Urteil des AG Wetzlar vom 03.11.2008

AG Wetzlar: abgabe, auskunftserteilung, fax, erfüllung, erlass, umkehrschluss, quelle, dokumentation, zivilprozessrecht, verdacht

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Gericht:
AG Wetzlar
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 IN 101/04
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 98 InsO
Insolvenzverfahren: Anordnung der Abgabe einer
eidesstattlichen Versicherung bei zögerlicher
Auskunftserteilung
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 16.06.2008 über die
Anordnung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung wird aufgehoben.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten
werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der selbständig tätige Erinnerungsführer ist Schuldner eines über sein Vermögen
eröffneten Insolvenzverfahrens. Trotz intensiver Bemühungen des
Insolvenzverwalters Rechtsanwalt Helmke, insbesondere mehrerer Erinnerungen,
kam er dessen wiederholter Aufforderung zunächst nicht nach, die zur Ermittlung
der zur Masse abzuführenden Pfändungsbeträge erforderliche Einnahme-
Überschuss-Rechnung für das Jahr 2006 vorzulegen.
Der Insolvenzverwalter beantragte daher unter dem 22.04.2008,
den Schuldner zwecks wahrheitsgemäßer Auskunftserteilung über seine
Einnahmen und Ausgaben im Jahr 2006 gerichtlich zu vernehmen und
erforderlichenfalls anzuordnen, dass er an Eides Statt versichert, die von ihm
verlangte Auskunft nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig
erteilt zu haben.
Am 6.05.2008 ging dem Insolvenzverwalter ein Fax-Schreiben mit einer nicht
unterzeichneten „Anlage EÜR 2006“ zu. Unter dem 11.06.2008 teilte der Verwalter
mit, dass ihm nunmehr eine unterzeichnete Einnahmen-Überschuss-Rechnung
vorgelegt worden sei, der Schuldner sich „jedoch beharrlich … [weigere] …, die
Richtigkeit und Vollständigkeit seiner diesbezüglichen Angaben an Eides Statt zu
versichern“.
Die geforderte eidesstattliche Versicherung ist bis heute nicht abgegeben worden.
Mit Beschluss vom 16.06.2008 ordnete der zuständige Rechtspfleger bei dem
Amtsgericht die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung unter Bezugnahme auf
die §§ 98, 101 Abs. 1 S. 1, 2 ZPO an.
Der Schuldner legte mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 24.06.2008 – per
Fax am gleichen Tag bei Gericht eingegangen - dagegen „sofortige Beschwerde“
ein und beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar aufzuheben.
Er ist der Auffassung, dass er nicht zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung
verpflichtet und die von ihm verlangte Handlung „rein willkürlich“ sei und
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verpflichtet und die von ihm verlangte Handlung „rein willkürlich“ sei und
„augenscheinlich nur eine Machtdemonstration des Treuhänders gegenüber dem
Schuldner“ darstelle.
Der Rechtspfleger hat mit Vermerk vom 21. Juli 2008 erklärt, dass er der als
Erinnerung auszulegenden „sofortigen Beschwerde“ des Schuldners nicht abhelfe
und dem Richter vorgelegt. Zur Nichtabhilfe hat er ausgeführt, dass die Weigerung
des Schuldners, die eidesstattliche Versicherung abzugeben, nicht nachvollzogen
werden könne, so dass die Versicherung an Eides Statt sehr wohl zur
Herbeiführung bzw. Bestätigung der wahrheitsgemäßen Aussage beitrage.
Der Schuldner bat mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 31.07.2008 um
Fristverlängerung zur Stellungnahme, die ihm antragsgemäß gewährt wurde. Eine
Stellungnahme ist bis zum heutigen Tage nicht bei Gericht eingegangen.
II.
Vorab war die „sofortige Beschwerde“ des Schuldners gegen den Beschluss über
die Anordnung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach den §§ 133,
157 BGB als statthafter Rechtsbehelf der Erinnerung auszulegen. Die
Falschbezeichnung ist dabei unschädlich, da der Antrag und seine Begründung
jedenfalls erkennen lassen, dass der Schuldner den jeweils statthaften
Rechtsbehelf gegen die ihn belastende Entscheidung des Gerichts ergreifen
möchte.
Die Erinnerung ist zulässig, insbesondere nach den §§ 11 Abs. 2 RPflG, 567 ZPO
statthaft und auch innerhalb der zweiwöchigen Notfrist der §§ 11 RPflG, 569 Abs. 1
ZPO eingelegt worden. Der zuständige Rechtspfleger hat der Erinnerung nicht
abgeholfen und die Sache dem Richter zur Entscheidung vorgelegt (§ 11 Abs. 2 S.
3 RPflG).
Die Erinnerung hat auch in der Sache Erfolg.
