Urteil des AG Wiesbaden vom 03.11.2010

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Gericht:
AG Wiesbaden
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
93 C 1739/10 (31)
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 558 BGB
Leitsatz
Im Rahmen einer Mieterhöhung nach § 558 BGB kann ein Zuschlag für
Schönheitsreparaturen auch dann nicht angesetzt werden, wenn die
Schönheitsreparaturen nach dem Mietvertrag vom Vermieter zu tragen sind und bei
der Mietspiegel von der Abwälzung auf die Mieter ausgeht.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110%
des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte
zuvor selbst Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Beklagte ist Mieterin, die Klägerin Vermieterin einer Wohnung im dritten
Obergeschoss des Hauses ... Str. 15 in W.. Es handelte sich ursprünglich um eine
preisgebundene Wohnung. Nach § 2 des Mietvertrages war vereinbart, dass sich
die monatlich insgesamt seine Miete von damals 950,27 DM zusammensetzt aus
Einzel/Grundmiete in Höhe von 532,81 DM, einem Zuschlag für
Einzelmodernisierung in Höhe von 112,46 DM und Vorauszahlungen auf
Nebenkosten in Höhe von 305 DM. Nach § 3 Abs. 1 des Mietvertrages übernimmt
der Vermieter die Durchführung der Schönheitsreparaturen. Der in der Miete
enthaltene Kostenansatz hierfür wurde mit 14,40 DM je Quadratmeter Wohnfläche
und Jahr beziffert.
Die monatliche Grundmiete betrug bisher 499,49 € und bestand unverändert seit
mehr als 15 Monaten. Mit Schreiben vom 26.10.2009 begehrte die Klägerin von
dem Beklagten die Zustimmung zu einer Mieterhöhung zum 01.01.2010. Zu
begründen sie Bezug auf den Wiesbadenern Mietspiegel und ordnete die
Wohnungen in die Gruppe II, Größenklasse B, Ausstattung mit Heizung und Bad
und gute Wohnlage ein. Den Zahlen des Wiesbadener Mietspiegels liegt zu
Grunde, dass die Schönheitsreparaturen aufgrund vertraglicher Vereinbarungen
von den Mietern zu tragen sind.
Ausgehend vom Mittelwert des Wiesbadener Mietspiegels für diese Gruppe mit
7,42 € und der Wohnungsgröße von 73,99 m² sowie einem Zuschlag von 0,78 € m²
begehrte sie Zustimmung zu einer neuen Grundmiete in Höhe von 599,39 €. Der
Beklagte ließ der Mieterhöhung der Schreiben des von ihm beauftragten
Mieterbundes Wiesbaden vom 16.12.2009 auf 521,63 € zustimmen.
Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe aufgrund ihrer Pflicht zur Zahlung der
Kosten der Schönheitsreparaturen gegen den Beklagten ein Anspruch auf
Zustimmung zu dem von ihr begehrten neuen Mietzins zu. Der
Schönheitsreparaturenzuschlages sei Bestandteil der Grundmiete und bei einer
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Schönheitsreparaturenzuschlages sei Bestandteil der Grundmiete und bei einer
Mieterhöhung insoweit zu berücksichtigen, als er einen Bestandteil der
ortsüblichen Vergleichsmiete für vergleichbare Mietverhältnisse mit solchen
Regelungen darstelle. Er sei zu ermitteln nach den Werten, die erfahrungsgemäß
für Schönheitsreparaturen anfielen und könne unter Heranziehung der §§ 28, 26
der II. Berechnungsverordnung ermittelt werden.
Die Klägerin beantragte zunächst,
den Beklagten zu verurteilen, einer Anhebung der Nettokaltmiete für die von
ihm bewohnte Wohnung ... Str. 15 in W. von 499,49 € monatlich um 99,90 €
monatlich auf 599, 39 € monatlich zum 01.01.2010 zuzustimmen.
Nach einer Teilrücknahme der Klage wegen der bereits vorprozessual
abgegebenen Teilzustimmung zur Mieterhöhung und der Teileinigung der Parteien
über einen Abschlag von 2,5% von Mittelwert des Wiesbadener Mietspiegels wegen
lagebedingter Beeinträchtigungen und weiteren Teilzustimmung des Beklagten zur
Erhöhung des Mietzinses auf 7,92 € je Quadratmeter = 5 mit 430,20 € haben die
Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt
erklärt.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
den Beklagten zu verurteilen, einer Anhebung der Nettokaltmiete für die von
ihm bewohnte Wohnung ... Str. 15 in W. von 534,20 € monatlich um 65,19 €
monatlich auf 599, 39 € monatlich zum 01.01.2010 zuzustimmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, ein Anspruch auf Zahlung eines
Schönheitsreparaturenzuschlages bestehe nicht. Hinsichtlich der weiteren
Einzelheiten des Parteivortrags wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt. Das
Gericht den Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht,
auf den 22. 10. 2010 festgelegt.
