Urteil des AG Tiergarten vom 14.03.2017

AG Tiergarten: reformatio in peius, gesamtstrafe, bewährung, vollstreckung, ware, anbieter, einwirkung, aussetzung, haftstrafe, betrug

1
2
3
4
Gericht:
AG Tiergarten
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
(257 Ds) 3012 PLs
1023/06 (309/07)
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 53 StGB, § 55 StGB, § 263 Abs
1 StGB, § 3 StPO, § 4 StPO
Nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach durchgeführter
Revision: Geltung des Verschlechterungsverbotes; Einbeziehung
einer Bewährungsstrafe
Leitsatz
1. Nach erfolgreich durchgeführter Revision des Angeklagten verstößt die Verbindung und
anschließende gemeinsame Entscheidung der zurückverwiesenen Sache mit einem weiteren
erstinstanzlich anhängigen Verfahren durch Verhängung einer Gesamtstrafe jedenfalls dann
nicht gegen das Verbot der Schlechterstellung, wenn die Verfahrensverbindung gemäß §§ 3,
4 StPO und nicht lediglich nach § 237 StPO erfolgt und die originäre Zuständigkeit des
Gerichts für beide Verfahren gegeben ist sowie eine Gesamtstrafe auch bei unterlassener
Rechtsmitteleinlegung zu bilden gewesen wäre.
2. In diesem Fall verstößt auch nicht die Versagung einer im aufgehobenen erstinstanzlichen
Urteil gewährten Strafaussetzung zur Bewährung gegen das Verbot der reformatio in peius,
wenn die Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem weiteren erstinstanzlichen Verfahren nicht
zur Bewährung auszusetzen ist.
Tenor
Die Angeklagte wird wegen Betruges in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
9 – neun – Monaten
verurteilt.
Sie hat die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen des Revisionsverfahrens zu
tragen.
Gründe
I.
Nachdem das Verfahren in der Verhandlung vor dem Amtsgericht Tiergarten –
Aktenzeichen 256 Ds 20/07 – am 26. April 2007, in welcher die anwesende Angeklagte
eine schriftliche Einlassung über ihren Verteidiger als Anlage zum
Hauptverhandlungsprotokoll hat nehmen lassen, ausgesetzt worden ist, hat das
Amtsgericht Tiergarten die Angeklagte in dieser Sache aufgrund der Sitzungen vom 20.
August und 6. September 2007 am 6. September 2007 wegen Betruges in drei Fällen
(§§ 263 Abs. 1, 53, 21, 56 Abs. 1 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben
Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
In den Urteilsgründen heißt es hierzu unter V. wie folgt:
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
Auf die gegen dieses Urteil eingelegte Revision der Angeklagten hat das Kammergericht
– (4) 1 Ss 524/07 (74/08) – das vorbezeichnete Urteil mit Beschluss vom 7. Mai 2008 mit
den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere
Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten zurückverwiesen.
II.
Die hierauf erneut durchgeführte Beweisaufnahme hat zu den folgenden Feststellungen
geführt:
Zwischen dem 2. November 2005 und dem 30. Juni 2007 bestellte die Angeklagte in
Berlin bei den folgenden Anbietern die aufgeführten Waren zu den angegebenen
Gesamtverkaufspreisen (exklusive Versandkosten, inklusive Mehrwertsteuer) unter
Angabe ihrer Kontoverbindung zur Teilnahme am Lastschriftverfahren. Im irrtümlichen
Vertrauen auf die Zahlungswilligkeit der Angeklagten veranlassten die jeweiligen
Mitarbeiter der Anbieter die Auslieferung an die Angeklagte. Nach Empfang der Ware
durch die Angeklagte blieb die Zahlung indes – wie von der Angeklagten von Anfang an
beabsichtigt – aus.
Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden vier Fälle:
III.
1.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und zum bisherigen
Verfahrensverlauf beruhen auf den wenigen, insoweit aber glaubhaften Angaben der
Angeklagten, auf dem verlesenen Bundeszentralregisterauszug vom 12. Juni 2008, auf
dem auszugsweise verlesenen Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 6. September
2007 – 256 Ds 20/07 – nebst dem ebenfalls auszugsweise verlesenen
Hauptverhandlungsprotokoll vom 29. April 2007 und auf dem ebenfalls verlesenen
Beschluss des Kammergerichts – (4) 1 Ss 524/07 (74/08) – vom 7. Mai 2008.
