Urteil des AG Tiergarten vom 14.03.2017

AG Tiergarten: bad, grundstück, loggia, gebäude, balkon, mietwohnung, anschluss, mittelwert, parkanlage, gestaltung

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Gericht:
AG Tiergarten
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 C 347/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 558 Abs 1 BGB
Sondermerkmal "modernes Bad"
Leitsatz
Soweit das Sondermerkmal "modernes Bad" gemäß dem Berliner Mietspiegel 2009
"neuzeitlichen Standard" voraussetzt, kann auch ein Bad, das bereits 20 Jahre vor dem
Wirkungszeitpunkt des Mieterhöhungsverlangens eingebaut wurde, "Neuzeitlichen Standard"
haben, wenn es den heutigen Ansprüchen und Voraussetzungen an eine Mietwohnung
entspricht.
Tenor
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, einer Erhöhung der
Nettokaltmiete in Höhe von 807,11 € um 105,82 € auf 912,93 € für die Zeit ab dem
01.08.2010 betreffend die Wohnung in …, drittes Obergeschoss rechts, zuzustimmen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung
durch Sicherheitsleistungen in Höhe von 110 % der vollstreckbaren Kosten abwenden,
wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckungssicherheit in Höhe von 110 % des jeweils
vollstreckbaren Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin und Vermieterin der im Urteilstenor näher bezeichneten
Wohnung. Die Beklagten sind auf Grund des Mietvertrages vom 31. Juli 2003 deren
Mieter. Das Haus ist erbaut zwischen 1991 und 2007. Die Wohnung hat eine Größe von
100,63 qm. In der Küche befindet sich eine Einbauküche mit Ober- und Unterschränken.
Wandfliesen befinden sich im Arbeitsbereich. Auch ist ein separater Anschluss für
Geschirrspüler oder eine Waschmaschine vorhanden. Sämtliche Räume der Wohnung
verfügen über eine moderne Isolierverglasung. Weiter befindet sich in der Wohnung ein
Einbauschrank am Ende des Flures mit einer eigenen Tür. I n der Wohnung befindet sich
weiter ein zweites WC und ein hochwertiger Bodenbelag. Die Wände sind türhoch gefliest.
Es sind Bodenfliesen vorhanden und eine Einbauwanne.
Der Nettokaltmietzins beläuft sich seit 1. Oktober 2008 auf 807,11 €. Mit
Mieterhöhungsverlangen vom 09.04.2010 verlangt die Klägerin von den Beklagten die
Zustimmung zu einer Mieterhöhung der Nettokaltmiete auf 912,93 €. Zur Begründung
hat die Klägerin auf den Berliner Mietspiegel 2009 Bezug genommen und auf das dortige
Mietspiegelfeld L 11. Mit der vorliegenden Klage mit die Klägerin gegenüber den
Beklagten den Zustimmungsanspruch weiterhin geltend.
Sie behauptet, die Wohnung verfüge über ein modernes Bad im Sinne der
Sondermerkmale des Berliner Mietspiegels. Die Ausstellungsmerkmale und die
Sanitärausstattung seien durchaus als zeitgemäß anzusehen, auch wenn diese nicht in
den letzten 5 Jahren eingebaut worden seien. So handele es sich z. B. bei den
eingebauten Armaturen um grobe Produkte, die mit Keramikdichtungen ausgestattet
seien. Darüber hinaus behauptet die Klägerin, die Küche sei als Wohnküche anzusehen,
weil sie eine Grundfläche von 14 qm habe. Auch seien Loggia und Balkon groß und
geräumig mit Grundflächen von 4 bzw. 4,42 qm. Das sei als ruhige Straße anzusehen,
weil kein Durchgangsverkehr vorhanden ist. Die Müllgefäße würden sich in einem
Separaten Raum befinden, der nur vom Hof her von Mietern zugänglich sei.
Die Klägerin beantragt,
Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, einer Mieterhöhung der
Nettokaltmiete von 807,11 € um 105,82 € auf 912,93 € für die Zeit ab dem 01.08.2010
betreffend die Wohnung in,, drittes Obergeschoss rechts zuzustimmen.
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Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie erklären eine Teilzustimmung um monatlich 36,17 €. Darüber hinaus behaupten sie,
die Küche habe nur eine Größe von 13,45 qm. Balkon und Loggia seien lediglich 3,53 qm
groß und daher nicht als groß anzusehen. Die Heizungsrohre seien auf Putz verlegt. Das
an der Stelle der Wohnung der Beklagten sei als Lager an einer Straße mit hoher
Verkehrslärmbelastung an zusehen, weil die Gebäude und im direkt nebeneinander
liegen und eine Einheit bilden würden. Darüber hinaus werde das als Durchgangsstraße
zwischen und genutzt. Die Müllgefäße würden sich in einem separaten Raum befinden,
dieser sei aber nicht verschlossen, sondern müsse nach Anweisung des Vermieters
immer offen bleiben. Schließlich befinde sich das Gebäude auch nicht in einer
bevorzugten Citylage, sondern in der Nähe zum. Darüber hinaus sind die Beklagten der
Auffassung, das Sondermerkmal modernes Bad treffe nicht zu, da dieses fast 20 Jahre
alt sei. Es gäbe auch kein an der Wand hängendes WC, sondern nur ein Stand-WC mit
Spülkasten. Auch solche Armaturen der Firma Grohe würden nicht existieren.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht gegenüber den Beklagten gemäß § 558 BGB
der geltend gemachte Erhöhungsanspruch zu.
Das Mieterhöhungsverlangen ist formell wirksam. Die Teilzustimmung der Beklagten in
Rechtsstreit ist unbeachtlich, da insoweit ein Teilurteil nicht ergehen konnte.
Das Mieterhöhungsverlangen ist auch begründet, denn die ortsübliche Vergleichsmiete
für die streitgegenständliche Wohnung beläuft sich nach Auffassung des Gerichts auf
9,07 € pro Quadratmeter, also im Hinblick auf die Größe der Wohnung auf eine solche
von insgesamt 912,93 €.
Zur Ermittlung dieser ortsüblichen Vergleichsmiete hat das Gericht die Werte des
Berliner Mietspiegels 2009 herangezogen, die gleichsam einem antizipierten
Sachverständigengutachten einen ausreichenden Beweiswert haben. Auszugehen war
dabei vom Mietspiegelfeld L 11, was insoweit zwischen den Parteien unstreitig ist. Zur
Ermittlung der genaueren Miete hat das Gericht die Orientierungshilfe zum Berliner
Mietspiegel herangezogen. Hiernach war festzustellen, dass auf Grund der
Orientierungshilfe eine Einordnung der Wohnung dergestalt zu erfolgen hat, dass ein
Überschreiten des Mittelwertes um 60 % zum Oberwert hin im vorliegenden Fall
gerechtfertigt ist. In drei Merkmalsgruppen ergeben sich nämlich überwiegend Wohnwert
der Höhe Merkmale ohne dass wohnwertmindernde Merkmale anzurechnen sind.
Die Merkmalsgruppe 1 (Bad/WC) ist als ausgeglichen zu bewerten, denn die Parteien
habe weder wohnwertmindernde noch wohnwerterhöhende Merkmale vorgetragen.
Die Merkmalsgruppe 2 (Küche), ist überwiegend positiv zu bewerten, denn es liegen
zumindest Wandfliesen im Arbeitsbereich und ein separater Anschluss für Geschirrspüler
oder Waschmaschine vor, ohne dass es auf die Größe der Wohnküche ankommt.
Die Merkmalsgruppe 3 ist ebenfalls positiv zu bewerten, denn es befinden sich in allen
Räumen eine moderne Isolierverglasung und in der Wohnung ist ein Einbauschrank
vorhanden. Damit kommt es nicht darauf an, inwieweit der Balkon und die Loggia groß
und geräumig sind und inwieweit Heizungsrohre überwiegend unter Putz liegen.
Wohnwertmindernde Merkmale sind insoweit nicht vorgetragen.
Auch die Merkmalsgruppe 4 (Gebäude) ist deshalb als positiv zu bewerten, weil ein
abschließbarer Fahrradabstellraum im Erdgeschoss des Hauses vorhanden ist, der vom
Truppenhaus aus zu begehen ist. Hierzu sind wohnwertmindernde Merkmale ebenfalls
nicht vorgetragen.
Schließlich ist die Merkmalsgruppe 5 (Wohnumfeld) als ausgeglichen anzusehen, denn
die Wohnung befindet sich weder an einer Straße mit hoher Verkehrslärmbelastung noch
an einer besonders ruhigen Straße. Eine Verkehrslärmbelastung kommt schon
deswegen nicht in Betracht, weil dies aus dem Straßenverzeichnis im Hinblick auf das
genannte Grundstück nicht vermerkt ist. Zwar mag das neben liegende Grundstück eine
hohe Verkehrslärmbelastung aufweisen, aber dies nur deshalb, weil das nebenan
liegende Grundstück näher an die heranreicht, die durchaus stark befahren ist. Auf
Grund der Gestaltung des mit einer kleinen Parkanlage zur Spree hin ist allerdings hier
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Grund der Gestaltung des mit einer kleinen Parkanlage zur Spree hin ist allerdings hier
die Verkehrslärmbelastung vor dem streitwertgegenständlichen Grundstück nicht so
hoch. Wegen des dennoch herrschenden Verkehrs kann aber auch von einer Lage an
einer besonders ruhigen Straße im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Da
nicht ersichtlich ist, dass die Müllstandsfläche nur den Mietern zugänglich ist, kommt ein
weiteres wohnwerterhöhendes Merkmal nicht in Betracht, so dass insgesamt von einer
ausgeglichenen Merkmalsgruppe 5 auszugehen war.
Ergibt sich somit ein Zuschlag von 60 % über dem Mittelwert, so beläuft sich die
Nettokaltmiete für die streitgegenständliche Wohnung auf 8,38 € pro Quadratmeter. Zur
Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete waren jedoch noch die Sondermerkmale
hinzuzurechnen, die im Hinblick auf den hochwertigen Wohnbelag einen Zuschlag von
0,17 €, für das zweite WC in der Wohnung einen Zuschlag von 0,28 € und für da moderne
Bad einen solchen Zuschlag von 0,24 € und damit eine ortsübliche Vergleichsmiete von
9,07 € ergeben.
Während der hochwertige Bodenbelag und das zweite WC in der Wohnung zwischen den
Parteien unstreitig sind, ist das Gericht auch zur Auffassung gelangt, dass im
vorliegenden Fall vom Sondermerkmal modernes Bad auszugehen ist, obwohl
Sanitäreinrichtungen aus den neunziger Jahren vorhanden sind. Das Merkmal modernes
Bad ist nämlich schon erfüllt, wenn die Wände des Bades türhoch mit Fliesen versehen
sind, auf dem Boden Fliesen vorhanden sind und das Bad mit einer Einbauwanne oder
Einbaudusche ausgestattet ist. Zudem müssen die Ausstattungsmerkmale
neuzeitlichem Standard entsprechen. Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass das Bad in
der Wohnung der Beklagten in den neunziger Jahren mit dieser Ausstattung versehen
wurde. Insoweit sind auch die türhohe Fliesung, die Bodenverfliesung und das
Vorhandensein einer Einbaubadewanne unstreitig. Auch wenn insoweit der Einbau erst in
den neunziger Jahren erfolgt ist, kann von einem neuzeitlichen Standard ausgegangen
werden, denn dieser liegt nicht nur vor, wenn in den letzten 5 bis 10 Jahren ein neuer
Badeinbau vorgenommen wurde. Unter neuzeitlichem Standard ist nämlich ein solcher
Standard zu versehen, der den heutigen Ansprüchen und Voraussetzungen einer
Mietwohnung entspricht. Nicht erforderlich ist hierfür, dass die Ausstattungsmerkmale
einer bestimmten Qualitätsausgestaltung oberhalb der mittleren Art im Sinne von § 243
Abs. 1 BGB entsprechen müssen. Wenn nämlich noch besondere Qualitätsmerkmale
vorliegen würden, so kämen über das Sondermerkmal modernes Bad die im einzelnen
aufgeführten wohnwerterhöhenden Merkmale der Merkmalsgruppe 1 in Betracht. Im
vorliegenden Fall aber reicht es, wenn die normalen Voraussetzungen eines modernen
Bades vorliegen, die auch dadurch gegeben sind, z. B. ein Stand-WC eingebaut ist und
dass eine normale nicht nur hochwertige Sanitärausstattung gegeben ist.
Auch die übrigen Voraussetzungen für die verlangte Mieterhöhung liegen vor.
Insbesondere ist die Kappungsgrenze eingehalten; der Mietzins war auch seit über 15
Monaten unverändert.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Ziffer 11, 711
ZPO.
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