Urteil des AG Wiesbaden vom 09.09.2010

AG Wiesbaden: arglistige täuschung, irrtum, missverhältnis, kaufmann, nichtigkeit, gegenleistung, erfüllung, widerrufsrecht, urkunde, kopie

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Gericht:
AG Wiesbaden
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
93 C 2390/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 119 BGB, § 138 Abs 1 BGB
Leitsatz
Eine Anfechtung wegen Irrtums scheidet aus, wenn der erklärende eine Erklärung
abgibt, ohne den Inhalt der unterzeichneten Urkunden sorgfältig zu lesen. Ein auffälliges
Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB an
führt nicht ohne weiteres zur Nichtigkeit. Hinzutreten müssen vielmehr weitere
sittenwidrige Umstände, wie z. B. eine verwerfliche Gesinnung. Die Vermutung einer
verwerflichen Gesinnung gilt regelmäßig nicht, wenn der benachteiligt der Kaufmann ist.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gem. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO
abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Klägerin steht der klageweise geltend gemachte Anspruch auf Zahlung unter
keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu, auch nicht aus § 812 Abs. 1 BGB.
Die Klägerin ist als Anspruchstellerin darlegungs- und beweisbelastet für das
Fehlen eines rechtlichen Grundes. Dies ist ihr nicht gelungen.
Ein Widerrufsrecht stand der Klägerin nicht zu. Die Schutzvorschriften der § 312b
und § 312d BGB sind auf die Klägerin als Unternehmerin im Sinne von § 14 BGB
und Kauffrau im Sinne von § 1 HGB jedenfalls nicht anwendbar.
Auch ein Anfechtungsrecht stand der Klägerin nicht zu.
Eine Irrtumsanfechtung scheidet jedenfalls aus, da sich die Beklagte nicht irrte.
Irrtum ist nur die unbewusste Unkenntnis vom wirklichen Sachverhalt. Kein Irrtum
liegt hingegen vor, wenn der Erklärende eine Erklärung abgibt, ohne den Inhalt der
unterzeichneten Urkunde sorgfältig zu lesen. Da hier die Anzahl der vereinbarten
Auflagen in den auf der Vertragsurkunde vorhandenen Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Beklagten enthalten ist, erscheint ein Irrtum
ausgeschlossen. Auch kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass die
Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten auf dem Telefax nicht lesbar
gewesen seien. Zum einen kann das Gericht auf der als Anlage K1 überreichten
Kopie die entsprechenden Klauseln durchaus erkennen. Zudem stellt sich die
Frage nach der Schutzwürdigkeit der Klägerin, wenn sie denn ein Formular
unterzeichnet, dessen Inhalt sie nicht entziffern kann.
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Auch eine arglistige Täuschung ist nicht erkennbar, da die Klägerin nicht getäuscht
wurde. Dass sich die genannten Preise auf jeweils eine Auflage beziehen, ist ohne
weiteres ersichtlich. Die Anzahl der Auflagen hingegen ergibt sich aus den
Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Der Vertrag ist doch nicht etwa wegen Verstoß gegen § 138 BGB nichtig. Zu den
subjektiven Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 BGB, der Ausbeutung einer
Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der
erheblichen Willensschwäche hat die insofern darlegungs- und beweisbelastete
Klägerin nicht vorgetragen. Aber auch 138 Abs. 1 BGB hilft der Klägerin hier nicht
weiter. Auch ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung
führt nicht ohne weiteres zur Nichtigkeit. Hinzutreten müssen vielmehr weitere
sittenwidrige Umstände wie zum Beispiel eine verwerfliche Gesinnung. Die
Vermutung einer verwerflichen Gesinnung gilt aber in der Regel nicht, wenn der
Benachteiligte Kaufmann ist. (Vergleiche Palandt-Heinrichs, § 138 BGB, Rn 34, 34c
m.w.N.) Zudem muss sich die Klägerin fragen lassen, warum sie denn dieses
Angebot überhaupt unterschrieben hat, wenn denn der Wert der Leistungen der
Beklagten in einem so krassen Missverhältnis zu dem versprochenen Entgelt
gestanden haben soll.
Soweit die Klägerin in der Klage pauschal die vertragsgemäße Erbringung der
geschuldeten Leistungen bestreitet, ist dies nicht ausreichend. Die Beklagte hat in
der Klageerwiderung substantiiert zur Verteilung vorgetragen und damit ihrer
sekundären Darlegungslast genüge getan. Es wäre daher nunmehr an der Klägerin
gewesen, substantiiert eine mangelhafte Erfüllung zu behaupten. Dies hat sie
jedoch nicht getan. Zudem hätte sie auch eine mangelhafte Erfüllung nicht ohne
weiteres zum Rücktritt, sondern allenfalls zur Nacherfüllung berechtigt. Dies hat sie
jedoch gar nicht verlangt.
Der Zinsanspruch teilt das Schicksal der unbegründeten Hauptforderung.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11,
711, 713 ZPO. Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Sache keine
grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung noch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung eines
Berufungsgerichts erfordern.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.