Urteil des AG Tiergarten vom 14.03.2017

AG Tiergarten: wohnung, bad, datum, mieter, installation, mittelwert, gebäude, zugang, link, quelle

1
2
3
4
5
6
Gericht:
AG Tiergarten
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 C 296/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 558b BGB vom 18.11.2009
Mieterhöhungsverlangen: Beginn der Pflicht zur Zahlung der
erhöhten Miete; Bewertung einer Versorgungsleitungen
betreffenden Merkmalgruppe
Leitsatz
1. Ist im Mieterhöhungsverlangen kein oder ein zulasten des Mieters von §558b BGB
abweichendes Datum benannt, ab welchem der Mieter die erhöhte Miete schulden soll, führt
dies nicht zur Unwirksamkeit des Verlangens.
2. Bei der Bewertung des in der Gruppe 3 des Berliner Mietspiegels aufgeführten Merkmals
der überwiegenden Be- und Entwässerungsinstallation auf Putz sind sämtliche Räume der
Wohnung und nicht lediglich Bad/WC und Küche in die Betrachtung einzustellen.
Tenor
1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, einer Anhebung der
Nettokaltmiete für die von ihnen bei der Klägerin gemietete Wohnung im Hause,, von
zurzeit 218,89 Euro monatlich um 34,71 Euro monatlich auf 253,60 Euro monatlich ab
dem 01.07.2009 zuzustimmen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist Vermieterin, die Beklagten sind Mieter der von ihnen innegehaltenen und
51,44 qm großen Wohnung mit Sammelheizung sowie in der Wohnung liegendem Bad
und WC in dem seit 1957 bezugsfertigen Haus im in. Die monatliche Nettokaltmiete in
Höhe von 218,89 Euro war bis zum 6. April 2009 seit mehr als fünfzehn Monaten
unverändert. Das Schreiben der Klägerin vom 27. Januar 2009, mit welchem die Klägerin
die Beklagten zur Zustimmung zur Anhebung der monatlichen Nettokaltmiete auf
253,60 Euro zum 1. April 2009 aufforderte und auf dessen Inhalt Bezug genommen wird
(Bl. 5-8 d. A.), ging den Beklagten nicht zu. Jedoch war dieses Schreiben dem weiteren
Schreiben der Klägerin vom 6. April 2009, welches die Beklagten nunmehr erreichte und
auf dessen Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird (Bl. 19 d. A.), als Kopie beigefügt.
Die Merkmalgruppen 2 (Küche) und 5 (Wohnumfeld) des Berliner Mietspiegels 2009 sind
positiv, die Merkmalgruppe 1 (Bad/WC) ist hingegen negativ zu bewerten. Hinsichtlich der
Gruppe 3 (Wohnung) sind folgende Merkmale relevant: Im Flur der Wohnung befindet
sich ein ca. 0,89 qm großer Abstellraum mit Sichtschutz. Lediglich im Bad/WC verlaufen
die Be- und Entwässerungsleitungen auf Putz. Zudem handelt es sich bei dem
Wasseranschluss in der Küche ebenfalls um eine Installation auf Putz. Bezüglich der
Gruppe 4 (Gebäude) sind die folgenden Merkmale gegeben: Im Keller des Hauses
befindet sich ein abschließbarer Fahrradraum. Eine moderne Gegensprechanlage ist
hingegen nicht vorhanden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, einer Anhebung der
Nettokaltmiete für die von ihnen bei der Klägerin gemietete Wohnung im Hause,, von
zurzeit 218,89 Euro monatlich um 34,71 Euro monatlich auf 253,60 Euro monatlich ab
dem 01.04.2009, hilfsweise ab dem 01.07.2009 zuzustimmen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
7
8
9
10
11
12
13
14
15
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nur im Umfang des Hilfsantrags begründet, denn der Klägerin
steht ein Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung lediglich ab dem aus dem Tenor
ersichtlichen Datum gemäß §§ 558, 557 Abs. 3, 558a, 558d BGB in Verbindung mit dem
zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrag und dem qualifizierten Berliner
Mietspiegel 2009 zu.
Die von der Klägerin begehrte Nettokaltmiete übersteigt die ortsübliche Vergleichsmiete
nicht.
