Urteil des AG Wermelskirchen vom 16.09.2003

AG Wermelskirchen (grundpreis, wirtschaftliche zwangslage, verhältnis zwischen, erhöhung, höhe, haus, wasser, feststellungsklage, ermessen, berechnungsgrundlage)

Amtsgericht Wermelskirchen, 2 C 55/03
Datum:
16.09.2003
Gericht:
Amtsgericht Wermelskirchen
Spruchkörper:
Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 C 55/03
Nachinstanz:
Landgericht Köln, 19 S 253/03
Tenor:
Es wird festgestellt, dass die seitens der Beklagten bzw. ihrer
Rechtsvorgängerin, der X GmbH, der Klägerin unterbreiteten
Berechnungsgrundlage für den Wassergrund-preis sowie den
Jahresgrundpreis ab dem 01.06.2002 unwirksam ist.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung wegen
der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um die Zulässigkeit der Änderung und Erhöhung der
Wassergebühren.
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Die Klägerin ist Eigentümerin des Hauses P-Straße in X, in dem sich ein Privathaushalt
und ein Lager und Büro eines Malerbetriebes befinden. Die Beklagte ist die
Rechtsnachfolgerin der X GmbH, mit der die Klägerin einen Wasserbezugsvertrag
geschlossen hatte, und beliefert das Haus der Klägerin mit Wasser. Das Haus hat einen
Anschluss und eine Wasseruhr.
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Mit Schreiben der Beklagten vom 24.09.2002 teilte diese mit, dass die
Berechnungsgrundlagen geändert wurden und nunmehr eine Grundgebühr für einen
Haushalt und eine Gewerbeeinheit zu zahlen sei. Nach den früher geltenden Tarifen
war lediglich ein Grundpreis pro Wasserzähler, unterschieden nach Hauswasserzähler
und Großwasserzähler, sowie innerhalb dieser beiden Kategorien nach Nenngröße, zu
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zahlen. Danach betrug der Grundpreis für das Haus der Klägerin 11,66 DM monatlich,
also 5,96 EUR monatlich.
Nunmehr wird für das Haus der Klägerin bei gleichzeitiger Preiserhöhung ein
monatlicher Grundpreis für den Privathaushalt von 8,20 EUR monatlich und für die
gewerbliche Nutzung von 12,03 EUR, insgesamt von 20,23 EUR berechnet.
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Der Verbrauchspreis wurde gleichzeitig von 1,73 EUR/m³ auf 1,61 EUR/m³ gesenkt.
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Die Klägerin ist der Ansicht, die Erhöhung der monatlichen Grundgebühr sei
sittenwidrig, da sie fast das Vierfache des früheren Preises betrage.
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Die Klägerin beantragt,
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festzustellen, dass die seitens der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin,
der X GmbH, der Klägerin unterbreiteten Berechnungsgrundlage für den
Wassergrundpreis sowie der Jahresgrundpreis ab dem 01.06.2002
unwirksam ist;
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hilfsweise, festzustellen, dass die Forderung der Beklagten in der Rechnung
vom 16.05.2003 hinsichtlich der Wasserkosten teilweise - in Höhe von
171,16 EUR - unbegründet ist.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, die Erhöhung sei rechtmäßig. Im Vergleich zu
benachbarten Wasserversorgungsunternehmen sei der Kubikmeterpreis günstiger,
weshalb nicht von wucherischen Preisen gesprochen werden könne, der erhebliche
Anteil von Fixkosten finde nunmehr in dem höheren Grundpreis Berücksichtigung.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
überreichten Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage begründet.
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Die Klägerin kann im Wege der Feststellungsklage vorgehen, da ein
Feststellungsinteresse besteht. Zwar liegt inzwischen eine erste Abrechnung vor, in der
die geänderte Abrechnung angewendet wurde, aber auch insoweit kann die Klägerin
nur mit einer negativen Feststellungsklage, nicht mit einer Leistungsklage, gegenüber
der Beklagten vorgehen, sodass für die Feststellungsklage des Hauptantrages nach wie
vor das Interesse gegeben ist.
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Zwischen den Parteien besteht ein Wasserversorgungsvertrag, aus dem die Beklagte
einen Anspruch auf Zahlung des Wasserpreises hat. Die Höhe dieses Preises bestimmt
die Beklagte einseitig, § 4 AVBWasserV v. 20.06.1980.
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Dabei unterliegt die Preisgestaltung der richterlichen Überprüfung gem. § 315 BGB.
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Danach hat die Bestimmung der Leistung, die einer Vertragspartei überlassen wird,
nach billigem Ermessen zu erfolgen.
