Urteil des AG Unna vom 28.11.2008

AG Unna: sorgerecht, kindeswohl, aufenthalt, wochenende, alkoholmissbrauch, zusammenleben, bestätigung, sonntag, schokolade, biographie

Amtsgericht Unna, 12 F 941/07
Datum:
28.11.2008
Gericht:
Amtsgericht Unna
Spruchkörper:
Familiengericht
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 F 941/07
Tenor:
1.
Das Sorgerecht über die Kinder der Parteien K, geb. am ##.##.1998 und
M, geb. am ##.##.2001 wird auf den Kindesvater übertragen.
2.
Der Kindesmutter wird ein Umgangsrecht 14-tägig von freitags nach
Schulschluss bis zum darauffolgenden Sonntag, 17.00 h eingeräumt,
beginnend mit Freitag, 28.11.2008.
Darüber hinaus wird der Kindesmutter ein Umgangsrecht vom
26.12.2008, 10.00 h bis zum 29.12.2008, 18.00 h eingeräumt.
Die Kindesmutter wird die Kinder freitags an der Schule abholen und
sonntags zur Wohnung des Kindesvaters zurückbringen. Der
Kindesvater ist verpflichtet, den Kindern zu den Umgangskontakten die
Krankenversicherungskarten mitzugeben.
3.
Den Parteien wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung
eines Zwangs-geldes von bis zu 1.500,00 Euro angedroht.
4.
Die Gerichtskosten tragen die Parteien zur Hälfte; außergerichtliche
Kosten werden nicht erstattet.
G r ü n d e :
1
I.
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Aus der Ehe der Parteien sind die im Tenor genannten Kinder K und M
hervorgegangen. Die Ehe der Parteien wurde mit Urteil des Amtsgerichts Unna vom
14.03.2008 geschieden. Seit Juni 2006 leben die Kindeseltern voneinander getrennt.
Seit 09.07.2006 lebt die Kindesmutter in einer neuen Partnerschaft. Seit Trennung der
Parteien kam es regelmäßig zu Streitigkeiten bei der Ausübung des Umgangsrechtes
und zur Frage des Aufenthaltsbestimmungsrechtes. Mit Vereinbarung vom 22.12.2006
in dem Verfahren des Amtsgerichts Unna 12 F 404/06 wurde als tatsächlicher
Aufenthaltsort des Kindes K der Aufenthalt beim Kindesvater vereinbart. Der Aufenthalt
des Kindes M verblieb bei der Kindesmutter. Weiterhin verblieb es beim gemeinsamen
Sorgerecht. Mit Vergleich vom 20.07.2007 in dem Verfahren 12 F 591/07 wurde das
Umgangsrecht geregelt. Der Umgang findet seither – von Unstimmigkeiten abgesehen –
in der Weise statt, dass die Kinder ein Wochenende beim Kindesvater gemeinsam und
ein Wochenende bei der Kindesmutter gemeinsam verbringen. Letztendlich kam es
erneut zu erheblichen Streitigkeiten, die zu diesem Verfahren führten. Im Termin der
mündlichen Verhandlung vom 09.11.2007, in dem die Kinder angehört wurden, wurde
eine Vereinbarung dahin gehend getroffen, dass das Umgangsrecht weiterhin in der
vorgenannten Form ausgeübt wird. Des weiteren wurde die Einholung eines
schriftlichen Sachverständigengutachtens beschlossen.
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Es ist nunmehr über die Frage zu entscheiden, welchem Elternteil das Sorgerecht oder
Teile hiervon zu übertragen ist. Hierzu hat das Gericht ein schriftliches
Sachverständigengutachten eingeholt. Wegen des Ergebnisses wird auf das Gutachten
der Sachverständigen Dipl. Psych. C vom 15.10.2008 Bezug genommen.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze
sowie auf die oben genannten Vereinbarungen in den Vorverfahren Bezug genommen.
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II.
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Das Sorgerecht über die Kinder der Parteien war nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf den
Kindesvater zu übertragen, da die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die
Übertragung auf den Kindesvater dem Wohl der Kinder am besten entspricht.
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Hierzu ist zunächst festzustellen, dass es grundsätzlich bereits im Regelfall nicht dem
Kindesinteresse entspricht, wenn Geschwister getrennt aufwachsen. Das bedeutet, dass
die bisherige Regelung, nämlich dass der Sohn bei der Kindesmutter und die Tochter
beim Kindesvater lebten, nicht der Idealfall war. Auch die Kinder haben in der
Exploration durch die Sachverständige angegeben, dass sie gerne mit dem jeweils
anderen Geschwisterkind zusammenleben möchten. Bereits aus diesem Grund
entspricht es daher dem Kindeswohl, das Sorgerecht einheitlich auf ein Elternteil zu
übertragen und die Kinder zukünftig zusammenleben zu lassen.
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Im Interesse des Kindeswohl liegt es des weiteren nach den Feststellungen der
Sachverständigen, denen sich das Gericht voll umfassend anschließt, dass das
Sorgerecht zukünftig alleine vom Kindesvater ausgeübt wird. Hierzu ist zunächst
festzustellen, dass sich die Kinder selbst für einen weiteren Verbleib beim Kindesvater
ausgesprochen haben. M hat hierzu als Begründung insbesondere angeführt, dass die
"Mama Sachen über Papa sagt, die habe ich nicht gesehen und dann sagt sie immer,
das war doch so. Sie sagt, Papa hat immer gehauen. Ich habe das aber nicht gesehen.
Sie sagt auch, Papa trinkt immer Bier, aber ich habe das nicht gesehen. Mama sagt das
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nur, aber Mama haut manchmal auf den Po." Des weiteren führt M zur Begründung aus,
"dass er beim Kindesvater alles essen dürfe, bei der Kindesmutter aber nicht. Diese
würde immer wieder behaupten, er bekomme von bestimmten Nahrungsmitteln
Neurodermitis. Er würde jedoch beim Kindesvater alles essen und bekomme dort keine
Neurodermitis. Bei der Kindesmutter dürfe er keine Sachen essen, die lecker
schmecken würden....beim Kindesvater dürfe er dies alles essen und habe trotzdem
keine gesundheitlichen Schwierigkeiten. Das sei sehr schön." Schließlich begründet M
den Wunsch, zum Vater zu wechseln auch damit, dass der Kindesvater viel mit ihnen
unternehmen würde und dass es häufig vorkomme, dass die Kindesmutter, aus für M
unerfindlichen Gründen, weine und M dann nicht wisse, was er tun könne. M spricht sich
eindeutig für einen weiteren Verbleib bei dem Kindesvater aus (s. dazu S. 78 ff. des
Sachverständigengutachtens). Auch K, welche bislang schon beim Kindesvater lebt,
spricht sich für einen weiteren Verbleib beim Kindesvater aus. Auch K begründet dies
u.a. damit, dass die Kindesmutter Dinge erzählt, die die Kinder nicht gesehen haben. So
habe "Mama gesagt, Papa hat die Tür eingetreten. Ich habe aber gar nicht gesehen,
dass die Tür kaputt war. Mama sagt immer so Sachen, auch das Papa gewalttätig ist. Ich
weiß gar nicht, was sie meint. Manchmal weint Mama und keiner weiß warum.
Manchmal schimpft sie und schreit und keiner weiß warum und manchmal haut sie
auch." Des weiteren erklärt K in der Exploration, dass die Kindesmutter schlagen würde,
wenn es nicht nach ihrem Willen gehe. Auch würde die Kindermutter häufig zu Ärzten
gehen. Bei der Nachfrage der Sachverständigen, wem die Kinder ein Geheimnis
anvertrauen würden, erklären diese, dass sie dies lediglich dem Kindesvater
anvertrauen würden, da die Kindesmutter alles verdrehe.
Damit ergibt sich bereits aus dem Kindeswillen, dass der weitere Aufenthalt beim
Kindesvater liegen sollte.
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Eine Beibehaltung des gemeinsamen Sorgerechts kommt nicht in Betracht, da die
Kindeseltern nicht in der Lage sind, gemeinsam für die Kinder zu Lösungen und
Absprachen zu kommen. Bereits der bisherige Verfahrensverlauf mit einer Vielzahl von
Verfahren zu Umgangsrechts- und Sorgerechtsstreitigkeiten hierzu zeigt, dass eine
gemeinsame Absprache nicht möglich ist. Auch im Termin der mündlichen Verhandlung
vom 28.11.2008 zeigten sich beide Kindeselternteile zerstritten und zu keiner
Absprache, beispielsweise was den Schulbesuch betrifft, bereit. Dementsprechend war
das Sorgerecht auf einen Elternteil alleine zu übertragen. Hier entspricht es dem
Kindeswohl am besten, das Sorgerecht, entsprechend dem Kindeswillen, auf den
Kindesvater zu übertragen.
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Die Sachverständige hat hierzu insbesondere festgestellt, dass die Kindesmutter
aufgrund der eigenen Biographie auf sehr vielen Ebenen dermaßen belastet ist, dass
kaum Ressourcen übrig bleiben dürften, um beide Kinder zu einem
eigenverantwortlichen selbstbewussten Menschen zu erziehen. Hierbei hat die
Sachverständige festgestellt, dass die Kindesmutter die Kinder, hier insbesondere M,
überbehütet und eine Selbständigkeit verhindert, so dass letztendlich M selbst zu der
Überzeugung gelangt ist, vieles nicht alleine zu können. Die Kindesmutter versuchte,
bei allein möglichen Ärzten Erkrankungen zu diagnostizieren und bestätigen zu lassen,
die M nicht hat. Hierzu führt die Kindesmutter beispielsweise an, dass M unter einer
Lebensmittelallergie leide, insbesondere führen Kuhmilchprodukte einschließlich
Schokolade zu einer starken Neurodermitis. Tatsächlich konnte die Sachverständige
irgendwelche Auffälligkeiten, auch nach einem einwöchigen Ferienaufenthalt beim
Kindesvater, bei dem sämtliche Speisen gegessen wurden, feststellen. Des weiteren hat
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die Kindesmutter zwar M mehrfach Ärzten vorgestellt mit der Behauptung, er leide unter
Neurodermitis. Eine ärztliche Bestätigung hat die Kindesmutter jedoch nicht vorgelegt.
Das gleiche gilt für weitere Erkrankungen, die die Kindesmutter zwar behauptet hat, die
sich jedoch ärztlicherseits nicht belegen ließen. Insoweit wird wegen der Einzelheiten
auf die Ausführungen der Sachverständigen in ihrem Gutachten, insbesondere bei der
Darstellung auf den Seiten 99 ff. des Gutachtens Bezug genommen. Hinzu kommt
weiterhin, dass die Kindesmutter, welche selbst als Kind körperlich misshandelt wurde,
stets behauptet, der Kindesvater sei gewalttätig. Diese Behauptungen tätigt die
Kindesmutter auch gegenüber den Kindern. Schließlich räumt die Kindesmutter
andererseits jedoch ein, dass es tatsächlich nie zu Gewalttätigkeiten des Kindesvaters
gekommen ist. Des weiteren behauptet die Kindesmutter einen Alkoholmissbrauch
durch den Kindesvater, obwohl auch diese in keinster Weise substantiiert dargestellt
und auch nicht belegt wird. Auch die Kinder selbst haben diese Behauptungen der
Kindesmutter bestätigt, selbst jedoch nie den Kindesvater im betrunkenen Zustand
gesehen. Auch hier zeigt die Sachverständige einen Zusammenhang zur Kindheit der
Kindesmutter auf, in der der Vater der Kindesmutter selbst Alkoholmissbrauch betrieben
hat. Nach Durchführung eines diagnostischen Interviews zur Feststellung psychischer
Störungen für Erwachsene, konnte die Sachverständige feststellen, dass die
Kindesmutter das Vollbild einer chronifizierten posttraumatischen Belastungsstörung
aufweist, was die vorgenannten Feststellung stützt.
Schließlich hat die Kindesmutter eingeräumt, finanzielle Sorge zu haben. Dies äußert
sich darin, dass die Kindesmutter am Monatsende kein Geld mehr zur Verfügung hat
und dabei – und dies widerspricht dem Kindeswohl erheblich – auch nicht davor
zurückschreckt, das Geld der Kinder anzurühren. Insoweit hat die Kindesmutter die
Sparkonten der Kinder leergeräumt und das Taschengeld der Kinder genutzt, um den
Kindern Geschenke zu kaufen. Auch dies widerspricht im erheblichen Maße dem
Kindeswohl.
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Der Kindesvater selbst ist geeignet, das Sorgerecht auszuüben. Nach den
Feststellungen der Sachverständigen ist er ein sogenannter "Familientyp" und hat ein
gutes Verhältnis sowohl zu seiner neuen Partnerin, als auch zu den Kindern. Auch ist er
gut informiert über die Interessen, Sorgen und Nöte der Kinder, wie die Sachverständige
festgestellt hat. Letztendlich konnte die Sachverständige auch keinerlei Anzeichen für
eine Alkoholerkrankung feststellen nach Durchführung eines entsprechenden Testes.
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Insgesamt und abschließend ist damit festzustellen, dass die Kindeseltern nicht zur
Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts in der Lage sind. Ferner ist festzustellen,
dass die Kindesmutter zur Erziehung der Kinder nicht in der Lage ist, der Kindesvater
jedoch sehr wohl. Letztendlich entspricht es dem Willen der Kinder, weiterhin beim
Kindesvater zu leben und mit der Kindesmutter regelmäßige Umgangskontakte zu
pflegen.
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Daher war das Sorgerecht der Kindesmutter zu entziehen und auf den Kindesvater
allein zu übertragen.
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Das Umgangsrecht war entsprechend der bisherigen Praxis der Parteien und dem
Vorschlag der Sachverständigen dahin gehend zu regeln, dass das Umgangsrecht 14-
tägig ausgeübt wird von freitags bis sonntags. Da nach dem bisherigen Turnus das
Wochenende vom 28.11.2008 das Umgangswochenende der Kindesmutter ist, war dies
insoweit auch festzulegen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 13 a FGG.
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59425 Unna, 28.11.2008 Amtsgericht - Familiengericht
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