2.
Zum Vorwurf zu 4. hat die Angeklagte in der Hauptverhandlung keine Angaben
gemacht.
3.
4.
IV.
1.
Nach den getroffenen Feststellungen ist die Angeklagte des Betruges in vier Fällen
gemäß § 263 Abs. 1 schuldig. Die vier Fälle (1. bis 4.) stehen im Verhältnis der
Tatmehrheit zueinander, § 53 StGB.
Grundsätzlich sieht das Gesetz für einen Betrug gemäß § 263 Abs. 1 StGB einen
Strafrahmen von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor.
2.
Hinsichtlich der Taten zu 1. bis 3. war das Gericht jedoch gemäß § 358 Abs. 2 Satz 1
StPO insofern an die vom Amtsgericht Tiergarten im Urteil vom 6. September 2007
festgesetzten Einzelstrafen gebunden, als es diese – trotz Verneinung verminderter
Schuldfähigkeit – nicht erhöhen durfte.
Die Verbindung des die Tat zu 4. betreffenden Verfahrens – früheres Aktenzeichen: 257
Ds 162/08 – zu dem vom Kammergericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
an das Amtsgericht Tiergarten zurückverwiesenen Verfahren war gemäß §§ 3, 4 StPO
17
18
19
20
an das Amtsgericht Tiergarten zurückverwiesenen Verfahren war gemäß §§ 3, 4 StPO
zulässig. Insofern handelt es sich im Rahmen der Zurückverweisung – welche hier zudem
in vollem Umfang erfolgt ist – um zwei erstinstanzliche Verfahren, so dass es für die
Zulässigkeit der Verfahrensverbindung nicht darauf ankommt, dass in einem der beiden
Verfahren bereits ein – aufgehobenes – erstinstanzliches Urteil ergangen ist (vgl. BGHSt
25, 51, 51 ff. sowie BGHSt 36, 348, 348 ff.). Zudem wäre eine Verfahrensverbindung
auch dann zulässig, wenn man trotz der vollständigen Zurückverweisung von Verfahren
in unterschiedlichen Instanzen ausginge, da hier auch für das hinzu verbundene
Verfahren die originäre Zuständigkeit desselben Gerichts bestanden hat (insofern liegt
gerade kein Fall wie in BGHSt 38, 172, 172 ff. vor). Die Verfahren zu den Taten zu 1. bis
3. einerseits und 4. andererseits betreffen nicht nur ausschließlich die Angeklagte und
stets dasselbe Delikt. Vielmehr liegt auch jeweils eine vergleichbare Tatbegehung vor, so
dass der für eine Verbindung gemäß §§ 3, 4 StPO erforderliche Zusammenhang
gegeben war.
Doch auch bei der gemäß §§ 53, 54 StGB zu bildenden Gesamtstrafe war das Gericht
insofern nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO an die vom Amtsgericht Tiergarten im Urteil vom
6. September 2007 festgesetzte Gesamtstrafe gebunden, als es diese höchstens um
die gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 StGB erniedrigte Einzelstrafe bezüglich der aus dem hinzu
verbundenen Verfahren stammenden Tat zu 4. erhöhen durfte. Da das Verfahren die Tat
zu 4. betreffend gemäß §§ 3, 4 StPO und nicht lediglich nach § 237 StPO hinzu
verbunden worden ist, war eine gemeinsame Entscheidung mit einer entsprechenden
Gesamtstrafenbildung zulässig und aufgrund der Konzentrationsmaxime geboten
(BGHSt 37, 15, 15 ff.). Dass durch die spätere Verfahrensverbindung letztlich die
Verurteilung zu einer gegenüber dem mit der Revision erfolgreich angegriffenen
erstinstanzlichen Urteil höheren Gesamtstrafe erfolgen kann, ist die notwendige Folge
der Anwendung der §§ 3, 4 StPO und kein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot
des § 358 Abs. 2 StPO. Denn unter Beachtung der vorgenannten Grenzen werden die
Rechtsfolgen aus dem angegriffenen Urteil jedenfalls dann weder nach Art noch Höhe
zum Nachteil der Angeklagten geändert – und nur insoweit gilt das in § 358 Abs. 2 StPO
normierte Verbot der reformatio in peius, vgl. BGHSt 45, 308, 308 ff. –, wenn auch ohne
das Rechtsmittel der Angeklagten eine Gesamtstrafe – wie vorliegend – mit der Strafe
aus dem angegriffenen Urteil zu bilden gewesen wäre (vgl. für die Berufung m.w.N.
Fischer, StPO, 51. Aufl. 2008, § 331, Rn. 19). In diesem Fall kann dem Richter im Urteil
nicht verwehrt sein, wozu er im Beschlusswege ohnehin gemäß § 55 StGB und § 460
Satz 1 StPO befugt und verpflichtet wäre.
3.
Aufgrund der folgenden in der Persönlichkeit der Angeklagten liegenden und in ihren
Taten zum Ausdruck kommenden Umstände hielt das Gericht hinsichtlich der Taten zu
1. bis 3. jeweils ausnahmsweise die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen (§ 47 Abs. 1
StGB) zur Einwirkung auf die Angeklagte für unerlässlich:
Seit 1996 wurde die Angeklagte bereits viermal wegen (versuchten) Betruges zu Geld-
und Freiheitsstrafen verurteilt. Weder eine zunächst zur Bewährung ausgesetzte – nach
zweimaliger Verlängerung der Bewährungszeit letztlich aber doch vollstreckte – noch
eine weitere vollstreckte Freiheitsstrafe in beachtlicher Höhe vermochten die Angeklagte
von der Begehung weiterer einschlägiger Straftaten abzuhalten. Zwar betrifft die jüngste
Verurteilung vom 12. März 2002 eine zuletzt im August 2001 begangene und damit
bereits über vier Jahre vor der ersten hier zu beurteilenden betrügerischen Bestellung
liegende Tat. Gleichwohl muss die Angeklagte als schlicht unbelehrbar bezeichnet
werden, wenn sie nach Verbüßung einer mehrmonatigen Haftstrafe, welcher eine
Verurteilung wegen (versuchten) Betruges in zwölf Fällen zugrunde lag, bereits
anderthalb Jahre später erneut eine einschlägige Straftat begeht, an welche sich zwei
weitere binnen eines weiteren halben Jahres anschließen. Anhaltspunkte dafür, dass sich
die Lebensumstände der Angeklagten seit Begehung der Taten positiv geändert hätten
und die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen insofern nicht mehr zwingend erforderlich
wäre, waren nicht ersichtlich. Aber auch im Hinblick auf die Art der bestellten Ware –
Schlankheitspillen, Hundefutter sowie Sportschuhe und ein Trikot können schwerlich als
überlebenswichtige Güter bezeichnet werden – und angesichts dessen, dass die von der
Angeklagten jeweils verursachten Schäden den Bagatellbereich überschreiten, machen
auch die zugunsten der Angeklagten zu berücksichtigenden Umstände die Verhängung
jeweils kurzer Freiheitsstrafen nicht entbehrlich.
So war jeweils lediglich bezüglich der Höhe der kurzen Freiheitsstrafe strafmildernd zu
berücksichtigen, dass sämtliche Taten bereits – ohne Verschulden der Angeklagten –
erhebliche Zeit zurückliegen und es sich bei einem „Bestellbetrug“ grundsätzlich um
keine besonders schwere Form der Kriminalität handelt, zumal dem missbräuchlich
21
22
24
25
26
27
28
29
30
31
23
keine besonders schwere Form der Kriminalität handelt, zumal dem missbräuchlich
Bestellenden durch die Anbieter keine schwer zu überwindenden Hürden gesetzt werden.
Vielmehr wurde es der Angeklagten denkbar einfach gemacht, die bestellte Ware ohne
Zahlungsabsicht für sich zu verwenden. Außerdem ist das Gericht im Hinblick auf die
eidesstattliche Versicherung vom 27. Oktober 2005 zugunsten der Angeklagten davon
ausgegangen, dass sich diese bei Begehung der Taten in einer jeweils schwierigen
finanziellen Situation befunden hat.
Die vorgenannten Aspekte hat das Gericht auch bei der Strafzumessung bezüglich der
Tat zu 4. entsprechend berücksichtigt. Hier sprach zudem der relativ hohe Schaden
gegen die Angeklagte. Erheblich strafschärfend hat das Gericht berücksichtigt, dass die
Angeklagte ihre betrügerischen Bestellungen selbst nach der begonnenen
Hauptverhandlung – das entsprechende Hauptverhandlungsprotokoll wurde
auszugsweise verlesenen – bezüglich der Taten zu 1. bis 3. am 26. April 2007, in welcher
die Angeklagte über ihren Verteidiger sogar eine Einlassung zu Protokoll nehmen ließ,
dreist fortgesetzt hat.
