Urteil des AG Velbert vom 26.04.2007

AG Velbert: anrechenbares einkommen, elterliche sorge, vollstreckung, unterhalt, erwerbstätigkeit, sicherheitsleistung, arbeitsstelle, eltern, selbstbehalt, nettoeinkommen

Amtsgericht Velbert, 2 F 371/06
Datum:
26.04.2007
Gericht:
Amtsgericht Velbert
Spruchkörper:
Familiengericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 F 371/06
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Tenor:
In der Familiensache
hat das Amtsgericht - Familiengericht - Velbert
auf die mündliche Verhandlung vom 15.03.2007
durch die Richterin am Amtsgericht S
für R e c h t erkannt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) zu Händen der
Kindesmutter,
a) für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.03.2007 rückständigen
Kindesunterhalt in Höhe von 925,64 €,
b) ab 01.04.2007 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 57,17 €
zu zahlen.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 2) zu Händen der
Kindesmutter,
a) für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.03.2007 rückständigen
Kindesunterhalt in Höhe von 903,82 €,
b)ab 01.04.2007 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 57,17 €
zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten werden zu 12 % der Klägerin zu 1), zu weiteren 12 %
der Klägerin zu 2) und zu weiteren 76 % dem Beklagten auferlegt.
Die außergerichtlichen Kosten der Parteien verteilen sich wie folgt:
diejenigen der Klägerin zu 1) trägt zu 77 % der Beklagte,
diejenigen der Klägerin zu 2) trägt zu 76 % der Beklagte,
diejenigen des Beklagten trägt zu 12 % die Klägerin zu 1) und zu
weiteren 12 % die Klägerin zu 2).
Im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerinnen durch
Sicherheitsleistung in Höhe der jeweils fälligen Unterhaltsbeträge und in
Höhe von 110 % der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn diese
nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die
Klägerinnen können die Vollstreckung des Beklagten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der zu vollstreckenden Kosten
abwenden, wenn dieser nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Die jeweilige Sicherheitsleistung kann auch durch Bürgschaft eines
inländischen Kreditinstituts erbracht werden.
T a t b e s t a n d
Die Klägerinnen sind die ehelichen Kinder des Beklagten. Die Ehe
wurde geschieden; die Kinder leben im Haushalt der Kindesmutter. Mit
Beschluss vom 11.11.2003 (Aktenzeichen: 2 F 392/03 Amtsgericht
Velbert) ist der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide
Kinder übertragen worden.
Mit Schreiben vom 29.11.2005 des Jugendamtes der Stadt I (Beistand)
ist der Beklagte aufgefordert worden, Auskunft über sein Einkommen
und Vermögen zu erteilen.
Der Beklagte verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung; er
arbeitete seiner- zeit als Bauhelfer. Seine Anstellung verlor er
unverschuldet bereits im Februar 2003. Hieran knüpfte sich im Jahr 2004
eine Beschäftigung im Rahmen eines 1 Euro - Jobs im SOS Kinderdorf
(in L) an. Diese Eingliederungsmaßnahme dauerte 8 Monate. Der
Beklagte bezieht derzeit weiterhin Arbeitslosengeld II.
Die Klägerinnen tragen vor:
Der Beklagte habe sich nicht ausreichend um eine Erwerbstätigkeit
bemüht. Ihm sei ein fiktives Einkommen in Höhe von 1.098,52 €
zuzurechnen. Abzüglich berufsbedingter Aufwendungen in Höhe von 5
% verbleibe ein Einkommen in Höhe von 1.043,60 €. Unter
Berücksichtigung des Selbstbehalts in Höhe 890,00 € sei der Beklagte
in der Lage, für jedes Kind einen monatlichen Unterhalt in Höhe von
75,00 € zu leisten.
Die Klägerinnen beantragen,
den Beklagten zu verurteilen, an sie zu Händen der Kindesmutter für den
Zeitraum vom 01.12.2005 bis 30.11.2006 rückständigen Kindesunterhalt
in Höhe von jeweils 900,00 € zu zahlen,
den Beklagten weiterhin zu verurteilen, an sie zu Händen der
Kindesmutter ab 01.12.2006 jeweils 75,00 € zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor:
Er habe sich intensiv um eine neue Arbeitsstelle bemüht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die
Sitzungsniederschrift vom 15.03.2007 verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist teilweise begründet.
Der Beklagte ist gemäß §§ 1601 ff. BGB verpflichtet, für die Klägerinnen
Barunterhalt zu leisten.
a) Unterhaltszeitraum vom 01.12.2005 bis 31.01.2006
Der Beklagte ist zwar derzeit arbeitslos. Das Gericht kann aber trotz der
hohen Zahl der Arbeitslosen nicht feststellen, dass der Beklagte keine
reelle Chance auf dem Arbeitsmarkt hat, eine Vollzeitbeschäftigung als
ungelernte Arbeitskraft zu finden.
Der Beklagte ist erst 38 Jahre alt. Er hat im Einzelnen darzulegen, dass
er sich (ausreichend) um Arbeit bemüht hat, gleichwohl aber keine
Arbeitsstelle gefunden hat. Die Meldung beim Arbeitsamt reicht nicht.
Auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit sind intensive Bemühungen um
einen Arbeitsplatz erforderlich. Der Beklagte muss selbst aktiv werden
und sich um Stellen bemühen, die nach wie vor in Tageszeitungen und
Anzeigenblättern angeboten werden.
Von dem Arbeitsuchenden kann grundsätzlich der für eine vollschichtige
Erwerbstätigkeit notwendige Zeitaufwand verlangt werden. 15
Bewerbungen pro Monat hält das Gericht im vorliegenden Fall für
zumutbar.
Die Erwerbsbemühungen des Beklagten sind unzureichend. Dies geht
zu seinen Lasten.
Der Beklagte hat sich in der Zeit vom 01.09.2006 bis 28.02.2007 auf 67
Stellen beworben. Hinsichtlich seiner Erwerbsbemühungen vor dem
01.09.2006 fehlen schriftliche Aufzeichnungen oder Unterlagen.
Auffallend ist, dass der Beklagte sich - unter Zugrundelegung seiner
schriftlichen Aufstellungen - lediglich auf eine Stelle schriftlich beworben
hat. Bewerbungen sind aber auch bei einfachen Arbeitsplätzen
grundsätzlich in schriftlicher Form abzufassen und so zu gestalten, dass
sie geeignet erscheinen, den Adressaten von der Ernsthaftigkeit der
Bewerbung und der Eignung zu überzeugen. Bloße telefonische
Bewerbungen sind auch bei einfachen Arbeitsplätzen in der Regel nicht
ausreichend.
Bei seiner Arbeitsplatzsuche durfte der Beklagte sich insbesondere auch
nicht auf den örtlichen Bereich/Umkreis L beschränken.
Die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltpflichtigen wird nicht nur durch die
tatsächlich vorhandenen, sondern auch durch solche Mittel bestimmt, die
er bei gutem Willen durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit, unter
Umständen auch im Wege eines Ortswechsels erzielen könnte. Das
Gericht hält es auf Grund seiner Erfahrungen, die es durch Vorlage von
Gehaltsabrechnungen in einer Vielzahl von Prozess-
kostenhilfeverfahren hat, für möglich, dass der Beklagte ein
Bruttoeinkommen in Höhe von 1.600,00 € erzielen könnte. Dies
entspricht einem Stundenlohn von 10,00 € bei 160 Arbeitsstunden im
Monat. Es errechnet sich - unter Zugrundelegung von Steuer-klasse 1
und einem Kinderfreibetrag - ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe
von 1.099,32 € (Lohnsteuer: 154,66 €, Kirchensteuer: 3,62 €;
Sozialabgaben: 342,40 €).
Von diesem Einkommen sind berufsbedingte Aufwendungen
abzuziehen. Es ist davon auszugehen, dass dem Beklagten
berufsbedingte Aufwendungen entstehen würden, wenn er tatsächlich
erwerbstätig wäre. Es kann nicht angenommen werden, dass er eine
Arbeitsstelle in unmittelbarer Nähe seiner Wohnung finden würde. Das
Einkommen des Beklagten ist daher um die Pauschale von 5 % nach
der Anmerkung A3 der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 01.07.2005) - dies
entspricht einem Betrag in Höhe von 54,97 € - zu kürzen. Es verbleibt
ein fiktives anrechenbares Einkommen in Höhe von 1.044,35 €.
Die Umgangskosten in Höhe von 40,00 € monatlich, welche für die 14-
tägigen Kontakte des Beklagten mit seinen Kindern anfallen, sind
unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen. Das Kindergeld kommt dem
Beklagten - wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt - auch
nicht anteilig zu Gute.
Nach § 1684 BGB, der inzwischen - anstelle des weggefallenen § 1634
BGB - den Umgang des Kindes mit den Eltern regelt, hat einerseits das
Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; andererseits ist aber
auch jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind berechtigt und
verpflichtet (§ 1684 Abs.1 BGB). Beides ist Ausfluss seiner
Verantwortung für dessen Wohl (§§ 1618 a, 1626, 1631 BGB). Die in §
1684 Abs.1 BGB geregelten Rechte und Pflichten stehen - ebenso wie
die elterliche Sorge des anderen Elternteils - unter dem Schutz von
Artikel 6 Abs.2 S. 1 GG.
Andererseits kann die Regelung des § 1612 b Abs.5 BGB über die
Anrechnung des Kindergeldes zur Folge haben, dass dem
barunterhaltspflichtigen Elternteil das anteilige Kindergeld ganz oder
teilweise nicht mehr zugute kommt, er hierdurch mithin auch keine
finanzielle Entlastung hinsichtlich der durch die Ausübung des
Umgangsrechts entstehenden Kosten zu erlangen vermag. Er muss
deshalb die Umgangskosten aus seinem nach Abzug des Unterhalts
verbleibenden Einkommen bestreiten. Wenn und soweit das über dem
notwendigen Selbstbehalt hinaus noch vorhandene Einkommen hierfür
nicht ausreicht, kann dies einen Elternteil zu einer Einschränkung der
Umgangskontakte veranlassen und damit auch den Interessen des
Kindes zuwiderlaufen.
Da das Unterhaltsrecht dem Unterhaltspflichtigen nicht die Möglichkeit
nehmen darf, sein Umgangsrecht zur Erhaltung der Eltern - Kind -
Beziehung auszuüben, sind die damit verbundenen Kosten
konsequenter Weise unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen, wenn und
soweit sie nicht anderweitig, insbesondere nicht aus dem anteiligen
Kindergeld, bestritten werden können (vgl. BGH FamRZ 2007, 193
(194)).
Es ergibt sich ein anrechenbares Einkommen des Beklagten in Höhe
von 1.004,35 €.
Mit einem Einkommen in Höhe von 1.004,35 € ist der Beklagte nicht in
der Lage, den Unterhalt für beide Kinder unter Zugrundelegung der
Einkommensgruppe 1 der aktuellen Düsseldorfer Tabelle (Stand:
01.07.2005) zu leisten. Für die am 27.01.1995 geborene Lisa entspricht
dies einem Betrag in Höhe von 247,00 € (Altersstufe 2) und für die am
16.02.2000 geborene Kristin einem Betrag in Höhe von 199,00 €
(Altersstufe 1; 204,00 € abzüglich anteiliges Kindergeld in Höhe von
5,00 €).
Es ist eine Mangelfallberechnung durchzuführen. Unter Zugrundelegung
einer Verteilungsmasse in Höhe von 114,35 € - der notwendige
Selbstbehalt in Höhe von 890,00 € muss dem Beklagten verbleiben -
und einem Gesamtkindesunterhaltsbedarf in Höhe von 451,00 € ergibt
sich eine Kürzungsquote in Höhe von 25,35 %. Dies entspricht einem
Unterhaltsbetrag für L in Höhe von 62,63 € und für Kirstin einem solchen
in Höhe von 51,72 €.
Eine Anrechnung des Kindergeldes unterbleibt gemäß § 1612 b Abs.5
BGB.
b) Unterhaltszeitraum ab 01.02.2006
Die Klägerin zu 2) ist am 16.02.2000 geboren. Ab 01.02.2006 ist sie in
die Altersstufe 2 der Düsseldorfer Tabelle einzuordnen (vgl. § 1612 b
Abs.3 S. 2 BGB). Bei einer Einstufung des Beklagten in die
Einkommensgruppe 1 der aktuellen Düsseldorfer Tabelle würde sich ein
monatlicher Unterhaltsbedarf in Höhe von 247,00 € ergeben.
Im Übrigen gelten die vorgenannten Ausführungen entsprechend.
Bei einer Verteilungsmasse in Höhe von 114,35 € und einem
Gesamtunterhaltsbedarf der Kinder in Höhe von 494,00 € errechnet sich
eine Kürzungsquote in Höhe von
23,15 %. Dies entspricht einem monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe
von 57,17 € für jedes Kind.
Eine Anrechnung des Kindergeldes unterbleibt wiederum gemäß § 1612
b Abs.5 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus
§§ 708 Nr. 8, 11, 711 S. 1 ZPO.
Der Streitwert für den Rechtsstreit wird wie folgt festgesetzt:
hinsichtlich der Klägerin zu 1):1800,00 €;
hinsichtlich der Klägerin zu 2): 1800,00 €.
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
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