Urteil des AG Wedding vom 04.11.2006

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Gericht:
AG Wedding
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 C 113/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 535 Abs 2 BGB, § 556 BGB, §
1123 BGB, §§ 1123ff BGB, § 20
Abs 2 ZVG
Zwangsverwaltung einer Mietwohnung: Aufrechnung des
Mieters mit vor Beginn der Zwangsverwaltung fälligem
Anspruch auf Auszahlung eines Betriebskostenguthabens gegen
eine laufende Mietforderung
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 409,79 Euro nebst Zinsen von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 404,– Euro seit dem 4.
November 2006 und aus 5,79 Euro seit dem 6. Februar 2007 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 620,– Euro
abwenden, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Es wird die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte ist gem. Vertrag vom 24. März 2004 (Bl. 6-10 d. A.) Mieterin der Wohnung
im 3. OG links des Hauses in Berlin. Sie ist aus dem Mietverhältnis verpflichtet, eine
monatliche Miete in Höhe von 404,– Euro zu bezahlen.
Die Hausverwaltung der Vermieter rechnete mit Schreiben vom 10. Juni 2005 (Bl. 15 f d.
A.) über die Betriebskosten für 2004 ab, es ergibt sich daraus ein Guthaben der
Beklagten von 410,69 Euro.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Wedding vom 31. August 2005 (Bl. 5 d. A.) wurde die
Zwangswaltung der streitgegenständlichen Wohnung angeordnet und der Kläger zum
Verwalter bestellt. Der Beklagten ist dies mit dem ihr am 14. Oktober 2005 zugestellten
Schreiben vom 11. Oktober 2005 (Bl. 11 d. A.) mitgeteilt worden. Sie zahlte daraufhin die
Miete an den Kläger bis einschließlich Oktober 2006. Für November leistete sie keine
Zahlung, die Miete für Februar 2007 zahlte sie um 5,79 Euro gekürzt. Mit Schreiben ihrer
Prozessbevollmächtigten vom 20. März 2007 (Bl. 14 d. A.) erklärt sie gegen diese
Mietforderungen die Aufrechnung mit dem Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung
für 2004.
Der Kläger meint, die Aufrechnung der Beklagten greife nicht durch, da er als
Zwangsverwalter für die Gegenforderung nicht hafte.
Der Kläger stellt den Antrag,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 409,79 Euro nebst Zinsen von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 404,– Euro seit dem 4.
November 2006 und aus 5,79 Euro seit dem 6. Februar 2007 zu zahlen.
Die Beklagte stellt den Antrag,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, die Aufrechnung sei wirksam und die Klageforderung sei erloschen.
Entscheidungsgründe
Die Klage begründet.
Der Anspruch ergibt sich aus § 535 Abs. 2 BGB i. V. m. dem Mietvertrag und i. V. m. §§
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Der Anspruch ergibt sich aus § 535 Abs. 2 BGB i. V. m. dem Mietvertrag und i. V. m. §§
148 Abs. 1, 152 Abs. 2, 21 Abs. 2, 22 Abs. 2 ZVG und 1123 ff BGB.
Der Kläger ist durch den Beschluss des Amtsgerichts Wedding vom 31. August 2005, der
zugunsten der Gläubigerin als Beschlagnahme gilt, für die Forderungen aktiv legitimiert.
Die Beklagte hatte die Mieten auch für November 2006 und Februar 2007 in voller Höhe
an den Kläger zu zahlen. Dies wird zunächst von der Beklagten auch nicht bestritten. Sie
beruft sich jedoch auf die von ihr erklärte Aufrechnung mit einem Guthaben aus der
Betriebskostenabrechnung der Hausverwaltung der früheren Vermieter vom 10. Juni
2005.
Diese Aufrechnung greift jedoch nicht durch.
Denn sie verstößt gegen das Aufrechnungsverbot gem. §§ 1125 und 1124 Abs. 2 Satz 1
BGB. Der Mieter ist danach daran gehindert, gegen die laufenden Mietzahlungen mit
Ansprüchen aufzurechnen, die vor Anordnung der Zwangsverwaltung entstanden sind
(vgl. OLG Rostock in NJW-RR 2006, 954 f (Ziffer II. 6 vorletzter Satz) – zitiert nach juris-
online). Bei Anordnung der Zwangsverwaltung schon fällige offenen Forderungen des
Mieters gegen den Vermieter muss der Zwangsverwalter nicht befriedigen, mit diesen
Forderungen kann der Mieter auch nicht gegen die laufenden Mieten aufrechnen (vgl.
Flatow in jurisPR-MietR 13/2006 Anm. 6). Hat der Mieter gegen den Vermieter einen
Anspruch, so kann er mit ihm gegenüber dem die Mietforderung geltend machenden
Zwangsverwalter nur gegen solche Mietforderungen aufrechnen, über die der
Eigentümer wirksam hätte verfügen dürfen (vgl. Palandt-Bassenge, 64. Aufl., § 1125 Rzi.
1). Der Eigentümer durfte über die hier streitgegenständlichen Forderungen jedoch
gerade nicht verfügen, weil sie erst nach dem gem. § 1124 Abs. 2 BGB maßgeblichen
Monat der Beschlagnahme entstanden sind (vgl. a. a. O.), so dass eine Aufrechnung
ausgeschlossen ist.
Denn vorliegend ist die Beschlagnahme am 31. August 2005 erfolgt, während die
streitgegenständlichen Forderungen sich auf November 2006 und Februar 2007
beziehen.
Das Gericht gibt die mit der Verfügung vom 19. April 2007 und in der mündlichen
Verhandlung geäußerten Bedenken gegen die Klageforderung ausdrücklich auf.
Auch aus den Entscheidungen des BGH vom 26. März 2003 (in GE 2003, 945 f) und vom
3. Mai 2006 (in GE 2006, 907 f) ergibt sich entgegen der ursprünglichen Auffassung des
Gerichts für die Klageforderung nichts Erhebliches. In beiden Fällen beschäftigt sich der
BGH ausschließlich mit seitens des Mieters zur Aufrechnung gestellten Ansprüchen, die
nach der Beschlagnahme bzw. Anordnung der Zwangsverwaltung entstanden sind. Auch
wenn die ursprüngliche Hausverwaltung des Vermieter die Abrechnung erstellte, haftet
der Zwangsverwalter für ein Guthaben des Mieters dann, wenn es nach der
Beschlagnahme fällig wird.
Dies ist im vorliegenden Fall jedoch gerade nicht der Fall, so dass der Kläger für die
Forderung der Beklagten auf Auszahlung des Guthabens aus der
Betriebskostenabrechnung nicht haftet. Trotz der Aufgabe der Bedenken war den
Parteien nicht gem. § 139 ZPO vor Erlass des Urteils ein Hinweis dazu zu geben oder
eine Erklärungsfrist zu gewähren.
Die Parteien hatten die Gelegenheit genutzt, sich zu dem streitigen Thema umfassend
zu äußern. Das Urteil ist für die Parteien auch nicht überraschend, insbesondere hat das
Gericht nicht etwa endgültig geäußert, dass es anders als nunmehr erkannt zu
entscheiden beabsichtigt. Vielmehr ist der Rechtsstoff ohne endgültige Positionierung
besprochen worden.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB und §§ 91 Abs. 1,
708 Nr. 11, 711 ZPO.
Es war gem. § 511 Abs. 4 ZPO die Berufung gegen das Urteil zuzulassen, da die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des
Berufungsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich
erscheint.
Der Streitwert beträgt 409,79 Euro.
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