Urteil des AG Tiergarten vom 01.07.2006

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Gericht:
AG Tiergarten
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 C 397/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 558 BGB
Mieterhöhung bei Wohnraum: Beurteilung von
Wohnwertmerkmalen der Orientierungshilfe zum Berliner
Mietspiegel 2005
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, einer Erhöhung der Miete auf 303,83 Euro monatlich
netto/kalt zum 01. Juli 2006 für die von ihm innegehaltene Wohnung im Hause T straße
..., ... B, gelegen im 2. Obergeschoss links, zuzustimmen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 32 %, der Beklagte 68 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 300,00 Euro abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Klägerin wird nachgelassen, die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der vollstreckbaren Kosten abzuwenden, wenn
nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist die im Grundbuch eingetragene Eigentümerin des im Urteilstenor zu
Ziffer 1. näher bezeichneten Hausgrundstückes. Der Beklagte hat mit Mietvertrag vom
03. Februar 1999 die diesbezügliche Wohnung gemietet. Das Objekt wurde 1961
bezugsfertig. Die Wohnung liegt in mittlerer Wohngegend und umfasst eine Fläche von
70,33 qm. Sie verfügt über ein Bad und WC sowie eine Sammelheizung. Die Wände im
Bad sind nicht überwiegend gefliest. In der Küche befindet sich eine komplette
Einbauküche mit Ober- und Unterschränken. Bodenfliesen sind jedoch nicht vorhanden.
Weiter ist vorhanden ein Elektroherd mit Ceranfeld , eine Dunstabzugshaube und eine
Spüle. Im Einverständnis beider Parteien hatte die Klägerin im Jahre 2001 die
Einbauküche angeschafft und als Modernisierungszulage die Nettomiete um 50,00 DM
erhöht. Ausweislich der Anlage K 6 vom 06. Juni 2001 hat sich der Beklagte hiermit
einverstanden erklärt. Im Haus befindet sich zwar ein Kabelanschluss, dieser kann aber
nur auf Grund eines Vertrages mit einer Betreiberfirma frei geschaltet werden. Die Be-
und Entwässerungsinstallation liegt hinsichtlich der Wohnung überwiegend auf Putz. Im
Jahre 2004 erfolgte auf Grund einer Ankündigung eine Erneuerung der Heizanlage. Die
Klägerin legte ausweislich der Mieterhöhungserklärung vom 23. September 2004 11 %
der Kosten um und erhöhte die Miete um 4,92 Euro. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Anlage B 3 Bezug genommen. Der Beklagte erklärte sich mit der diesbezüglichen
Erhöhung ab 01. Dezember 2004 einverstanden. Die Hauseingangstür ist versehen mit
einem elektrischen Türöffner. Sie kann auf Anforderung geöffnet werden, aber nicht
durch einen Schlüssel separat verriegelt werden.
Die Nettokaltmiete hinsichtlich der Wohnung des Beklagten betrug am 01. Juli 2003
276,10 Euro. Mit Schreiben vom 23. April 2006 verlangte die Klägerin vom Beklagten die
Zustimmung zu einer Mieterhöhung der Nettokaltmiete von 281,02 Euro um 33,76 Euro
auf 314,78 Euro. Zur Begründung hat die Klägerin verwiesen auf den Berliner Mietspiegel
2005 und hier auf das Mietspiegelfeld H 6. Wegen der Einzelheiten wird auf die Erklärung
aus der Anlage K 2 Bezug genommen.
Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin den Beklagten weiterhin auf Erhöhung in
Anspruch.
Sie ist der Auffassung, die verlangte Miete übersteige die ortsübliche Vergleichsmiete
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Sie ist der Auffassung, die verlangte Miete übersteige die ortsübliche Vergleichsmiete
nicht. Hierzu behauptet sie, hinsichtlich der Küche liege das Sondermerkmal der
modernen Einbauküche vor. Im Übrigen befänden sich Wandfliesen im Arbeitsbereich.
Die Wohnräume seien überwiegend gut belichtet und besonnt. Es befände sich auch ein
Abstellraum innerhalb der Wohnung. Der Balkon sei geräumig. Im Übrigen liege ein
überdurchschnittlicher Instandhaltungszustand des Gebäudes vor.
Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens ein Freistellungsanspruch hinsichtlich
außergerichtlicher Kosten ihres Prozessbevollmächtigten zurückgenommen.
Sie beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, der Erhöhung der Miete von derzeit 281,02 Euro
netto/kalt um 33,76 Euro auf 314,78 Euro netto/kalt zum 01. Juli 2006 für die von ihm
innegehaltene Wohnung im Objekt T straße ..., ... B, gelegen im 2. OG links,
zuzustimmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, eine funktionsfähige Badewanne oder Dusche sei nicht vorhanden, so
dass das Ausstattungsmerkmal Bad oder Dusche fehle und die Wohnung daher nicht in
das Mietspiegelfeld H 6 einzuordnen sei. Im Übrigen seien die Modernisierungszuschläge
unwirksam, so dass von einer Nettokaltmiete von 250,53 Euro auszugehen sei.
Im Übrigen würden die Fenster der Wohnung lediglich eine einfache Verglasung
aufweisen. Die Elektroinstallation sei unzureichend, denn die Wohnung sei mit einer so
genannten Zweidrahttechnik mit Elektrokabeln ausgelegt. Eine Waschmaschine sei
weder im Bad noch in der Küche stell- oder anschließbar. Im Übrigen sei die
Hauseingangstür nicht abschließbar. Eine moderne Gegensprechanlage mit elektrischen
Türöffnern sei nicht vorhanden. Schließlich sei die Wärmedämmung des Gebäudes
unzureichend, da mit einem einfachen Putz versehen. Die Müllstandsflächen seien
ungepflegt und offen. Schließlich liege die Wohnung an einer Schienenstrecke mit hoher
Lärmbelastung. Bedingt durch die Öffnung des Berliner Hauptbahnhofes im Sommer
2006 sei der Schienenverkehr am S-Bahnhof B in ca. 220 m Entfernung von der
Wohnung des Beklagten sprunghaft angestiegen.
Das Gericht hat Beweis erhoben auf Grund des Beweisbeschlusses vom 22. November
2006 durch Einnahme des Augenscheins hinsichtlich der Wohnung des Beklagten.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 07.
Dezember 2006 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zum Teil begründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung
gemäß § 558 BGB bis zur Höhe von 303,83 Euro zu.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nämlich zur Überzeugung des Gerichts
fest, dass sich die ortsübliche Vergleichsmiete auf diesen Wert beläuft. Dabei war
hinsichtlich der Beweislage vom Berliner Mietspiegel 2005 auszugehen, der gleichsam
einem antizipierten Sachverständigengutachten hinreichende Anhaltspunkte für die
Einordnung der streitgegenständlichen Wohnung enthält und demgemäß einem
anderweitigen Sachverständigengutachten überlegen ist. Hinsichtlich der Einordnung der
streitgegenständlichen Wohnung war vom Mietspiegelfeld H 6 auszugehen. Insoweit ist
unstreitig, dass die Wohnung 1961 errichtet wurde. Darüber hinaus hat sie Bad und
Sammelheizung. Dabei kann dahinstehen, inwieweit die Versorgung mit Warmwasser
ausreichend ist, denn hier kommt es allein auf die Einrichtung mit einem
Handwaschbecken, einer Toilette und einer Duschbadewanne an.
Die ortsübliche Vergleichsmiete aber beläuft sich nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme und anhand der Orientierungshilfe zum Berliner Mietspiegel 2005 auf
303,83 Euro und wegen der Größe der Wohnung von 70,33 qm damit auf 4,32 Euro/qm
und damit auf den Mittelwert des diesbezüglichen Rasterfeldes. Insoweit ist nämlich die
Merkmalgruppe 1 unstreitig negativ besetzt, die Merkmalgruppe 2 positiv und die
anderen Merkmalgruppen jeweils als ausgeglichen zu bewerten. Das Bad ist unstreitig
hinsichtlich der Wände überwiegend nicht gefliest, so dass die Merkmalgruppe insgesamt
negativ zu bewerten ist.
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In der Küche ist eine komplette Einbauküche mit Ober- und Unterschränken vorhanden,
so dass die Merkmalgruppe als positiv besetzt ist. Wohnwertmindernde Merkmale sind
seitens des Beklagten nicht vorgetragen. Das Sondermerkmal "Moderne Einbauküche"
liegt nicht vor, denn insoweit sind Bodenfliesen nicht vorhanden.
Die Merkmalgruppe "Wohnung" ist als neutral zu bewerten. Eine Einfachverglasung liegt
nicht vor, denn durch Augenschein des Gerichts wurde festgestellt, dass sich
Holzverbundfenster in der Wohnung befinden. Diese sind aus doppeltem Glas und haben
insoweit entscheidend höheren Schall- und Wärmschutz gegenüber Einfachfenstern. Von
einer unzureichenden Elektroinstallation kann auch nicht ausgegangen werden, denn der
Beklagte hat nicht dargelegt, welche einzelnen elektrischen Geräte er nicht betreiben
kann. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Elektroinstallation mit einer Zwei- oder
Dreidrahttechnik ausgelegt ist. Auch liegt das wohnwertmindernde Merkmal einer nicht
stellbaren Waschmaschine in Bad oder Küche nicht vor. Zwar kann der Beklagte im Bad
nach der Augenscheinseinnahme eine Waschmaschine nicht stellen und auch in der
Küche im Moment nicht mehr. Allerdings hatte der Beklagte bei Einrichtung der
Einbauküche durchaus die Möglichkeit, eine Waschmaschine im Unterbau im Rahmen
der Küchenzeile zu stellen. Er hat dann jedoch einen Geschirrspüler vorgezogen, so dass
er sich selbst die Stellmöglichkeit genommen hat. Allerdings liegen zwei
wohnwertmindernde Merkmale dadurch vor, dass unstreitig die Be- und
Entwässerungsinstallation überwiegend auf Putz gelegt ist und dass ein
Breitbandkabelanschluss nicht besteht. Zwar ist die Möglichkeit des Kabelanschlusses in
der Wohnung ausgelegt, diese Möglichkeit ist aber nur nutzbar, wenn ein separater
Vertrag mit einem Kabelbetreiber geschlossen wird. Damit liegt keine Vermieterleistung
vor, so dass insoweit von einer Wohnwertminderung auszugehen ist. Diese beiden
mindernden Merkmale werden jedoch aufgehoben durch die positiven Merkmale
dergestalt, dass die Wohnräume überwiegend gut belichtet und besonnt sind und ein
Abstellraum in der Wohnung vorhanden ist. Von der guten Belichtung hat sich das
Gericht anlässlich der Augenscheinseinnahme überzeugt. Insoweit war sowohl das
Wohnzimmer wie auch das Schlafzimmer gut belichtet, so dass in der Mitte des
jeweiligen Zimmers ohne Beleuchtung ein Zeitungslesen möglich gewesen wäre. Auch
ist ersichtlich gewesen, dass bei den nach Süden gerichteten Fenstern bereits ab
mittags eine Sonneneinstrahlung stattfinden kann. Durch die Augenscheinseinnahme ist
auch festgestellt worden, dass sich ein Abstellraum innerhalb der Wohnung befindet.
Dabei kommt es nicht auf die Größe an, denn auch die vorhandene Nische von ca. 1 qm
stellt einen derartigen Abstellraum dar. Er ist von drei Wänden umgeben, wobei auch
unbeachtlich ist, ob der Abschluss durch eine Tür, durch einen Vorhang oder durch eine
Jalousie erfolgt. Weitere wohnwerterhöhende Merkmale sind nicht vorhanden, denn der
Balkon hat sich nach Augenscheinseinnahme nicht als geräumig erwiesen. Zwar sind
dort ein kleiner Tisch und drei Stühle stellbar; das Heraustreten auf den Balkon und das
Hereintreten in die Wohnung wird aber dadurch erschwert, dass bei einer derartigen
Stellung von Gegenständen die Tür versperrt ist. Insofern können höchstens zwei
Personen den Balkon ungehindert benutzen, so dass von einer Geräumigkeit nicht
ausgegangen werden kann.
Auch die Merkmalgruppe 4 des Gebäudes ist als ausgeglichen anzusehen. Unstreitig ist
als wohnwertminderndes Merkmal die fehlende moderne Gegensprechanlage
anzusehen. Ein weiteres wohnwertminderndes Merkmal findet sich nicht. Die
Hauseingangstür ist zwar nicht durch einen Schlüssel abschließbar, sie ist jedoch als
verschlossen zu betrachten, so dass dem Schutzbedürfnis der Mieter genauso
Rechnung getragen wird, wie bei einer abschließbaren Hauseingangstür. Da die
Hauseingangstür erst auf Anforderung durch einen elektrischen Türöffner zu öffnen ist,
liegt die gleiche Schutzvorrichtung vor, als wenn die Hauseingangstür zuvor
verschlossen und dann mit einem Schlüssel geöffnet werden kann. Ein Verschließen
dieser elektrischen Türöffnung mittels eines Schlüssels aber würde dem Komfort einer
elektrischen Türöffnung wieder zunichte machen. Ein unzureichende Wärmedämmung
vermochte das Gericht nicht festzustellen, denn der Beklagte hat insoweit hierzu nicht
substantiiert vorgetragen. Dass der Putz dem entspricht, wie er bei Errichtung des
Hauses war, stellt allein keine unzureichende Wärmdämmmaßnahme dar. Darüber
hinaus liegt auch keine Heizanlage mit ungünstigem Wirkungsgrad vor, denn der Einbau
der Heizanlage erfolgte unstreitig im Jahre 2004. Hieraus aber ergibt sich sogar das
wohnwerterhöhende Merkmal des Einbaus einer modernen Heizanlage nach 1994.
Damit aber ist die Merkmalgruppe ausgeglichen. Ein überdurchschnittlicher
Instandhaltungszustand des Gebäudes vermochte das Gericht im Termin vom 07.
Dezember 2006 nicht festzustellen, da die Fassade dem Erhaltungszustand der
umliegenden Gebäude entspricht.
Auch die Merkmalgruppe des Wohnumfeldes ist als ausgeglichen anzusehen. Die
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Auch die Merkmalgruppe des Wohnumfeldes ist als ausgeglichen anzusehen. Die
Wohnung liegt nicht an einer Straße oder Schienenstrecke mit hoher Verkehrsbelastung,
denn im Straßenverzeichnis ist die T straße nicht aufgeführt. Das Gericht vermochte
auch keine besondere Beeinträchtigung durch Geräusche festzustellen. Zwar sind vom
Balkon aus die Geräusche der Bahn in der Nähe des S-Bahnhofes B feststellbar. Diese
Geräusche können aber in der Wohnung nicht weiter vernommen werden, so dass keine
übermäßige Geräuschentwicklung konstatiert werden kann. Im Übrigen würde jedes
durchfahrende Auto auf der Straße mehr Lärm machen als Geräusche von der
Bahnstrecke, so dass von einer ortsüblichen Belastung auszugehen ist. Ein ungepflegte
und offene Müllstandsfläche vermochte das Gericht anlässlich des Ortstermins auch
nicht festzustellen.
Die übrigen Voraussetzungen des Mieterhöhungsverlangens liegen vor. Insbesondere
durfte die Klägerin von der Nettomiete von 281,02 Euro am 01. Juli 2005 ausgehen. Die
diesbezüglichen beiden Mieterhöhungen aus den Jahren 2001 und 2004 sind
einverständlich zwischen den Parteien zu Stande gekommen. Insoweit hat die Klägerin
keine einseitige Erhöhung durchgeführt, die das Gericht gegebenenfalls auf ihre
Wirksamkeit zu untersuchen hätte, sondern der Beklagte hat sich einverstanden erklärt
und den diesbezüglich angeforderten Mietzins auch in der Folgezeit entsprechend
gezahlt. Damit besteht keine Veranlassung, dass sich der Beklagte nunmehr auf eine
Unwirksamkeit berufen kann. Darüber hinaus ist auch die Kappungsgrenze eingehalten,
denn die verlangte Erhöhung liegt weiter unter dieser Kappungsgrenze.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs.1, 708 Ziffer 11, 711
ZPO.
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