig ist. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG ist eine Speicherung zum
Zwecke der (späteren) Übermittlung zulässig, wenn kein Grund zu der Annahme
besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der
Speicherung hat.
Insoweit genügt allerdings nicht jedes denkbare Interesse des Betroffenen.
Vielmehr sind die Interessen des Betroffenen mit den Interessen der speichernden
Stelle abzuwägen. Hierbei ist auf Seiten der Antragsgegnerin zu berücksichtigen,
dass das von ihr aufgebaute Informationssystem sowohl den Interessen der
Kreditinstitute und der kreditgebenden gewerblichen Wirtschaft als auch dem
Interesse des einzelnen Kreditnehmers dient. Aufgrund der Meldungen der
Antragsgegnerin können deren Kunden ohne wesentliche Risiken arbeiten, was
auch dazu führt, dass Kreditgeschäft schnell und reibungslos abgewickelt und
vielfach ohne übermäßige Sicherheitsleistung des Kreditnehmers gewährt werden
können (vergleiche BGH NJW 1978 2151). Für das Kreditwesen sind im Rahmen des
Abschlusses eines Kreditvertrages aller Umstände von Bedeutung, die
Rückschlüsse auf die Zahlungsbereitschaft und die Zahlungsfähigkeit des
Schuldners zulassen. Auskünfte, die geeignet sind, etwaige Kreditgeber zu einer
Schuldners zulassen. Auskünfte, die geeignet sind, etwaige Kreditgeber zu einer
sorgfältigen Bonitätsprüfung zu veranlassen und die für Kreditgewerbe erforderlich
sind, müssen regelmäßig vom betroffenen Kreditnehmer hingenommen werden.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Speicherung der Eintragung über
die der Antragstellerin erteilte Restschuldbefreiung zulässig. Die Erteilung der
Restschuldbefreiung lässt Rückschlüsse auf die Zahlungsfähigkeit des Schuldners
zu. Dieser war nachweislich über Jahre hinweg nicht in der Lage, die bestehenden
in die Insolvenztabelle eingestellten Verbindlichkeiten vollständig auszugleichen.
Diese Information ist selbstverständlich für die Kreditwirtschaft von wesentlicher
Bedeutung. Der Umstand, dass der Antragstellerin durch die Speicherung der
Restschuldbefreiung nicht in unbeschränktem Maße der Weg zu jeder Art von
neuen Kreditverträgen eröffnet wird, ist insoweit hinzunehmen. Der Zweck des
Insolvenzverfahrens, dem Schuldner einen Neuanfang ohne die zuvor bestehende
Verschuldung zu ermöglichen, steht dem nicht entgegen. Zweck dieser Regelung
ist es nicht, dem Schuldner eine unbeschränkte Inanspruchnahme weiterer Kredite
mit der Folge einer möglichen weiteren Verschuldung zu ermöglichen. Insoweit
treten die Interessen der Antragstellerin vorliegend gegenüber den Interessen der
Antragsgegnerin zurück. Die auf die gesetzliche Frist von drei Jahren beschränkte
Eintragung der Restschuldbefreiung ist nicht zu beanstanden. Prozesskostenhilfe
war daher nicht zu bewilligen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.