Nach Maßgabe des gemäß § 558d BGB qualifizierten Berliner Mietspiegels 2009
(Mietspiegelfeld E6 mit einer Spanne von 4,19 Euro bis 5,60 Euro und einem Mittelwert
von 4,86 Euro) beträgt die ortsübliche Vergleichsmiete für die Wohnung der Beklagten
5,16 Euro pro qm und insgesamt 265,43 Euro nettokalt monatlich (4,86 Euro zuzüglich
zweimal 20 Prozent der Differenz zwischen oberer Spanne und Mittelwert), da die
Merkmalgruppen 2, 3 und 5 positiv, die Merkmalgruppe 1 negativ und die
Merkmalgruppe 4 jedenfalls nicht negativ zu bewerten ist.
In der Merkmalgruppe 4 wird das Fehlen einer modernen Gegensprechanlage durch den
abschließbaren Fahrradraum kompensiert. In der Merkmalgruppe 3 ist indes einzig der
Abstellraum mit Sichtschutz als wohnwertrelevantes Merkmal zu berücksichtigen. Die
Be- und Entwässerungsinstallation in dem nach 1949 errichteten Gebäude verläuft
nämlich nicht überwiegend auf Putz. Die Installation auf Putz allein im Bad und teilweise
in der Küche führt noch nicht zu einem wohnwertmindernden Überwiegen dieser
Installationsart, da insofern auf die gesamte Wohnung und nicht lediglich auf den Bad-
und Küchenbereich abzustellen ist. Zwar mögen Versorgungsleitungen vielfach,
insbesondere bei (moderner) Schachtbauweise, zentral im Bad- und Küchenbereich
verlaufen. Gleichwohl trifft dies nicht auf nahezu alle Wohnungen zu, zumal sich die
Aufzählung des Merkmals „Be- und Entwässerungsinstallation überwiegend auf Putz“
nicht in den Merkmalgruppen 1 und 2 (Bad/WC und Küche), sondern in der für die
gesamte Wohnung geltenden Merkmalgruppe 3 findet. Auch die übrigen in dieser
Gruppe genannten Merkmale betreffen die Wohnung insgesamt. Dies gilt auch für das
Merkmal der weder im Bad noch in der Küche aufstellbaren Waschmaschine, da hiermit
die generelle Nichtnutzbarkeit einer Waschmaschine in der Wohnung bzw. der Zwang zur
Aufstellung in einem Wohnraum verbunden ist.
Die Grenzen des § 558 Abs. 1 und 3 BGB sind eingehalten.
Das Schreiben der Klägerin vom 6. April 2009 stellt in Verbindung mit dem diesem
Schreiben beigefügten klägerischen Schreiben vom 27. Januar 2009 auch ein wirksames
Mieterhöhungsverlangen im Sinne des § 558a BGB dar. Dass im Schreiben vom 6. April
2009 auf ein früheres und beigefügtes Schreiben Bezug genommen wurde, ist
grundsätzlich unschädlich. Insbesondere genügt das Schreiben vom 6. April 2009 der
vorgeschriebenen Textform (§ 126b BGB) und ist inhaltlich ausreichend begründet (§
558a BGB).
Zudem ist das Mieterhöhungsverlangen nicht deshalb unwirksam, weil in dem in Bezug
genommenen Schreiben vom 27. Januar 2009 als Beginn für die erhöhte Mietzahlung
bereits der 1. April 2009 und somit ein Datum noch vor Zugang des
Mieterhöhungsverlangens benannt ist. Das Datum, zu dem die Mieterhöhung wirksam
werden soll, gehört nicht zu den Pflichtangaben (§ 558a BGB) in einem
Mieterhöhungsverlangen. Vielmehr ergibt sich dieses Datum bereits unmittelbar und
zwingend aus dem Gesetz, § 558b BGB. Auch die Mitteilung eines unzutreffenden
Datums ist - wenn man nicht bereits davon ausgehen mag, dass das
Mieterhöhungsverlangen nach entsprechender Auslegung bereits das zutreffende
Datum beinhaltet - aus diesem Grund und zudem deshalb unschädlich, weil dem Mieter
hieraus im Hinblick auf die ihn schützende Regelung des § 558b Abs. 4 BGB, wonach
eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam ist, kein Nachteil
erwächst.
Gemäß § 558b Abs. 1 BGB schulden die Beklagten die erhöhte Miete jedoch erst ab dem
1. Juli 2009, da ihnen das Mieterhöhungsverlangen im April und nicht bereits im Januar
2009 zugegangen ist.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ZPO.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum