Urteil des AG Wiesbaden vom 22.09.2008

AG Wiesbaden: freispruch, vergütung, rechtsschutzversicherung, strafverfahren, versicherungsnehmer, bindungswirkung, vertretung, vollstreckbarkeit, quelle, zivilprozessrecht

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Gericht:
AG Wiesbaden
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
93 C 6107/07 - 17,
93 C 6107/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 14 RVG, Nr 4100 RVG-VV, Nr
4104 RVG-VV, Nr 4108 RVG-
VV, § 812 BGB
Rückzahlungsklage der Rechtsschutzversicherung
hinsichtlich verauslagter Strafverteidigerkosten:
Bindungswirkung der Kostenfestsetzungsentscheidung im
Strafverfahren zugunsten des freigesprochenen
Versicherungsnehmers
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Von der Abfassung eines Tatbestandes wird gemäß § 313 a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung eines Betrages
in Höhe von 319,00 Euro aus ungerechtfertigter Bereicherung.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen über den Betrag von 771,40 Euro
hinausgehenden Anspruch auf Rückzahlung der Vorauszahlung, die in Höhe von
1.090,40 Euro anlässlich der anwaltlichen Vertretung der rechtsschutzversicherten
Versicherungsnehmerin der Klägerin, Frau Sw Sc, in einem Strafverfahren an die
Beklagte geleistet wurde. Die Beklagte hatte anlässlich der anwaltlichen
Vertretung im Strafverfahren Anspruch auf Zahlung von insgesamt 1.090,40 Euro
gemäß §§ 14, Nr. 4100, 4104, 4108 VV RVG in Verbindung mit dem
Anwaltsvertrag, so dass sie die streitgegenständliche Forderung mit Rechtsgrund
im Sinne von § 812 BGB erlangt hat.
Das Amtsgericht Wiesbaden hat im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.12.2006
den Kostenerstattungsanspruch gegen die Staatskasse nach dem Freispruch der
Versicherungsnehmerin gemäß § 464 a Abs. 2 Nr. 2 StPO zwar auf lediglich 771,40
Euro festgesetzt (vgl. Bl. 16 ff d. A.). Diese gerichtliche Kostenfestsetzung ist für
die Höhe der Kostenübernahmepflicht der Klägerin im Verhältnis zu ihrer
Versicherungsnehmerin jedoch nicht bindend. Der Bundesgerichtshof hat bereits
im Jahre 1972 entschieden, dass die Rechtsschutzversicherung den
Differenzbetrag zahlen muss, wenn ein Verteidiger von seinem Mandanten, für den
er einen Freispruch erzielt hat, innerhalb des gesetzlichen Gebührenrahmens eine
höhere Vergütung verlangen kann, als im Verfahren nach § 464 b StPO gegenüber
der erstattungspflichtigen Staatskasse festgesetzt worden ist (vgl. Urteil des BGH
vom 14.07.1972, Az: VII ZR 41/71, VersR 1972, 1141). Dies wurde damit
begründet, dass derjenige Versicherungsnehmer, der einen Freispruch erziele,
nicht schlechter gestellt sein könne, als derjenige, der verurteilt werde. Da im Falle
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nicht schlechter gestellt sein könne, als derjenige, der verurteilt werde. Da im Falle
der Verurteilung kein Dritter für die Kosten erstattungspflichtig sei, trage der
Rechtsschutzversicherer die Kosten in vollem Umfang. Dies müsse erst recht bei
einem Freispruch gelten, wenn die notwendigen Auslagen von der Staatskasse
nicht vollständig zu erstatten sind. Der Zweck einer jeden
Rechtsschutzversicherung bestehe gerade darin, den Versicherungsnehmer von
den ihm erwachsenden Kosten frei zu halten und dies sei bei einem Freispruch
keineswegs weniger als bei einer Verurteilung.
Die Klägerin ist zwar in Höhe von 771,40 Euro von ihrer Leistungspflicht befreit und
der Betrag wurde von der Beklagten auch an die Klägerin zurückgezahlt. Für die
Höhe der Leistungspflicht gilt jedoch im Verhältnis zwischen
Rechtsschutzversicherer und Versicherungsnehmer § 5 Abs. 1 a) ARB, wonach die
Vergütung eines für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwalts bis zur Höhe
der gesetzlichen Vergütung eines am Ort des zuständigen Gerichts ansässigen
Rechtsanwalts geschuldet wird. Die Höhe der gesetzlichen Vergütung richtet sich
nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Der Kostenfestsetzungsbeschluss
hinsichtlich des Erstattungsanspruchs gegenüber der Staatskasse kann durchaus
einen abweichenden Betrag festsetzen. Eine Bindungswirkung besteht nicht. Der
Verteidiger muss sich im Verhältnis zu seinem Mandanten nicht mit der Gebühr
begnügen, die nach § 464 b StPO gegenüber der erstattungspflichtigen
Staatskasse festgesetzt worden ist (vgl. BGH aaO).
Die Beklagte hat ihre Vergütung auf insgesamt 1.090,40 Euro beziffert und hat
dabei jeweils die Mittelgebühr angesetzt, weil sie von einem durchschnittlichen
Schwierigkeitsgrad ausging (vgl. Rechnungen vom 18.10.2005, 26.10.2006 und
16.11.2006, Bl. 11 ff. d. A.). Demgegenüber hat das Amtsgericht Wiesbaden bei
der Festsetzung des Erstattungsanspruchs die Auffassung vertreten, dass die
anwaltliche Tätigkeit bezüglich der Kriterien Bedeutung für den Mandanten,
Schwierigkeitsgrad und Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sowie
Einkommensverhältnisse des Mandanten nur eine Festsetzung der
Rahmengebühren im unteren Bereich rechtfertigt. Das Gericht hat zur Frage der
Angemessenheit der beanspruchten Rechtsanwaltsvergütung ein Gutachten der
Rechtsanwaltskammer eingeholt. In dem Gutachten vom 26.05.2008 (Bl. 105 ff. d.
A.) wird ausgeführt, dass die in den Rechnungen der Beklagten vom 18.10.2005,
26.10.2006 und 13.11.2006 berechneten Gebühren angemessen sind. Dies wird
damit begründet, dass das wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gegen die
Versicherungsnehmerin eingeleitete Strafverfahren für die Versicherungsnehmerin
von erheblicher Bedeutung war. Dies ist angesichts der weitreichenden Folgen, die
eine Verurteilung nach sich gezogen hätte, plausibel. Ferner berücksichtigt die
Rechtsanwaltskammer, dass der Arbeitsumfang und die Intensität der anwaltlichen
Tätigkeit durchschnittlich waren und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse
der Versicherungsnehmerin als unterdurchschnittlich eingestuft werden und
kommt bei einer Gesamtwürdigung zu der Auffassung, dass der Fall insgesamt als
durchschnittlich einzustufen sei. Das Gericht folgt den nachvollziehbaren und
überzeugenden Erwägungen der Rechtsanwaltskammer und hält daher die ...
Festsetzung von Mittelgebühren im vorliegenden Fall für angemessen, so dass die
beanspruchte Rechtsanwaltsvergütung nicht zu beanstanden ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713
ZPO.
Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Berufung ergibt sich aus § 511 IV
ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.