Urteil des AG Wedding vom 14.03.2017

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Gericht:
AG Wedding
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
14 C 509/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 253 BGB, § 823 Abs 1 BGB
(Verkehrssicherungspflichtverletzung: Präsentation von
Fahrradanhängern unter einer Hängevorrichtung für Fahrräder
in einem Baumarkt)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in
gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte zu 2) auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und
Schadensersatz wegen der Verletzung einer Verkehrsicherungspflicht in Anspruch.
Die Beklagte zu 1) ist der Betriebshaftpflichtversicherer der Beklagten zu 2). Am 04. Mai
2006 begab sich der Kläger in den von der Beklagten zu 2) im K weg ..., ... B,
betriebenen Baumarkt. Dort sah er sich die von der Beklagten zu 2) angebotenen
Fahrradanhänger an. Diese standen unter den dort ferner ausgestellten Fahrrädern. Die
Fahrräder waren in ein Metallgestänge gestellt und befanden sich etwa 1,5 m über dem
Boden. Die Haltevorrichtung verfügte an den Enden der Träger und Schienen nicht über
Gummischutzkappen.
Der Kläger bückte sich unter das Gestell mit den Fahrrädern und stieß beim
Hochkommen mit dem Kopf gegen eine der Metallschienen. Er erlitt dabei eine
Platzwunde am Kopf, ihm wurde schwindlig und er hatte kurzzeitig Kreislaufprobleme.
Der Kläger wurde in die Charité gebracht. Dort wurde die Platzwunde genäht. Dem Kläger
entstanden dabei Kosten in Höhe von 10,00 Euro (Praxisgebühr).
Der Kläger trägt vor, die Beklagte zu 2) habe die ihr obliegende
Verkehrssicherungspflicht verletzt, indem sie die Anhänger in einer Weise angeboten
hat, durch die der Kunde gezwungen werde, sich unter das Metallgestell zu begeben, um
sich die Ware näher anzusehen. Dabei werde er durch das nicht weiter geschützte
Gestänge gefährdet. Auf solche Gefahren habe der Kunde auch nicht zu achten, da er
von einer ordnungsgemäßen Sicherung ausgehen dürfe. Ihn treffe daher kein
Mitverschulden. Angesichts der erlittenen Verletzungen hält der Kläger ein
Schmerzensgeld von 800,00 Euro bis 1.000,00 Euro für angemessen.
Der Kläger verlangt mit der am 04. Oktober 2006 zugestellten Klage die Zahlung eines
Schmerzensgeldes von mindestens 800,00 Euro, den Ersatz der Praxisgebühr von 10,00
Euro sowie die Zahlung einer Kostenpauschale von 15,00 Euro.
Er hat zunächst die Beklagten als Gesamtschuldner in Anspruch genommen und die
Klage mit Schriftsatz vom 05. Oktober 2006 zurückgenommen, soweit sie gegen die
Beklagte zu 1) gerichtet war.
Der Kläger beantragt nunmehr,
die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn Schadenersatz iHv 10,00 Euro nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, eine
Kostenpauschale von 15,00 Euro sowie ein angemessenes Schmerzensgeld nicht unter
800,00 Euro, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu zahlen.
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Die Beklagte zu 2) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte zu 2) wendet ein, die Verletzung des Klägers beruhe nicht auf einer
Verkehrssicherungsverletzung durch sie. Durch die Art der Aufstellung der Fahrräder und
Anhänger würden die Kunden nicht gefährdet. Der Unfall sei allein Folge eines
unachtsamen Verhaltens des Klägers. Schließlich sei das begehrte Schmerzensgeld
überhöht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die
zwischen den Parteien gewechselten umfangreichen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug
genommen.
Der Kläger hat die Klage zunächst beim Amtsgericht Pankow/Weißensee eingereicht.
Dieses hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 16. Oktober 2006 an das Amtsgericht
Wedding verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld
und Schadensersatz (Praxisgebühr und Kostenpauschale) bereits dem Grunde nach
weder nach den Grundsätzen einer unerlaubten Handlung
(Verkehrssicherungspflichtverletzung) gemäß §§ 823 ff BGB in Verbindung mit § 253
Abs. 2 BGB noch aus einem anderen Rechtsgrund gegen die Beklagte zu 2) zu.
Es fehlt an einer Verkehrssicherungspflichtverletzung durch die Beklagte zu 2). Der
Kläger hat sich die Verletzungen am 04. Mai 2006 nicht infolge einer solchen
Pflichtverletzung zugezogen.
Dabei gilt grundsätzlich, dass derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, verpflichtet ist,
eine daraus resultierende Schädigung Dritter zu vermeiden und hierzu alle als zumutbar,
angemessen und erforderlich anzusehenden Maßnahmen zu ergreifen. Das Ausmaß
dieser Sicherungspflichten richtet sich jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, wobei
zu beachten ist, dass eine absolute Sicherheit nicht gewährleistet werden kann und
muss. Der Umfang der zu ergreifenden Maßnahmen ist jeweils davon abhängig, was zur
Gefahrenabwehr notwendig und zumutbar ist, um einen Dritten vor solchen Gefahren zu
schützen, die er selbst bei der Anwendung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt nicht
erkennen und vermeiden kann (vgl. hierzu OLG Hamm VersR 2003, 605).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist eine Verkehrssicherungspflichtverletzung nicht
anzunehmen.
Die Beklagte zu 2) war verpflichtet, die von ihr angebotene Ware auf eine Weise zu
präsentieren, dass die Kunden und Besucher des Baumarktes durch die Aufstellung der
Ware nicht zu Schaden kommen, wenn sie sich bestimmungsgemäß und im Rahmen der
von ihnen zu erwartenden Sorgfalt im Baumarkt bewegen und dabei beispielsweise die
Ware prüfen.
Dieser Pflicht ist die Beklagte zu 2) aber nachgekommen. Sie hat die Fahrräder in einer
Haltevorrichtung gelagert und die Anhänger darunter aufgestellt. Diese Aufstellung
führte für sich genommen nicht zu einer Behinderung oder Gefährdung im Bereich der
Laufflächen oder bei der Besichtigung der Ware.
Soweit der Kläger zutreffend ausführt, dass er sich unter die Fahrradhaltevorrichtung
bücken musste, um sich die Anhänger näher ansehen (oder herausziehen) zu können,
folgt auch daraus keine nicht beherrschbare Gefahrenlage, der die Beklagte durch
besondere Schutzmaßnahmen zu begegnen hat. Vielmehr war die Gefahr, sich beim
Hochkommen angesichts der räumlichen Gegebenheiten an dem Gestänge zu stoßen,
für jedermann und damit auch für den Kläger bei Anwendung der in dieser konkreten
Situation von ihm zu erwartenden Sorgfalt offensichtlich und mithin erkennbar und
vermeidbar. Angesichts der genannten Warenaufstellung war nämlich erkennbar
Vorsicht beim Hochkommen geboten. Im Falle der schwierigen Erreichbarkeit der Ware,
war der Kläger überdies gehalten, sich an das bei der Beklagten beschäftigte
Verkaufspersonal zu wenden, um sich helfen zu lassen.
Aus den genannten Gründen war die Beklagte zu 2) nicht gehalten, die Ware anders zu
präsentieren oder das Gestänge mit besonderen Schutzkappen zu versehen. Ferner
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präsentieren oder das Gestänge mit besonderen Schutzkappen zu versehen. Ferner
kann dahinstehen, ob sich in der Vergangenheit bereits ein ähnlicher Vorfall ereignet
hat, weil es zur Beurteilung der Pflichtwidrigkeit jeweils auf die konkreten Umstände des
Einzelfalles ankommt.
Nach alledem war die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2, 281, 708 Nr.
11 und 711 ZPO.
Die vorstehenden Ansichten des Gerichts waren Gegenstand der eingehenden
Erörterung im Termin zur mündlichen Verhandlung.
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