Zwar ist dem Insolvenzverwalter und dem Rechtspfleger bei seiner Nichtabhilfe-
Entscheidung durchaus beizupflichten, wenn sie die zögerliche Mitwirkung des
Schuldners bei der Erfüllung seiner Obliegenheiten gegenüber dem
Insolvenzverwalter (nicht „Treuhänder“, wie der Schuldner meint) rügen. So hat
der Schuldner erst nach mehreren Erinnerungen des Insolvenzverwalters die
Einnahmen-Überschuss-Rechnung für 2006 vorgelegt und auch im Übrigen nur
geringe Kooperationsbereitschaft gezeigt. Auch tragen die sinngemäßen
Ausführungen des Erinnerungsführers, der Insolvenzverwalter habe den Antrag
willkürlich gestellt, um seine Macht zu demonstrieren, die Erinnerung natürlich
nicht, ohne dass es hierzu weiterer Ausführungen bedürfte.
Die Aufhebung des Beschlusses war allerdings deshalb veranlasst, weil die
Anordnung der eidesstattlichen Versicherung nur dann erfolgen darf, wenn
Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Schuldner die verlangten Auskünfte
unrichtig oder unvollständig erteilt hat (Uhlenbruck, Insolvenzordnung, § 98, Rz. 2).
Sie dient primär dem Zweck, den Schuldner zur wahrheitsgemäßen und
vollständigen Erteilung der verlangten Auskünfte zu veranlassen. Zu derartigen
Anhaltspunkten ist aber weder vorgetragen worden, noch sind diese sonst aus der
Akte ersichtlich. Die schleppende Erfüllung seiner Obliegenheiten alleine begründet
noch nicht den Verdacht, dass die von dem Schuldner letztendlich erteilten
Auskünfte unwahr oder unvollständig sein könnten.
Auch das Argument, dass für die Unwahrheit und/oder Unvollständigkeit der
Auskünfte spreche, dass der Schuldner ihre Wahrheit und Vollständigkeit nicht an
Eides Statt versichern wolle, trägt nicht. Es handelt sich um eine unzulässige
Tautologie. Auf der Grundlage dieser Argumentation wäre jeder Schuldner eines
Insolvenzverfahrens schutzlos, da jede Gegenwehr gegen die Anordnung der
Abgabe der eidesstattlichen Versicherung die Anordnung zugleich rechtfertigen
würde, umgekehrt aber ohne Gegenwehr die Pflicht zur Abgabe natürlich bestehen
bleiben würde.
Soweit Kroth (in Braun, Insolvenzordnung, 3. A., § 98, Rz. 3) die Auffassung vertritt,
dass für die Anordnung der eidesstattlichen Versicherung lediglich abstrakt auf die
Bedeutung der Auskunft für das Verfahren abzustellen sei, nicht aber darauf, ob
bereits Hinweise auf eine unwahre oder unvollständige Auskunft vorlägen, vermag
das Gericht ihm darin nicht zu folgen. Der Wortlaut des § 98 Abs. 1 InsO steht
dieser Auslegung des Gesetzes entgegen. Danach muss die Anordnung „zur
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dieser Auslegung des Gesetzes entgegen. Danach muss die Anordnung „zur
Herbeiführung wahrheitsgemäßer Aussagen erforderlich“ erscheinen. Im
Umkehrschluss müssen also noch vor Erlass der Anordnung objektive Hinweise
darauf vorliegen, dass die bislang erteilten Auskünfte unwahr oder unvollständig
sind. Auch das Argument Kroths, dass zum Zeitpunkt der Anordnung der
Versicherung an Eides Statt regelmäßig noch gar keine Auskunft vorliege und
somit auch keine Vermutung der Unwahrheit oder Unvollständigkeit stützen
könne, vermag nicht zu überzeugen. Zum einen hat der Schuldner des
vorliegenden Verfahrens mit der Einnahmen-Überschuss-Rechnung 2006 bereits
Auskunft erteilt, ohne dass erkennbar wäre, dass diese fehlerhaft wäre. Zum
anderen ist nicht ersichtlich, was einem zweistufigen Verfahren (1. Stufe:
Auskunftsstufe, 2. Stufe bei objektiven Hinweisen auf die Unwahrheit oder
Unvollständigkeit der erteilten Auskunft: Abgabe der Versicherung an Eides Statt)
in rechtsdogmatischer Hinsicht oder auch aus Praktikabilitätsgründen entgegen
stehen sollte.
Letztlich handelt es sich bei der Anordnung der Abgabe der Versicherung an Eides
Statt um eine den Schuldner beschwerende Maßnahme des Gerichts, die nur dann
gerechtfertigt ist, wenn ihre gesetzlichen Voraussetzungen zu bejahen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 11 Abs. 4 RPflG. Außergerichtliche Kosten
fallen nicht an.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.