Entscheidungsgründe
Nach dem sich die Parteien zur Vermeidung der Einholung eines
Sachverständigengutachtens über die Höhe des Abschlages wegen der
lagebedingter Nachteile darüber einigten, dass ein Abschlag in Höhe von 2,5% von
Mittelwert vorzunehmen ist und sie sich auch darüber einig sind, dass für
vergleichbare Wohnungen, bei denen die Schönheitsreparaturen durch die Mieter
zu tragen sind, der Mittelwert des Mietspiegels die ortsüblichen Miete darstellt, war
lediglich über die Frage zu entscheiden, ob die ortsübliche Miete in der für
Schönheitsreparaturen von der Klägerin aufzuwendenden Kosten zu erhöhen ist.
Diese Frage war zu verneinen. Der in der Literatur vertretenen Auffassung, wonach
bei der von Anfang an nicht beabsichtigten Abwälzung der Pflicht zur Durchführung
der Schönheitsreparaturen auf Mieter ein solcher Zuschlag verlangt werden kann,
wenn die einem Mietspiegel zugrunde gelegten Zahlen von der Abwälzung auf die
Mieter ausgehen (Schmidt-Futterer, Mietrecht, § 558a BGB, Rz 50,51), war nicht zu
folgen. Zwar ist das Argument nachvollziehbar, dass der Wert der Gegenleistung
des Mieters sich aus der Mietzahlung und den sonstigen von ihm übernommenen
Gegenleistungen zusammensetzt und die Werte des Mietspiegels deshalb nur
einen Teil der Gegenleistung enthalten.
Diese Rechtsauffassung, der auch das Gericht zunächst zuneigte, lässt sich jedoch
mit den gesetzlichen Regelungen zur Mieterhöhung nicht in Einklang bringen.
Zulässig ist eine Erhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete. Diese wird nach §
558 Abs. 2 BGB gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde für
Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage in der
letzten vier Jahren vereinbart oder geändert wurde. Maßgeblich hierbei sind die
Marktverhältnisse und die genannten Kriterien, nicht vertragliche Vereinbarungen
über weitere Pflichten der Miete mit Entgeltcharakter. Die Einführung eines
Kostenelements ohne Rücksicht auf die Durchsetzbarkeit am Markt verletzt das
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Kostenelements ohne Rücksicht auf die Durchsetzbarkeit am Markt verletzt das
vom Gesetzgeber vorgesehene System der Vergleichsmieten (so auch Sternel,
Mietrecht Aktuell, 4. Auflage, IV Randziffer 186; BGH, Urteil vom 09.07.2008, NJW
2008,2840 ff). Dieses Argument gilt unabhängig davon, ob eine Pflicht des
Vermieters zur Durchführung von Schönheitsreparaturen bereits ursprünglich
vereinbart wurde oder ob die Übertragung auf den Mieter unwirksam war.
Abgesehen von dem gesonderten geregelten Fall die Betriebskosten stellen
sonstige Leistungen des Mieters keine gesetzlich vorgesehenen Elemente für die
Feststellung der Ortsüblichkeit der Miete dar.
Hinzukommt, dass die Parteien im Mietvertrag keinen Zuschlag für
Schönheitsreparaturen vorsahen sondern lediglich in § 3 des Mietvertrages der
von der damaligen Vermieterin kalkulatorisch einbezogene Anteil beziffert wurde.
Eine vertragliche Vereinbarung, neben der ortsüblichen Miete einen weiteren
Kosten Anteil zu zahlen, kann hieraus nicht entnommen werden.
Eines gerichtlichen Hinweises auf die gegenüber dem Hinweis vom 10.09.2010
geänderte Rechtsauffassung bedurfte es nicht, da die Parteien bereits
erschöpfend ihre Rechtsauffassung vorgetragen haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2,269 Abs. 3 und 91a ZPO. Soweit
die Klägerin in der Hauptsache unterlag und die Klage zurückgenommen hat,
waren ihr die Kosten aufzuerlegen. Hinsichtlich des erledigten Teils des
Rechtsstreits war nach den Grundsätzen des § 91a ZPO zu entscheiden. Der
ansonsten vorzunehmenden Kostenverteilung hinsichtlich dieses Teils, der die
Einigung über den Höhe des lagebedingten Abschlages beinhaltet, steht der hier
zu berücksichtigende Grundsatz des § 92 Abs. 2 ZPO entgegen. Das Unterliegen
des Beklagten war im Verhältnis zum Gegenstandswert geringfügig und
verursachte keine besonderen Kosten.
Das Urteil war gemäß § 708 Nr. 11 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die
Entscheidung über die Abwendungsbefugnis beruht auf § 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.