Unter Abwägung sämtlicher für und gegen die Angeklagte sprechender Umstände hielt
das Gericht die Verhängung der folgenden Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen:
Hieraus hat das Gericht gemäß §§ 53, 54 StGB und unter Beachtung der vorgenannten
Strafrahmenbegrenzung durch das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 6.
September 2007 eine ebenfalls tat- und schuldangemessene Gesamtfreiheitsstrafe von
neun Monaten
gebildet und hierbei den engen sachlichen Zusammenhang zwischen allen vier Taten
und die relativ kurzen Abstände zwischen den Taten zu 1. bis 3. durch eine entsprechend
straffe Zusammenziehung der Einzelstrafen berücksichtigt.
4.
Trotz der der Angeklagten vom Amtsgericht Tiergarten im Urteil vom 6. September 2007
gewährten Strafaussetzung zur Bewährung hatte das Gericht vorliegend eine
eigenständige Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung der erkannten
Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 56 Abs. 1 StGB zu treffen.
Insofern kann dahinstehen, ob das Gericht gemäß § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO an die vom
Amtsgericht Tiergarten im Urteil vom 6. September 2007 gewährte Strafaussetzung
gebunden gewesen ist (obwohl es sich hierbei um eine Frage der Vollstreckung und
keine Rechtsfolge im engeren Sinne handelt, im Hinblick auf die zumindest faktische
Schlechterstellung z.B. dafür Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl. 2003, § 331 Rn. 77 ff.).
Denn aufgrund der – zulässigen und gebotenen (s.o.) – Verbindung des Verfahrens
bezüglich der Tat zu 4. hatte das Gericht gemäß § 53 StGB eine entsprechende
Gesamtstrafe mit den Taten zu 1. bis 3., welche bereits Gegenstand des Urteils des
Amtsgerichts Tiergarten vom 6. September 2007 gewesen sind, zu bilden. Da die Tat zu
4. noch nicht Gegenstand des Urteils des Amtsgerichts Tiergarten vom 6. September
2007 gewesen ist, konnte dieses Urteil das Gericht nunmehr jedenfalls dann auch nicht
bezüglich der Frage der Aussetzung der Vollstreckung der nun erkannten Gesamtstrafe
binden, wenn das ursprüngliche Gericht nicht bewusst von der Verfahrensverbindung und
anschließenden Bildung einer entsprechenden Gesamtstrafe abgesehen hat. Am 6.
September 2007 ist dem Gericht die Bildung einer entsprechenden Gesamtstrafe
bereits deshalb nicht möglich gewesen, weil bezüglich der Tat zu 4. erst am 22. Februar
2008 Anklage erhoben worden ist.
In einer derartigen Konstellation verstößt die Verweigerung einer (erneuten)
Strafaussetzung zur Bewährung auch nicht gegen das Verbot der reformatio in peius
gemäß § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO. Insbesondere gewährt § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO der
Angeklagten jedenfalls dann keinen – mit den Regelungen der §§ 53, 55 StGB in
Widerspruch stehenden – „Schutz“ vor der erstmaligen Bildung einer Gesamtstrafe mit
weiteren Strafen aus anderen Entscheidungen oder Einzelstrafen im späteren Verfahren,
wenn eine derartige Gesamtstrafenbildung vom ursprünglichen Gericht nicht – so auch
vorliegend – bewusst unterblieben ist (vgl. BGH in NStZ-RR 1997, 228, 228 f.).
Im Übrigen ist die Angeklagte durch eine entsprechende Gesamtstrafenbildung auch
jedenfalls dann nicht schlechter gestellt, wenn auch ohne Einlegung eines Rechtsmittels
– wie hier – eine dann nachträgliche Gesamtstrafe gemäß § 55 StGB zu bilden gewesen
32
33
34
35
36
37
– wie hier – eine dann nachträgliche Gesamtstrafe gemäß § 55 StGB zu bilden gewesen
wäre. Wäre aus den drei Einzelstrafen der Gesamtstrafe aus dem Urteil vom 6.