Die Preisbestimmung hat sich unter Beachtung des Prinzips, dass die Versorgung so
preiswürdig wie möglich zu gestalten ist, einerseits an den Kosten und andererseits der
Erzielung eines Gewinns, der in angemessenem Umfang die Bildung von Rücklagen,
die Vornahme von Investitionen und die Verzinsung des Fremd- und Eigenkapitals
erlaubt, zu orientieren (BGH NJW-RR 1992, 183).
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Eine Preisbestimmung hatte die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin bereits
vorgenommen mit den zuletzt geltenden Tarifen vom 01.07.1995, Bl.11, 12. Danach war
der Wasserpreis in zwei Blöcke gesplittet, nämlich einen Grundpreis und einen
Mengenpreis.
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Mit den neuen Tarifen vom 01.06.2002, Bl.10, hat sie das System des Grundpreises
geändert und den Grundpreis erheblich erhöht. Diese Erhöhung ist ebenfalls
überprüfungsfähig und muss billigem Ermessen entsprechen. Dabei ist auch der
allgemeine Grundsatz des § 138 BGB zu beachten, wonach ein Rechtsgeschäft nichtig
ist, bei dem ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht
und eine wirtschaftliche Zwangslage ausgenutzt wird. So kann die Ausnutzung einer
Monopolstellung bei der Entgeltfestsetzung für Wasserlieferung ein sittenwidriges
Verhalten darstellen.
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Die objektiven Voraussetzungen hierfür sind gegeben, wenn man im Rahmen der
Einzelfallbetrachtung die der Klägerin nunmehr auferlegten Grundpreiskosten
betrachtet. Diese haben sich gegenüber der vorherigen Berechnungsweise mehr als
verdreifacht, sodass hier das von der Rechtsprechung aufgestellte Kriterium, nämlich
eine Überschreitung um mindestens 100 %, gegeben ist. Diese Erhöhung ist nur dann
nicht sittenwidrig, wenn es nach billigem Ermessen erforderlich erscheint, eine solche
Preiserhöhung durchzusetzen.
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Grundsätzlich erscheint die Aufteilung der Wasserkosten in zwei Preiskategorien als
angemessene Preisfestsetzung. Es fehlt aber an genügendem Vortrag, warum die
Kategorie verbrauchsunabhängiger Kosten - neben einer allgemeinen Erhöhung - auch
in dem Verteilungsschlüssel zu ändern war. Bisher wurde hinsichtlich der Berechnung
des Grundpreises nur nach Hauswasserzähler und Großwasserzähler unterschieden.
Der Grundpreis für Hauswasserzähler richtete sich nach der Nenngröße, bezog sich
insofern also auf die Größe des Rohres und damit auch auf den
Wasserabnahmeumfang im Objekt.
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Der Vortrag der Beklagten, gewerbliche Objekte hätten einen höheren Bedarf und
insofern müsse ein erhöhter Druck und eine höhere Menge an Wasser vorgehalten
werden, erscheint nicht schlüssig, wenn sich vorliegend an den tatsächlichen
Gegebenheiten im Netz nichts geändert hat, es weiterhin nur einen Hausanschluss mit
einem durch den Rohrdurchmesser begrenzten tatsächlichen Durchfluss gibt. Im
übrigen ist die Behauptung eines erhöhten Bedarfs gewerblicher Objekte nicht richtig,
soweit es sich nicht um Produktionsbetriebe handelt, wie sich schon aus der Rechnung
der Beklagten an die Klägerin vom 16.05.2003 ergibt, die einen Verbrauch des
Gesamtobjektes, also Privathaushalt und Gewerbebetrieb, von 169 m³ für 2001/02 und
von 177 m³ für 2002/03 ausweist.
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Es erscheint auch nicht gerechter, statt nach dem Hausanschluss nach den
Bedarfseinheiten im Objekt den Grundpreis zu erheben. Die Bedarfseinheiten innerhalb
eines Objektes können auch bei unterschiedlicher Ausgleichslage gleich sein.
Unterstellt man beispielsweise eine Wohnungseigentumsanlage mit 6 Einheiten, in
denen 6 Personen leben, ist kein Unterschied zu einem Einfamilienhaus mit 6
Bewohnern zu erkennen, die aber nach dem neuen Preissystem mit 5 bzw. 1
monatlichen Grundpreis belastet werden. Ähnliche Beispiele könnten noch viele
gefunden werden.
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Demnach rechtfertigt sich die Umstellung der Grundpreisverteilung auf Bedarfseinheiten
statt auf Hausanschlüsse nicht. Insbesondere führt dies von dem
gesamtgesellschaftlichen Anliegen, mit Wasser sparsam umzugehen, weg, da nicht
nach tatsächlichem Bedarf, sondern pauschalierter, damit aber auch ungerechter verteilt
wird.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.
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Streitwert : 798,00 EUR; nämlich 228,00 EUR jährliche Mehrkosten x 3,5 gem. § 9 ZPO
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