September 2007 und der Einzelstrafe zur Tat zu 4., deren Vollstreckung nicht zur
Bewährung ausgesetzt worden wäre, nachträglich gemäß § 460 StPO, § 55 StGB durch
Beschluss oder Einbeziehung eine Gesamtstrafe zu bilden gewesen wäre, hätte auch
diese Gesamtstrafe unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Schlechterstellung nicht
zur Bewährung ausgesetzt werden müssen. Auch insofern gilt, dass dem durch Urteil
entscheidenden Richter nicht verwehrt sein kann, was dem (nachträglich) durch
Beschluss (oder einbeziehendes Urteil) entscheidenden Richter möglich ist.
5.
Die erkannte Gesamtfreiheitsstrafe konnte nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt
werden, da nicht zu erwarten stand, dass sich die Angeklagte schon die Verurteilung zur
Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine
Straftaten mehr begehen wird (§ 56 Abs. 1 StGB).
Die Angeklagte ist bereits wiederholt wegen einschlägiger Straftaten verurteilt worden.
Nachdem sich die Angeklagte schon nicht hinreichend von der durch Urteil vom 10. Juni
1996 verhängten, erheblichen Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren
Vollstreckung zunächst zur Bewährung ausgesetzt wurde, hat beeindrucken lassen, so
dass die Strafaussetzung nach zweimaliger Verlängerung der Bewährungszeit letztlich
widerrufen werden musste, ist sie lediglich anderthalb Jahre nach Verbüßung einer
weiteren Haftstrafe, welcher zudem eine einschlägige Verurteilung zugrunde lag, erneut
und binnen eines weiteren halben Jahres abermals mehrfach und wieder einschlägig
straffällig geworden. Selbst das bereits laufende gerichtliche Verfahren bezüglich der
Taten zu 1. bis 3. vermochte die Angeklagte offensichtlich nicht von der Begehung einer
weiteren und wieder einschlägigen Tat, der Tat zu 4., abzuhalten.
Bei einer mehrfach und einschlägig vorbestraften Angeklagten, welche bereits eine
frühere Bewährungsprobe nicht bestanden hat, sind an die tatsächlichen
Voraussetzungen für eine günstige Prognose erhöhte Anforderungen zu stellen (vgl.
Kammergericht, Urteil vom 13. Dezember 2006, Aktenzeichen (5) 1 Ss 305/06 (49/06);
zitiert nach Juris).
Derartige Voraussetzungen waren indes nicht erkennbar. Zwar hat die Angeklagte in der
Hauptverhandlung – bevor sie durch ihren Verteidiger mit der Erklärung unterbrochen
worden ist, dass weitere Angaben zu den persönlichen Verhältnissen nicht gemacht
werden – andeutungsweise von einer in Aussicht stehenden Arbeit gesprochen, so dass
das Gericht zugunsten der Angeklagten tatsächlich von einer in Betracht kommenden
Beschäftigung ausgehen konnte. Gleichwohl genügt diese vage Aussicht noch nicht, um
eine hinreichende soziale Stabilisierung und erhebliche Änderung der Lebensumstände
der Angeklagten seit Begehung der Taten zu 1. bis 4. annehmen zu können.
Weitere Tatsachen, welche dem Gericht eine positive Sozialprognose erlaubt hätten,
waren nicht ansatzweise ersichtlich. Da das Gericht ohne hinreichende Anhaltspunkte
eine günstige Sozialprognose auch im Rahmen des § 56 Abs. 1 StGB nicht einfach
fingieren kann, vermochte es nicht davon auszugehen, dass sich die Angeklagte nun –
entgegen ihrem bisherigen Verhalten – aufgrund dieses Urteils künftig straffrei führen
wird.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1 Satz 1, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Die
Angeklagte wurde umfassend verurteilt, die von ihr gegen das Urteil des Amtsgerichts
Tiergarten vom 6. September 2007 eingelegte Revision ist letztlich überwiegend erfolglos
geblieben. Gegenüber den vom Amtsgericht Tiergarten mit Urteil vom 6. September
2007 erkannten Einzelstrafen hat das Gericht in Anbetracht dessen, dass es die
Einzelstrafe für die Tat zu 3. unverändert belassen und nur die übrigen Einzelstrafen der
Taten zu 1.. und 2. reduziert hat, nunmehr lediglich geringfügig mildere Strafen
verhängt.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum